Kaiserstadt; Tiber Septim - Hotel
„Übertreib es nicht.“ Erynn grinste schief. „Zur Abwechslung bin ich nicht völlig abgebrannt, da kann ich auch für mich selber sorgen – vorausgesetzt, die schmeißen uns aus dem Nobelschuppen nicht gleich wieder raus“, setzte sie mit einem Seitenblick auf Arranges’ immer noch recht besudeltes Erscheinungsbild hinzu. Sie selbst sah nur wenig besser aus.
Nach einigem hin und her jedoch bekamen sie tatsächlich Zimmer vermietet; Septime waren und blieben einfach ein durchschlagendes Argument.
Beide verbrachten den Rest des Tages hauptsächlich damit, zu essen und herumzuhängen. Es war eine Erleichterung, die müden Knochen und arg beanspruchten Muskeln strecken zu können und ausnahmsweise mal nicht das Gewicht einer Rüstung auf den Schultern zu spüren. Die Dunmer brauchte eine Weile, bis sie sich an das große, dekadent ausgestattete Gebäude gewöhnt hatte. Die so penetrant zur Schau gestellte Noblesse erschien ihr wie Verschwendung und nervte sie mehr, als daß sie davon beeindruckt war. Der Speisesaal im Obergeschoß würde einen hervorragenden Übungsraum abgeben, wenn man die Tische an die Wand schiebt und den ganzen Tand aus dem Fenster wirft, dachte sie unwillkürlich und mußte grinsen. Ohnehin fielen sie zwischen den ganzen höhergestellten Persönlichkeiten, die sich hier eingenistet hatten, ziemlich auf. Jedenfalls kam es ihr so vor, was sie jedoch nicht davon abhielt, die Bequemlichkeiten zu genießen, die das Septimhotel ihr bot. Sie mußte ja nicht für lange hierbleiben.
Erynn verabschiedete sich schon recht früh am Abend. Sie war sauber, sie war satt und ihr war warm. Kein Grund, nicht auch zur Abwechslung einmal lange und bequem zu schlafen, ohne von Wetter oder Mücken geplagt zu werden und immer mit halbem Ohr auf die Umgebung zu lauschen. Es war wirklich fast unanständig luxuriös!
Am nächsten Morgen erwachte sie früh und natürlich mit schlechter Laune. Die Ereignisse der vergangenen anderthalb Wochen waren nicht spurlos an ihr vorbeigegangen und hatten sie in ihren Träumen heimgesucht. Nachdem sie sich etwas eine halbe Stunde lang gesammelt hatte, betrat sie voll gerüstet und abmarschbereit die Empfangshalle, setzte sich auf eine Bank in einer Ecke und streckte die Beine unter dem dazugehörigen Tisch aus. Träge betrachtete die Elfin das langsam zunehmende Treiben, während sie darauf wartete, daß Arranges sich bequemte aufzustehen. Also zurück in den Forst? Ich weiß ja nicht... einen einzelnen Druiden kann man da drin wirklich lange suchen. Sie überlegte. Parwen hat mal was von einem Tor irgendwo in der Westebene gesagt... Erynn verwarf den Gedanken wieder. Die Bosmer würde nicht locker lassen bis sie herausbekommen hatte, wozu ihre Freundin das würde wissen wollen.
Kaiserstadt => Ringstraße
„Kann ich machen. Allerdings brauche ich immer noch Kettenringe dafür.“ Sie sprang auf, wobei man der Elfin deutlich ansah, daß sie froh war aus dem piekfeinen Laden wegzukommen.
Also machten sie sich auf den Weg ins Marktviertel, um Verpflegung und Ausrüstung zu besorgen. Der Vorteil war unbestreitbar, daß sie danach sofort aufbrechen konnten und nicht darauf warten mußten, daß der niedergelassene Schmied seine Arbeit beendet hätte. Erynn würde sich darum kümmern, wenn sie die nächste Rast einlegten.
Es wurde später Vormittag, bis sie schließlich an den Ställen ankamen. Die Kaiserstadt, so stellte die Dunmer nicht zum ersten mal mißmutig fest, war nicht nur gnadenlos verbaut, sondern auch so ausgedehnt, daß man sich schier die Hacken ablatschte, wenn man vom einen Ende zum anderen und zurück mußte. Sie verstand nicht, was andere Leute daran fanden. Das Ding hockte störend wie ein stinkendes Geschwür in der Mitte des Rumaresees und verschandelte die Landschaft auf Meilen hinaus. Egal, wo man geade unterwegs war, irgendwie fiel der Blick immer auf diese gepuderte, parfümierte Kloake.
Falchion begrüßte sie freudig. Das Pferd war gut gepflegt und ausgeruht und es wirkte, als könne es kaum erwarten, wieder etwas Bewegung zu bekommen. Die Kriegerin zauste seine Mähne, als sie es durch das Gatter auf die Straße lenkte. Nachdem sie Weye hinter sich gelassen hatten, trieben sie die Tiere zu einem flotten Trab und folgten dem weiten Bogen der Ringstraße nach Osten.
Ringstraße -> Großer Forst
Die weitere Reise verlief ohne weitere Zwischenfälle. Ein Rappenkurier und zwei berittene Legionäre kamen an ihnen vorbei, aber sonst tat sich nichts um sie herum. Es war nach den vergangenen Tagen fast ein wenig seltsam. Nicht nur, dass Arranges immer wieder daran dachte, dass er einen Botschafter einfach getötet hatte, sondern auch die Tatsache, dass er Erynn aus den Fängen der Abtrünnigen befreit hatte. Er fühlte sich im Gegensatz noch zu vor dem Überfall auf Parlovars Anwesen fast ein bisschen zu mächtig. Zudem kam noch, dass Erynn einen sehr tiefen Einblick in seine Erinnerungen bekommen hatte. Schon komisch... vor knapp drei Monaten noch wäre mir im Traum nicht eingefallen, jemandem, die Großmeister ausgenommen, viel mehr von mir zu erzählen, als dass ich ein Magier wäre... in Ausnahmefällen auch Nekromant... Erynn war mittlerweile sehr viel mehr, als eine Begleiterin... Nienna hatte Arranges bis jetzt immer mit seinem Rotfuchs gleichgestellt, Drimofinya vielleicht auch noch... die Dunkelelfe jedoch stand bereits deutlich über dem Tier. Das war ihm bewusst geworden, just in dem Moment, als sich die Entführungspläne beinahe zur Gänze aufgedeckt hatten, als er den Brief aus der Tasche des Botschafters zog...
Die Nacht brach herein, als sie den Bogen nach Osten hinter sich hatten und in einiger Entfernung die Ortschaft Bockbierquell sehen konnten. Arranges hatte wirklich nur sehr wenig Lust, in dieser Taverne Quartier zu beziehen. Sie ritten weiter, bis sie an der Weggabelung bei Sercen angekommen waren. Das Wetter hatte mittlerweile umgeschlagen und von Süden zogen dicke Wolken herauf, in deren dunklen Innereien bereits Blitze zuckten. Bockbierquell wäre vielleicht doch die bessere Idee gewesen... Sie hielten Abstand zu der Ayleidenruine, schlugen sich westlich der Straße, die hinauf nach Bruma führte, in das Unterholz des beginnenden Waldes. Auf einem breiten Felsen, der aus den steilen Hängen herausstach, den sie über einen ausgetrampelten Pfad erreichten, schlugen sie ihr Lager auf. Der Lagerplatz war eine dämliche Idee, wie Arranges und wohl auch Erynn nicht ganz eine Stunde später grummelnd feststellten. Direkt an die Front des Felsens klammerte sich zwar eine breite Kiefer. Jedoch bot sie weder Schutz vor dem Wind, der ihnen jetzt, da das Unwetter sie erreicht hatte, schneidend um die Ohren pfiff, noch vor dem Regen, der sie Minuten, nachdem er einsetzte, bis auf die Haut durchnässt hatte.
Die Pferde standen mit hängenden Köpfen dicht am nördlichen Hang beieinander, während Arranges darum bemüht war, das Feuer, das er vor dem Gewitter entfacht hatte, am Laufen zu halten. Und das nur für einen Lagerplatz, der halbwegs troll- und ogersicher ist...
Bleichersweg => Orangene Straße
Ein wenig angewidert von dem seltsamen Zeitgenossen beeilte sich Erynn, dem Beschwörer zu folgen. Sie schlugen sich tiefer in die Wälder, weiter bergan. Das also war Bleichersweg... hervorragend. Nicht, daß es ein Verlust gewesen wäre, diesen Ort nicht zu kennen. Mißmutig sah sie auf und blickte den vermuteten Weg entlang. Es geht schon wieder in die Berge! Der letzte Ausflug dahin reicht mir bis heute völlig.
Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als der Fuchs vor ihr plötzlich erschrak und ins Rutschen geriet. Sie fluchte und sprang zur Seite. Das Pferd schlitterte vielleicht vier Schritte den Hang hinab, bevor es zitternd zum Stehen kam. Die Eisen schlugen Funken auf dem felsigen Boden. Es dauerte eine geraume Weile, bis der Hengst zum Weitergehen bereit war. Na großartig. Und wir sind noch keine Stunde unterwegs. Wenn das so weitergeht, wird das ein sehr langer Tag...
Es wurde ein langer Tag. Bis sie schließlich die Orangene Straße erreichten, war es Abend geworden und Zwei- wie Vierbeiner waren trotz des kühlen Wetters klatschnaß geschwitzt, obwohl sie effektiv nur deprimierend wenig Wegstrecke zurückgelegt hatten. „Genug für heute“, meinte Arranges sichtlich entnervt, und so schlugen sie ihr Lager etwas abseits des Weges auf und rieben die Reittiere trocken. Der Rotfuchs hatte eine leichte Schwellung an der linken Fessel des Hinterbeins, lahmte aber nicht. Trotzdem opferte der Kaiserliche einen Heiltrank und benetzte einen Umschlag damit, den er dem Pferd um das Bein wickelte.
Als sie sich endlich am Feuer niederließen beschloß die Elfin, für das letzte Tageslicht eine sinnvolle Verwndung zu finden. „Wie wäre es“, fragte sie ohne Einleitung, „wenn du mir jetzt zeigst, wie daedrische Zeichen gelesen werden?“ Der Beschwörer warf ihr einen Blick zu, der ungefähr so motiviert wirkte wie ein verkaterter Tagedieb. „Muß das heute sein?“ Erynn zog eine Augenbraue hoch. „Nein, nicht unbedingt“, antwortete sie und zog die Windwandlerrolle unter ihrer Rüstung hervor, entfaltete sie und hielt ihm das Pergament unter die Nase. „Aber wenn ich dieses Ding schon mit mir rumschleppe, sollte ich wenigstens ungefähr wissen was draufsteht, oder?“ Sie gab sich Mühe, wirklich. Doch nach einigen Augenblicken war es ihr schlicht unmöglich, das Grinsen noch weiter zu verbergen.