Cyrodiil, Ringstrassee um die Kaiserstadt
Es stimmte, was die Leute auf den Strassen behauptet hatten. Das Tiber-Septim-Hotel war wohl das
Luxuriöseste Hotel in der Kaiserstadt. Mit einem Seufzer der Zufriedenheit lies sie sich in dem Ohrensessel zurücksinken. Das weiche Polster umfing sie und bot einen bequemen Rückhalt, während sie auf das Essen wartete. Die Finger, sauber und ohne eingerissene Fingernägel, spielten Gedankenverloren mit einer Strähne des frischgewaschenen Haares. Doch sobald sie diese loslies um sich Ihrem gerade servierten Essen zu widmen, ringelte sie sich schon wieder störrisch über die Augenbraue, um Ihr dann geradewegs über die Wange zu streichen. Das machte sie immer und es war beim Kämpfen höchst störend. Doch das Kämpfen war vorbei, sie trug ein feines Kleid, das eindeutig nicht zum Kämpfen gedacht war, mit seinen ganzen bauschenden Röcken. Aber es hatte unzweifelhaft eine entwaffnende Wirkung auf den Paladin der Ihr gegenüber sass.
Unter dem Mieder des Kleides machte nun Ihr Magen klar, das er auch bereits kampfbereit war. Das Essen bestand aus dem teuersten Menue der Karte und das zarte Fleisch badete in dunkler Sosse. Dazu frisches Brot und ein teurer Rotwein. Verschiedene Gemüsesorten lagen auf einer Platte, umgeben von einer hellen Sosse. Vorsichtig beugte Sie sich vor, um den herrlichen Geruch aufzunehmen................
.....................und musste schlagartig würgen. Der Gestank war kaum auszuhalten und noch im wachwerden begriff Kiara, dass sie von Ihrem eigenen Gestank wach wurde. Das nächste was sie wahr nahm, war Ihre alte Decke, die um Ihre Schulter geschlungen lag. Die hatte sie doch nichtmehr ausgepackt? Ausser der Decke schlang sich noch etwas um sie. Vorsichtig versuchten Ihre Finger den Gegenstand zu erkennen, der so schwer auf Ihrer Hüfte lag. Unwillkürlich musste sie lächeln und drehte leicht den Kopf um in das schlafende Gesicht des Bretonen blicken zu können. Sie stellte fest, dass wirklich etwas an der Sache dran war, mit dem gemeinsam einschlafen und gemeinsam aufwachen. Auch wenn sie im Punkt des einschlafen einen kleinen Vorsprung hatte.
Die Versuchung einfach noch liegenzubleiben war zu gross, sie kuschelte sich ein.......und schrak angewidert zurück. Dann eben doch aufstehen. Vorsichtig glitt sie unter der Decke hervor und lies den schlafenden Aurel zurück. Offensichtlich hatte er noch die Energie gefunden, sich im Wasser zu baden und Kiara nahm sich vor, dass nun ebenfalls zu geniesen. Sie suchte sich eine geschützte Stelle und lies dort die Kleider zurück. Eine ganze Weile lies sie sich einfach nur treiben und versuchte an gar nichts zu denken. Doch Aurels Visionen und Malukhats Worte trieben wie träge Schlingpflanzen durch Ihren Geist und verknoteten sich dort letztlich zu einem wilden Knäul. Sie würde die Antwort auf Ihre Fragen wohl kaum im Wasser finden. Im Lager schien es immernoch ruhig. Schlief Aurel noch?
Mit kräftigen Schwimmbewegungen kehrte sie ans Ufer zurück und kämmte das Haar schnell mit den Fingern aus. Das dreckige Hemd landete unversehens auf der Krone. Kiara schnitt dem schrecklichen Ding eine Grimase und zog sich das saubere Hemd über den Kopf. Nachdenklich schätze sie die Entfernung zu Kaiserstadt ab, doch bis zum Mittag dürften sie locker im Schatten des Weissgoldturms stehen.
Zusammen nahmen sie ein karges Frühstück ein, bestehend aus etwas Trockenfleisch, einem verschrumpelten Apfel und etwas hartem Brot. Ihr Begleiter wirkte still und kaute verbissen auf seinem Brot. Fast schien es, als kämpfe er immernoch. Doch diesmal war der Preis seine eigene Seele.
Als sie Richtung Kaiserstadt marschierten legte Kiara ihm Scheu eine Hand auf den Arm. „Lassen Dich die Geister nicht ruhen? Dann erzähl mir von dem Brustharnisch und wen Du da eigentlich begraben hast. Vielleicht schweigen Sie dann.“
Die nassen Haare verbargen die Tränen, die Ihr schliesslich über die Wangen liefen.......
Ringstraße um die Kaiserstadt / vor den Stadttoren
Aurel bemerkte Kiaras Tränen und blieb abrupt stehen.
„Kiara, das, was mich plagt, ist nicht mehr der Brustpanzer. Das, was mich all die Jahre mit ihm verbunden hat, liegt nun endgültig begraben zusammen mit dem Harnisch.“
Er atmete tief durch.
„Mich plagen andere Geister. Die Krone... Malukhat hatte Recht.“
Aurel fuhr Kiara durchs Haar und begann, zu erzählen.
Er erzählte ihr alles, die Worte sprudelten geradezu aus ihm heraus. Er schilderte seine Vergangenheit auf Solstheim in den Diensten der Legion, beschrieb seine Verbindung mit Ravanna und ihr Ende auf den Zinnen der Eisfalterfestung, und er erzählte Kiara von seinen Visionen und Wachträumen, die ihn seit kurzem plagten.
„Ich habe Ravanna geliebt, aber sie ist nun endlich Vergangenheit und ruht zusammen mit meinem alten Legionsharnisch neben unserem toten Kameraden. Nicht zuletzt dank Dir habe ich, was diese Sache betrifft, endlich Frieden gefunden. Die Krone ist es, die mir Angst bereitet. Etwas geschieht mit mir, und es ist nichts Gutes. Ich weiß nicht, ob es wirklich nur...“
Aurel lachte leicht spöttisch und traurig zugleich.
„Nur! Ha!... Ob es wirklich nur beginnender Wahnsinn ist, oder ob da nicht mehr dahinter steckt. Es wirkt so... real.“
Er legte einen Arm um Kiara und ging mit ihr weiter Richtung Kaiserstadt.
Und während er ihr alle Details seiner Vision bei der Ruine schilderte, kamen sie schließlich an den Stadttoren an.
Und Aurels Gedanken wurden schlagartig durch eine andere Wahrnehmung weggewischt. Der Geruch von Gebratenem hing in der Luft, trotz all der anderen Gerüche, die diese große Stadt und ihre Bewohner verströmten, deutlich wahrzunehmen.
Aurels Magen knurrte wie ein ausgewachsener Berglöwe.
„Kiara, wie viel Geld hast Du noch? Ich muss mir einen neuen Brustpanzer besorgen, und mein unglaubliches Vermögen wird mir wohl nur einen Eisenpanzer bescheren, darum kann ich Dich kaum ins Tiber Septim einladen.“
Aurels Magen gab wieder das Knurren von sich, diesmal noch lauter.
„Ich sterbe vor Hunger. Lass uns etwas essen gehen, dann besorge ich den neuen Harnisch und dann sollten wir schnell den Luxusschuppen aufsuchen, den Malukhat sich als Residenz ausgesucht hat. Ich muss mit dem Herren reden. Und er wird mit mir reden, bei Talos!“
...
Cyrodiil, unter der Erde & ganz woanders
Malukhat saß mit lockerer Haltung auf dem großen Thron am Ende der Halle. Einen Ellenbogen auf die Lehne gestützt, strich er wie üblich nachdenklich über seinen Schnurrbart. Um ihn herum hatte sich ein Halbkreis an Toten gebildet, die ihn allesamt missbilligend anstarrten. Der Erzmagier meinte zu wissen, dass weniger sein Sitzen auf dem Thron sie böse stimmte, sondern eher der schlechte Einfluss Aurels. Die Geister schienen sich immer dem gängigen Trend zu unterwerfen, und momentan war der Bretone der Fluchträger, was nur bedeuten konnte, dass Malukhat in dieser Runde ein verdammt schlechtes Blatt auf der Hand hatte.
Alexius war der einzige, der sich an der Anwesenheit des Dunmers nicht störte. Er hatte sich neben dem Thron auf den Boden gesetzt und lehnte sich an dessen rechte Stütze. Entweder, so dachte Malukhat, bin ich nun vollkommen verrückt, oder seine Wunden scheinen tatsächlich zu heilen. Dabei war ihm vollkommen klar, dass ein Heilprozess bei Toten kaum möglich ist.
„Alexius – wie nett! Ich kann dein Gesicht wieder ansehen ohne dass mir übel wird“, sagte er und warf einen Seitenblick auf den Kaiserlichen. Grinsend wandte dieser ihm sein Antlitz zu.
„Nicht wahr?“, entgegnete er. „Ich fühle mich auch schon sehr viel besser. Aurel sei Dank.“
Malukhat zog eine Augenbraue hoch. „Wie kann ein Geist sich besser fühlen?“
„Denk’ mal scharf nach, was ich vor meinem Tod war.“
„Ich weiß: Bekloppter Lich. Ganz schlechte Berufswahl. Aber bei der heutigen Arbeitslage…“
Alexius warf den Kopf in den Nacken und lachte. Das gab den entscheidenden Ausschlag für Malukhat, sich endgültig verarscht vorzukommen. Der Kaiserliche hasste ihn nicht, ja er war nicht mal angefressen. Obwohl… über den Punkt ließ sich mit Sicherheit streiten.
„Was ist das für ein Spiel, das du hier spielst?“ Der Dunmer lehnte sich zur Seite und sah Varra eindringlich an. „Ich kenne dich gut genug um zu wissen, wie du Leuten begegnest, die dir irgendwas angetan haben. Wenn du wenigstens so tun könntest, als seiest du überhaupt in irgendeiner Weise gekränkt oder sauer.“
Alexius antwortete nicht. Stattdessen wandte er den Blick ab und starrte auf den Hallenboden. Das alles hier war eine ganz feine Angelegenheit und wenn Malukhat irgendetwas verstand, dann, dass Varra nicht sauer sein konnte, weil er den Dunmer als ersten verraten hatte. Diese Erkenntnis war interessant, fühlte sich aber nicht sonderlich gut an. Dass der Kaiserliche jetzt nichts sagte, konnte nur bedeuten, dass noch irgendetwas anderes im Spiel war. Etwas, von dem Malukhat nichts wissen sollte. Bis es zu spät war.
„Ich habe das alles hier von langer Hand geplant“, sagte Alexius nach langem Schweigen. „Octavo ist ein Urenkel der Schwester des Neffen meiner Tante dritten Grades. Das reichte gerade noch aus, um mit ihm in Verbindung treten und ihn bitten zu können, ein paar Irre zu finden, die sich tatsächlich hierher wagen. Aber es ging gar nicht mal um die Krone an sich, mein Freund, und auch nicht um Octavo. Es ging darum, mich zu töten. Meine Zeit war schon lange gekommen und in einem meiner wenigen halbwegs klaren Momente schaffte ich es, den Mann auf diese Spur zu bringen. Ich habe schon bessere Zeiten gesehen, mein Körper, Gott weiß, sowieso. Ich war und bin zu kaputt, um meine Träume Realität werden zu lassen.“
Alexius spielte in Gedanken versunken an dem Ring seiner Frau, den er am Zeigefinger seiner rechten Hand trug. Er zog ihn bis zur Fingerkuppe hoch, drehte ihn hin und her und starrte ihn dabei an wie ein Ertrinkender einen Rettungsring.
„Aurel wird sich jetzt darum kümmern. Er glaubt tatsächlich, er sei der neue Herr dieser Seelen, aber das ist nicht wahr. Das ist meine Welt, ich habe sie erschaffen. Der Bretone hat hier nichts zu suchen. Schon gar nicht als Herrscher. Aber jetzt brauche ich ihn, um meine Ziele verwirklichen zu können. Eine Kostprobe der Macht, die ihn erwartet, habe ich ihm bereits gegeben, und mit der Zeit werde ich ihn mit immer mehr versorgen. Zusätzlich speise ich seinen Geist mit Wahnvorstellungen. Irgendwann wird er tatsächlich glauben, unbezwingbar zu sein, aber das stimmt natürlich nicht. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass er sehr schnell draufgehen wird.“
Bevor Malukhat sich auf die Zunge beißen konnte, sagte er: „Aurel ist vielleicht stärker als du denkst.“
Alexius schnaubte ein verächtliches Lachen. „Auch der stärkste Mann kann sich dem Einfluss meiner Krone nicht entziehen, das weiß ich selbst nur zu gut.“
„Du hast dir da wirklich einen dunklen Plan zusammen geschustert“, sagte Malukhat. „Wenn Aurel stirbt, suchst du dir einfach den nächsten. Irgendjemand wird so dumm sein und die Krone an sich nehmen. Und umso mehr dieser Leute sterben, desto mehr Seelen sammeln sich hier an und desto größer wird deine Macht.“ Er schloss die Augen und lächelte. „Wenn es soweit erstmal gekommen ist ist, dann hast du dein Ziel erreicht, alter Freund. Dann bist du unsterblich. Nimm’ es mir aber nicht übel, wenn ich dir Steine in den Weg werfe.“
Auch Alexius lächelte. „Das habe ich nicht anders erwartet. Du wärst nicht Malukhat, wenn du dich nicht allen möglichen Leuten in den Weg werfen würdest. Das ist einfach ein Teil von dir. Nimm’ du es mir also im Gegenzug nicht übel, dass auch ich daran arbeite, deine Steine ganz schnell weg zu räumen und neue vor dir zu platzieren.“
„Kein Problem“, sagte Malukhat, „damit komme ich klar.“
Malukhat erhob sich aus dem Thron und machte sich daran, einen anderen Teil der großen Halle zu betreten. Wenn das hier wirklich ein illusionistischer Nachbau der Ayleiden-Ruine war, dann würde er hier unten sicherlich irgendwo sein altes Zimmer finden. Die verstümmelten Geister machten lange Gesichter, stellten sich ihm allerdings nicht in den Weg. Sie stoben vor ihm auseinander wie vom Wind gepeitschte Blätter.
Tatsächlich fand er am anderen der Halle eine Tür. Diese führte in ein wahres Labyrinth an Gängen, doch Malukhat kannte sich aus. Den richtigen Weg zu finden war nicht schwer und schon bald fand er sich in dem Raum wieder, den er vor über siebenhundert Jahren bezogen hatte. Alles sah so aus wie damals und der Erzmagier musste darüber schmunzeln, als Totenbeschwörer derart penibel Ordnung gehalten zu haben.
Rechts von ihm stand ein Schreibtisch an der Wand, direkt daneben ein kleiner Tisch mit seinen Alchemie-Utensilien. Dahinter befand sich ein viereckiges Loch in der Wand; er hatte es hineingeschlagen, um einen direkten Durchgang zum nebenan gelegenen Raum zu haben, und seine Gefährten hatten kräftig mit angepackt. Er hatte ihm als Lagerraum gedient, und so fanden sich dort viele Kisten, Truhen und Säcke mit allerlei Gegenständen: Von Alchemiezutaten über Bücher bis hin zu Kleidungsstücken.
Der Erzmagier ging auf das Bett zu, welches gegenüber der Tür lag, fuhr mit der Hand über das Holz und setzte sich nieder, um das Bücherregal zu betrachten. Es waren an der Zahl nicht viele, insgesamt fünfzehn Bände, und er hatte jeden einzelnen mehr als einmal gelesen.
Erinnerungen stürmten auf ihn ein und er kam zu dem Schluss, dass die Zeit damals doch nicht so schlecht war und das zurückgezogene Leben eines Totenbeschwörers den ein oder anderen Vorteil bot. Mit einem abwesenden Lächeln erhob er sich von dem Bett und ging auf den Spiegel zu, den er auf der linken Seite des Zimmers angebracht hatte. Hier unten galt er als einziger Beweis für seine Eitelkeit. Er riskierte einen Blick hinein und zuckte vor Schreck zusammen.
„Grundgütiger!“, rief er aus. Mit großen Augen starrte er auf das Gesicht im Spiegel, welches mit ebenso großen Augen zurückstarrte. Um die Augen im Spiegel aber hatten sich keine Falten gesammelt, die Haut war glatt und jung. Auch seine Frisur hatte sich geändert. Das heißt, er hatte nun wieder eine Frisur, nämlich lange schwarze Haare, die auf seinem Rücken zu einem Zopf gebunden waren. Wie um sich davon zu überzeugen, dass dies die Wirklichkeit war (oder wenigstens so sehr Wirklichkeit wie es eingesperrt in der Welt eines wahnsinnigen Lichs möglich war), griff er nach hinten und – Tatsache: Er fühlte dichtes, schwarzes Haar zwischen den Fingern.
Es interessierte ihn nicht, was Alexius möglicherweise von ihm denken würde. Er stürzte zurück in die Halle, ignorierte die böswilligen Blicke und machte direkt vor Varra halt, der betont desinteressiert seine Fingernägel begutachtete.
„Ich fühle mich auch viel besser“, sagte er trocken. „Aurel oder Alexius sei Dank, was schätzt du?“
„Malukhat sei Dank, würde ich sagen“, lächelte Alexius. Die Verwirrung des Erzmagiers schien ihn zu amüsieren. „Die da“ – er wies auf die Geister – „die haben hier keinerlei Macht. Aber du schon. Du bist ein Teil des Zaubers. Ich hätte, ehrlich gesagt, gerne darauf verzichtet, dir das zu offenbaren, aber da du es nun selbst gemerkt hast...“
Malukhat pfiff durch die Zähne. „Ich habe für einen Moment darüber nachgedacht, doch hier zu bleiben. Ehrlich, das werde ich vermissen.“
Und ebenso ehrlich würde er dieses Wissen nun gegen Varra einsetzen. Aurel ist hier nicht der Herr und Meister? Aber Malukhat, in gewisser Weise jedenfalls, schon? Der Bretone hatte eine Verbindung zu dieser Krone, wie sie persönlicher und direkter nicht sein konnte. War es also möglich…? Ausprobieren! Aber nicht hier. Alexius wusste zwar ohnehin, dass Malukhat irgendeine Gemeinheit ausheckte, würde aber wohl nichts dagegen unternehmen. Er war schon immer ein seltsamer Mann gewesen und wieder fragte der Erzmagier sich, ob es nicht noch ein weiteres Hintertürchen aus dem Fluch heraus gab, und ob dieser für ihn zu einem Problem werden könnte.
Er ging zurück in sein Zimmer und stellte sich vor den Spiegel. Einen besseren Einfall hatte er nicht. Gut, Aurel, dachte er, dann komm’ mal her.
Sein Spiegelbild sah ihn erwartungsvoll an. Puh… wahrscheinlich musste er sich stärker konzentrieren, obwohl er gehofft hatte, diese Angelegenheit würde sich ähnlich unkompliziert gestalten wie der plötzliche Jungbrunnen.
Er kniff die Lider zusammen und konzentrierte sich.
Aurel, Aurel, Aurel, Aurel, Aurel, Aurel, Aurel, Aurel, Aurel.
Vorsichtig riskierte er einen Blick auf das Ergebnis. Nichts.
Großartig. Einfach großartig. Vielleicht war er zu blöd dazu. Vielleicht war es auch überhaupt nicht möglich. Vielleicht aber hatte Alexius ihm nur einen Streich gespielt und er besaß in Wirklichkeit nicht mal die Andeutung von Macht über diese Scheinwelt. Enttäuscht und wütend zugleich schlug er mit der flachen Hand gegen die Wand, als er bemerkte, dass sich doch etwas verändert hatte. Er betrachtete es genauer: Ein blasser Schatten, überlagert von seinem eigenen Spiegelbild. Allmählich verschwand er wieder.
Malukhat war nicht bereit, sich diese Chance durch die Lappen gehen zu lassen. Er war sich einfach sicher, dass er durch die Oberfläche hindurch nach dem Schatten greifen konnte, und dass dieser Schatten niemand anders sein konnte als Aurel. Eine andere Schlussfolgerung ließ die Zeitnot nicht zu. Mit den Händen drang er durch das Glas, das Holz und die dahinter liegende Wand als war all das nur Luft. Er spürte Masse zwischen den Fingern und riss daran. Mit einem gewaltigen Ruck zog er einen Menschen zu sich heran, der mit dem gesamten Unterkörper noch irgendwo anders steckte.
„Aurel, mein Herz, ich habe ganz wunderbare Neuigkeiten für dich“, sagte er grimmig und packte die Schultern des anderen nur noch fester. „Und das sind wirklich richtig tolle Neuigkeiten. Dagegen wird dir die Fluch-Sache vorkommen wie ein Sommerurlaub. Ich weiß jetzt wieder…“ Für einen Moment hielt er inne. Mit Verwunderung in den Augen sah Aurel ihn an, und auf ähnliche Weise musterte der Erzmagier ihn. Die Gestalt unter seinen Händen verlor langsam an Kontur; Malukhat sah bereits den Hintergrund durchschimmern. So ein Mist aber auch. Jetzt musste er sich kurz fassen, dabei hatte er doch einen so ausgeprägten Sinn für Dramatik. „Nur ich kann die Krone zerstören. Leider bin ich gerade am Sterben. Das heißt, mein Körper liegt in einem Sarg irgendwo unter der Erde. Ich ersticke also fröhlich vor mich hin, während meine Seele schon zu einem großen Teil in der Krone steckt. Grab’ mich aus oder wir zwei haben ein Problem. Und, Aurel…“ Malukhats Stimme nahm einen bedrohlichen Unterton an, während der Bretone langsam unter seinen Fingern verschwand. „Schau, was für ein hübscher Kerl ich mal war, das ist Mondzucker für mein Ego. Also beeil dich, bevor ich es mir anders überlege. – Aber eines sei gesagt: Wenn du mir nicht verdammt noch mal das Leben rettest, werde ich dir den Rest deines Lebens von dieser Krone aus zur Hölle machen, darauf kannst du dich verlassen. Und glaube mal, dass selbst Alexius dann sein Haupt vor mir neigt.“
Aurel war verschwunden. Und Malukhat hoffte inbrünstig, die Nachricht hatte ihren Empfänger erreicht.
Cyrodiil, bei Chorrol/Skingrad
Luft, frische Luft! Saftig grüne Bäume! Das lebendige Zirpen der Grillen! Die warme Sonne!
Karrod war überwältigt. Er wusste seit seiner Ankunft, dass ihm Cyrodiil gefiel, doch er hätte sich nie erträumen lassen, dass ihm solche Details, welche er wenn er morgens um acht Uhr aus dem Bett wankte als ganz normal betrachtete, einst derart grosse, beinahe kindliche Freude bereiten würden! Das Leben war schön.
Seinen Gefährten schien es ähnlich zu ergehen - sie planschten im nahegelegenen Weiher herum. Da konnte er natürlich nicht widerstehen und entledigte sich sofort seiner Rüstung, um mit einem grossen Sprung ebenfalls in das kühle Nass einzutauchen. Dass er dabei den Lederwams anbehielt, war ihm egal, das übel riechende Daedra-Blut, das mittlerweile einen schwarzen Belag bildete, musste ohnehin weg.
Diesen Moment hätte er zu gerne irgendwie festgehalten. Wäre jetzt zufällig jemand des Weges gekommen, er hätte ihnen garantiert nicht abgekauft, dass sie, der im Wasser rumplanschende Haufen, sich eben durch Oblivion gekämpft hatte.
Kamahl verabschiedete sich relativ schnell. Er schien der Goldenen Heiligen weiterjagen zu wollen. Der Rest der Gruppe wollte nach Anvil reisen, zu dem Kerl, der scharf auf den Siegelstein war. Zwischenhalt in Skingrad inklusive - Drakos wohnte dort und wollte ihnen unbedingt die Stadt zeigen. Das war Karrod durchaus recht, nach dieser Schlachttour kam ihm ein wenig Erholung durchaus gelegen. Das Bad und die Massage in den Thermen der Kaiserstadt konnte er ja immer noch nachholen.
Seine bröckelnde Glas-Rüstung (Hergott, was das für einen Eindruck hinterlassen musste!) zog er wieder an. Sie war leicht und ohne sie fühlte er sich nackt - wohl ein Überbleibsel der vergangenen Jahre... das musste er sich bei Gelegenheit abgewöhnen, Frauen sprangen angeblich nicht sonderlich auf schwergerüstete Muskelpakete an. Aber feine Kleider, Seide, Parfum... das war nicht Karrods Welt. Dafür ist mein Alltag zu wild, stellte er selbstzufrieden fest. Er war kein adeliger Schnösel, der den Tag damit verbrachte, süsse Kekse in sich hinein zu stopfen und sich die Nase pudern zu lassen! Er war ein richtiger Mann! Ein ungehobelter, vor Testosteron nur so strotzender Prachtskerl! Na ja, das war so nicht richtig, er schätzte seine Manieren durchaus als gut ein, dafür wusste seine Mutter schon zu sorgen und ein Monster von einem Mann war er auch nicht, aber übermütig wie ihm zumute war faselte er gerne etwas Blödsinn vor sich hin - jetzt blieb schliesslich wieder Zeit für solche Dinge.
Er war heilfroh, als sie endlich in Skingrad ankamen. Er hätte ihm stehen einschlafen können, nach all dem Stress. Er war nun schliesslich einen Tag lang am kämpfen gewesen und man war nun mal nicht mehr der Jungspund von damals, der danach noch schnell die Nacht durchzecht hätte - er brauchte seinen Schlaf, jawohl.
Die Wachen am Tor hatten ihn so seltsam angeschaut. Wieso bloss? Seine Rüstung hatte beinahe aufgehört, vor sich hin zu bröckeln, in seinen Haaren klebte fast kein Blut mehr und er torkelte bloss einmal in den Torflügel! Ganz normaler Abenteurer-Alltag, als ob die das hier in Skingrad noch nie gesehen hätten. Ts.
Den Rest des Abends verbrachten sie in einer Taverne. Karrod war zwar müde, aber hungrig und so gönnte er sich ebenfalls ein ausgiebiges Mahl. Mit leerem Magen hätte er ohnehin nicht schlafen können.
Mit seinen Gefährten verstand er sich mittlerweile prächtig. Aus der Zwecksgemeinschaft waren Freunde geworden - ein erfolgreicher Tag, in jeder Hinsicht.
Dementsprechend angenehm wurde der Aufenthalt hier in Skingrad - viel Schlaf, eine lange Führung Drakos', der seine Heimatstadt sehr zu mögen schien und hervorragenden Wein liessen den Bretonen die monotone, düstere und bedrohliche Landschaft Oblivions schnell vergessen.
Cyrodiil, unter der Erde & ganz woanders
„Recht so, Aurel!“, rief Malukhat von seinem Thron aus und reckte eine Faust in die Luft, um sie sofort wieder sinken zu lassen. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer verwirrt angewiderten Grimasse.
„Ach, verdammt“, murmelte er. „Dabei wollte ich doch seinen Gegner anfeuern.“
Alexius lächelte. „Du bekommst immer mehr mit. Wie schön. Du weißt, was das bedeutet.“
„Das tue ich“, entgegnete Malukhat. „Nämlich, dass du ein untotes Arschloch bist.“
„Vom sterbenden Arschloch zum untoten Arschloch ist es kein weiter Weg.“
Die beiden grinsten einander an wie Schuljungen, die gemeinsam einen Streich ausheckten. Ein Außenstehender hätte sich ungläubig an den Kopf gefasst: Wie konnten sich zwei Männer, die sich gegenseitig auf übelste Weise in die Pfanne gehauen hatten, nur so gut verstehen?
Ihre Freundschaft gründete nicht auf Vertrauen, sondern auf gegenseitigem Respekt. Außerdem wussten sie, dass es nun voll und ganz auf Aurel ankam und Malukhat pflegte ihn in Gedanken bereits ein armes Schwein zu nennen. Eine Sache, die der Erzmagier an Alexius schon immer bewundert hatte, war dessen Würde. Er hatte einfach Stil; ein solcher, der mit Samtkleid und Edelstein nicht viel zu tun hatte. Allein schon, wie der Kaiserliche dort saß: Lässig einen Arm auf der Lehne des Throns abgelegt, das rechte Bein über das linke geschlagen – schlichtweg ruhig, selbstsicher und seriös. In diesem Moment hätte sogar Malukhat ihm bedenkenlos einen Besen ohne Stiel abgekauft. Und wahrscheinlich war es genau das, was Varra ihm gerade anbot. Er war zu ruhig, zu selbstsicher und zu seriös für diese Situation. Aurel, das hatte Malukhat gemerkt, kannte den Aufenthalt seines Grabes und würde seinen Körper wieder ausschaufeln. Wenn das geschah, war Malukhats Leben nicht mehr in Gefahr: Er würde die Krone verlassen und sie im Anschluss zerstören.
Alexius hatte verloren. Aber er sah nicht aus wie ein Verlierer.
„Nun gut, Malukhat“, sagte Varra, als habe er die Gedanken des Dunmers gelesen, „ich werde jetzt etwas tun, was dich mit Sicherheit beeindrucken wird. Schauen wir doch mal, ob Aurel das gut verträgt.“
Mit einem Mal spürte Malukhat einen gewaltigen Ruck. Es war nicht unangenehm oder schmerzhaft, nur überraschend, und nach einem kurzen Augenblick absoluter Finsternis sah Malukhat… Bei Azura!
Er sah exakt das, was Aurel sah. Als war er selbst Aurel.
„Lustig“, sagte Malukhat und zog eine Augenbraue nach oben. „Von hier unten sieht die Welt gar nicht viel anders aus.“
„Natürlich nicht“, hörte Malukhat Varra schmunzeln. „Aber die Luft ist wärmer.“
Malukhat sah den Kaiserlichen nicht, aber er spürte seine Anwesenheit. Aurel schien der einzige zu sein, der nicht wusste, dass sowohl Malukhat als auch Alexius durch seine Augen blickten. Natürlich, dachte der Dunmer, Alexius’ kleine Scheinwelt, Alexius’ kleine Scheinregeln. Das hier musste so ähnlich sein wie das, was der Erzmagier mit dem Spiegel getan hatte. Stell’ dir etwas vor und bezweifle nicht, dass es Wirklichkeit wird. Sie hätten genauso gut in der Halle bleiben und es auf andere Weise erleben können, aber für Alexius schien dies genau die richtige Art und Weise zu sein.
„Ich wollte die Welt noch nie aus den Augen eines bretonischen Ex-Soldaten sehen“, gestand Malukhat. Das hier würde er niemals jemandem erzählen, und ganz besonders nicht Aurel selbst.
„Wir hätten auch im…“, setzte Alexius an, doch Malukhat unterbrach ihn.
„Ich weiß. Was kommt jetzt?“
„Jetzt? Jetzt kannst du mir beweisen, dass du an deinem Leben hängst. Ich werfe die Steine, und du wirst sie wohl oder übel wegräumen müssen.“
Die Welt um Aurel verdunkelte sich. Im ersten Moment nahm Malukhat ernsthaft an, ein Gewitter zog auf, aber dem war nicht so. Was geschah, das geschah nur und ausschließlich in Aurels Kopf. Tja, dachte Malukhat, armes Schwein.
Malukhat sieht nichts, aber er weiß, dass er am Rande eines gewaltigen Schlachtfeldes steht. Die ersten Eindrücke stellen sich erst nach Sekunden ein. Der beißende Gestank von Rauch steigt ihm in die Nase, der sich kurz darauf sinngemäß mit dem Geräusch knisternden Feuers mischt. Über ihm erscheint ein Himmel, über den schwere schwarze Wolken kriechen. Nun sieht er den Rauch, der in dichten Schwaden in der Luft hängt, und zu seinen Füßen breitet sich das Schlachtfeld aus. Der regengeschwängerte Wind trägt Schreie an sein Ohr; weibliche wie auch männliche, hoffnungsvolle wie auch verzweifelte. Kriegsschreie und Todesschreie.
Schemen schälen sich aus den Schatten wie schlafende Ungeheuer und er weiß, es sind die Krieger, die zu dieser Schlacht gehören. Wütend stechen sie aufeinander ein, doch obwohl sie in der Zahl den einen Mann um vieles überwiegen, steht er für Malukhat im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Auf einem prächtigen Ross pflügt er durch die Reihen der Feinde, hackt mit seinem Speer nach rechts und links, während das Pferd die Fallenden unter seinen schweren Hufen zermalmt.
Malukhat spürt eine Hand auf seiner Schulter und als er zur Seite blickt, erkennt er das lächelnde Gesicht Alexius’ vor sich. Er wendet sich wieder dem Kampfgeschehen zu. Nun versteht er das Spiel. Er konzentriert sich auf das Pferd des blutverschmierten Reiters. Das Tier bockt, doch die Hand des Mannes ist geübt. Schnell bringt er das Ross wieder unter seine Kontrolle; nur der Helm rutscht ihm dabei vom Kopf und das vor Anstrengung verzerrte Gesicht Aurels erscheint in der schwülen Nachtluft. Es sind seine Truppen und er weiß, dass sie siegreich sein werden. Alexius will es so.
Malukhat ist ratlos. Er streicht mit der Hand über seinen Schnurrbart und denkt fieberhaft nach. Er befindet sich mitten im Geschehen, aber keiner greift ihn an, denn niemand achtet auf ihn, auch Aurel nicht. Besonders Aurel nicht, denn er ist der Hauptprotagonist dieses grausamen Schauspiels. Für ihn sind Malukhat und Alexius nur unwichtige Statisten, die auf einer Bühne stehen, auf die sie nicht gehören. Er weiß nicht, dass sie im Hintergrund die Fäden ziehen.
Alexius nickt in die Richtung, aus der Aurel zuvor gekommen war, und ein weiteres mächtiges Schlachtross springt samt Reiter in das Getümmel. Es ist Kiara. Ihr Haar glänzt wie Seide im Widerschein des Feuers.
Das gefällt Aurel, und Malukhat weiß das. Jetzt hat er eine Idee und setzt sie kurzerhand in die Tat um. Ein Berittener taucht zwischen den Truppen der Feinde auf und springt über das gesamte Schlachtfeld hinweg. Direkt vor Kiara kommt das Tier auf dem Boden auf und sie ist lange genug überrascht, dem gegnerischen Krieger einen Schlag einzuräumen. Alexius wirkt dagegen, doch auch er ist nicht schnell genug. Die Klinge des Kriegers durchdringt das weiche Halsfleisch der Waldelfe mit Leichtigkeit. Einen Augenblick sieht sie den Gegner aus Augen an, die ein solches Ende niemals für möglich gehalten haben, dann fällt sie seitlich von ihrem Pferd.
Alexius flucht.
Mit einemmal ist das Schlachtfeld wie leergefegt. Ein roter, wolkenloser Himmel erhebt sich über Malukhats Kopf. Zwischen all den Gefallenen sitzt Aurel und hält die tote Kiara in seinen Armen. Er will weinen, doch er hat keine Tränen mehr. Reglos blickt er auf den toten Körper seiner Geliebten herab.
Eine Frau erscheint neben ihm wie aus dem Nichts. Malukhat weiß nicht, wer sie ist; er hat sie nicht gerufen. Alexius Gesichtsausdruck zeigt reine Wut. Er also auch nicht.
Aurel sieht zu ihr auf und sie sagt nur fünf Worte. Worte, die in den Ohren Aurels wie ein Zauberspruch klingen.
„So muss es nicht sein.“
Wieder ein gewaltiger Ruck und Malukhat war zurück in der Halle. Sein Magen war nur mehr ein harter, fester Klumpen. Ein schneller Blick auf Alexius ließ klar erkennen, dass auch er zurückgekehrt war, doch jetzt saß er nicht mehr so ruhig, selbstsicher und seriös auf dem Boden neben dem Thron. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Er zitterte vor Wut.
„Das war nicht fair“, sagte er, „du hast uns einfach so aus diesem Spiel gerissen.“
„Das war kein Spiel“, stellte Malukhat trocken fest. „Jedenfalls nicht für Aurel. Falls es dich aber beruhigen sollte: Ich habe nichts getan. Hätte ich gekonnt, wahrscheinlich hätte ich schon früher abgebrochen.“
Voller Verachtung starrte Varra ihn an. „Und wer war dann die Frau, kannst du mir sagen?“, knurrte er. „Ich habe sie jedenfalls nicht gerufen.“
„Ich auch nicht. Ist mir auch egal.“ Ein ehrliches Lächeln erhellte Malukhats Züge als er sagte: „Du siehst aus wie ein Verlierer.“
Cyrodiil, Ringstrassee um die Kaiserstadt
Mit einem prüfenden Blick musterte Kiara Ihren Mithrilharnisch, den der Schmied Ihr reichte. Doch der Handwerker der Kaiserstadt hatte ganze Arbeit geleistet. Nichts erinnerte mehr an die vorhergegangenen Kämpfe und das leichte Metall schimmerte im Schein der Sonne. Den fragenden Blick beantwortete Aurel mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken. Auch er schien zufrieden mit dem Brustpanzer und war bereits dabei sich zu rüsten.
Als sie den Laden verliesen, nannten sie nur noch ein paar wenige Goldstücke ihr eigen. Kiaras Gedanken wanderten auf dem Weg zum Stadttor zu dem verschollenen Erzmagier. Wer lies wohl einen Mann lebendig begraben? Für wahr hatte sich der Erzmagier bestimmt genug Feinde gemacht, doch diese Massnahme schien Ihr dann doch etwas extrem.
Und die Frage aller Fragen, wie kam er in die Krone? Aurel hatte nichts mit Malukhats Verschwinden zu tun, und doch spukte der Dunmer nun in Aurels Kopf herum und schien sich dort nun die Zeit zu vertreiben, in dem er mit Aurel Zwiegespräche führte. Die Bosmer grinste, als sie sich Malukhats Gesicht vorstellte, der gerade verstanden hatte, wo er sich befand. Er war bestimmt genausowenig begeistert von der Tatsache wie der Bretone neben Ihr. Die Situation entbehrte nicht einer gewissen Komik, dass ausgerechnet diese beiden Männer untrennbar verbunden schienen. Wäre es nicht gerade Aurel gewesen, sie hätte gelacht.
Doch die Waldelfe war garantiert nicht bereit, Ihren Partner mit einem egozentrisch, aroganten Erzmagier aus Vardenfell zu teilen. Wer wusste sonst noch von der Krone und hatte die Macht einen erfahrenen Magier, wie den Dunmer, darin zu fangen? An diesem Punkt kam sie nicht weiter, doch war dies eine Frage, die Sie Malukhat stellen wollte sobald sie Ihn gefunden hatten. Sie hoffte nur, dass er dann noch in der Lage war Ihre Fragen zu beantworten. Wie lange war er wohl schon in seinem improvisierten Grab? Und wieviel Luft bekam er überhaupt? Nicht genug, entschied sie für sich selbst. Sonst wäre er wohl kaum schon in diesem Maß in der Krone gefangen. Bei diesem Gedanken beschleunigte Kiara Ihre Schritte, sie mussten sich beeilen, denn viel Zeit blieb Ihnen wohl nichtmehr.
Dabei fiel Ihr Blick auf die Ausrüstung, die Aurel trug. Den Helm hatte er einfach an das Marschgepäck gebunden. Aurel hatte Ihn wohl nichtmehr getragen, seit er damit die Gräber bei der Ruine ausgehoben hatte. Es dauerte lange ein Grab mit einem Helm zu öffnen, zu lange.
“Ich bin sofort wieder da.” Mit diesen Worten verschwand sie in einem kleinen Geschäft, nur um kurz darauf mit einer Schaufel wieder herauszukommen.
Nun waren sie gerüstet und traten durch die Stadttore um wiedermal der Ringstrasse zu folgen. Der Bretone hatte die Schaufel an sich genommen und nutze sie wie einen Wanderstock. Sie kamen gut voran und Kiara dachte noch: Wir schaffen es. Wir finden Ihn noch rechtzeitig.
Ironischerweise sollte sich genau auf Höhe des Lagerplatzes, an dem sie die Nacht verbracht hatten,
wiedermal alles wenden.
Die Ayleidenruine Fanacaesecul war mittlerweile in Ihr Sichtfeld gerückt. Direkt am Rumaresee gelegen, waren noch weite Teile der ehemaligen Anlage erhalten. Dort hielten sich oft Banditen versteckt. Doch heute war niemand dort und die beiden gingen ungestört weiter. Die Waldelfe war froh, diese Ruine hinter sich zu lassen. Die Erlebnisse in Vindasel hatten eine tiefe Abneigung gegen diese Bauwerke ausgelöst. Während das Paar noch darüber spekulierte, was sie am Schrein vorfinden würden und wie sie vorgehen sollten, wurde Auels Blick wieder glasig.
Sie erkannte bereits das Vorzeichen der folgenden Vision. Doch anders als beim ersten Mal, zeichnete diesmal kein Entsetzen sein Gesicht. Und auch war es nicht wie im Tiber Septim Hotel, als er nur in die Schatten starrte. Sein Gesicht verzog sich und sie erkannte den Ausdruck darauf. Hatte sie Ihn doch selber schon gesehen, die tief konzentrierte Miene eines Kämpfers, der sich nur auf seinen Feind konzentriert. Die Schaufel in seiner Hand wurde zur Waffe und die Bewegungen waren geübt. Verzweifelt sah Kiara Aurel an, zweimal hatte sie dies bereits erlebt und jedesmal war der Spuk schnell vorbeigewesen.
Doch diesmal schien es eine Ewigkeit zu dauern und sie zweifelte so langsam daran, dass der Bretone diesmal von alleine rausfinden würde. Die Ausrüstung hatte er fallen lassen und auch sein Schild lag unbeachtet am Boden. Sie war es nicht gewohnt einen Schild zu benutzen, war immer eine Fernkämpferin gewesen. Doch sie konnte Ihm ja wohl kaum einen Pfeil in den Körper schiesen, sie musste an Ihn herankommen und Ihn dran erinnern wer er war und vor allem wo er gerade war.
Aufmerksam verfolgte sie den Weg der Schaufel und merkte das er sie wie einen Speer nutzte, immer von links nach rechts hackend. Schwung der Schaufel nach rechts......sie duckte sich unter der Schaufel durch und hielt den Schild schützend vor Ihren Körper. Sie versuchte den Mann zu packen und Ihn zurückzuholen.
Sie sah noch nichtmal den Schlag der sie traf, die Beine wurden Ihr weggerissen und die Luft aus Ihren Lungen gepresst. Sie hatte das Gefühl zu fliegen und hatte keine Zeit mehr zu realisieren, dass dem wirklich so war. Denn dann stoppte ein dicker Baumstamm Ihren Flug und bevor sie auf dem Boden aufschlug, umfing sie schon gnädige Dunkelheit.
Strasse südlich von Bravil
Dareyns Aufmerksamkeit wich plötzlich von der jungen Bosmer Frau hinüber zu dem aus dem Fluss gekorchenem Argonier, dessen Schwarz Roter Schuppenpanzer für den Dunmer etwas diabolisches an sich hatte. Und diese Hohnreden die dieser Angehörige der Biestrasse, oder besser gesagt ehemaligen Sklavenrasse, so übereifrig aus seinem reptilischem Maul warf verleiteten Dareyn nur noch mehr dazu, sich der Echse zuzuwenden. Mit ernster Miene zeigte er abfällig auf den Argonier bevor er ruhig antwortete:
Meine Pflichten und Angelegenheiten gehen nur mich etwas an, Biest. Und die Grösse der Elfe spielt keine Rolle ihre Bogenkunst zu Beurteilen
Er sah dem Biest abschätzend-gleichgültig in die seltsamen Augen. Dareyn verstand nie warum diese Wesen in die "Kultur" des Kaiserreiches integriert wurden. Eine Horde Semi-Intelligenter Tiere und Menschen die unfähig waren, die Ordnung zu erhalten, da war es nur eine Frage der Zeit bis eine neue Invasion irgendeines Eroberers anstand. Auch wenn dieser gewissermaßen...anders als die anderen war. Wer weiss, vielleicht überstand das Kaiserreich diese Krise nicht und die Welt würde Untergehen. Oder es überlebt und die Provinzkönigreiche gewinnen wieder an Macht. Das waren alles sehr interessante Gedanken, die einen Wiederhall der argonischen Worte nicht unterdrücken konnten...Er SOLLTE in Vivec sein und Wache schieben, zumindest nach seiner Kleidung sollte man das vermuten...er musste dringend einen Schmied aufsuchen, der Makel seiner Ordinatorenrüstung brannte sich mittlerweile in Dareyns Errinerung, sie errinerte ihn an die Unfähigkeit Falaana zu beschützen. Und davon abgesehen würde sie für zuviel Aufsehen sorgen in diesem Teil der Welt. Aber ein Funken Wahrheit lag ebenfalls in den argonischen Worten. So ein Schuss konnte nicht von der Elfe abgefeuert werden...einen Moment später dämmerte es dem ehemaligen Tempelwachmann: Der Köcher des Argoniers, die nasse Schuppenhaut des Wesens, die Pfeilrichtung...
Ingrimmig umschloss er seinen Streitkolben und musterte die Bestie abwartend. Sollte es zu einem Schlagaustausch kommen würde zumindest der Bogen dem Argonier nicht viel nutzen...aber das war abzuwarten...
Straße, südlich von Bravil
"Meine Pflichten und Angelegenheiten gehen nur mich etwas an, Biest. Und die größe der Elfe spielt keine Rolle, ihre Bogenkust zu beurteilen."
Das konnte doch nicht wahr sein! Dieser Dunmer hat immer noch nicht geschnallt, das ICH ihn angeschossen habe, nicht die kleine. Plötzlich spürte er wie sich der Blick des Ordinators auf seinen Köcher richtete, und sich daraufhin die Hand des Dunmers um den Griff seines Kolbens schloss. "Na Rothaar? Endlich eins und eins zusammengezählt?" fragte Hashan den Dunmer in spöttischem Ton. Verflucht, ich kann es nicht auf einen Nahkampf ankommen lassen, nicht mit nur diesem Dolch. Seine Fertigkeiten im Faustkampf waren zwar nicht zu unterschätzen, aber gegen einen Streitkolben hatte er nicht auch nur den Hauch einer Chance.
Plötzlich hörte er er das deutliche Knacken eines morschen Astes. Spontan wirkte er den Segen des Schattens, und verschwand unter dem verwirrten Blick des Dunmers, der ihn plötzlich nicht mehr sehen konnte. Ich weis nicht, was das war, aber es ist mir wirklich nicht geheuer. Besser ich verschwinde von hier. Kurz bevor er wieder ins Wasser schleichen wollte sprangen aus den Büschen, die nahe an der Straße lagen, vier Gestalten hervor. Alle waren sie in Fell und Lederrüßtungen gekleidet. Banditen! Sie haben es wohl auf die Rüßtung des Ordinators abgesehen. Drei der Banditen umzingelten den Ordinator und schlugen mit ihren Äxten nach ihm, während der vierte die kleine Bosmer ansteuerte. Der Ordinator war Hashan herzlichst egal, der konnte von ihm aus verrecken, aber er wollte nicht den Tod der Bosmerin auf dem Gewissen haben. Vieleicht konnte sie sich ja selbst verteidigen, aber er wollte es nicht drauf ankommen lassen. Als er den Bogen vom Rücken zog, löste sich der Unsichtbarkeits-Effekt des Zaubers auf, aber Hashan achtete darauf, im Schatten zu bleiben.
Schnell spannte er einen Pfeil auf seinen Bogen und zog die Sehne durch. Zum zielen fehlte ihm die Zeit, und so bohrte sich der Pfeil nur durch das Bein des Banditen und ließ ihn in den Straßendreck stürzen. Jetzt lag alles bei der Bosmerin, hoffentlich hatte sie eine Stichwaffe oder ähnliches dabei. Er legte einen zweiten Pfeil auf die Sehne, und drehte sich zum Dunmer un seinen drei Gegnern um. Nur für den Notfall. , dachte er schnaubend.
Südlich von Bravil/Strasse
Dort wo eben noch ein Argonier war, war nun ein Nichts. Das heisst Nein, dass Nichts das nun dort war war leer, formlos und Immateriell. Der Grund für das Verschwinden des Reptils manifestierte sich in Form einiger in Pelz gehüllter, schäbiger Wegelagerer die mit dem Witz einer Waffe, einigen Eisenprügeln und einem "Anführer", dem am grausamsten riechenden von ihnen samt seinem Schwert bestanden. Abfällig schätzte Dareyn nun die Situation ein: Eine Unschuldige, ein Hasenfuß, Vier Tote. Mit einem angestrengten Seufzern lockerte der Ordinator sich etwas aus, bevor der Anführer des Lumpenpacks ein barbarisches Grunzen, dass wohl eine Drohung werden sollte, ausstiess und sich mit zweien seiner Spiessgesellen wild schreiend auf den Dunmerischen Streitkolbenkämpfer zubewegte. Der vierte im Bunde, ein wirklich breitgesichtiger Bosmer schien derweil an seiner Landsfrau Gefallen gefunden zu haben. Dareyn wollte die Elfe gerade noch warnen, da zischte ein Eiserner Pfeil durch die Luft inmitten des schmierigen Elfes, der sich jaulend das Bein hielt und wie ein getretener Köter auf dem Boden wand. Aus den Augenwinkeln meinte Dareyn die Echse gesehen zu haben Scheint´s hat der Argonier doch noch einen Elf getroffen dachte Er sich innerlich schmunzelnd.
Im nächsten Augenblick explodierte auch schon seine Wange unter einem donnerndem Schmerz, der ihn zurücktaumeln liess. Einer der Banditen, ein Rothwardone, hatte ihn in einem Moment der Unachtsamkeit erwischt und eine schmerzende Gesichtshälfte zurückgelassen.
Nachdem der Dunmer sich fang fixierte er den Rothwardonen grimmigen Blickes und wich einem Moment später einem auf seine Magengrube gerichteten Hieb des Anführers aus. Seinen eigenen Streitkolben nun schwingend, trieb Dareyn einen der Banditen zurück indem er einen tiefen Hieb inmitten...nun, sagen wir mal empfindsameren Gegenden des männlichen Körpers antäuschend ansteuerte, nur um in dem eigendlichem Ziel, einem seitlichen Schwung, dass Gesicht eines äusserst grobschlächtig wirkenden Bretonen in eine breiige Masse zu verwandeln. Diesen Moment des Triumphes über einen der Banditen nutzte der Rothwardone zu einem Konter der, einige Zentimeter höher gelegen, durchaus Schmerzhaft, wenn nicht tödlich enden könnte. Glücklicherweise, sofern man das so nennen kann, landete sein Eisenprügeln "nur" einen Treffer an der recht gut gepanzerten Schulter Dareyns. Seine Disziplin und die emotionale Kühle die man ihm Jahrelang beibrachte nun vergessend, liess sich der Elf nun von blindem Überlebenswunsch und nackter Wut leiten, hieb mit seinem Streitkolben nun in gewaltigen Schwingern auf die schwindende Abwehr des Rothwardonen, brachte die nun lose Deckung mit einem schnellem Fausthieb zum Erliegen und beendete diese Angelegenheit mit einem vernichtendem Hieb direkt an den Hals. Seinen blinden Hass unter Kontrolle bringend, realisierte er erst später das von Vier Zwei Tot waren, einer schwer verletzt und der Vierte war...einen grollenden Ansturm später dachte er bereits an das Ende, bis seine Elfenohren ein Zischenendes Geräusch wahrnahmen, dem ein dumpfer Knall folgte. Sich keuchend umdrehend, sah er aus dem Nacken des Banditenführers einen Schaft ragen. Noch etwas benommen und die blutige Wange, gepaart mit pochendem Schmerz wahrhabend nickte er nur wiederwillig in Richtung des Argoniers. Morallosigkeit war eine Sache, Ehrlosigkeit eine ganz andere und...Respekt etwas noch anderes~
Cyrodiil, Ringstraße um die Kaiserstadt
Aurel schritt aufgeregt neben Kiara her. Sie mussten sich beeilen, wenn sie Malukhat retten und Aurel somit hoffentlich von dem Fluch erlösen wollten. Gut, dass die Bosmer an die Schaufel gedacht hatte. Er hatte in der Eile gar nicht daran gedacht, dass es etwas mühselig sein könnte, den Erzmagier mit bloßen Händen, wieder einmal unter Zuhilfenahme des Helmes, auszugraben.
Der Himmel färbte sich bereits rötlich, und Aurel hoffte, dass sie den Schrein von Clavicus Vile noch bei Helligkeit erreichen würden. Er blickte in Richtung der tiefstehenden Sonne...
... und diese war von Rauchschwaden verdunkelt. Feuer brannten überall auf dem Schlachtfeld um ihn herum, wo die Geschosse der Katapulte aufgeschlagen waren. Schreie erfüllten die Luft, die Schreie von sterbenden Männern und Frauen, das Kampfgeschrei der aufeinander zustürmenden Heere, die Befehle von Offizieren und Befehlshabern. Und das ohrenbetäubende Klirren von Waffen und Rüstungen, wo die Formationen der Truppen aufeinander trafen.
Aurel ritt an der Spitze seiner Reiterei, die sich in Keilformation durch die Reihen der Feinde bewegte wie ein Dolch durch Fleisch auf dem Weg zum Herzen. Zum Herzen der feindlichen Truppen, wo der gegnerische Feldherr sich zu verbergen versuchte.
Aurels Helm wurde durch einen Stoß von seinem Kopf gefegt, aber es störte ihn nicht. Unaufhaltsam näherte er sich mit seinen Reitern dem Zentrum des feindlichen Heeres. Nichts konnte sie aufhalten... nichts konnte ihn aufhalten. Wie die Sense des Bauern das Korn mähten Aurel und seine Truppen den Feind nieder. Aurel lachte. Das war der Tag, auf den er gewartet hatte. Der Tag des absoluten Triumphes. Sein Tag!
Er schaute nach links und rechts, wo seine Bannerträger neben ihm ritten. Die Banner flatterten knatternd. Er würde sie auf dem höchsten Turm der Stadt des Feindes anbringen lassen, auf dass sie ganz Tamriel seinen Sieg zeigen würden. Der schwarze Totenkopf und die Krone auf rotem Grund... die Symbole des siegreichen Feldherren, nein, des neuen Kaisers!
Hinter sich hörte Aurel das Lachen Kiaras. Sie war bei ihm, schnitt sich ebenfalls den Weg durch den Feind, half, den Truppen den Weg zu ebnen und den Keil in den Gegner zu treiben. Seine Kiara... seine Kaiserin!
Aber da war schlagartig ein anderes Gefühl, das sich in Aurel ausbreiten wollte. Da war etwas, was ihm zuflüsterte, dass etwas falsch war. Dass er etwas anderes tun sollte, statt hier auf dem Schlachtfeld zu sein. Etwas... woanders...
Und dann geschah das Unerwartete. Ein Reiter erschien wie aus dem Nichts aus den Reihen des Gegners. Er schien regelrecht über die Köpfe des Feindes hinwegzufliegen, Aurel und Kiara an der Spitze ihres Heeres entgegen. Und Aurel erkannte, dass nicht er das Ziel des Reiters war. Er flog auf Kiara zu.
Aurel wollte ihn aufhalten, und ein Schrei entfuhr seiner Kehle, fast unmenschlich klingend aus purer Verzweiflung, denn er merkte, dass er den Reiter nicht erreichen konnte. Er riss sein Pferd herum, stieß mit aller Kraft mit seiner Lanze in Richtung des Berittenen... und sah Kiara unter dem Hieb des Feindes fallen.
Wieder erklang sein unmenschlicher Schrei, und das Schlachtfeld war plötzlich wie leergefegt. Aurel kniete inmitten von Toten und hatte seine Kiara im Arm. Er wollte schreien, aber kein Wort verließ seinen Mund, er wollte weinen, aber die Tränen wollten nicht fließen. Da war nur der Schmerz in seinem Herzen, als wenn es mit einer glühenden Schneide durchbohrt worden sei.
„So muss es nicht sein!“
Aurel blickte überrascht in die Richtung, aus der dieser Satz erklungen war.
Eine Frau stand da vor ihm und schaute auf ihn herab. Nein, keine Frau, eine Göttin.
Sie trug einen schimmernden Schuppenpanzer, und ein Helm mit Adlerflügeln bedeckte ihr goldenes Haar. Die Gestalt strahlte ein Licht aus, das nicht nur durch die Reflektion der letzten Sonnenstrahlen an ihrer Rüstung entstehen konnte, das Leuchten kam aus der Frau selbst. Sie lächelte ihn an, und dieses Lächeln strahlte eine Wärme aus, wie sie kein lebendes Wesen verbreiten konnte.
Sie wiederholte den Satz.
„So muss es nicht sein!“
Und fügte nach kurzer Pause hinzu:
„Mein Aurel, höre nicht auf das Finstere in dir. Das bist nicht du. Du weißt, wer diese Finsternis in dir verursacht.“
Aurel traf wie ein Schlag die Erkenntnis. Er starrte die Erscheinung an, und über seine Lippen kam nur ein einziges Wort:
„Ravanna!“
Die Frau lächelte ihn noch wärmer an.
„Du hast deine neue Ravanna längst gefunden. Nein, deine Kiara! Lasse es nicht so geschehen. Du weißt, was du tun musst... So muss es nicht sein.“
Und mit der erneuten Wiederholung ihres ersten Satzes verschwand die Erscheinung,
so schnell, wie sie aufgetaucht war.
„So muss es nicht sein.“
Aurel murmelte diese Worte vor sich hin... und sah in das leblose Gesicht Kiaras, die vor ihm auf dem Boden der Ringstraße um die Kaiserstadt lag. Sein Schild lag neben ihr, und er realisierte, dass er die Schaufel wie ein Lanze hielt.
Bei Talos! Er hatte in seinem Wahn Kiara niedergestreckt.
Voller Sorge kniete sich Aurel nieder und streichelte über Kiaras Stirn und Wangen. Die Haut war warm, und Aurel sah, dass die Bosmer atmete. Sie war nur ohnmächtig, und er konnte keine ernsthaften Verletzungen feststellen. Er trug sie abseits des Weges und bettete ihren Körper in das weiche Gras. Schnell zog er seinen Helm aus, rannte zum Ufer des Rumare-Sees, schöpfte mit dem Kopfschutz Wasser und beförderte es, so schnell es hing, ohne es zu verschütten, zu Kiara.
Aurel riss ein Stück seines Hemdärmels ab, tunkte das Tuch in das Wasser und begann, sanft Kiaras Stirn zu kühlen.
„Nein Ravanna, das muss nicht so sein. Und es wird nicht so sein!“
Eine Entschlossenheit, wie er sie noch nie erlebt hatte, überkam Aurel. Er würde Malukhat retten, und er würde mit seiner Hilfe den Fluch brechen.
„Es wird nicht so sein!“, sagte Aurel noch einmal und wartete darauf, dass Kiara wieder zu sich kam.
...
Cyrodiil, Kaiserstadt, Tiber-Septim-Hotel
Dunkelheit, Grauen, irres Gelächter. Schreie hallten - einem Echo gleich - wider, Aurel kämpfte mit Schatten, Kiara fiel, Malukhat irgendwo in tiefer Dunkelheit und doch gleichzeitig auch nicht. Hoffnungslosigkeit, Trauer, Wünsche nach Rache, Sehnsucht nach Frieden.
All das stürmte gleichzeitig auf Arwen ein und gab ihr das Gefühl, zu ersticken. Sie wollte schreien, aber kein Ton kam aus ihrer Kehle. Wild warf sie sich herum, wollte das Grauen abschütteln, welches sie gefangen hielt in ihrem Fieberschlaf. Etwas stimmte nicht. War so völlig verkehrt und verzerrt, dass es selbst ihren Schlaf, der doch ein Heilschlaf sein sollte, in einen grausigen Albtraum verwandelte. Endlich entrang sich ihrer Kehle ein wilder Schrei. Und sie fuhr hoch. Sah sich um. Nein, es war nicht eine Oblivion-Ebene, die sie gefangen hielt. Es war ein ganz normales Zimmer im Tiber Spetim-Hotel und freundlich schien die Abendsonne durchs Fenster. War es eine Vision gewesen, die sie heimgesucht hatte oder nur ein Fiebertraum? Ihr rasendes Herz beruhigte sich allmählich wieder und langsam erinnerte sie sich, was geschehen war. Arton tot, der Lich, der verdammte Lich. Dann war Malukhat aufgetaucht und später hatte er sie getragen. Offenbar hierher zurück in die Kaiserstadt. Die Wunden und der Blutverlust mussten schlimmer gewesen sein, als sie gedacht hatte. Wo waren die anderen? Bestimmt irgendwo etwas essen. Albträume waren schließlich genau das: Träume, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hatten. Arwen ließ sich wieder zurücksinken und schlief erneut ein. Diesmal war es ein ruhiger, heilsamer Schlaf, der von keinem Entsetzen mehr heimgesucht wurde.