Ein Kaffee-Junkie auf abwegen ... Wann schlaf ich endlich ein? Teil XIV für Profis
Als das Splittern und Klirren der letzten Kristalle verklungen war, senkte sich die bekannte Stille über das Sanktuarium. Und sanft setzte wieder das Geräsch ein, welches schon seit Jahrhunderten zwischen den Säulengängen hindurchgehallt war: Der Herzschlag von Wesen, die in einem kristallenen Sarkopharg schliefen.
Doch das Schlagen der Herzen war viel leiser geworden:
Unzählige der einstigen Schläfer waren über den gesammten Raum verteilt. Sie tuschelten, stärkten sich, kleideten sich ein.
Hiob näherte sich bedachtsam dem jungen Engel. Sie saß nachdenklich auf einer der Steinbänke und starrte gedankenverloren vor sich hin.
Sie trug nun eine leichte, weiße Tunika und das lange, offene Haar schlängelte sich herab und umrahmte wie ein Fluß die beiden Flügel. Ein sanfter Zug spielte mit ihren Haaren und den Federn ihrer Flügel...
Plötzlich blickte sie sich um und schaute direkt in Hiob's Antlitz.
"Wer bin ich?" fragte sie unvermittelt.
"Das weiß ich nicht mit Bestimmtheit", begann Hiob," aber ich kann Dir und Deinen Freunden das was und warum erklären. Nätürlich nur, wenn es euch interessiert."
Der junge Engel nickte zögerlich.
"Dann komm' mit mir. Ich möchte Dir etwas zeigen."
Hiob führte sie aus dem großen Saal heraus. Sie schienen sehr weit abzusteigen.
"Früher erstreckten sich die Gebäude unseres Ordens nur hier, tief unter der Erde. Es waren raue Zeiten ... als mein Orden die Chroniken dieser Welt begann"
Sie kamen in eine große Kammer, die in Dämmerlicht gehüllt war. Hiob hob seine Hand mit dem Handteller nach oben. Ein kleines Häufchen Staub befand sich darauf. Er bließ den Staub vorsichtig von seiner Hand weg. Er verteilte sich wie ein nebliger Schleier in dem Großen Saal. Langsam wurde es hell.
An der Decke, auf dem Boden und an den Wänden offenbahrten sich riesige Mosaiken.
Die Bilder stellten riesige Landschaften dar, Meere, Städte, pulsierendes Leben.
"Du erkennst es wieder, nicht wahr?"
Sie strich mit geschlossenen Augen über ein Mosaik, auf dem ein Sonnenaufgang zu sehen war. Auf den ersten Strahlen der Morgensonne tummelten sich Greifen...
"Was ist geschehen? Warum kann ich nicht mehr dort sein?"
Stumm lenkte er ihre Aufmerksamkeit auf ein anderes Mosaik. Es war düster, zeigte zeigte viele Rassen, Dämonen und ... Engel mit dunklen Flügeln.
"Sie vertrieben Dich, Deine Freunde und Eure Schutzpatronin aus Eurer Heimat und verdarben all dass auf dieser Welt, was ihr einmal beschützt hattet."
Der Priester wies auf ein dunkles Mosaik, auf dem nur Leid, Hoffnungslosigkeit und Tod zu sehen war.
"Wer sind sie?" fragte der Engel.
"Es sind gefallene Engel mit ihren untoten Dienern - den Nairios. Einst hatten sie einen Pakt mit den Dämonen. Doch so wie sie euch hintergangen hatten, versuchten sie auch, die Dämonen zu hintergehen. Für diesen Versuch mußten sie teuer bezahlen... Die Verbleibenden sind über die ganze Welt verstreut. Eure Heimat und diese Welt jedoch mußten sie genauso wie ihr, den Dämonen überlassen."
In den Augenwinkeln erkannte Hiob ein leichtes Zittern bei dem Engel.
"Warum helft ihr uns, Mensch" fagte der Engel plötzlich sehr scharf.
"Eure Schutzpatronin und unsere Göttin sind ein und dieselbe Existenz. Wir sehen es als Ehre an, unserer Herrin und ihren Helfern zu Diensten sein zu können."
Hiob verbeugte sich leicht.
"Aber wie können wir gegen...?"
"Mein Orden bereitet schon seit Jahrhunderten die Befreiung dieser Welt von den Dämonen und Nairios vor... ihr werdet die besten Waffen..."
Sie unterbrach ihn:
"Kann ich hier unten noch ein wenig bleiben, für mich allein sein und nachdenken?"
"Natürlich", meinte der Priester und zog sich leicht irritiert zurück.
"Es ist nicht verflucht" zischte eine Stimme, die aus der Richtung von Jack kam.
"Was ist dann mit Dir?" wollte Sith wissen.
"Ich weiß auch nicht. Mich hat auf einmal eine unsägliche Wut gepackt, als die Lage hoffnungslos erschien! Und dieser Wut habe ich mich hingegeben."
Siths Ausdruck war skeptisch. Auch Dalyana hatte noch einen zweifelnden Gesichtsausdruck. Hinter ihnen war Drafco erschienen. Er unterhielt sich mit einigen der Wachen.
Die rote Aura schien sich langsam abzuschwächen.
"Aber das ist nicht weiter von Belang, denke ich. Wir haben gesiegt. Lasst uns so schnell wie möglich weiterziehen. Ich mag diesen Ort hier nicht," sprach der Krieger. Er blickte rastlos nach Nordosten.
Dalyana und Sith tauschten fassungslos die Blicke.
Gerade als Sith erneut etwas sagen wollte, gab der Chronist den beiden Frauen mit einem Kopfschütteln zu verstehen, nicht weiter zu fragen.
"Ich bin auch der Meinung, dass wir hier schnell verschwinden sollten. Der Karawanenführer bereitet schon alles vor. Er hält es hier für zu gefährlich."
Als er fertig war, legte er nochmals den Finger auf den Mund und gab der Elfe und der Hengeyokai damit zu verstehen, nichts mehr zu sagen.
"Genau meine Meinung," antwortete Jack nach einer Weile mit normaler Stimme.
Innerhalb von zwei Stunden waren die Verwundeten soweit verpflegt und alles in der Art vorbereitet, dass man aufbrechen konnte.
Je näher die Karawane der Provinzhauptstadt kam, desto freundlicher wurde das Land. Von der Wüste war hier überhaupt nichts mehr zu spühren.
Uralte Bewässerungsanlagen hatten das Land in eine fruchtbare Gegend verwandelt. Die alten Bauten aus längst vergangenen Zeiten ragten majestätisch in die Höhe.
Auch wenn hier kaum jemand lebte, so konnte man dennoch an den ausgestreckten, lichten Wälder und den weiten Gras- und Buschebenen erfreuen.
Die Strasse war nun befestigt und die Karawane kam schneller voran.
Nach weiteren drei Stunden erreichten sie dann bewohntes Gebiet. Zu beiden Seiten zogen sich ausgedehnte Felder und saftige Weiden hin. überall waren kleine Bauernhöfe zu sehen, dann und wann eine kleine Siedlung. Den Bewohnern schien es gut zu gehen.
Dennoch lag der Schleier der Angst in ihren Gesichtern. Überall war geschäftiges Treiben und aufgeregtes Zusamenpacken von Hab und gut zu erkennen...
"Wir haben ein Problem," erklärte Sith atemlos, als sie von einem Erkundungsritt zurückkam.
"Es gibt wohl eine Belagerung von Dulgov. Die Truppen des Statthalters versuchen zwar, einige Verbindungswege zur Stadt offenzuhalten, aber sie sind einfach zu wenige."
"Ich hab' eigentlich wenig Lust, in eine belagerte Stadt zu marschieren," warf Dalyana ein.
"Euer Auftrag ist noch nicht beendet," entgegnete der Karawanenführer. "Wir bringen Waren, die die Stadt braucht. Außerdem sind noch Wege offen. Wir sollten uns also beeilen."
Schweren Herzens stimmte die Gruppe zu. Sie brauchten das Geld und sie brauchten neue Vorräte. In den Dörfern hier war nichts mehr zu holen, da die Bevölkerung alles mitnahm. Abgesehen davon wurde die Karawane von sden ewohnern und den Dorfmilizen mißtrauisch beobachtet. Rasch zogen sie weiter.
Als sie sich den Stadtmauern näherten, sah man Rauch aus dem Norden aufsteigen. Der Wind trug Kampfgeräusche und den Gestank des Todes mit sich.
Von den Mauern ertönte ein Signal und kurz daruaf öffnete sich das Tor, und eine Reiterkolonne preschte heraus.
"Ah, unsere Eskorte zur Stadt," meinte der Karawanenführer.
"Wieso seid ihr euch dessen so sicher," fragte Dalyana.
"Weil wir nicht wie Hobgoblins aussehen" entgegnete Sith.
Die Augen der Gruppe weiteten sich entsetzt. Sie hatten noch nie gehört, dass sich Hobgoblins in solchen Mengen zusammenrotteten, dass sie ganze Städte angreifen konnten.
Mit der Unterstützung der Eskorte gelangten sie wohlbehalten in der Stadt an.
Es war eine recht alte und wehrhafte Stadt mit dicken Mauern und hohen Türmen. Auch machten die Stadttore einen deutlich solideren Eindruck als die Tore von Orbitalia.
Überall sah man in den Strassen, wie Vorräte herbeigeschafft und verstaut wurden. Ihre Karawane war wohl nicht die einzige, die es bis nach Dulgov geschafft hatte. Auf den Mauern wurden Vorräte von Pfeilen und Speeren angelegt. Man brachte Steine und große Kessel über den Toren in Stellung. Einige Soldaten schleppten auch schon die ersten Bleiblöcke herbei.
So gesehen war die Stadt recht gut auf eine Belagerung vorbereitet.
Eilig holte sich die Gruppe ihren Lohn.
Sie mußten sich sputen, um ihre Vorräte aufzustocken. Denn die Zeit drängte...
Draußen ertönten plötzlich die Alarmhörner. Eine kleine Gruppe Provinzsoldaten strömte durch die Tore in die Stadt
"Bei der Göttin, dass ist die Einheit von Hauptmann Justin," sagte einer der Händler. "Dann muß der Belagerungsring um die Stadt geschlossen worden sein."
Die Hoffnungslosigkeit in seiner Stimme war nicht zu überhören...
"in der Kürze liegt die Würze" oder "kleine Anfügung von mir"
Mit einem letzten Schluck vom reinen und (was am wichtigsten war) kalten Wasser verließen Dalyana und Sith das Ufer.
"Woher kommt es, dass du nicht wieder zu diesem…ähm…na ja…" Sith suchte nach den passenden, nicht beleidigenden Worten.
"…blutdurstigen Dämon?" nahm Dalyana ihr die Antwort ab.
"Genau. Besser hätte ich es nicht ausdrücken können."
"Ich hab darüber die ganze Zeit während du bewusstlos warst nachgedacht. Die einzige Erklärung, die mir als logisch erscheint, wäre die, dass die Rüstung einen ganz anderen Effekt hat, als ich bisher angenommen habe. Scheinbar verstärkt sie mit magischer Kraft die Gefühle und Wünsche in meinem Inneren. Da ich damals blutdurstig und draufgängerisch war, hat sie mir dazu verholfen, ein Dämon zu werden. Mittlerweile sind diese Gefühle aber nicht mehr als eine dumpfe Erinnerung, jetzt wird mein Wunsch zu heilen und helfen magisch verstärkt."
"Da bin ich mal froh. Vor allem das du mich nicht killen wolltest…Und was ist mit den Untoten da drinnen passiert?"
"Kleines Kampftraining…" grinste Dalyana.
"Wir müssen uns jetzt aber beeilen, wenn wir die Stadt noch vor Sonnenaufgang erreichen wollen."
Sith blieb abrupt stehen und blickte Dalyana schief an. "Lestania an Dalyana! Hallo? Wir sind hier mindestens einen Tagesmarsch von der Stadt entfernt. Oder sind wir etwa nicht mehr in der Nähe des Grabes der Roten Furie?"
"Doch, natürlich. Ich konnte dich, während du bewusstlos warst, nicht transportieren. Aber jetzt sehen wir zu, dass wir hier wegkommen."
"Und wie, wenn ich fragen darf?"
Erneut huschte ein verspieltes Lächeln über die sanften Gesichtszüge der Drow. "Diese Rüstung verstärkt nicht nur meine Gefühle, sondern auch meine elfische Magie. Es sollte mir kein Problem sein, von hier zur Stadt ein Portal zu erzeugen, auch wenn ich etwas aus der Übung bin."
Sith gab sich keine Mühe eine Antwort zu finden. Diese Elfe überraschte sie immer wieder im positiven Sinn.
Dalyana hob ihre Arme und schloss die Augen. Sith beobachte die Entstehung eines der schönsten Portale, die sie je gesehen hatte. Sonst war es üblich, dass ein Portal eine gewisse Farbe hatte und als begrenzte Verzerrung auftrat. Dalyanas Portal jedoch wurde von grünen Ranken eingerahmt und strahlte in einem satten Frühlings- Grünton. Es dauerte nicht länger als eine Minute, bis das Portal stabil an seinem Platz blieb und Dalyana die Hände sinken ließ.
"Puh, das hab ich aber schon ganz schön lange nicht mehr gemacht!" meinte sie, hörbar ein- und ausatmend.
"Los geht's, Sith, wir haben keine Zeit zu verlieren." Sie packte die Hengeyokai an ihrem Arm und zog sie zu dem Portal. Kurz bevor die beiden hindurchgingen, glaubte Sith einen hellen, hasserfüllten Schrei aus der Richtung des Grabhügels vernommen zu haben…