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„Was ist mit Vandell?“, fragte Squall mit zitternder Stimme. Er spürte, wie Cifer neben ihn trat. „Du musst ihm helfen, Odin!“, meinte er ebenfalls. Von Vandells Leiche konnte man Hynes unterdrücktes Schluchzen hören. „Wieso? Wieso sollte ich das tun?“, fragte Odin verwundert. „Aber... er ist doch...“, stotterte Squall fassungslos. Cifer trat einen Schritt vor und hob drohend die Faust. „Du wirst ihm sein Leben zurückgeben, klar?“, fauchte er Odin an. Der wirkte etwas verwirrt. „Wie soll ich ihm das Leben schenken? Er ist doch noch am Leben!“, meinte er. Squall und Cifer fuhren überrascht zusammen. „Aber wieso wacht er nicht auf?“, fragte Squall leise. Odin hob die Schultern. „Der Ritter und Griever haben eine enge geistige Bindung. Wird der eine verletzt, verspürt auch der andere den Schmerz.“ Squall blinzelte. „Aber... Griever ist doch tot... und du sagst, Vandell ist noch am Leben?“ Er schüttelte den Kopf. „Sorry, ich steige aus.“
Odin legte den Kopf schief und sah ihn streng an. „Hast du schon vergessen, wie überrascht du warst, mich am Leben vorzufinden? Ich sagte dir doch, dass niemand eine G. F. töten kann.“ Er bedachte den goldenen Drachenkadaver, der sich langsam auflöste, mit einem finsteren Blick. „Niemand außer mir.“, fügte er hinzu.
„Aber er wird sterben, wenn du ihm nicht hilfst!“, schrie plötzlich Hyne. „Hast du denn schon vergessen, was er für dich getan hat, undankbare Kreatur?“ Squall und Cifer sahen sich verwirrt an. Squall beschloss, Hyne später zu fragen, was sie damit gemeint hatte. Odin schien zu überlegen. Dann nickte er. „Der Ritter der Schöpferin wird leben.“, versprach er. Dann war er verschwunden.
Plötzlich hörte Squall einen leisen Schrei. Als er herumwirbelte, sah er einen riesigen Vogel, dessen Gefieder in allen Regenbogenfarben glänzte. „Phönix!“, entfuhr es ihm.
Hyne sah zu dem riesigen Vogel auf. Ihre Stimme zitterte, als sie fragte: „Bitte... kannst du ihm helfen?“ Phönix antwortete nicht. Er breitete stattdessen seine Schwingen aus und erhob sich mit lautem Gekrächze in die Lüfte. Der Boden um Vandell und Hyne schien zu explodieren. Plötzlich schrie Vandell auf. Hyne drückte ihn fester an sich. Orange Flammen züngelten aus dem Boden und legten sich um Vandell und Hyne. Dann war es plötzlich wieder vorbei.
Vandell erhob sich langsam. Hyne fiel ihm mit einem Aufschrei um den Hals. Erschöpft, aber glücklich drückte er sie an sich.
Das Raumschiff wurde wieder sichtbar. Squall und Cifer traten neben Hyne und Vandell, die sich noch immer umarmten. Niemand achtete auf Gareth.
Der erhob sich wieder und brüllte: „Dafür werdet ihr bezahlen!“ Offenbar war seine Bindung zu dem Drachen nicht so stark gewesen, denn trotz Ashkrads Tod war er noch immer imstande, sie alle zu vernichten.
Hyne hielt Vandell zurück, der sich trotz seiner Erschöpfung auf ihren Vater stürzen wollte, und trat ihm allein gegenüber. „Du hasst mich, weil ich lieben kann? Weil ich Mitleid für diese armen Teufel empfinde, die dir dienen? Nur deshalb?“
„Nein!“, ertönte plötzlich eine weibliche Stimme aus einem der angrenzenden Gänge. „Das ist nicht der einzige Grund.“ Hynes Mutter trat aus den Schatten. Glyna trug einen ähnlichen Anzug wie Hyne. Ihr eisblaues Haar war zu einem langen Zopf geflochten. In einer Hand hielt sie eine Art Waffe.
„Er hasst dich, weil du alles darstellst, woran auch ich einmal geglaubt habe. Alles, woran die Rebellen glauben.“ Sie sah ihre Tochter liebevoll an. „Auch ich habe einst gegen ihn gekämpft. Doch anders als du habe ich mich von ihm kaufen lassen. Ich wollte Macht, und er hat sie mir gegeben. Aber als du geboren wurdest und begannst, dich gegen ihn aufzulehnen, begann ich wieder zu hoffen. Ich hoffte, dass nicht alles umsonst war.“ Sie richtete ihren Blick auf ihren Ehemann. „Als er dich hierher verbannte, trat ich einer der Widerstandsgruppen bei, die sich nach deinem Vorbild gebildet hatten. Seitdem habe ich auf eine Möglichkeit gewartet, ihn zu töten!“ Sie hob die Waffe. Hynes Vater kreischte schrill und versuchte, einen Schutzschild um sich aufzubauen, aber er hatte nicht mehr genug Kraft. Ein verheerender Energiestrahl traf ihn mit voller Wucht und schleuderte ihn gegen die Wand. Röchelnd versuchte er, sich wieder aufzurichten, aber er schaffte es nicht. Er streckte eine grauenvoll verstümmelte Hand nach Glyna aus, als wollte er sie um Verzeihung bitten. Die Hand fiel schlaff herab. Aber er lebte noch immer!
Hyne und Glyna traten Seite an Seite neben ihn. Sie sahen stumm auf das verkohlte Etwas hinunter, das einmal ein mächtiger Zauberer und König gewesen war. Aber keine der Beiden schien gewillt zu sein, ihn von seinen Leiden zu erlösen.
Schließlich trat Vandell neben den König, der schon mehr tot als lebendig war. Er hob Soulkiller hoch über den Kopf und stieß es tief in das kalte Herz des Tyrannen. Mit einem erlösten Seufzer hauchte er seine rabenschwarze Seele aus.
Hyne schrie auf und packte ihn an der Schulter. „Was hast du getan?“, schrie sie. Vandell hielt ihrem zornigen Blick stand. Schließlich sah sie weg.
„Ich habe ihn von seinen Leiden erlöst.“, antwortete er ruhig. Hyne sah trotzig wieder auf. „Er hätte länger leiden sollen!“, sagte sie mit zitternder Stimme. „Er hat Jahrhunderte, nein, Jahrtausende lang seine Familie und seine Untergebenen gequält! Er hat keinen schnellen Tod verdient!“
Vandell starrte sie schockiert an. Er schüttelte den Kopf. „Und das von dir? Du warst es, die immer gepredigt hat, wie wichtig eine Familie ist! Und dass man dem Menschen verzeihen soll, der einem am meisten geschadet hat!“ Hyne zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen.
„Du weißt doch gar nicht...“, zischte sie, aber Vandell ließ sie nicht ausreden. „Nein, vielleicht weiß ich nicht, was er dir angetan hat! Aber selbst du musst doch um deinen Vater trauern!“, brüllte er. „Ich habe keine Eltern! Diese beiden ebenso wenig!“ Er deutete auf Cifer und Squall. „Aber ich habe lange gebraucht, um über den Tod meiner Zieheltern hinweg zu kommen. Sie haben mich als einen der Ihren aufgezogen, obwohl sie wussten, dass ich nie zu ihnen gehören würde. Dass ich auf ewig ein Ausgestoßener sein würde. Und sie haben in Kauf genommen, von ihren Freunden geächtet zu werden, weil sie mich, einen Mischling, als einen der ihren aufgenommen haben!“ Hyne traten Tränen in die Augen. „Ich werde nie vergessen, wie meine Stiefbrüder mich verteidigten, wenn die anderen Kinder mich verspottet haben! Und ich werde niemals, hörst du, niemals die Tränen meiner Ziehmutter vergessen, als sie mich zu dir gehen lassen musste!“ Vandell stockte kurz, als er Hynes Tränen sah. Etwas leiser fuhr er fort:
„Damals wollte ich dich töten, weißt du das?“ Hyne starrte ihn entsetzt an. „Ich wollte dich töten“, fuhr er fort, „weil du mich einfach so erschaffen hattest, ohne nachzudenken, wie es für mich sein würde. Ich bin sehr einsam aufgewachsen. Ich hatte niemals Freunde. Auch keine Freundin. Und selbst meine Stiefbrüder haben sich im Grunde vor mir gefürchtet.“ Er machte wieder eine Pause. „Als meine Zieheltern mich zu dir schickten, wollte ich dich auf der Stelle töten. Aber dann habe ich dich gesehen.“ Er strich sanft eine Strähne ihres langen Haares aus ihrem Gesicht. „Ich habe gesehen, wie einsam und verloren du auf dem Thron gesessen bist. Du warst nicht viel mehr als ein Kind, das man in einen goldenen Käfig gesperrt hatte. Und alle hatten Angst vor dir. Du warst ganz allein. Wie ich.“ Er legte eine Hand an ihre Wange. „Damals habe ich gedacht, dass wir vielleicht gemeinsam einsam sein könnten.“, flüsterte er. Er nahm Hyne in die Arme. Sie schmiegte sich sofort an ihn und weinte.
Vandell war aber noch nicht fertig. „Squall kennt seinen leiblichen Vater erst seit einem halben Jahr. Aber er würde sterben, um ihn zu verteidigen! Und Cifer würde niemals zulassen, dass dem Ehepaar Kramer etwas zustößt, weil sie ihn aufgezogen haben! Ich kann mir nicht vorstellen, dass du überhaupt keine Gefühle für deinen Vater hattest.“
Hyne blinzelte ihre Tränen weg und sah noch einmal die Leiche ihres Vaters an. Ihre Mutter wirkte erschüttert. „Wie kannst du dir das nur gefallen lassen?“, fragte sie fassungslos. „Er ist nur ein Mensch! Er darf so nicht mit dir reden!“ Hyne sah wieder auf. Sie dachte lange über Vandells Worte nach.
„Aber er hat doch recht, Mutter!“, sagte sie leise. „Ich habe Vater irgendwie geliebt. Er wollte immer nur das Beste für mich. Dass seine und meine Ansichten verschieden waren, war doch nicht seine Schuld!“ Sie nahm Vandells Hand. „Und er darf mit mir reden, wie es ihm gefällt. Er ist mein del’catá!“ Glyna sog scharf die Luft ein. „Also ist es wahr? Du hast diesen Bastard erwählt?“ Hynes Hand schnellte vor und legte sich um Glynas Kehle.
„Wage es nie wieder, ihn zu beleidigen! Er war immer für mich da! Immer! Was ich von dir nicht behaupten kann.“, zischte sie wütend. Glyna riss sich wieder los. Zu Hynes Überraschung lächelte sie. „Eine andere Antwort hatte ich nicht erwartet. Ich habe gehofft, dass du hier glücklich wirst.“, sagte sie leise. Sie zog ihre völlig überrumpelte Tochter näher zu sich und küsste sie auf die Stirn. „Du hast meinen Segen, meine Tochter.“, flüsterte sie. Sie ging langsam auf Vandell zu, der ihrem Blick furchtlos begegnete. „Pass gut auf sie auf.“, sagte sie. Vandell nickte. Glyna nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände und sah ihm lange in die Augen. Was sie dort sah, schien sie zufrieden zu stellen. „Ja.“, flüsterte sie. „Sie hat eine gute Wahl getroffen.“
Glyna drehte sich um und musterte Squall und Cifer, die still die ganze Szene beobachtet hatten. Sie nickte ihnen zu.
Dann wandte sie sich um und verschwand in einem der Korridore. „Leb wohl, mein Schatz!“, flüsterte sie, bevor die Schatten sie verschluckten. „Werde hier glücklicher, als du es bei mir sein konntest.“
„Ich liebe dich!“, erwiderte Hyne ebenso leise. „Du wirst mir fehlen.“
Verstohlen wischte sich Squall eine Träne von der Wange. Aber plötzlich hörte er, wie jemand hinter ihm die Rampe hinauf rannte. Als er sich umdrehte, bemerkte er überrascht Salina, die keuchend nach Atem rang. Cifer bemerkte sie auch. „Was machst du hier? Ich sagte doch, du sollst von hier verschwinden!“, herrschte er sie an. Sie beachtete ihn nicht und lief auf Squall zu.
„Draußen liegt ein Mädchen! Sie ruft immer wieder nach dir!“, keuchte sie. „Ich glaube...“ Bevor sie den Satz beenden konnte, stieß Squall sie unsanft zur Seite und rannte so schnell er konnte nach draußen. Er hielt sich nicht damit auf, die kurze Leiter am Ende der Lampe hinunter zu laufen, sondern sprang einfach über die Kante. Mit einer eleganten Rolle kam er wieder auf die Beine. So schnell er konnte, rannte er weiter. Die Palmen der Oase schienen so unendlich weit entfernt zu sein! Er rief immer wieder Rinoas Namen, aber sie antwortete ihm nicht. Panik machte sich in seinen Gedanken breit. Was ist, wenn sie tot ist, oder wenn... , dachte er, aber er zwang sich, diesen Gedanken abzubrechen.
Endlich konnte er Rinoa sehen! Sie lag näher an der Quelle, als er es in Erinnerung hatte. Ein feuchtes Stück Stoff lag auf ihrer Stirn. Offenbar hatte sich Salina um sie gekümmert. Sie war fürchterlich blass. Und sie bewegte sich nicht.
Squall fiel neben ihr auf die Knie und nahm sie sanft in die Arme.
„Rinoa! Bitte, tu mir das nicht an!“, flüsterte er. Sie bewegte sich nicht. Er drückte sie etwas fester an sich. „Bitte, sag irgend etwas! Rede mit mir! Rinoa...“ Er krallte eine Hand in ihr schweißnasses Haar und küsste ihre kalte Stirn. „Rinoa! Wach auf! Bitte...“ Tränen traten in seine Augen. „Du darfst mir hier nicht wegsterben!“, schrie er verzweifelt. Am Rande nahm er wahr, dass die Anderen sich der Oase näherten. Es war ihm völlig egal. Seine ganze Aufmerksamkeit galt dem ohnmächtigen Mädchen in seinen Armen.
Sachte strich er eine Strähne ihres pechschwarzen Haares aus dem bleichen Gesicht. „Rinoa! Bleib bei mir, bitte...“
Sie hörte auf zu atmen. „Nein!“, kreischte Squall entsetzt. „RINOA!“ Hastig fühlte er ihren Puls. Er spürte überhaupt nichts. „Nein!“, wimmerte er. „Oh Gott, bitte nicht!“ Er legte sie wieder in den warmen Sand und legte seine Hände vor das Gesicht. Tränen liefen über seine Wangen. Er vergaß alles um sich herum und weinte hemmungslos. Immer wieder flüsterte er ihren Namen, als könnte er sie dadurch wieder lebendig machen. Aber sie wachte nicht auf. Sie lag vor ihm, so bleich und still...
Squall ließ die Hände erst sinken, als jemand ihn an der Schulter berührte. Durch den Tränenschleier konnte er Hyne erkennen. Ihre Ähnlichkeit mit Rinoa sprang ihm jetzt besonders ins Auge. Er senkte den Blick wieder und schloss die Augen. Er ließ es zu, dass sie ihn in die Arme nahm und ihm beruhigend über das Haar strich.
„Sie ist tot!“, flüsterte er mit tränenerstickter Stimme. Hyne sagte nichts. Er öffnete die Augen wieder und sah Hyne ins Gesicht. „Das ist deine Schuld!“, schrie er. „Du hast gewusst, dass es gefährlich ist!“ Hyne wischte sanft eine Träne von seiner Wange. „Ja.“, sagte sie leise.
Squall sprang auf und taumelte einige Schritte zurück, bis er gegen eine Palme prallte. „Ja? Ist das alles? Kein ‚Es tut mir leid!’? Sie ist tot!“, kreischte er.
Hyne stand auf. „Das ist sie nicht.“, sagte sie ruhig.
Squall brauchte einige Zeit, bis er den Sinn dieser Worte erfasste. „Du... du meinst sie lebt...“, krächzte er. Hyne nickte. „Und ich werde sie wieder aufwecken.“, bestätigte sie.
Unsicher machte Squall wieder einige Schritte auf sie zu und wäre beinahe hingefallen, wenn Cifer ihn nicht schnell gestützt hätte. Er schüttelte unwirsch Cifers Hand ab und lief weiter auf Hyne zu. Er sank vor ihr auf die Knie und packte ihre Hand. „Bitte! Bitte, bring sie zurück! Bring sie wieder zurück zu mir!“, flehte er. Hyne zwang ihn aufzustehen. Sie lächelte ihn an. „Das werde ich, keine Sorge. Das bin ich dir schuldig.“
Sie kniete neben Rinoa nieder und atmete ruhig durch. Sie faltete ihre Hände vor der Brust. Mit ihrer angenehmen Stimme begann sie, ein leises, ruhiges Lied zu singen. Sie wiegte sich im Takt der Musik. Der Stein auf ihrer Stirn begann zu leuchten und breitete sein Licht über ihren ganzen Körper aus. Als Hyne die Augen wieder öffnete, wechselten sie die Farbe, zuerst rot, dann blau und schließlich ein so reines Weiß, dass es beinahe blendete. Hyne hob ihre Hände über den Kopf und sang etwas lauter. Zwischen ihren Händen bildete sich eine leuchtende Kugel, die heller strahlte als die Sonne, ohne zu blenden. Die Kugel schwebte langsam auf Rinoa zu. Hyne legte ihre Hände auf Rinoas Körper, die Handflächen nach oben. Die leuchtende Kugel legte sich auf ihre Hände und löste sich auf. Glitzernde Lichtteilchen breiteten sich über Rinoas Körper aus.
Plötzlich schrie Rinoa laut auf. Ihre Stimme war schrill, als verspüre sie unvorstellbare Schmerzen. Schaudernd erinnerte sich Squall daran, wie Hyne ihn selbst wieder auferweckt hatte. Rinoa lebte zwar noch, aber es schien genauso schmerzhaft zu sein. Er kniete sich neben Rinoa hin und nahm sanft ihre Hand. Ihre Augen waren weit geöffnet, aber sie schien Squall nicht zu sehen. Ihre Hand schloss sich so fest um seine, dass er beinahe aufschrie. Er umarmte sie und wiegte sie sanft. Sie hatte aufgehört zu schreien, aber ihre Fingernägel gruben sich äußerst schmerzhaft in seine Hand. Ihr Atem ging schnell und flach.
„Es tut so weh...“, flüsterte sie. Squall konnte sie beinahe nicht verstehen. „Squall? Wo bist du...“, rief sie plötzlich. Squall drückte sie etwas fester an sich. „Ich bin hier!“, sagte er leise. „Keine Angst, es ist gleich vorbei! Ich bin hier..“ Rinoa schien noch etwas sagen zu wollen, aber plötzlich bäumte sie sich auf, krallte ihre Hände in ihr Haar und schrie wieder auf. „Es tut so weh!“, kreischte sie wieder. Sie presste plötzlich ihre Hände gegen den Bauch und krümmte sich. Ihr Gesicht war vor Schmerzen verzerrt. Squall wurde unruhig. Bei ihm hatte es nicht so lange gedauert! Und er war tot gewesen, verdammt noch mal!
Hyne packte ihn plötzlich und zog ihn von Rinoa weg. Sie strich mit einer Hand über Rinoas Körper. Über ihrem Bauch verharrte sie. Ihre Augen weiteten sich erschrocken. Hastig winkte sie Vandell zu sich.
„Halt sie fest!“, befahl sie ihm. Keine einfache Aufgabe. Vandell hielt Rinoa so ruhig er konnte, aber sie wand sich noch immer vor Schmerz in seinem Griff.
Plötzlich wuchsen Hyne wie aus dem Nichts zwei weiße Schwingen aus den Schultern. Ein Ausdruck höchster Konzentration lag auf ihrem Gesicht. So sah Rinoa auch aus, wenn sie ihre Hexenmagie entfesselte.
Hyne legte eine Hand auf Rinoas Stirn, die andere auf ihren Bauch. Sie murmelte einige dunkel klingende Worte in ihrer Muttersprache. Dann schrie sie Vandell etwas zu, das Squall nicht verstand. Er starrte ängstlich in Rinoas schmerzverzerrtes Gesicht. Sie schlug wie wild um sich, als Vandell plötzlich losließ. Dann stieß sie einen markerschütternden Schrei aus und bäumte sich wieder auf. Sie krallte ihre Hände in den Sand. Ihre Augen waren weit aufgerissen und starrten blicklos ins Leere.
Dann, von einer Sekunde auf die andere, war es vorbei. Rinoa fiel schlaff in den Sand und blieb still liegen. Erst nach einigen Sekunden wagte Squall, sie zu berühren. Ihre Haut war kalt, aber sie atmete! Squall küsste sie sanft und drückte sie fest an sich. Er spürte, dass sie wach war, als sie ihre Arme um ihn legte. Er verbarg sein Gesicht in ihrem weichen Haar und weinte leise. Rinoa presste ihre zitternden Lippen kurz gegen seine Wange und lächelte erschöpft.
„Fast... hätte ich dich verloren!“, flüsterte Squall kaum verständlich. Rinoa war nicht fähig, irgend etwas zu erwidern. Ihr Körper schmerzte noch immer. Aber sie war glücklich.
„Ich glaube, du wirst ein längeres Gespräch mit deinem del’catá führen müssen!“, sagte plötzlich Hyne. Sie klang müde. Als Rinoa erschöpft aufsah, bemerkte sie, dass Hyne damit sie gemeint hatte. Wusste sie etwa, dass...?
Rinoa nickte langsam. Sie schloss wieder die Augen und legte ihren Kopf an Squalls Schulter, der inzwischen aufgehört hatte zu weinen. Er küsste sie zärtlich und sah ihr tief in die Augen. Rinoa lächelte schwach und hob eine Hand. Squall nahm sie und berührte sie sanft mit seinen Lippen. Er strich liebevoll eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und küsste sie noch einmal. Rinoa versuchte, etwas zu sagen, aber ihre Stimme versagte ihr den Dienst. Sie versuchte es wieder, und diesmal gelang es ihr, „Ich liebe dich!“ zu flüstern. Squall lächelte und erwiderte leise: „Ich liebe dich auch!“
Hyne legte Squall eine Hand auf die Schulter und schob ihn sanft zur Seite. Rinoa sah sie an und hoffte, dass Hyne ihr Geheimnis nicht verraten würde. Hyne nahm Rinoas Gesicht zwischen ihre Hände und küsste ihre Stirn. Rinoa fühlte, wie neue Kraft in sie strömte. Sie wusste, dass dieses Geschenk der Schöpferin bald aufgebraucht sein würde, aber im Moment war sie kräftig genug, um aufzustehen. Squall stützte sie schnell, als sie schwankte. Dankbar lehnte sie sich gegen ihn. Als er sie hochhob und zu einem der Pferde trug, widersetzte sie sich ihm nicht. Er hob sie auf das Pferd und schwang sich hinter ihr in den Sattel. Rinoa spürte, wie er einen Arm um sie legte. Sie schloss die Augen und schmiegte sich eng an ihn.
Auch Hyne und Vandell ritten gemeinsam auf dem schwarzen Hengst. Salina schwang sich in den Sattel des Pferdes, das Rinoa geritten hatte, und Cifer saß schon auf seinem Rotfuchs. Vandell ritt voraus, in Richtung Esthar. Dort würden sie medizinische Hilfe für Rinoa und Hyne bekommen, erklärte er Squall, der sein Pferd neben ihn lenkte. Der nickte und ritt etwas schneller, als die Residenz sichtbar wurde. Er erkannte in der Menschenmenge vor dem Gebäude deutlich Ward, und neben ihm Kiros und Laguna. Offenbar waren sie gleich nach seinem Aufbruch nach Esthar zurückgekehrt. Squall stellte sich vor, wie es wohl auf die Männer wirken musste, die Pferde gute zehn Meter über dem Boden auf die Präsidentenresidenz zugaloppieren zu sehen. Er schrie Cifer, der hinter ihm ritt, zu: „Sag ihnen, sie sollen Professor Odyne holen. Wir warten in Lagunas Büro.“ Cifer nickte und lenkte sein Reittier auf den Platz, auf dem sich Laguna und die anderen aufhielten. Squall deutete auf das Dach der Residenz. Vandell nickte. Sicher setzten die Pferde auf dem Dach auf. Squall und Vandell schwangen sich beinahe gleichzeitig aus dem Sattel und hoben ihre Hexen herunter. Rinoa war noch immer wach, aber Hyne war in Ohnmacht gefallen. Die Rettung von Rinoa hatte sie offenbar ausgelaugt.
Salina blieb unschlüssig stehen. Sie wusste offenbar nicht, wohin sie gehen sollte. Squall nickte in Richtung des Liftes, der ins Innere der Residenz führte. „Na los, komm schon!“, sagte er. Salina schüttelte den Kopf. „Ich kann doch nicht... Das ist die Residenz des Präsidenten von Esthar!“, sagte sie erschrocken. Squall lächelte. „Ja, klar! Keine Angst, mein Vater wird dir schon nicht den Kopf abreißen. Besonders nicht, nachdem du uns geholfen hast.“ Salina starrte ihn mit großen Augen an. Offenbar erkannte sie ihn erst jetzt. „Du... du bist der Squall? Der Sohn des Präsidenten? Du hast die... Hexe Artemisia besiegt?“, ächzte sie. Squall nickte und legte den Kopf schief. Also gab es doch noch Menschen, die ihn nicht kannten. Salina schlug eine Hand vor den Mund. „Und Cifer...“ „... war ihr Hexenritter, ja. Und jetzt komm schon! Wir haben nicht ewig Zeit!“, unterbrach Squall sie. Vandell war mit Hyne schon ins Gebäude verschwunden, und Rinoa wurde zunehmend schwächer.
„Du... du bist also... der Sohn von Raine? Aus Winhill?“, fragte Salina schüchtern. Squall sah sie überrascht an. „Woher weißt du das?“, fragte er. Salina senkte den Kopf. „Ich... stamme aus Winhill. Meine Mutter hat mir immer davon erzählt, wie Raine gestorben ist, nachdem sie... nachdem sie den Sohn des Präsidenten zur Welt gebracht hat. Äh, nachdem sie dich zur Welt gebracht hat!“, verbesserte sie sich hastig. Squall spürte Tränen in den Augen brennen. Er hatte seine Mutter nie kennen gelernt. Er war von klein auf in Edeas Waisenhaus aufgewachsen, weil Laguna erst später von ihm erfahren hatte. Aber manchmal vermisste er seine Mutter trotzdem.
Salina wurde rot. „Meine Mutter... hat gesagt, dass sie bei deiner Geburt dabei war. Sie war Raines beste Freundin, und sie hat dich auch in das Waisenhaus gebracht. Sie... sie wollte nicht, dass du bei deinem Vater aufwächst.“ Squall drehte sich abrupt um. Rinoa hatte das Bewusstsein verloren, während er Salina zugehört hatte. Er lief zum Lift und rief Salina über die Schulter zu: „Komm schon! Wir reden später weiter.“ Salina setzte sich gehorsam neben ihm auf den Lift. Sie schwieg, bis sie Rinoa ins Lagunas Büro gebracht hatten.
Laguna rannte Squall sofort entgegen. Vandell stand neben einer Couch, auf der Hyne lag und von Prof. Odyne untersucht wurde. Der schien sich unter Vandells kritischer Beobachtung nicht wohl zu fühlen.
Laguna nahm Squall seine süße Last ab und legte sie ebenfalls auf eine bequeme Couch. Squall ließ sich neben ihr auf die Couch sinken und nahm ihre Hand. Er sah zu Odyne, der gerade Vandell mit Fragen löcherte, die dieser geduldig beantwortete.
„Dies sei ein ungewöhnlicher Fall, oder? Diese Frau sei kein Mensch, oder?“
„Nein. Sie ist die Schöpferin Hyne, falls Ihnen dieser Name etwas sagt.“
„Hm! Ich habe von dieser Legende gehört, oder? Hyne de Carracas sei ihr Name, oder?“
„Ja.“
„Und wie sei Euer Name?“
„Vandell LaDiganè.“
„Ah, der Ritter, oder? Ich habe gehört von einer Inschrift in Centra...“
„Hm. Nun, davon gab es einige. Wurde ich etwa auch erwähnt?“
„Oh, ja! Viele Male! Eure Augen seien sehr interessant, oder?“
Es erstaunte Squall, wie geduldig Vandell die Fragen des Professors beantworten konnte. Das bedeutete, dass Hyne und Rinoa nicht in Gefahr waren. Wenn es anders wäre, wäre Vandell niemals so ruhig geblieben.
„Hören Sie mal, meine Augen gehen Sie überhaupt nichts an!“, meinte Vandell gereizt. Offenbar war Odyne nicht der Erste, der ihn darauf ansprach. Odyne ließ sich aber nicht einschüchtern.
„Ich denke...“ „Und ich denke, dass du dich endlich um die beiden Ladies kümmern solltest!“, unterbrach ihn Laguna scharf. Vandell warf ihm einen dankbaren Blick zu.
Squall stand auf. Salina stand noch immer bei der Tür und starrte abwechselnd ihn und Laguna an. Squall ging zu ihr und machte eine einladende Geste nach draußen. Sie nickte und verschwand sofort. Als sich die Tür wieder geschlossen hatte, fragte er: „Möchtest du nicht nach Hause?“ Sie schüttelte den Kopf und presste die Lippen zusammen. „Sie haben meine Mutter... umgebracht, als sie... mich verschleppt haben... vor zwei Monaten.“ Squall runzelte die Stirn.
„Und dein Vater?“, fragte er vorsichtig.
„Ist nach meiner Geburt abgehauen.“
„Oh! Tut mir leid.“
Salina lachte leise. „Du müsstest dieses Gefühl doch kennen.“, meinte sie bitter.
Squall schüttelte den Kopf. „Laguna konnte nichts dafür. Er wollte Ell retten, als ich geboren wurde. Deshalb war er nicht bei Raine.“ Salina nickte. „Ich konnte ohnehin nie glauben, dass er sie einfach so zurückgelassen hat.“, sagte sie. „Sie muss eine sehr nette Frau gewesen sein. Meine Mutter hat oft von ihr gesprochen.“ Sie musterte Squall eindringlich. Der sah zu Boden. „Du scheinst sehr viel von ihr zu wissen.“, meinte er leise. Salina lächelte. „Klar. Meine Mutter hat sich immer über diesen verantwortungslosen Kerl aufgeregt, der sie geschwängert hat.“
„Herzlichen Dank!“, meldete sich Laguna hinter ihnen. Salina wurde blass. „Verzeihung... ich... ich wollte nicht...“ Laguna winkte ab. „Schon gut. Ich weiß, dass die Leute in Winhill mich nicht besonders mochten.“ Er schwieg eine Weile. „Es tut mir leid, dass deine Mutter tot ist. Wenn ich dir irgendwie helfen kann...“ Er lächelte schwach. „Aber jetzt müsst ihr mich entschuldigen. Ich muss einen Staat regieren.“ Obwohl er lächelte, wirkte er irgendwie traurig.
Salina sah ihm betroffen nach. „Ich wollte ihn nicht beleidigen. Es tut mir leid.“, flüsterte sie. Squall sah ihr in die Augen und lächelte. „Das weiß er, keine Sorge. Du kannst ohnehin nichts dafür. Du warst noch nicht einmal auf der Welt, als er Winhill verlassen hat.“ Er spürte Trauer in sich aufsteigen und er musste wieder an seine Mutter denken.
„Weißt du, wie meine Mutter war? Was für ein Mensch sie war?“, fragte er leise. Salina fühlte sich sichtlich unwohl. „Nur aus den Erzählungen meiner Mutter. Das ist nicht viel.“ Squall lächelte traurig. „Das ist mehr, als ich weiß.“, meinte er bitter.
Salina schwieg eine Weile. „Sie war... ein ruhiger Mensch.“, begann sie. „Sie war auch sehr gutherzig und hilfsbereit. Sie... sie war aber manchmal auch ziemlich naiv. Als Laguna um ihre Hand angehalten hat, sagte sie sofort ja, ohne nachzudenken.“ Sie schwieg wieder. „Außerdem soll sie sehr hübsch gewesen sein.“ Squall lächelte. „Kiros sagt immer, ich wäre wie sie. Er ist offenbar sehr froh darüber.“ Salina fühlte sich offenbar nicht wohl. Sie schwieg und sah zu Boden.
Squall wechselte das Thema. „Wohin willst du jetzt gehen?“, fragte er. Salina antwortete nicht. Squall bemerkte Cifer, der auf sie zukam. Plötzlich hatte er eine Idee.
„Sag mal, magst du Kinder?“, fragte er. Salina nickte überrascht. „Ich liebe Kinder! Ich habe immer auf die Kleinen im Dorf aufgepasst.“
Squall lächelte. „Hast du schon einmal von Edeas Waisenhaus gehört? Edea sucht immer noch nach einer Helferin...“
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Epilog:
Als Rinoa aufwachte, bemerkte sie als erstes, dass sie wieder im Garden war. Sie lag in Squalls Bett, in seinem Apartment. Sie trug nur ein kurzes Nachthemd aus Seide unter der dünnen Decke. Die Schmerzen in ihrem Kopf waren verschwunden. Sie fühlte sich einfach wohl.
Bis sie versuchte, sich aufzusetzen. Mit einem erschrockenen Keuchen ließ sie sich wieder auf das Kissen fallen, als ein heftiges Schwindelgefühl sie packte.
„Rinoa? Alles in Ordnung?“ Seine Stimme...
Rinoa lächelte. „Jetzt schon!“, flüsterte sie. Sie konnte seine Gestalt im Halbdunkel des Zimmers nur undeutlich erkennen. Als er sich vorbeugte, erhellte Mondlicht sein Gesicht. Er lächelte sie an. „Was ist passiert?“, fragte Rinoa leise. Squall setzte sich neben ihr auf das Bett.
„Nicht jetzt!“, flüsterte er. Er beugte sich über sie und küsste sie sanft. Rinoa erwiderte seinen Kuss ebenso zärtlich. Sie schlang ihre Arme um ihn und zog ihn dichter an sich.
So lange waren sie getrennt gewesen, so lange... Jede Faser ihres Körpers sehnte sich nach ihm, nach seinen heißen Küssen und seinen zärtlichen Berührungen. Aber Squall löste sich schnell wieder von ihr. Zuerst verstand Rinoa nicht weshalb, aber dann bemerkte sie eine weitere Gestalt im Zimmer. Sie setzte sich auf und spähte in die Richtung, wo jemand sie beobachtete. Erschrocken erkannte sie ihren Vater, der in der Ecke des Zimmers stand und Squall mit seinen Blicken regelrecht aufspießte.
„Was willst du hier?“, fuhr sie ihn an. Oberst Caraway sah sie lange an. „Entschuldige bitte, dass ich mir Sorgen um dich mache!“, erwiderte er.
„Mir geht es gut, danke.“, meinte sie kühl. „Würdest du jetzt bitte gehen?“ Sie konnte die Verärgerung, die von ihm ausging, beinahe sehen. Wütend machte er einige Schritte auf sie zu. Sie schmiegte sich enger an Squall, der sofort schützend einen Arm um sie legte. Sie fühlte sich sicher bei ihm.
„Ich verbitte mir diesen Ton, junge Dame!“, zischte Caraway. „Was denkst du dir eigentlich? Dass ich dich einfach diesem... Mistkerl überlasse?“ Er schien völlig zu übersehen, dass der ‚Mistkerl’ ebenfalls anwesend war.
„Es ist immer wieder schön zu erfahren, wie Sie über mich denken!“, sagte Squall kühl. „Aber ich denke, Sie haben Ihre Tochter gehört.“ Caraway starrte ihn an.
„Du...“, begann er, aber er brach sofort wieder ab.
Squall ignorierte ihn und wandte sich wieder Rinoa zu. Sie hörte, wie ihr Vater überstürzt das Apartment verließ. Es kümmerte sie nicht. „Rinoa... Schatz, ich muss dich etwas fragen...“, sagte Squall leise. Rinoa sah ihn an. „Was denn?“
Squall schien unsicher zu sein, wie er anfangen sollte. Rinoa küsste ihn, um ihm Mut zu machen.
„Als Hyne dich... aufgeweckt hat...“, begann Squall, „... da hat sie etwas gesagt. Dass du mit mir über etwas sprechen müsstest!“ Rinoa streichelte sanft seine Wange.
„Ja... ich glaube, ich muss es dir sagen.“ Squall küsste sacht ihre Handfläche. Rinoa wagte nicht, ihm ins Gesicht zu sehen. Sie holte tief Luft.
„Squall... ich... ich bin schwanger!“, flüsterte sie. Squall erstarrte. Er packte Rinoas Hand. „Was?“, flüsterte er fassungslos.
„Ich bin schwanger!“, wiederholte sie. Squall drückte ihre Hand noch fester.
„Seit wann?“, fragte er heiser. Rinoa wusste zuerst nicht, worauf er hinaus wollte, aber dann verstand sie. „Das Kind ist von dir! Ich bin im dritten Monat.“ Ungläubig hob Squall eine Hand, wagte es aber nicht, sie zu berühren. Rinoa nahm seine Hand und legte sie auf ihren Bauch. Sie lächelte ihn beruhigend an.
Er schien noch immer nicht zu begreifen. „Aber... man sieht doch gar nichts...“, flüsterte er. Rinoa streichelte seine Wange. „Das kommt noch.“, erwiderte sie. Squall sah sie an. Er sah plötzlich viel jünger aus. Er wusste offenbar nicht, was er sagen sollte. Hilflos ließ er seine Hände sinken. Rinoa streichelte sanft seine Wange. „Was ist?“, flüsterte sie. Squall starrte sie an. „Aber... wir... wir sind doch beide noch so jung! Ich meine... ich bin erst achtzehn, und... du erst siebzehn...“ Er verstummte und schloss die Augen. Rinoa spürte Tränen in ihren Augen. „Freust du dich denn nicht?“, fragte sie. Squall riss die Augen auf starrte sie an. „Doch... es ist nur... das kommt so plötzlich! Ich weiß nicht, was ich sagen soll!“ Seine Stimme brach. Rinoa legte seinen Kopf an ihre Schulter. „Sag nichts... halt mich nur fest!“, flüsterte sie. „Ich... ich habe lange nachgedacht.“, fuhr sie fort. „Es macht mir nichts aus, dass wir noch so jung sind. Ich hätte mir auch etwas mehr Zeit gewünscht, aber... ich möchte dieses Kind... unser Baby... auf die Welt bringen. Ich werde sicher keine perfekte Mutter sein, aber ich habe... mit Edea gesprochen, und... sie sagte, dass sie uns helfen würde, das Kind großzuziehen.“ Sie sah ihm in die Augen. „Squall... willst du etwa kein Kind von mir?“, fragte sie verletzt, als sie die Tränen in seinen Augen sah. Er legte einen Finger auf ihre Lippen und schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht... ich weiß nur nicht, ob ich für eine solche Verantwortung schon bereit bin...“ Er küsste sie sacht. „Aber solange du bei mir bist, stehe ich alles durch.“, fügte er lächelnd hinzu. Schweigend blieben sie sitzen.
Nach einer Weile hörte Rinoa Musik. Sie sah auf und lauschte.
„Gibt’s hier etwa eine Party?“, fragte sie erfreut. Squall lächelte und nickte. „Ja... willst du hingehen?“ Rinoa sah ihn an. „Nur wenn du auch willst.“, meinte sie.
Squall lachte. „Ob ich will? Ich habe gerade erfahren, dass ich Vater werde! Ich will feiern!“ Rinoa lachte ebenfalls. Sie war froh, dass er es so aufnahm. Sie hatte sich ständig ausgemalt, was passieren würde, wenn sie es ihm sagte.
Sie stand auf und sah sich um. „Ich schätze, ich sollte mir etwas anderes anziehen.“, meinte sie kichernd. Sie verstummte, als er von hinten seine Arme um sie legte und ihren Hals küsste. Seine Lippen wanderten langsam nach oben, und ihre Haut brannte, wo sein Mund sie berührte... Sie drehte sich um und schloss die Augen. Sie spürte, wie er seine weichen Lippen auf ihren Mund presste und erwiderte seinen Kuss ebenso stürmisch. Seine Hand wanderte nach unten, unter den Saum des kurzen Nachthemdes, und streichelte ihre zarte Haut. Rinoas Herz klopfte ihr bis zum Hals, als er die Träger des Nachthemdes von ihren Schultern gleiten ließ. Das Nachthemd fiel zu Boden. Seine Hände pressten sie fester an sich.
Obwohl es fast wehtat, schob sie ihn von sich weg. „Es reicht! Du wolltest doch auf die Party?“, flüsterte sie atemlos. Sie sah selbst im dämmrigen Licht des Mondes, dass er errötete. Er räusperte sich und nickte. Er vermied es, sie direkt anzusehen. Wortlos begann Rinoa, sich das Kleid anzuziehen, das auf einer Couch lag. Sie schätzte, dass es von Hyne war, denn sie selbst hatte es noch nie gesehen. Es war rot und sehr schlicht geschnitten. Rinoa verliebte sich sofort in das Kleid. Sie verschwand für längere Zeit im Bad, um sich etwas frisch zu machen.
Sie huschte wieder zu Squall, der bereits an der Tür wartete. Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und flüsterte ihm ins Ohr: „Fortsetzung folgt!“
Er lächelte und nickte. „Aber jetzt sollten wir gehen.“ Sie hakte sich bei ihm unter und lächelte ebenfalls. „Ich bin nur mal gespannt, wie Laguna es aufnimmt, dass er Großvater wird.“, kicherte sie.
Die Party war bereits voll im Gange, als die Beiden den großen Ballsaal betraten. Selphie, Irvine, Xell und Quistis bemerkten sie natürlich sofort. Selphie rannte sofort auf sie zu und fiel Rinoa um den Hals.
„Ich daaaaaaaaaachte schoooon, ihr koooommt nicht meeeeehr!“, quietschte sie vergnügt. Irvine klopfte Squall auf die Schulter. „Na, ihr Zwei habt euch wirklich Zeit gelassen!“, meinte er grinsend. Xell grinste ebenfalls. „Ach komm, lass den Beiden doch ein wenig Privatsphäre.“ „Sie hatten bestimmt fürchterlich viel zu besprechen!“, fügte Quistis lachend hinzu.
Rinoa lachte. „Ja, stellt euch vor, mein Vater war die ganze Zeit dabei!“, kicherte sie. Quistis hob eine Augenbraue. „Ach? Und, was hat er gesagt?“, wollte sie wissen.
„Weiß nicht so genau.“, erwiderte Rinoa nachdenklich. „Als ich sagte, dass er gehen soll, ist er abgehauen. Und dann ist Squall auch so still geworden, als ich gesagt habe, dass ich schwanger bin.“
Urplötzlich wurde es still. „Was war das eben?“, fragte Xell nach einer längeren Pause. „Du hast schon richtig gehört.“, bestätigte Squall. „Sie ist schwanger.“ Wieder eine Pause. Dann fiel Selphie Rinoa wieder um den Hals. „Das ist ja suuuuuuuper!“, rief sie strahlend.
„Hast du’s schon Laguna erzählt?“, wollte Irvine wissen. Auch er strahlte über das ganze Gesicht. Squall schüttelte den Kopf. „Nein. Wir wollten ihn eigentlich gerade suchen.“
„Er ist gerade in ein sehr lebhaftes Gespräch mit diesem Oberst verwickelt.“, meldete sich eine vertraute Stimme hinter Squall. Als er sich umdrehte, sah er Vandell, der ihn angrinste.
Er sah einfach umwerfend aus. Sein dunkles Haar glänzte, und das schmale, schwarze Stirnband, das es ihm aus dem Gesicht hielt, war mit feinen silbernen Stickereien verziert. Eine silberne Spange hielt das lange Haar im Nacken zusammen. Er trug ein schwarzes Hemd aus Seide, auf dem der Löwenkopf in Silber aufgestickt war. Seine (schwarzen!) Hosen steckten in schwarzen, natürlich mit Silber verzierten Stiefeln. Ein bodenlanger schwarzer Umhang vervollständigte das Bild. Seine roten Augen schienen zu leuchten.
„Wow! Du siehst toll aus!“, meinte Rinoa staunend. Vandell verneigte sich vor ihr. „Dies aus dem Mund einer solch bezaubernden Schönheit zu hören, beglückt mich aufs höchste, Milady!“, erwiderte er charmant. Rinoa wurde rot. Vandell lächelte. „Aber, aber! Bringe ich dich etwa in Verlegenheit?“, fragte er. Squall legte einen Arm um Rinoa und warf Vandell einen strengen Blick zu.
„Hey, ich dachte, du hast schon eine Freundin! Außerdem ist Rinoa schon vergeben!“, sagte er. Vandell lachte. „Verzeih mir, mein tapferer junger Freund. Aber du wirst mir doch erlauben, dass ich mit über 9 000 Jahren beginne, mit jungen Frauen zu flirten?“
Squall bemerkte, wie Rinoa noch mehr errötete.
„Also, für dein Alter hast du dich gut gehalten.“, meinte er lachend. Vandell sah keinen Tag älter aus als 25. Selphie schnappte überrascht nach Luft. „9 000 Jahre?“, keuchte sie. Vandell verbeugte sich. „Jawohl, hübsches Fräulein!“, sagte er. Selphie wurde rot. Irvine hob drohend die Faust.
„Squall, sag ihm, er soll damit aufhören. Sonst gibt es ein Duell im Morgengrauen! Frauen anmachen ist mein Job!“, meinte er scheinbar verärgert. Er wurde schnell wieder ruhig, als Selphie ihn verletzt anstarrte. „Macht der Gewohnheit!“, murmelte er kleinlaut. „Entschuldige, Selphie!“ Sie dachte aber nicht daran, diesen Ausrutscher zu entschuldigen. Wütend kehrte sie ihm den Rücken zu. Irvine wurde plötzlich ganz nervös. „Selphie, ich hab’s doch nicht so gemeint! Ich bin nur so daran gewöhnt...“ „... den Frauenheld herauszuhängen lassen?“, beendete Xell seinen Satz. „Das solltest du dir abgewöhnen, mein Freund!“, fügte er hinzu. Selphie war noch immer beleidigt. Irvine sank vor ihr auf die Knie. „Bitte, Selphie, verzeih mir!“, flehte er. Selphie wurde rot. „Irvieee, steh wieeder auuf!“, sagte sie verlegen. Einige Kadetten beobachteten diese Szene schon interessiert. Irvine schüttelte den Kopf. „Nur wenn du meine Entschuldigung annimmst!“, beharrte er. „Jaja, schon guuuuuut!“, rief Selphie genervt. „Aber jetzt steeeeh wieder auuuf!“ Grinsend erhob sich Irvine wieder und drückte Selphie an sich.
Vandell lachte wieder. „Nur mit der Ruhe, Kleiner! Ich denke, bei deiner Freundin hätte ich ohnehin keine Chancen.“, meinte er an Irvine gewandt. Squall war sich da nicht so sicher. Vandell schien überhaupt großen Einfluss auf die Frauen im Saal zu haben. Er war auch nicht überrascht, dass sein Fanclub sich vollständig versammelt hatte, und einige der Mädchen Vandell immer wieder verliebte Blicke zuwarfen. Jetzt, wo Squall und Rinoa wieder ein Paar waren, machten sie sich wohl bei Vandell Hoffnungen.
Er nahm Vandell zur Seite und grinste. „Also, wenn du Mädchen brauchst, mit denen du flirten kannst; die dort drüben wären bestimmt nicht abgeneigt.“ Vandell sah in die angegebene Richtung und sog scharf die Luft ein. „So viele?“, murmelte er. Squall lachte. „Versuch es mal! Winke ihnen einmal rüber!“ Vandell winkte gehorsam. Dann runzelte er die Stirn. „Warum sind die drei jetzt umgefallen?“, fragte er besorgt. Squall lachte wieder. „Mach dir nichts draus. Bei mir haben sie das ständig gemacht.“ Vandell musterte ihn. „Kann ich verstehen. Du bist ja auch ein gutaussehender junger Mann!“, meinte er grinsend. Als wäre ihm die Ähnlichkeit zwischen ihm und Squall erst jetzt aufgefallen!
Rinoa gesellte sich zu ihnen. „Wo bleibst du so lange?“, wisperte sie Squall ins Ohr. „Ich vermisse dich schon!“ Sie küsste ihn kurz auf den Mund. Squall lächelte. Er küsste sie auch, nur viel länger.
„Na hallo, ihr seid hier nicht alleine!“, meldete sich plötzlich Hyne. Seufzend ließ Rinoa Squall los. „Hier hat man auch nie Ruhe, oder?“, fragte sie frustriert. Hyne schüttelte den Kopf. „Nein, ich fürchte nicht.“ Sie schmiegte sich an Vandell, der sie sofort an sich drückte. Squall sah aus den Augenwinkeln, dass einige Mädchen aus dem Fanclub in Tränen ausbrachen.
Hyne hatte sich besonders herausgeputzt. Ihr langes, weißes Haar war von weinroten Strähnen durchzogen. Die roten Strähnen hoben ihre Augen noch deutlicher hervor. Ihre Kleidung war ebenfalls rot, allerdings ein bisschen dunkler. Sie trug ein bauchfreies enges Top und eine Hose aus dunkelrotem, glänzendem Leder. Sie trug keinen Schmuck, außer dem Diadem. Der Stein leuchtete jetzt aber rot.
Sie zog sofort alle Männer in ihren Bann.
„Wow!“, brachte Squall nur hervor. Er starrte sie mit offenem Mund an. Aber er riss sich schnell wieder von ihrem Anblick los, als Rinoa Vandell fragte: „Sag mal, bist du denn nicht eifersüchtig, wenn alle Männer deine Freundin anstarren?“ Vandell lachte. Hyne ebenfalls.
„Ha, dann müsste ich aber erst recht eifersüchtig sein! Sieh dich doch einmal um!“, kicherte sie ausgelassen. Aber Rinoa brauchte sich nicht umzusehen, um zu wissen, dass sämtliche Anwesenden, ob männlich oder weiblich, das Paar anstarrte.
Laguna gesellte sich zu der Gruppe. „Hallo, meine Lieben!“, begrüßte er sie fröhlich. „Ich hoffe, ich störe euch nicht?“ Squall grinste ihn an. „Was wäre, wenn du’s doch tätest?“, fragte er vergnügt. Laguna verzog das Gesicht. „Manchmal frage ich mich, wie so ein missratener Junge mein Sohn sein kann!“, brummte er. Squall schnappte empört nach Luft, während alle anderen in schallendes Gelächter ausbrachen. „Das tun wir auch manchmal!“, kicherte Irvine, worauf die anderen noch lauter lachten. Nur Vandell wahrte ein wenig Anstand. Allerdings zuckten seine Mundwinkel schon verräterisch.
Beleidigt sah sich Squall um. „Herzlichen Dank für die Rückendeckung!“, meinte er missmutig. Rinoa fiel ihm noch immer lachend um den Hals und küsste ihn. „Sei doch nicht gleich beleidigt! Ich hasse es, wenn du so böse dreinschaust. Lach doch mal!“ Sie lächelte. „In sechs Monaten wirst du ohnehin nicht mehr viel zu Lachen haben. So ein Baby ist mit gewissen Entbehrungen verbunden, weißt du...“, fügte sie leise hinzu. Squall lächelte ebenfalls, als er den ungläubigen Gesichtsausdruck auf Lagunas Gesicht bemerkte.
„Hab ich irgendwas verpasst?“, fragte Laguna. Rinoa ließ Squall langsam los und sah Laguna tief in die Augen. „Laguna, du wirst Großvater!“, sagte sie geradeheraus. Laguna traten die Tränen in die Augen. Er sah seinen Sohn an. „Squall, mein Junge... ist das wahr?“
„Na ja, das solltest du wohl besser Rinoa fragen! Aber ich sehe keinen Grund, warum es nicht wahr sein sollte.“, meinte Squall grinsend. Laguna sah richtig erschüttert aus.
„Meine Güte! Ich werde alt!“, murmelte er. Er wischte sich einmal über die Augen und lächelte. „Aber ich muss sagen, du hast einen guten Geschmack, was Frauen angeht!“ Squall dachte daran, dass Laguna einmal in Julia Heartilly, Rinoas Mutter, verliebt gewesen war. „Muss wohl in der Familie liegen!“, kicherte er. Laguna lachte. Dann wurde er abrupt wieder ernst.
Rinoa ging auf ihn zu und umarmte ihn fest. Laguna drückte sie kurz an sich, dann ließ er sie wieder los. „Und du wirst wohl demnächst meine Schwiegertochter?“, fragte er hoffnungsvoll. Es war kein Geheimnis, dass er sich nichts sehnlicher wünschte, als dass Squall endlich Rinoa einen Antrag machte. Squall war aber der Ansicht, dass sie beide noch zu jung waren.
Aber die jetzigen Umstände veränderten alles. Lächelnd nahm er Rinoas Hand. „Vielleicht!“, antwortete er statt ihr. Er ließ sich vor ihr auf die Knie sinken. „Wenn du „Ja!“ sagst...“, sagte er leise. Rinoa wirkte völlig überrumpelt. Squall küsste, noch immer vor ihr kniend, ihre Hand.
„Rinoa Heartilly!“, begann er ernst. Wie auf ein Kommando wurde es still im Saal. Squall kümmerte sich nicht darum. „Ich liebe dich mehr als mein eigenes Leben. Du bist der Grund, warum ich wieder zu Lachen gelernt habe. Du hast mir gezeigt, dass es im Leben mehr gibt, als nur den Kampf und den Ehrgeiz, der Beste zu sein. Du bist ein Teil meines Lebens, und ich würde das um nichts in der Welt ändern wollen. Du wirst die Mutter meines Kindes sein.
Und du bist die Frau, mit der ich mein Leben verbringen will.“ Er sah ihr fest in die Augen, als er sagte: „Rinoa, willst du mich heiraten?“
Rinoa starrte ihn mit großen Augen an. Squall stand langsam wieder auf. Enttäuschung machte sich in ihm breit, als Rinoa nicht antwortete.
„Wenn du... noch Zeit brauchst, oder so ähnlich, verstehe ich das.“, fügte er hinzu. Rinoa schüttelte den Kopf. Sie legte ihre Hände an seine Wangen und zog ihn etwas näher zu sich.
„Ich will!“, flüsterte sie mit erstickter Stimme. „Ja, Squall, ich will dich heiraten!“ Tränen liefen über ihre Wangen. Squall küsste die Tränen sanft weg. Er drückte Rinoa fest an sich und küsste sie immer wieder.
Vereinzelt hörte man zaghaftes Klatschen. Schließlich brandete tosender Applaus auf.
„Ist das romaaaaantisch!“, schniefte Selphie. Irvine drückte sie fest an sich und wischte ihre Tränen weg. Quistis lächelte wissend, als wollte sie sagen: Ich hab’s ja schon immer gewusst!
Xell lachte und klopfte Laguna auf die Schulter, der glücklich zurücklächelte. Edea und Cid Kramer gesellten sich zu der kleinen Gruppe. Edea weinte vor Glück und drückte die Hand ihres Mannes, der Squall wie ein stolzer Vater ansah. Ellione fiel Squall sofort um den Hals, als er Rinoa losließ, und beglückwünschte die Beiden überschwänglich.
Plötzlich wurde es etwas ruhiger. Squall bemerkte, dass Cifer und seine Freunde aufgetaucht waren. Cifer und Squall sahen sich lange an, ohne etwas zu sagen. Dann lächelte Cifer. Er hielt Squall die Hand hin und sagte leise: „Viel Glück, Kleiner. Du wirst es brauchen!“ Squall packte die ausgestreckte Hand und lächelte ebenfalls. „Danke. Ich weiß das zu schätzen.“, erwiderte er.
Cifer nickte und drehte sich um. Xell starrte ihn verärgert an. Wenn Blicke töten könnten, wäre Cifer in diesem Moment tot umgefallen.
Cifer hielt auch Xell die Hand hin. „Es tut mir leid, dass ich dich immer verarscht habe, Xell! Und glaub bloß nicht, dass mir das leicht fällt.“, meinte er. Xell starrte ihn entgeistert an. „Wer bist du, und was hast du mit Cifer gemacht?“, keuchte er entsetzt. Cifer lachte. „Ich mein’s ernst! Nimmst du meine Entschuldigung an?“ Xell überlegte noch kurz, dann nahm er zögernd Cifers Hand und drückte sie kurz.
Fu-Jin und Rai-Jin reichten Rinoa und Squall ebenfalls die Hand. „Alles Gute!“, sagte Fu-Jin lächelnd. Irvine blinzelte überrascht. „Mein Güte! Hat sie eben gelächelt?“, ächzte er. Fu-Jin bedachte ihn mit einem bösen Blick. „Ruhe!“, zischte sie. Rai-Jin versuchte, die Situation etwas zu entspannen. „Kinneas, an deiner Stelle wäre ich mal ruhig! Fu-Jin hat in solchen Sachen mal überhaupt keinen Humor.“, erklärte er.
„Ich Unwürdiger habe den Zorn der großen Fu-Jin auf mich gezogen! Gott steh’ mit bei!“, rief Irvine mit schlecht geschauspielerter Verzweiflung. Alle brachen in schallendes Gelächter aus. Auch Salina, die unauffällig an Cifers Seite getreten war und seine Hand nahm. Es überraschte Squall nicht sonderlich, dass Cifer seine Hand nicht wegzog. Die Beiden hatten den ganzen Abend miteinander gesprochen... Nun ja, den Großteil des Abends! Wenn sie nicht gerade... anderweitig beschäftigt gewesen waren.
Squall sah zu Hyne und Vandell hinüber, die die ganze Zeit kein Wort gesagt hatten. Beide lächelten und musterten die glücklichen Menschen. Hyne ließ Vandell los und nahm Rinoas Hand.
„Werde glücklich, meine Tochter!“, sagte sie leise. Rinoa lächelte. „Das werde ich bestimmt!“, erwiderte sie mit einem verliebten Blick zu Squall. Hyne lachte kurz. „Das denke ich auch. Und du wirst bestimmt eine gute Mutter.“
Vandell legte Squall eine Hand auf die Schulter. „Und du wirst deinem Kind bestimmt ein guter Vater sein.“, sagte er leise. Squall sah ihn zweifelnd an. Daran hatte er noch gar nicht gedacht!
„Da wäre ich mir nicht so sicher.“, meinte er unglücklich. Vandells Lächeln wurde eine Spur breiter. „Ach was! Das habe ich auch gedacht, aber als Belinda...“ Er brach ab, als er bemerkte, dass ihn alle anstarrten.
„Belinda?“, fragte Hyne mit einem lauernden Blick. Vandell sah sich unbehaglich um. „Mein... äh... Patenkind!“, erklärte er. Hyne sah ihn weiter an. „Patenkind?“, fragte sie weiter.
Vandell seufzte. „Komm schon, erzääähl!“, drängte Selphie neugierig. Auch alle anderen sahen ihn erwartungsvoll an. Er sah sich noch einmal um und hob abwehrend die Hände. „Okay, ich sag’s ja schon!“, meinte er beschwichtigend. „Das war kurz, nachdem wir nach Centra gegangen waren. Damals gab es Kämpfe mit den Oberflächenbewohnern. Belindas Vater war im Kampf gefallen, und ihre Mutter wollte sie aussetzen... oder töten. Ich habe sie gesehen, als ich am Meer spazieren ging. Es sah so aus, als wollte sie das Baby ins Meer werfen.“ Er verstummte kurz. Alle hörten ihm gebannt zu. Also fuhr er ergeben fort:
„Ich habe sie daran gehindert. Sie weinte, und sie erzählte mir, dass sie allein das Kind nicht großziehen könne, weil keiner ihrer... Freunde... bereit war, ihr zu helfen. Damals brauchte ein Kind einen Vormund, um in der Gesellschaft anerkannt zu werden. Ein Freund ihres Mannes hatte sich zwar dazu bereiterklärt, der Vormund der Kleinen zu sein, aber er hatte es sich nach dem Tod ihres Mannes wieder anders überlegt.
Sie tat mir leid. Deshalb erklärte ich mich dazu bereit, der Vormund von Belinda zu sein.“ Er lächelte, als er daran dachte.
„Sie konnte es zuerst nicht glauben! Vandell, der Ritter der Schöpferin, der Führer des Volkes, sollte der Vormund ihrer Tochter sein? Sie dachte, ich würde mir einen Scherz erlauben. Aber ich versicherte ihr, dass ich zu der Zeremonie kommen würde.
Keiner in Centra glaubte ihr. Alle hielten mich für einen gefühllosen Roboter, weil ich mich sehr zurückgezogen hatte, als ich Hyne verloren hatte.“ Hyne schmiegte sich an ihn und lächelte. „Warum sollte ich einer armen Witwe helfen, die ihre Freunde verloren hatte?“, fuhr Vandell lächelnd fort. „Als die Priesterin bei der Zeremonie fragte, wer der Vormund des Mädchens sein wolle, begannen die einstigen Freunde des verstorbenen Kriegers zu lachen. Sie verspotteten die Frau. Aber als ich mich meldete, waren sie plötzlich still.“
Vandell lächelte verträumt. „Belinda wuchs unter meiner Aufsicht auf. Sie war der einzige Lichtblick in meinem Leben. Sie war auch der einzige Grund, warum ich Hyne nicht in den Tod folgen wollte. Als sie starb, änderte sich das.“ Er sah Squall an. „Du weißt, was danach passiert ist.“
Squall nickte. „Sie haben dich lebendig in dieses... Grab eingesperrt.“, sagte er leise. Vandell nickte. „Aber genug von mir! Ihr zwei solltet lieber feiern, anstatt euch meine Geschichten anzuhören.“ Rinoa machte ein trauriges Gesicht. „Schade! Ich fand die Geschichte schön.“, meinte sie.
Vandell lachte. „Ein andermal vielleicht. Aber jetzt amüsiert euch! Ihr solltet endlich eure Verlobung feiern. Das ist ein Befehl!“, fügte er streng hinzu, als Squall widersprechen wollte.
Alle brachen wieder in schallendes Gelächter aus.
Wenig später fanden Rinoa und Squall endlich etwas Zeit für sich. Sie saßen auf einer der Bänke im Schulhof und betrachteten den Sternenhimmel.
„Weißt du noch? Auf dem Fest, nachdem wir Artemisia besiegt hatten...“, fragte Rinoa. Sie kuschelte sich an Squall, der sie sofort in die Arme nahm. „Wie könnte ich das je vergessen?“, erwiderte er lächelnd. „Schließlich hätte Irvine unseren ersten Kuss beinahe gefilmt!“
Rinoa lachte. „Genau! Schade, dass die Batterien leer waren.“ Squall runzelte die Stirn. „Wieso schade?“, fragte er. Rinoa sah ihn an. „Stimmt! Ich erinnere mich ohnehin jedes Mal daran, wenn du mich küsst...“, flüsterte sie. Squall lächelte und küsste sie sanft. „Jetzt auch?“, fragte er. Rinoa setzte sich auf seinen Schoß und legte ihre Arme um seine Schultern „Ja... jetzt auch!“, antwortete sie leise. Sie küsste ihn noch einmal. Dann legte sie ihren Kopf an seine Schulter und schloss die Augen.
Jemand räusperte sich. Als Rinoa die Augen wieder öffnete, sah sie ihren Vater, der sie im schwachen Mondlicht musterte. Sie spürte, wie Squall sich verspannte.
„Rinoa, könnte ich kurz mit dir sprechen?“, fragte Caraway mit einem Seitenblick auf Squall.
„Ich habe keine Geheimnisse vor meinem Verlobten, Dad!“, gab Rinoa hitzig zurück. Caraway runzelte die Stirn. „Aber ich!“, erwiderte er. „Bitte, könnten wir uns alleine unterhalten?“
Rinoa wollte etwas erwidern, aber Squall kam ihr zuvor. „Schon gut!“, meinte er. „Ich schau mal zu den Anderen rein.“ Er stand auf und verschwand im Halbdunkel.
Rinoa funkelte ihren Vater an. „Was ist?“, fragte sie so ruhig wie möglich. Caraway seufzte. Als er sie wieder ansah, sah er traurig aus. „Was ist nur passiert, dass wir uns nur noch streiten?“, fragte er bitter. „Wir waren doch einmal eine Familie!“ Das überraschte Rinoa ein wenig. Sie stand auf.
„Als deine Mutter gestorben ist, ist diese Familie zerbrochen.“, fuhr er fort. „Und jetzt verliere ich dich auch noch!“ Rinoa sagte nichts. Ihr Vater strich mit der Hand über ihre Wange.
„Du bist genauso wie deine Mutter. Du bist das einzige, was mir von ihr geblieben ist!“, flüsterte er. Irrte sich Rinoa, oder zitterte seine Stimme wirklich?
„Egal, was du denkst, aber ich habe deine Mutter wirklich geliebt! Das musst du mir glauben. Und jetzt verliere ich dich an diesen... Squall...“
Wenigstens hatte er nicht „Mistkerl“ gesagt!
„Was hast du eigentlich gegen ihn? Was macht er falsch?“, fragte Rinoa leise. Caraway lächelte schwach. „Gar nichts. Das ist ja das Problem!“ Irritiert sah Rinoa ihn an.
„Er ist ein netter Junge.“, fuhr Caraway fort. „Er ist der Sohn des Präsidenten von Esthar, und er ist ein ausgezeichneter Soldat. Er weiß, wie er seine Mitmenschen für eine Sache motivieren kann. Und er ist schonungslos ehrlich. Ich müsste mich eigentlich für dich freuen... und unter anderen Umständen würde ich ihn auch mögen... wahrscheinlich.“ Caraway seufzte. „Aber ich ertrage es nicht, dass ich dich an ihn verliere!“
Rinoa umarmte ihren Vater. „Du verlierst mich nicht, Dad.“, sagte sie leise. „Ich werde immer dein kleines Mädchen sein. Aber du musst aufhören, so schlecht über ihn zu sprechen. Ich liebe ihn!“ Caraway lächelte. „Ich weiß!“, sagte er mit rauer Stimme. Er ließ Rinoa los und sagte: „Aber das macht es noch schlimmer!“ Bevor Rinoa etwas erwidern konnte, wandte er sich zum Gehen. „Dad!“, rief sie ihm nach. „Ich liebe dich auch.“ Caraway drehte sich nicht um, aber er blieb kurz stehen. „Danke!“, sagte er so leise, dass sie es fast nicht verstand.
Er nickte Squall freundlich zu, der gerade wieder zurück kam. Angel begleitete ihn. Sie sprang kläffend auf Rinoa zu, als sie sie bemerkte. Squall sah dem Oberst erstaunt nach. Dann wandte er sich wieder Rinoa zu, die noch immer Angel begrüßte.
„Was wollte er denn?“, wollte Squall wissen. Rinoa antwortete nicht. Sie kraulte Angel nachdenklich zwischen den Ohren und starrte auf einen Punkt hinter dem Horizont. Squall setzte sich neben sie. Er beobachtete eine Weile, wie Rinoa Angels weiches Fell streichelte. „Mann, wäre ich gerne der Hund!“, brummte er. Rinoa lachte und küsste ihn. „Dann würdest du aber einiges verpassen!“, lachte sie. Squalls Augen leuchteten. „Zum Beispiel?“, fragte er grinsend.
Rinoa küsste ihn noch einmal. „Das zum Beispiel!“, antwortete sie. Squall lachte. „Das ist ein Argument.“, meinte er lächelnd. Rinoa kuschelte sich an ihn und schloss die Augen. Squall streichelte ihr Haar und sagte: „Ich denke, wir sollten wieder hinein gehen. Hyne sagte, sie hätte ein kleines Geschenk für uns...“ Rinoa sprang sofort auf. „Ich liebe Geschenke! Gehen wir!“ Sie zog den völlig überraschten Squall einfach mit sich.
Ein ungläubiges „Wie bitte?“ von Vandell war das Erste, was Squall und Rinoa hörten, als sie den Saal wieder betraten. Er funkelte Hyne an, die sich ihm gegenüber aufgebaut hatte und ihn anflehte: „Bitte, Schatz, nur dieses eine Mal noch. Für die zwei frisch Verlobten!“ Vandell schüttelte den Kopf. „Keine Chance!“, meinte er. „Ich werde auf keinen Fall hier singen!“ Alle, die in der Nähe standen, horchten auf. „Aber Liebling...“, versuchte Hyne es noch einmal, aber Vandell schüttelte wieder den Kopf. „Ich habe nein gesagt. Außerdem kann ich gar nicht singen!“ Hyne lachte hell auf. „So ein Schwachsinn!“ Sie umarmte ihn und sah ihm tief in die Augen. „Du hast eine wunderschöne Stimme. Und ich habe dich schon einmal singen gehört. Erinnerst du dich? Damals, bei diesem Fest, als du für mich ein Lied gesungen hast... nur für mich. Das war wunderschön...“ Sie lächelte ihn an. Vandell seufzte ergeben. „Habe ich denn eine Wahl?“, fragte er niedergeschlagen.
Squall grinste. „Oh, der große Ritter Vandell wird uns Beiden ein Ständchen bringen? Welche Ehre!“ Rinoa verpasste ihm einen leichten Klaps auf den Oberarm. „Lass ihn. Wenn er nicht singen will, dann muss er auch nicht.“ Sie sah Vandell treuherzig an. „Aber schön wäre es schon...“, fügte sie hinzu. Auch Selphie fing an zu betteln. „Oh ja, biiitte! Bitte siiingen!“ Irvine, Quistis und Xell sahen ihn ebenfalls erwartungsvoll an. Vandell sah sich verzweifelt um. „Habe ich denn eine Wahl?“, wiederholte er. „Schön, ich singe. Aber was ist mit der Begleitung? Ich meine, wenn ich mich da rauf stelle, brauche ich eine instrumentale Begleitung, sonst klingst das bescheuert.“ Hyne lächelte. „Keine Sorge, du hast ja mich!“ Vandell nickte ergeben. Er folgte Hyne auf die Bühne. Sie verschaffte sich bei allen Anwesenden Gehör und verkündete: „Sehr geehrte Gäste, ich möchte um Ruhe bitten. Mein Ehemann Vandell wird heute Rinoa Heartilly und Squall Leonhart ein besonderes Geschenk machen. Er hat das noch nie in der Öffentlichkeit gemacht, also bitte ich Sie, still zu sein, bis er fertig ist.“ Sie gab das Mikrofon an Vandell weiter, der es mit geschlossenen Augen annahm. Er stellte sich mitten auf die Bühne und schien sich zu konzentrieren. Rinoa drückte Squalls Hand. „Seit wann sind die beiden denn verheiratet?“, flüsterte sie. „Keine Ahnung.“, meinte er achselzuckend. Dann verstummte er, als leise Musik hörbar wurde. Das Licht wurde ein wenig gedämpft, um die richtige Atmosphäre zu schaffen. Leise, langsam, traurig schwebte die Melodie durch den Raum. Vandell öffnete die Augen, aber er schien weit weg zu sein. Als er zu singen begann, schien jeder im Raum den Atem anzuhalten. Seine Stimme war angenehm und ein wenig melancholisch, und er sang ein Lied in einer Sprache, die niemand kannte. Squall legte einen Arm um Rinoa, die sich lächelnd an ihn schmiegte. Vandells ein wenig traurige Stimme weckte in jedem schöne Erinnerungen. Als er geendet hatte, blieb es noch einen Moment ruhig im Saal. Jeder erwachte langsam aus seinen Träumen. Und für diesen Moment war die Welt für alle in Ordnung.
Ende
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