Madrid - Heuchelei und unterschwelliger Rassismus?
Hallo allerseits. Ich wollte mich hier über das Attentat in Madrid auslassen. Vorher muß ich sagen, daß auch ich mit den Opfern und deren Angehörigen leide. Es ist grausam, häßlich und dumm, Menschen zu ermorden. Dennoch muß ich mich fragen, warum kümmert uns dieses Attentat mehr als andere? Im Irak beispielsweise passieren jeden tag grausame Attentate, aber weder Schröder noch Rau haben dorthin ihr Beileid in der Form gesendet, wie sie es nach Madrid getan haben, woraus ich schließe, dass die Spanier wichtiger zu sein scheinen als Iraker. Dazu würde mich eure Meinung interessieren. Ich erinnere mich noch, wie wir in der Schule nach dem Anschlag auf die Twin Towers eine Schweigeminute gehalten haben, Aber wir haben nie Schweigeminuten für z.B. die Opfer der Terrordiktaturen in Afrika, für täglich 100000 Verhungernde weltweit oder andere Völker, die in unbeschreiblichem Leid leben.
Wir scheinen Prioritäten zu setzen, die Wirtschaft bestimmt die Politik (unsere ,,freundschaftlichen" Beziehungen zu Frankreich oder Russland haben offensichtlich in erster Linie ökonomische Motive als Grundlage). Das ist egoistisch, arrogant und unterschwellig rassistisch.
Re: Madrid - Heuchelei und unterschwelliger Rassismus?
Zitat:
Original geschrieben von Trala La
Im Irak beispielsweise passieren jeden tag grausame Attentate, aber weder Schröder noch Rau haben dorthin ihr Beileid in der Form gesendet,...
Klingt Morbid, aber es gibt genau zwei Gründe warum man sich meiner Meinung nach niemand um die Anschläge im Irak kümmern sollte:
1) Die Opfer sind hauptsächlich Soldaten, und in einem Krieg sterben diese nunmal. Ihre Entscheidung in die Armee einzutreten und dieses Risiko auf sich zu nehmen war eine Freiwillige. Es macht keinen Sinn, jemand Beileid ausuzrichten, weil er seine Armee in einem vermeidbaren Konflikt verheizt. Eher hätte die Regierung Bush eine Rüge verdient für diese unvorbereitete Besetzung, den planlos durchgeführten Wiederaufbau und die laxe Disziplin unter seinen Truppen.
2) Es scheint fast so, als ob der größere Teil des Widerstandes im Irak von der Zivilbevölkerung ausgeht. Die wenigsten wollen nach den Jahren der Bombardierungen und des UN-Embargos die Amerikaner im Land haben. An dem momentan eher desolaten Zustand des Landes ist nämlich nicht Saddam sonder jenes Embargo und die Bomben der Tommys und Amerikaner schuld. Unter Saddam war der Irak ein wohlhabendes Land, und man verhungerte und verdurstete zumindest nicht, auch wenn man jederzeit abgeführt und gefoltert werden konnte.
Es klingt pervers, aber es handelt sich anscheinend um einen Widerstandskampf gegen ausländische Eroberer. Die Irakis haben nichts gegen Demokratie, aber sie wollen sich nicht schon wieder eine Regierung zusammengesetzt aus Handlangern ausländischer Großmächte aufdrücken lassen.
Auch dafür sollte man Bush's Regierungsmannschaft rügen, dass sie nach Jahrelangen Bombardements nicht damit gerechnet haben ein wenig Kühler empfangen zu werden.
Re: Re: Madrid - Heuchelei und unterschwelliger Rassismus?
Zitat:
Original geschrieben von Ianus
Die Irakis haben nichts gegen Demokratie, [...]
Ich bin kein Iraki, aber ich habe letztes Semester eine extrem interessanten Vorlesung zum Thema "Demokratie und der Koran - unvereinbar?" verfolgen dürfen. Gegen Ende der Vorlesung wurde der Einwurf eines Moslem besprochen, der meinte, er möchte nicht, dass seine Kinder in einer Demokratie aufwachsen und somit wurde das Thema etwas ausgedehnt. Schlussendlich kam der Sprecher (ein ziemlich bekannter Autor der selbst zum Islam übergetreten ist, leider will mir jetzt sein Name partout nicht einfallen :\ ) zur Frage, ob eine Demokratie (so wie wir sie kennen) im Irak möglich sein wird. Seine Antwort war ein klares nein, da viele Moslem die klassische Demokratie als klaren Widerspruch zum Koran sehen und sie somit strikt ablehnen.
Das Besatzerland Amerika macht aber genau das. Er setzt diesen Menschen eine Demokratie vor die Nase, wie sie bei ihnen auch mehr oder weniger gut funktioniert. Gläubige Moslem sehen dies aber unter Umständen als Angriff auf den Koran. Das Problem liegt IMO darin, dass man einen Kompromiss finden müsste, der demokratischen Massstäben entspricht und in den Augen der Iraker mit ihrem Glauben vereinbar ist.
Re: Re: Re: Madrid - Heuchelei und unterschwelliger Rassismus?
Zitat:
Original geschrieben von Shinigami
Ich bin kein Iraki, aber ich habe letztes Semester eine extrem interessanten Vorlesung zum Thema "Demokratie und der Koran - unvereinbar?" verfolgen dürfen. Gegen Ende der Vorlesung wurde der Einwurf eines Moslem besprochen, der meinte, er möchte nicht, dass seine Kinder in einer Demokratie aufwachsen und somit wurde das Thema etwas ausgedehnt. Schlussendlich kam der Sprecher (ein ziemlich bekannter Autor der selbst zum Islam übergetreten ist, leider will mir jetzt sein Name partout nicht einfallen :\ ) zur Frage, ob eine Demokratie (so wie wir sie kennen) im Irak möglich sein wird. Seine Antwort war ein klares nein, da viele Moslem die klassische Demokratie als klaren Widerspruch zum Koran sehen und sie somit strikt ablehnen.
Das Besatzerland Amerika macht aber genau das. Er setzt diesen Menschen eine Demokratie vor die Nase, wie sie bei ihnen auch mehr oder weniger gut funktioniert. Gläubige Moslem sehen dies aber unter Umständen als Angriff auf den Koran. Das Problem liegt IMO darin, dass man einen Kompromiss finden müsste, der demokratischen Massstäben entspricht und in den Augen der Iraker mit ihrem Glauben vereinbar ist.
Ich würde also nicht allzu viel darauf geben, wenn ein einzelner bekehrter Moslem sagt, dass er seine Kinder lieber nicht in einer Demokratie aufwachsen lassen würde. Zum einen weil Neubekehrte immer besonders Fanatisch sind und dazu tendieren alles niederzumachen, was ihnen ihr ganzes vorheriges Leben lang heilig war und zum anderen, weil er sein Leben nicht in einem der weniger demokratischen Islamischen Staaten verbringen musste.
Unter Saddam war der Irak ein säkularisierter reicher Staat mit hohem Bildungsniveau und dementsprechend halten anscheindend viele Iraker wenig von einer islamistischen Regierung. Wenn die Amerikaner die Bevölkerung einfach machen lassen würden und ihnen nur Unterstützung zukommen ließe, dann hätte der Irak das Potential zu einer islamisch geprägten Demokratie. Aber höchstwahrscheinlich wird ein pro-amerikanisches Regime an die Schalter der Macht gesetzt werden. Eine Regierung, die aus Vertretern des Volkes besteht könnte sich daran erinnern, wem der Irak seine momentane Lage zu verdanken hat, die Ölvorkommen verstaatlichen und den Amerikaner den Hahn abdrehen. Für Öl gibt es genügend Käufer und nachdem man keine Massenvernichtungswaffen gefunden hat ist wohl mit Sicherheit klar, das Öl der einzige Kriegsgrund war. Regimewechsel ist eine schlechte Ausrede, die USA hat in ihrer Geschichte definitiv mehr Regime ein- als abgesetzt.
Re: Re: Re: Re: Madrid - Heuchelei und unterschwelliger Rassismus?
Zitat:
Original geschrieben von Ianus Ich würde also nicht allzu viel darauf geben, wenn ein einzelner bekehrter Moslem sagt, dass er seine Kinder lieber nicht in einer Demokratie aufwachsen lassen würde. Zum einen weil Neubekehrte immer besonders Fanatisch sind und dazu tendieren alles niederzumachen, was ihnen ihr ganzes vorheriges Leben lang heilig war und zum anderen, weil er sein Leben nicht in einem der weniger demokratischen Islamischen Staaten verbringen musste.
Die anschließende Diskussion (auf die ich in meinem obigen Text eigentlich hinaus wollte) ging ja nicht um diesen einen Moslem und warum ER alleine das nicht will, sondern der Sprecher hat anhand von dessen Einwurf aufgezeigt, warum überdurchschnittliche viele Moslem so oder so ähnlich denken. Seine Argumentation war (in meinen Ohren) sehr schlüssig, verständlich und vor allem war sie sehr objektiv!
Zitat:
Unter Saddam war der Irak ein säkularisierter reicher Staat mit hohem Bildungsniveau und dementsprechend halten anscheindend viele Iraker wenig von einer islamistischen Regierung. Wenn die Amerikaner die Bevölkerung einfach machen lassen würden und ihnen nur Unterstützung zukommen ließe, dann hätte der Irak das Potential zu einer islamisch geprägten Demokratie. Aber höchstwahrscheinlich wird ein pro-amerikanisches Regime an die Schalter der Macht gesetzt werden. Eine Regierung, die aus Vertretern des Volkes besteht könnte sich daran erinnern, wem der Irak seine momentane Lage zu verdanken hat, die Ölvorkommen verstaatlichen und den Amerikaner den Hahn abdrehen. Für Öl gibt es genügend Käufer und nachdem man keine Massenvernichtungswaffen gefunden hat ist wohl mit Sicherheit klar, das Öl der einzige Kriegsgrund war. Regimewechsel ist eine schlechte Ausrede, die USA hat in ihrer Geschichte definitiv mehr Regime ein- als abgesetzt.
Genau auf diesen Punkt wollte ich mit meinem letzten Absatz hinaus!