psychohaufen teil 1 - das sprechende pferd
fuck. das ist das erste wort, an das ich denke, wenn ich aufstehe. gleißendes licht versengt mir die lider, brühende hitze weicht meine wohnung auf und alles ist so scheiss hell und freundlich. bah. fuck.
ich bin jetzt 32, abgehalftert, unterernährt und hab nen beschissenen job in einer videothek. soviel zu meiner person. name? unwichtig. stellt euch euren namen vor. es ist diese allerwelts scheisse. das kann auf jeden zutreffen, oder vielleicht nicht ganz. jedenfalls ist es morgens, 7:02 uhr, und ich muss erst um 9 bei diesem •••••• video-store erscheinen. nunja, ich verdiene nicht viel, solltet ihr vielleicht wissen. der durchschnittstyp. ich wohne in einer x-beliebigen westdeutschen stadt. sucht euch eine aus. es könnte jede sein, weil die scheisse in jeder stadt passiert. überall der selbe müll. ich wohne in diesem neu-alt viertel, wie jede stadt eins hat, plattenbauten, grau, mit ein paar sonnenscheins-bäumen dazwischen, und wenn man von hier aus (5. stock) aus dem fenster sieht, sieht man schon die straße, wow. die gegend ist für'n arsch, die bauten wurden vor einigen jahren saniert, aus grau wurde grün und gelb und orange, oh scheisse, nach aussen hin mag das freundlich erscheinen, aber ich habe ein echtes problem damit. diese farben brennen sich in unsere hirne und saugen unsere kraft aus, wir ignorieren einfach alles von wegen "ah, was fürn problem? was für schöne farben~?" - wir haben alle verkackte probleme, aber anstatt uns damit zu beschäftigen, starren wir unsere ehemals grauen häuserblocks an, die einem hypnotisch in die eier treten. die probleme werden ignoriert, sie setzen sich so in den hirnen der menschen irgendwo hinten in einem rest room ab und stauen sich auf. bis mal wer überstaut. explodiert. dann gibt es ein kleineres massaker an einer schule 4 straßen weiter, ein paar tränen. und der scheiss geht von vorne los. und es erwischt immer irgendwen, den man nicht kennt - ich hab auch keinen bezug zu irgendwem der in dieser stadt mal gestorben ist, wahrscheinlich weil ich hier vor 15 jahren von selbst hergezogen bin, ich kenne nur wenige, obwohl 15 jahre ja nicht wenig ist. als ich hier ankam, hab ich gleich diese eine wohnung hier gemietet, weil sie billig war und ich dachte, so hätte ich mehr geld für bessere sachen. die nachbarn hab ich auch sofort registriert, soweit, dass ich weiß, es ist besser, sie zu ignorieren. es sind alte, häßliche menschen. irgendwie alt oder älter. die wollen nicht mit einem reden und haben auch nichts interessantes zu erzählen, die wissen wo der bäcker in der gegend ist und gut ist. nicht dass ich da anders wär (also von der basis her, ich hab auch nichts interessantes auf lager) aber ich will nicht mit jemandem reden, der mir zeigt wie meine zukunft aussieht, als alternder mühle-spieler, der sich wünscht, dass alles in die luft fliegt.
soviel zu meiner person und meinem umfeld, ich bin normal. ich kann nichts. und ich hab nen scheiss job, in dem mein scheiss boss jünger ist als ich selbst. fuck.
nachdem ich mich angezogen habe, betrachte ich mich im spiegel. verklebte haare, jung gebliebener bartansatz, der männlich wirken soll, es aber irgendwie nicht schafft. was soll's. es ist jetzt 7:36. mann, das unausweichliche rückt näher, ich habe keine lust videos in karteikarten einzutragen und unterbelichtete kunden zu bedienen, aber was soll ich sonst tun? den job mach ich seit über 10 jahren, müsst ihr wissen. ohne den wär ich arbeitslos. erbärmlich für einen 32-jährigen single-mann, meint ihr? absolut.
7:38. vielleicht sollte ich meinen job kündigen und... keine ahnung was. was soll man tun, wenn man früher zu faul war um zu lernen und nur in den tag hineingelebt hat? wenn man sich dem sozialen leben nicht fügt, wie es von einem verlangt wird, endet man eingequetscht in 32 quadratmeter inmitten eines riesigen scheiss gelben plattenbau. ja, die wohnungen hier sind klein, keine ahnung ob das einer dieser plattenbauten ist, in dem alle wohnungen gleich aussehen (ihr solltet wissen, ich besuche meine nachbarn nie, hier wohnen nur scheiss •••••, wie gesagt) oder so, jedenfalls hat meine zwei einhalb zimmer und einen halben flur, standart.
7:43. wenn dir eine deadline im nacken sitzt, beginnst du automatisch völlig in panik aufgelöst auf die uhr zu starren...
ich beschließe früher loszugehen um vorher noch einen kleinen spaziergang zu machen, ha. 32. single. was soll der scheiss? warum mach ich einen spaziergang wie ein rentner? ich müsste entweder in einem versifften club zwischen dutzenden prallen brüsten aufwachen oder in einem armani anzug aus den achtzigern in einem büregebäude sitzen und die millionen machen. aber weder das eine noch das andere ist der fall. ich gehöre zu der apathischen minderheit 32 jährige single männer, ihr wisst schon, die der selbstmordgefährdeten. der rest 32 jähriger single männer macht entweder eines meiner beiden beispiele oder ist fett.
7:51. ich bin tatsächlich früher losgegangen als nötig, die videothek ist doch nur 2 straßen runter. was nun? ich gehe einfach in irgendeine richtung. da kommt mir jemand entgegen. ein sichtlich gealterter 13-jähriger. wird wohl schon doppelt so alt sein, aber sein erscheinungsbild erinnert an das eines kindes. bomberjacke, basecap, baggypants, ein t-shirt von der scheiss love-parade.
"hhhhallo." der typ stottert und er spricht mich wohl auch nur an, weil ich hier so in der gegend rumgamm'le und nichts zu tun habe. "auch... nichtts zzu tun?"
"nnnnein." bin ich fies?
"ey, pass auf. ganz schöön frühü, oder?"
"äh ja, klar." verdammt, es würd mir einiges bringen nicht hier zu sein, ein geistig behinderter redet mit mir, ich mag die typen nicht. ich akzeptiere sie, das macht jeder, aber ich muss doch nicht mit denen reden, wenn die mich grundlos morgens um 8:06 in aller öffentlichkeit anquatschen, was soll ich dem sagen, ohne als faschist dazustehen? scheiss ethik. aber gut, es ist noch früh, ich könnte ihn ja umschubsen, er wird irgendwann überfahren und mein seelenfrieden ist gerettet.
"wawas machst du hier so?" sucht der freunde? er lächelt. fuck. er jetzt sieht man seine grauenhafte fratze. ein gieriges gelb, dass sich durch seine langegzogenen, abstehenden zähne gezogen hat, grinst mich an. wow. yeah. ein gesicht wie ein esel oder so. verdammt.
"ich geh zur arbeit." ja, du kannst dich retten.
"ohkay, bis bald dann."
verdammt, wer war das? gibt es irgendwo einen bösen kobold, der an drähten zieht um mein leben zu sabotieren? ich weiß es nicht. vielleicht war diese begegnung reiner zufall. jetzt kann das schicksal ihre hand wieder aus meinem arsch ziehen, ich höre auf in selbstmitleid zu zerfließen, ergebe mich dem trott, der mir bevorsteht und gehe zur arbeit. ach... fuck.
