Zitat:
Vor knapp über 5 Jahren [mittlerweile über 6, der Text ist halt ein bißchen älter], noch zu Schulzeiten (damals hatte ich noch Zeit, ach ja...), erhob sich zwischen mehreren Leuten - Orakelgläubige und Orakelskeptiker/Ungläubige, ich gehörte zur letzten Gruppen - eine Diskussion. Da sich gegenseitig Studien und Erfahrungen an den Kopf geschmissen wurde, beschlossen wir ein eigenes Experiment (und gleichzeitig Facharbeit in Reli):
- jeder erlernt eine Technik
- jeder stellt mit der von ihm erlernten Technik 100 exakte Voraussagen auf, die sich auf andere Personen bezogen und diesen nicht mitgeteilt wurden (=> um Beeinflussung zu vermeiden <-> heute würde ich das unter sehr unethisch einordnen.)
Nach 6 Monaten dann die Auswertung, die Trefferquote lag bei um die 5%.
Interpretationsmöglichkeiten:
Gläubige - wir waren erstens Amateure, zweitens hatten wir vielleicht einfach nicht das Zeug dazu, und drittens war es ja zu einer eher nicht gedachten Form der Wahrheitsfindung eingesetzt worden.
Skeptiker - Orakelglaube eindeutig wiederlegt.
Vor ein paar Tagen fiel mir meine Mappe (ich hatte damals übrigens das I Ging übernommen, sollte das wer kennen) in die Hände, und ich dachte mir "Mal gucken, wieviel sich nach 5 Jahren alleine aufgrund der vergangenen Zeit erfüllt hat!", tja, sicher sagen kann ich es von 64 Voraussagen, bei 27 fehlt mir das Wissen um die Zielperson (Kontakt vor Jahren abgebrochen) und nur bei 8 kann ich sicher sagen: Nicht erfüllt.
Erneut 2 Interpretationsmöglichkeiten:
Gläubige - Orakelglaube eindeutig belegt, zumindest dieses Orakels.
Skeptiker - erstens floß bei meiner Interpretation viel Wissen um die Person mit ein, also eher Abschätzung als wahre Voraussagung, zweitens steigt die Zahl der möglichen Wahrwerdungen expotentiell mit den verstreichenden Jahren, da einfach die Wahrscheinlichkeit sich deutlich erhöht, und drittens zeigt das I Ging nur Tendenzen (sagt also nicht, "in 9 Tagen kommt ein Brief aus XYZ") und diese Tendenzen können in jedem Menschen angelegt sein - in dem Fall wäre es also nur eine Frage der Zeit, bis sie wahrwerden können, es muß nur der Tendenzauslöser eintreffen. Viertens, außerdem kann mein Wissen um die Erlebnisse dazu führen, daß ich die Ergebnisse gedanklich umschreibe, und so mehrdeutige Antworten in die konkreten Fälle zwänge.
Welcher Interpretation man sich anschließt , kann jeder selbst entscheiden. Ich bleibe skeptisch, schließe jedoch (mit Ausnahme der Determinismenweissagungen [Horoskope, Handlesen etc]) nichts mehr kategorisch aus.
Allerdings würde ich nicht sagen, daß sich eine Diskussion erledigt, nur weil nichts am Ende bewiesen werden kann - damit würde man auch die Wissenschaften erledigen. Ein Meinungs-, Erfahrungs- und Theorienaustausch kann durchaus interessant und fruchtbar sein, statt furchtbar.
[nächster Post, weitere Ausführung]
Interessanter als die Frage, ob soetwas möglich ist und es diese Effekte gibt, finde ich die Frage, warum soviele Menschen daran glauben. Der Glaube an das Unbewiesene, oder gar an das Widerlegte, scheint ein ganz wichtiger Bestandteil des Menschen zu sein. Auch die ganzen "Popularwissenschaftszweige" sind größtenteils Unfug, genau wie mindestens sehr viele Auswüchse des Esoterikboomsm, wenn nicht alle. Nur was macht diese "Erkenntnisse" und das "Übersinnliche" so attraktiv?
Sie geben Sicherheit. Nehmen wir die "Pop-Psychology", wie sie ständig durch Sendungen wie Galileo (Bildzeitung des Bildungsfernsehens) rödelt - sie gibt Einschätzungstipps für andere Menschen ("wer das und das macht, hat den und den Charakter, wobei jenes ideal wäre"). Horoskope et cetera, was geben sie? Sicherheit, "mach dies und das, und alles wird gut!"
Und auch haben sie einen hohen Unterhaltungswert.
Und sie geben ein neues Glaubensziel ab.
Esoteriküberraschung - 3 in 1em!
[und noch mehr]
Eine Frage der Erklärung, Sinnhaftigkeit, und Empirie. Oder um es noch anders zu sagen: Nur weil irgendwer irgendwas behauptet, muß es nicht stimmen. Man kann es für sich annehmen oder ablehnen, vorher ausprobieren und dann annehmen oder ablehnen, oder vorher überdenken und dann annehmen oder ablehnen. Auch eine Kombination davon ist möglich.
Ich bin so skeptisch, daß ich sogar meine eigene Skepsis skeptisch beurteile, weshalb ich Vieles für möglich halte. Vielleicht funktioniert das I Ging tatsächlich, und irgendeine unbekannte Variable macht Tarot sinnvoll. Und höchstwahrscheinlich kann bereits alleine das (auch zufallsbedingte) Einbringen neuer Aspekte und das intensive Nachdenken über Frage und Interpretation viel bewirken. Schließe ich nicht aus. Genauso, daß man durch Meditation tiefere Einsichten und längeres Leben erreichen kann. Und ich halte es auch für sehr wahrscheinlich, daß an den alten Kräuterkunden zumindest bei einer Vielzahl von Pflanzen durchaus irgendwelche Wirkungen gibt. Besonders toll an dem letzten Punkt ist natürlich die wissenschaftliche Nachprüfbarkeit. Allerdings bleibe ich skeptisch, da es genausogut auch Aberglauben sein kann. Eine Möglichkeit, die gerne außer acht gelassen wird. Sonst wird man leicht abergläubisch nach Skinner - und der Klapperstorch sorgt für Kinderglück.
Lediglich bei pseudowissenschaftlichen deterministischen Weltbildern (z.B. Astrologie, Handlesen, Schädelkunde) bei denen die Erklärung äußerst schwach ist und die zudem jede halbwegs seriöse Datenerhebung und Auswertung sie immer und immer und immer wieder widerlegt, sie zudem meinen durchaus sehr offenen Weltbild widersprechen, zücke ich die rote Karte.
Aber, viele "Erkenntnisse" der Popwissenschaft und Esoterik sind neue Erfindungen, die nicht auf einer langen Reihe von Erfahrungen aufbauen oder irgendwie belegt sind. Anektoden sind nicht die Einzahl von Daten. Soetwas wie "wer graue Socken trägt, ist im Bett ne Niete" hat nunmal nichts mit Psychologie zu tun, genausowenig wie Orakelprogramme für den PC mit dem hypothetisch nicht auszuschließend möglichem Wahrsagen.
Oder um es anders zu sagen: Für das Experiment (siehe oben) mußte ich mir damals ja Literatur zum I Ging besorgen. Meine Wahl fiel auf die schlichte und extrem alte "Wilhelm"-Übersetzung, der war grade im Ausverkauf und der Autor betonte eher den philosophischen Hintergrund, Weisheitsbuch in der Geschichte Chinas et cetera. Entsprechend taoistisch geprägt sind auch die Texte. OK, der günstige Anschaffungspreis war das Hauptargument, ich geb es ja zu .
Aus reinem Interesse habe ich mir mal die Bewertungen auf einer gewissen größeren INet-Bücherhandlung angesehen, und was sahen meine entzündeten Äuglein da? "Unser Vorschlag: Kaufen Sie Diederichs Gelbe Reihe, Bd.1, I Ging und I Ging für Zauber-Hexen, m. 3 I-Ging-Münzen!"
Alleine beim Titel des dazu im Pack empfohlenen Buches hätte ich schreiend aus dem Fenster springen können (ich zog es aber vor, einen Lachkrampf zu bekommen). Einfach weil er das Beispiel ist, wie eine durchaus ernstgemeinte Sache durch den Esoterikboom gedreht und völlig verunstaltet wird, man könnte auch sagen total sinnlos wird.
Das heißt, selbst WENN etwas jemals Gültigkeit gehabt haben sollte, muß man es in dem Zustand erwischen, bevor es durch den Esoterikwellenfleischwolf gedreht wurde.
Hat wer bis hier durchgehalten? Wenn ja: Neben dem I-Ging hab ich mittlerweile auch Tarot bei mir herumstehen. Schaut mal in