@Prayor:
Eine unterhaltsame Geschichte? Eine Geschichte braucht vor allem lebendige Charaktere, einen Konflikt und eine Charakterentwicklung im Verlauf der Geschichte.
Nehmen wir mal das beliebte Gut/Böse-Schema. Wir sind uns einig, das dies ein Klischee ist.
Wir nehmen den "guten" Helden, verpassen ihm ein zwei Schwächen, die mit seiner Gesinnung erst einmal gar nix zu tun haben, schon haben wir lebendiger gestaltet. Ebenso verfahren wir mit dem "bösen" Antagonisten. Jetz brauchen wir den Helden nur noch in einen Konflikt mit dem Antagonisten bringen und ihn dabei seine Schwächen überwinden lassen. Fertig ist eine Geschichte, die durchaus unterhaltsam sein kann.
Ein weiteres Beispiel mal aus meinem eigenen Fundus.
Meine Fantasygeschichte, die auf Eis liegt, hat als obersten Antagonisten das Bewußtsein eines Magiers, der aus dieser Dimension von den Göttern verbannt wurde und nun einen Weg sucht sie wieder betreten zu können. Sein Geist ist durch den Aufenthalt im Limbus so was irre, daß er danach strebt die Barriere zwischen "göttlicher" Sphäre und realer Welt zu zerstören. Dies hätte eine totale Vernichtung der Welt zur Folge. Die in der Welt ansäßige Magiergilde ist von diesem Geist infiltriert (genauer gesagt nur der Chef).
Kurz zusammengefasst ist der Antagonist ein irrer Magier, der die Zerstörung der Welt plant. Außerdem sind meine Protagonisten vom Schicksal auserwählt diesen Magier aufzuhalten und damit die Welt zu retten. Klingt doch sehr nach Klischee, oder?
Dennoch habe ich für die ersten zwei Kapitel, überwiegend nur gute Kritik erhalten. Was vielleicht daran liegt, daß man am Anfang nichts vom "Auserwähltensein" oder von diesem irren Magier weiß. Außerdem ist mein Protagonist ein ziemlich untypischer Held, genauer gesagt ein arrogantes •••••••••.
In HdR ist Sauron im Grunde das personifizierte Böse, die Ringgeister sind seine willenlosen Sklaven. Gandalf stellt quasi den Gegenpol zu Sauron dar, als absolut guter Charakter. Und trotz dieser Klischees ist HdR ein durchaus unterhaltsames Buch. Ich bin kein HdR-Fan, aber ich muss anerkennen, daß die Geschichte nicht schlecht ist.
Im Rad der Zeit Zyklus von Robert Jordan, ist der Protagonist auserwählt gegen den "Dunklen König", das personifizierte Böse in der letzten Schlacht anzutreten. Schon wieder ein Klischee.. dennoch ist Rad der Zeit eines der besten Fantasy-Epen die ich bisher gelesen habe. Ebenso "Schwert der Wahrheit" von Goodkind. Unser Protagonist ist auserwählt und besitzt überwiegend nur positive Eigenschaften, dennoch mag ich diese Reihe auch außerordentlich.
Klischees sind Werkzeuge. Sie geben dem Leser etwas vertrautes. Wenn ich als Autor "Ork" schreibe, hat jeder Leser sofort ein Bild in seinem Kopf. Das genaue äußere spielt keine Rolle, aber jeder wird sofort eine niedere, intelligente Lebensform denken, die ziemlich agressiv ist.
Wenn ich "Elf" schreibe hat jeder sofort schlanke Menschen mit spitzen Ohren im Kopf, die lange leben und eventuell magisch begabt sind.
Dadurch kann ich mich als Autor auf andere Dinge konzentrieren und brauch nicht 20 oder 30 Seiten zu schreiben, nur damit der Leser weiß, wie meine Rassen aussehen und welche Eigenschaften sie haben.
Dennoch sind diese Bilder von Orks und Elfen durchaus klischeehaft. Ebenso wie das Bild der Zwerge von kleinwüchsigen Menschen, die gerne und viel trinken und eine besondere Affinität zur Erde und Bergwerken haben.
Natürlich kann man einer Geschichte Orginalität geben, wenn man versucht Klischees zu vermeiden. Aber man muss ja immer darauf achten, daß eine Geschichte unterhalten soll und man nachher kein Sachbuch über eine Fantasywelt schreibt.
Das Vorhandensein einiger Klischees läßt keine Rückschlüße über die Qualität einer Story zu. Wie diese Klischees verwendet werden ist viel wichtiger.