Dryden
10.09.2007, 14:07
Trailer
Angst zeige ich dir in einer handvoll Staub
Das Ödland liegt vor einem, und wenn man zu lange auf den flirrenden Horizont blickt, überredet es einen, dass man niemals ankommen wird.
Eins…
Truman erinnerte sich, das mal gehört zu haben. In irgendeiner Bar in irgendeinem namenlosen Nest. Vor seiner Flucht.
Er zwang seine Augen nach unten. In den Staub.
Er hatte seit vielen Tagen niemanden mehr getroffen. Das mochte gut sein, wenn man auf der Flucht war. Aber es war verdammt schlecht, wenn man sich gerne unterhalten würde. Oder mit einer Frau schlafen.
Der Horizont konnte einen auch dazu überreden, dass es keinen Ort mehr gab, an dem man ankommen könnte.
Wenigstens war er sich sicher, dass er auf dem richtigen Weg war. Der Sippling von vor wer-weiß-wie-vielen Tagen hatte es ihm gesagt. Netter Kerl; so hilfsbereit. Wollte ihm unbedingt helfen, wie ein kleines Kind. Truman musste lächeln, als er daran dachte, wie er zwanzig Zentimeter zerkratzten Stahl in die Eingeweide gegen dessen Vorräte eingetauscht hatte.
Truman stellte das Lächeln schnell wieder ein. Die nie verheilte Narbe auf seiner Wange schmerzte beim Grinsen. Er tastete instinktiv und, scheiße, sie fing wieder an zu bluten. Er zog das Halstuch eines ehemaligen Bekannten unter seinem Gürtel hervor und drückte es auf die Wunde. Verdammte Scheiße, einmal lächelt man, und was hat man davon? Blut. Scheißleben.
Truman stand gerade auf einem dieser Hügel, die man auch Dünen nennen konnte, die verdammte Wange blutete immer noch, da sah er die Stadt am Horizont.
Harlan's Creek: Vor keine Ahnung wie langer Zeit auf den Trümmern und Geistern einer bedeutenden Metropole gebaut, deren Namen wohl nur noch irgendwelche Historiker kennen. Truman wusste nur eins: Erstens, Harlan's Creek war groß und gleichgültig genug, um darin nicht weiter aufzufallen, wenn man sich an die Regeln hielt.
Er ließ sich auf dem Hügel oder der Düne, was auch immer, zu Boden fallen. Pause.
Im Fallen bemerkte er die drei Reiter zwischen der Stadt und ihm. Sie preschten auf ihn zu. War das gut oder schlecht? Ausweichen war eh keine Option, dachte Truman, und wunderte sich, wo er "Option" aufgeschnappt hatte. Die Erinnerung an die Zeit vor San Vincent war nur noch ein Schatten auf einem Segeltuch.
Truman ging in den Schneidersitz und ließ seine zusammengebundenen Stiefel mit den durchgescheuerten Sohlen von der Schulter fallen. Das Messer presste sich relativ kühl an seinen Unterarm.
Dann wartete er.
Der Wind über dem Ödland war seltsam. Irgendwie allgegenwärtig, aber auch unnatürlich. Was Truman nicht wissen konnte, denn Truman kannte keinen anderen Wind als diesen. Aber für die, die den Wind noch kannten, wie er vor dem Vorfall war – es gab niemanden, auch wenn die Sipplinge, ein paar hirnverbrannte Junkies und diese Sektenspinner was anderes behaupteten, wenn man den Fehler machte, ihnen zuzuhören – für die wäre er unnatürlich. Wie ein Ventilator, in dem viele kleine Insekten verendet sind. So dass man genau weiß, dass der Luftzug drei Schritte weiter zur Seite nicht mehr da ist.
Truman mochte den Wind. Gerade jetzt, während er wartete. Wenigstens ein kleines verfluchtes Bisschen von irgendwas in dieser beschissenen Einöde. Das lernte man zu schätzen.
Ein Geräusch dröhnte an sein Ohr. Aus Windrichtung. Das gut geölte mechanische Sirren und Brummen eines – Fahrzeugs?! Er schaute nach rechts und da war tatsächlich, eine beeindruckende Staubwolke hinter sich herziehend, ein Auto. Ein seltener Anblick in diesen Tagen, von undefinierbarer staubbedeckter Farbe und mit ordentlich Power unter der Haube. Verflucht, auch der war direkt auf dem Weg zu ihm. Als hätte er eine dieser beschissenen Leuchtreklamen über dem Kopf, auf denen Blackjack und Nutten versprochen wurden. Die Pferde würden zuerst da sein. Wenn es vorher keinen Sinn gehabt hatte, sich zu verstecken oder sonstwie zu bewegen, hatte es jetzt noch weniger. Gut.
Truman, Schneidersitz, Tuch auf Wange gepresst, Messer umklammert, beruhigender Fatalismus im Gemüt, blickte abwechselnd seinen neuen Freunden entgegen.
…Zwei…
Die drei Reiter trugen lange, braune Staubmäntel und Hüte wie aus einem verdammten Western. Ihre Namen waren Jack, Woody und Al. Ihre Pferde waren alle zwischen gelb und braun und hatten keine Namen. Niemand gab einen Dreck auf Pferde.
Woody, ein schwarzer Kahlkopf, rief, zu niemandem im Besonderen, aber eigentlich zu Jack, weil Al eh nie antwortete: "Den Kerl schauen wir uns an! Du machst das Reden und wir den Rest!"
So war es am besten. Jack hörte sich gern schwafeln, Woody hatte gerade keine Lust und Al, wie schon gesagt, hatte im Grunde nie Lust.
"Aye!" Aus irgendeinem Grund schnippte sich Jack daraufhin den Hut in den Nacken und spuckte einen flatternden Klumpen in den Staub.
Al hatte verstanden und warf seinen Mantel zurück, so dass er hinter seinem Halfter hängen blieb. An seiner Hüfte baumelte eine alte, aber liebevoll gepflegte Laserpistole. Wenn er grinste, sah es aus, als würde er dabei einen Stein mit den Backenzähnen knacken. Und er grinste.
…Drei…
Das Mädchen auf dem Rücksitz blickte das Gesicht im Rückspiegel an. Nicht mehr heimlich, aber immer noch mit morbider Faszination. Er pfiff wieder vor sich hin. Selbst sein Pfeifen war dünn und zitternd. Er hatte anscheinend eine Melodie im Kopf, aber der praktische Teil war dann doch zu anspruchsvoll. Das Klopfen im Kofferraum hatte vor einiger Zeit aufgehört, was das Mädchen zuerst erleichternd fand. Jetzt fehlte es ihr. Weil das Motorgeräusch allein nicht mehr reichte, um dieses verwünschte Pfeifen davon abzuhalten, wie ein schmieriger, kleiner Parasit direkt in ihr Hirn zu kriechen.
"HÖR ENDLICH AUF!"
Er hielt kurz inne und blickte mit hochgezogenen Augenbrauen durch die winzigen Kreise seiner Sonnenbrille in den Rückspiegel. Nur – er hatte keine Augenbrauen.
"Hör auf. Bitte." Sie zwang sich, diese Augen, die größer schienen als die Brille, im Spiegel anzusehen und flehte fast. Im Spiegel und mit der Sonnenbrille war es nicht ganz so schlimm. Sie wollte sich nur übergeben.
Seine Stirnfalten glätteten sich nicht, sie änderten nur ihre Anordnung, als wenn sich kleine Aale unter seiner Haut bewegen würden. Er verlagerte seinen Blick wieder auf das Ödland und pfiff seine Unmelodie.
…Vier…
"Bienvenido, compadre. Darf man fragen, was einen Wanderer dazu bringt, so mutterseelenallein mitten in der guten alten Dystonia auf einer Düne zu sitzen?" Jack konnte kein spanisch. Was ihn nicht davon abhielt, es zu benutzen.
Truman antwortete nicht sofort. Erst beäugte er die drei Typen und die Waffen, die die beiden hinteren wenig subtil präsentierten.
Kritisch, aber verhandelbar.
"Pause. Hab 'nen langen Weg hinter mir und bin ja bald da." Er nickte zur legendären Stadtmauer aus Schrott hinüber.
"Aye. Wenn du die Richtung gehalten hast, hast du in der Tat einen langen Weg hinter dir, compadre. Wie ist dein Name, sagtest du?"
"Truman. Und deiner?"
"Kannst mich Jack nennen. Gehört der Highwayman da hinten zu dir, Truman?"
"Dann wäre ich wohl kaum gelaufen. Was treibt dich und deine Freunde raus in die… Dystonia?"
"Verletzt, Truman?" Jack zeigte mit der Geste eines drittklassigen Casino-Schnulzensängers auf das Tuch an Trumans Wange.
"Nichts ernstes, keine Sorge."
"Dann ist ja gut, Truman. Dachten schon, du würdest uns hier im Schneidersitz wegbluten. Was will die Kiste denn dann hier, irgendeine Ahnung, Truman?"
"Ist mir genauso unerklärlich wie euer Auftrag hier, Kumpel. Ich sitz hier nur rum. Und genieß die Landschaft."
Jack kniff die Augen zusammen und ließ sie schweifen. "Ja, Truman, da fliegen einem die Inspirationen nur so zu, eh."
"Deswegen sind wir auch hier." Woody schaltete sich ein. Und schickte dem begnadeten Beitrag noch ein Schnauben hinterher, das an ein Schwein erinnerte, das rumliegende Fäkalien mal genau unter die Lupe nahm.
"Du vielleicht, Nigger." Manche Worte sind eben zeitlos. Jack war ein wenig ungehalten. "Also, Truman, können wir dir weiterhelfen? Wohin soll's denn gehen im schönen Creek?"
"Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Erstmal das übliche, schätz ich. Essen, baden, ficken, schlafen."
"Ha! Erstmal?"
"Jo. Und dann weitersehen. Vielleicht das Ganze nochmal, nur ohne das baden… und essen." Jack grinste. Truman nicht.
"Wo kommst du her, dass du das da nicht konntest, Truman?"
"Aus 'nem Kaff im Süden." Langsam fing der Typ an zu nerven. Und seine Lakaien schienen eh nur auf Ärger aus zu sein. Noch brav sein, bis die Kavallerie im Highwayman anrückt und die Karten neu mischt.
"Truman, mi compadre, du hast verdammtes Glück, dass du auf uns getroffen bist."
"Ich weiß. Warum doch gleich?"
"Weil einsame Wanderer leichte Beute sind. Und wir dich leben lassen, wenn du deine Taschen leer machst." Eine Lüge, und der erste Fehler, in einer langen Reihe von Fehlern.
"Glückwunsch, endlich. Man weiß ja nie, wer in der Karre sitzt, eh?"
"Stimmt genau, Truman. Also, Woody hier kommt jetzt vorbei und macht deine Taschen leer, und in einer Minute sind wir hier weg, entendido?"
"Was?"
"Keine Ahnung. Trotzdem. Woody!"
Woodys Gaul trabte direkt neben Truman. Zweiter Fehler.
Woody zog ein Messer aus dem Stiefel und stieg ab. Dritter und vierter Fehler.
"Dass du stillhalten musst, muss ich dir nicht sagen, oder, Truman?" Dieses dauernde Truman nervte. Fünfter Fehler.
"Klar."
Woody zog Truman an der Schulter hoch. Sechster Fehler.
Truman wand sich mit einer blitzartigen Drehung aus dem Griff, ließ das Tuch zu Boden fallen – scheiß auf die Narbe -, zog Woodys Arm nach hinten und war hinter ihm, als Al gerade die Waffe gezogen hatte. Ab da wurde es unangenehm für Woody. Truman setzt ihm das Messer an die Kehle und zugleich jagte ihm Al einen Schuss ins rechte Bein. Woodys Hut und Messer fielen zu Boden, sein Bein zuckte kurz gegen Trumans, der davon nichts merkte, und Woody heulte wie eine hungriger Kojote. Es roch nach verbranntem Fleisch. Jack schrie irgendwas, das wohl "Scheiße!" bedeuten sollte, aber eher wie "Schß!" klang.
Klar, musste schnell gehen.
Truman schleifte den immer wieder jaulenden Woody hinter sein Pferd.
"Du •••••••••! Wir machen dich fertig!" Das war Jack.
"Mein Bein, verdammt!" Woody.
"Beruhigt euch, Jungs. Euer schwarzer Freund hier hat ziemlich üble Schmerzen, wisst ihr." Truman; die Situation ein bisschen unter Kontrolle.
Die Pferde trippelten herum. Dummerweise auch das zwischen Truman und den beiden Pennern. Truman folgte und zog den wimmernden Glatzkopf erbarmungslos mit sich. Jack beruhigte sich nicht.
Stattdessen: "Du kleiner •••••••! Wir machen dich fertig und lassen dich hier liegen! Und in ein paar Jahren bist du auch nur ein bisschen mehr Staub! Hast du das verstanden, du •••••••?"
"Dass Leute wie du immer so viel reden müssen, wenn ihnen die Situation über den Kopf wächst. Und so sinnloses Zeug. Wo ihr das nur immer aufschnappt. Rate deinem Niggerfreund doch lieber, nach seiner Waffe zu greifen, Superhirn."
Trumans Stimme war ruhig, aber er konnte nicht aufhören, den Typen niederzumachen. Unklug.
Apropos unklug. Woody versuchte tatsächlich, an seine Hüfte zu greifen. Truman, der immer noch Woodys linken Arm im Griff hatte, ließ das Messer einmal zucken und Blut von Woodys auseinanderklaffender Hand verdunkelte den Staub unter den beiden. Woody schrie. Natürlich.
Das Pferd trippelte noch etwas. Truman klebte an seiner Flanke. Wie ein Tanz; ein Tanz mit einem Verwundeten und einem Pferd.
…Fünf…
Der Highwayman. Er rollte langsam aus, etwa zehn Meter von der seltsamen Gruppe entfernt. Er blieb stehen. Durch die dunklen Scheiben war nichts zu sehen. Für einen Moment hielten Ödland, Getier und Menschen den Atem an.
Nichts.
Jacks Aufmerksamkeit schwankte zwischen Mann hinter Mann und Pferd und X-Faktor in Auto hin und her. Al war tödlich auf erstere Gruppe fixiert. Er grinste und fasste einen Entschluss. War jedenfalls anzunehmen. Jedenfalls jagte er ein paar Salven volle Sau in das Pferd, das in unterschiedlich große Stücke zerlegt wurde. Truman und Woody kriegten eine Menge davon ab. Jack schien einigermaßen überrascht. Truman ebenfalls. Seine Deckung war rapide geschrumpft. Al hielt nur einen Augenblick inne, um die Zerstörung in sich aufzunehmen und legte dann auf den wimmernden Woody an.
Woodys erstarrte.
Truman konnte es auch nicht fassen. Das Glitzern in Als Augen war ein auf sie zurauschender Feuerball.
Ein lauter, dumpfer Knall. Nein, zwei. Drei.
Woody wurde von irgendetwas erfasst. Einer Lokomotive vielleicht. Er wirbelte aus Trumans Griff und schräg hinter ihn, wo er wie ein Sack Tabak landete. Jetzt schrie er nicht mehr.
Truman fiel und landete mit der Wunde im Staub.
Höllische Schmerzen. Blut in seinem linken Auge.
Hoch! Nicht liegen bleiben! Bewegen! Zu Woody! Tapferer Woody, immer noch Deckung.
Dachte er sich. Aber nichts da. Benommenheit und Schmerzen. Er knickte sofort ein und blieb liegen. Fragmente in den Augenwinkeln: Zwei nervös trippelnde Pferde; zu deren Füßen zwei sich surreal langsam legende Staubwolken. In der Windschutzscheibe des Highwayman drei Löcher, die Truman an eine Bowlingkugel erinnerten. Aus den Löchern stieg Rauch auf. Was zum Teufel...
Die Fahrertür des Highwayman öffnete sich. Truman hielt es aus irgendeinem Grund für angeraten, wie tot im Staub liegen zu bleiben, die Zähne zusammenzubeißen und die Welt durch einen winzigen, rot verschleierten Ausschnitt zu beobachten. Das Messer lag immer noch in seiner Hand.
…Sechs.
Ein linker Fuß in einem ausgedienten hellbraunen Lederschuh pflanzte sich in den Staub. Der Schuh war auffallend klein und wurde zudem größtenteils von einer weiten schwarzen Stoffhose bedeckt. Ihm folgte, seltsam nachgezogen, ein dunkler Stiefel, eindeutig größer, unter einem identischen Hosenbein. Die Tür wurde beinah sanft geschlossen.
Die beiden ungleichen Schuhe und die Hose hinkten schwerfällig zu den Pferden und aus Trumans Blickwinkel. Verflucht! Liegenbleiben. Nicht bewegen.
Das Hinken des Typen war so nah am Boden gut hörbar, und Truman schätzte, dass er ziemlich genau bei Jacks Leiche stehen blieb. Er ging einfach mal davon aus, dass Jack krepiert war. Andernfalls hätte der Bastard sicher nicht so lange die Fresse gehalten.
Der Geruch, der in der Luft lag, war der jedes frischen Schlachtfeldes. Truman lag zwar mittendrin in all dem, aber er kam damit klar. Auch wenn er extrem angewidert sein würde, wenn er nicht so beschäftigt damit wäre, Schmerzen, Benommenheit und Verwirrung zu fühlen.
Der Killer humpelte jetzt in seine Richtung.
Das Klicken einer Tür. Die hintere Tür des Highwayman ging auf.
Gerade als das schlanke, barfüßige Mädchen aus dem Auto stolperte und sich auf die Knie fallen ließ, um sich zu übergeben, waren die zwei ungleichen Schuhe bei ihr. Schneller Krüppel. Sie blieben stehen, und durch die Beine hindurch konnte Truman dem Mädchen beim Kotzen zuschauen.
Sie war vielleicht 15, 16 Jahre alt, mit wirren schwarzen Haaren, sogar dünn, als hätte sie in letzter Zeit wenig zu essen gehabt, ungewaschen und zitternd. Ihre Kleidung bestand aus dem typischen Kleid, dass irgendwelche militanten Ackerbauern im Süden ihren noch unverheirateten Töchtern verpassen würden. Nur war dieses hier von Rissen übersät, als hätte sich irgendeine archaische Raubkatze darüber hergemacht. Truman fand, wenn man ignorieren konnte, dass sie verdreckt und unterernährt war und ihre Zuckungen vom Erbrechen herrührten, war das ein durchaus schöner Anblick.
Der kümmerliche Rest einer Zigarette flog in den Tümpel aus Auswurf. Das Mädchen blickte auf und bemerkte den Killer mit den unterschiedlichen Schuhen. Sie war bemerkenswert unüberrascht. Schon eher resigniert. Dann fiel ihr Blick durch seine Beine hindurch auf Truman. Für einen Moment nagelte ihr Blick seinen fest, und beide schienen einen Aufschrei zu unterdrücken. Ihr Gesicht war scharf geschnitten, ihre Haut totenblass unter dem Schmutz und ihre Augen waren die See an einem stürmischen Tag. Sie sah ihn unglaublich fest an, und sein Drang, ruhig liegen zu bleiben, wurde noch überzeugender. Bleib liegen!
Das Mädchen stand unsicher auf und sagte: "Lass uns von hier weg. Die nützen dir doch eh nichts."
Sie stieg wieder ein, ließ die Tür aber auf.
Die Beine des Killers standen einen Moment da, dann öffnete er die Fahrertür und stieg ein. Trumans Blick blieb an der Lache aus Erbrochenem im Staub hängen, aus der ein schmutzigweißer, leicht ins gelbliche tendierender Zigarettenstummel ragte. Bevor beide Türen zufielen und der Highwayman das Schlachtfeld verließ, nur eine Staubwolke mitnahm und den Frieden zurückließ, der einem Massaker folgt, meinte Truman einen Laut zu hören, der eindeutig nicht von dem Mädchen kam: ein untertänig zitterndes Flüstern, klein zusammengefaltet wie eine geheime Botschaft auf einem Zettel. Es klang wie "Ja.
Angst zeige ich dir in einer handvoll Staub
Das Ödland liegt vor einem, und wenn man zu lange auf den flirrenden Horizont blickt, überredet es einen, dass man niemals ankommen wird.
Eins…
Truman erinnerte sich, das mal gehört zu haben. In irgendeiner Bar in irgendeinem namenlosen Nest. Vor seiner Flucht.
Er zwang seine Augen nach unten. In den Staub.
Er hatte seit vielen Tagen niemanden mehr getroffen. Das mochte gut sein, wenn man auf der Flucht war. Aber es war verdammt schlecht, wenn man sich gerne unterhalten würde. Oder mit einer Frau schlafen.
Der Horizont konnte einen auch dazu überreden, dass es keinen Ort mehr gab, an dem man ankommen könnte.
Wenigstens war er sich sicher, dass er auf dem richtigen Weg war. Der Sippling von vor wer-weiß-wie-vielen Tagen hatte es ihm gesagt. Netter Kerl; so hilfsbereit. Wollte ihm unbedingt helfen, wie ein kleines Kind. Truman musste lächeln, als er daran dachte, wie er zwanzig Zentimeter zerkratzten Stahl in die Eingeweide gegen dessen Vorräte eingetauscht hatte.
Truman stellte das Lächeln schnell wieder ein. Die nie verheilte Narbe auf seiner Wange schmerzte beim Grinsen. Er tastete instinktiv und, scheiße, sie fing wieder an zu bluten. Er zog das Halstuch eines ehemaligen Bekannten unter seinem Gürtel hervor und drückte es auf die Wunde. Verdammte Scheiße, einmal lächelt man, und was hat man davon? Blut. Scheißleben.
Truman stand gerade auf einem dieser Hügel, die man auch Dünen nennen konnte, die verdammte Wange blutete immer noch, da sah er die Stadt am Horizont.
Harlan's Creek: Vor keine Ahnung wie langer Zeit auf den Trümmern und Geistern einer bedeutenden Metropole gebaut, deren Namen wohl nur noch irgendwelche Historiker kennen. Truman wusste nur eins: Erstens, Harlan's Creek war groß und gleichgültig genug, um darin nicht weiter aufzufallen, wenn man sich an die Regeln hielt.
Er ließ sich auf dem Hügel oder der Düne, was auch immer, zu Boden fallen. Pause.
Im Fallen bemerkte er die drei Reiter zwischen der Stadt und ihm. Sie preschten auf ihn zu. War das gut oder schlecht? Ausweichen war eh keine Option, dachte Truman, und wunderte sich, wo er "Option" aufgeschnappt hatte. Die Erinnerung an die Zeit vor San Vincent war nur noch ein Schatten auf einem Segeltuch.
Truman ging in den Schneidersitz und ließ seine zusammengebundenen Stiefel mit den durchgescheuerten Sohlen von der Schulter fallen. Das Messer presste sich relativ kühl an seinen Unterarm.
Dann wartete er.
Der Wind über dem Ödland war seltsam. Irgendwie allgegenwärtig, aber auch unnatürlich. Was Truman nicht wissen konnte, denn Truman kannte keinen anderen Wind als diesen. Aber für die, die den Wind noch kannten, wie er vor dem Vorfall war – es gab niemanden, auch wenn die Sipplinge, ein paar hirnverbrannte Junkies und diese Sektenspinner was anderes behaupteten, wenn man den Fehler machte, ihnen zuzuhören – für die wäre er unnatürlich. Wie ein Ventilator, in dem viele kleine Insekten verendet sind. So dass man genau weiß, dass der Luftzug drei Schritte weiter zur Seite nicht mehr da ist.
Truman mochte den Wind. Gerade jetzt, während er wartete. Wenigstens ein kleines verfluchtes Bisschen von irgendwas in dieser beschissenen Einöde. Das lernte man zu schätzen.
Ein Geräusch dröhnte an sein Ohr. Aus Windrichtung. Das gut geölte mechanische Sirren und Brummen eines – Fahrzeugs?! Er schaute nach rechts und da war tatsächlich, eine beeindruckende Staubwolke hinter sich herziehend, ein Auto. Ein seltener Anblick in diesen Tagen, von undefinierbarer staubbedeckter Farbe und mit ordentlich Power unter der Haube. Verflucht, auch der war direkt auf dem Weg zu ihm. Als hätte er eine dieser beschissenen Leuchtreklamen über dem Kopf, auf denen Blackjack und Nutten versprochen wurden. Die Pferde würden zuerst da sein. Wenn es vorher keinen Sinn gehabt hatte, sich zu verstecken oder sonstwie zu bewegen, hatte es jetzt noch weniger. Gut.
Truman, Schneidersitz, Tuch auf Wange gepresst, Messer umklammert, beruhigender Fatalismus im Gemüt, blickte abwechselnd seinen neuen Freunden entgegen.
…Zwei…
Die drei Reiter trugen lange, braune Staubmäntel und Hüte wie aus einem verdammten Western. Ihre Namen waren Jack, Woody und Al. Ihre Pferde waren alle zwischen gelb und braun und hatten keine Namen. Niemand gab einen Dreck auf Pferde.
Woody, ein schwarzer Kahlkopf, rief, zu niemandem im Besonderen, aber eigentlich zu Jack, weil Al eh nie antwortete: "Den Kerl schauen wir uns an! Du machst das Reden und wir den Rest!"
So war es am besten. Jack hörte sich gern schwafeln, Woody hatte gerade keine Lust und Al, wie schon gesagt, hatte im Grunde nie Lust.
"Aye!" Aus irgendeinem Grund schnippte sich Jack daraufhin den Hut in den Nacken und spuckte einen flatternden Klumpen in den Staub.
Al hatte verstanden und warf seinen Mantel zurück, so dass er hinter seinem Halfter hängen blieb. An seiner Hüfte baumelte eine alte, aber liebevoll gepflegte Laserpistole. Wenn er grinste, sah es aus, als würde er dabei einen Stein mit den Backenzähnen knacken. Und er grinste.
…Drei…
Das Mädchen auf dem Rücksitz blickte das Gesicht im Rückspiegel an. Nicht mehr heimlich, aber immer noch mit morbider Faszination. Er pfiff wieder vor sich hin. Selbst sein Pfeifen war dünn und zitternd. Er hatte anscheinend eine Melodie im Kopf, aber der praktische Teil war dann doch zu anspruchsvoll. Das Klopfen im Kofferraum hatte vor einiger Zeit aufgehört, was das Mädchen zuerst erleichternd fand. Jetzt fehlte es ihr. Weil das Motorgeräusch allein nicht mehr reichte, um dieses verwünschte Pfeifen davon abzuhalten, wie ein schmieriger, kleiner Parasit direkt in ihr Hirn zu kriechen.
"HÖR ENDLICH AUF!"
Er hielt kurz inne und blickte mit hochgezogenen Augenbrauen durch die winzigen Kreise seiner Sonnenbrille in den Rückspiegel. Nur – er hatte keine Augenbrauen.
"Hör auf. Bitte." Sie zwang sich, diese Augen, die größer schienen als die Brille, im Spiegel anzusehen und flehte fast. Im Spiegel und mit der Sonnenbrille war es nicht ganz so schlimm. Sie wollte sich nur übergeben.
Seine Stirnfalten glätteten sich nicht, sie änderten nur ihre Anordnung, als wenn sich kleine Aale unter seiner Haut bewegen würden. Er verlagerte seinen Blick wieder auf das Ödland und pfiff seine Unmelodie.
…Vier…
"Bienvenido, compadre. Darf man fragen, was einen Wanderer dazu bringt, so mutterseelenallein mitten in der guten alten Dystonia auf einer Düne zu sitzen?" Jack konnte kein spanisch. Was ihn nicht davon abhielt, es zu benutzen.
Truman antwortete nicht sofort. Erst beäugte er die drei Typen und die Waffen, die die beiden hinteren wenig subtil präsentierten.
Kritisch, aber verhandelbar.
"Pause. Hab 'nen langen Weg hinter mir und bin ja bald da." Er nickte zur legendären Stadtmauer aus Schrott hinüber.
"Aye. Wenn du die Richtung gehalten hast, hast du in der Tat einen langen Weg hinter dir, compadre. Wie ist dein Name, sagtest du?"
"Truman. Und deiner?"
"Kannst mich Jack nennen. Gehört der Highwayman da hinten zu dir, Truman?"
"Dann wäre ich wohl kaum gelaufen. Was treibt dich und deine Freunde raus in die… Dystonia?"
"Verletzt, Truman?" Jack zeigte mit der Geste eines drittklassigen Casino-Schnulzensängers auf das Tuch an Trumans Wange.
"Nichts ernstes, keine Sorge."
"Dann ist ja gut, Truman. Dachten schon, du würdest uns hier im Schneidersitz wegbluten. Was will die Kiste denn dann hier, irgendeine Ahnung, Truman?"
"Ist mir genauso unerklärlich wie euer Auftrag hier, Kumpel. Ich sitz hier nur rum. Und genieß die Landschaft."
Jack kniff die Augen zusammen und ließ sie schweifen. "Ja, Truman, da fliegen einem die Inspirationen nur so zu, eh."
"Deswegen sind wir auch hier." Woody schaltete sich ein. Und schickte dem begnadeten Beitrag noch ein Schnauben hinterher, das an ein Schwein erinnerte, das rumliegende Fäkalien mal genau unter die Lupe nahm.
"Du vielleicht, Nigger." Manche Worte sind eben zeitlos. Jack war ein wenig ungehalten. "Also, Truman, können wir dir weiterhelfen? Wohin soll's denn gehen im schönen Creek?"
"Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Erstmal das übliche, schätz ich. Essen, baden, ficken, schlafen."
"Ha! Erstmal?"
"Jo. Und dann weitersehen. Vielleicht das Ganze nochmal, nur ohne das baden… und essen." Jack grinste. Truman nicht.
"Wo kommst du her, dass du das da nicht konntest, Truman?"
"Aus 'nem Kaff im Süden." Langsam fing der Typ an zu nerven. Und seine Lakaien schienen eh nur auf Ärger aus zu sein. Noch brav sein, bis die Kavallerie im Highwayman anrückt und die Karten neu mischt.
"Truman, mi compadre, du hast verdammtes Glück, dass du auf uns getroffen bist."
"Ich weiß. Warum doch gleich?"
"Weil einsame Wanderer leichte Beute sind. Und wir dich leben lassen, wenn du deine Taschen leer machst." Eine Lüge, und der erste Fehler, in einer langen Reihe von Fehlern.
"Glückwunsch, endlich. Man weiß ja nie, wer in der Karre sitzt, eh?"
"Stimmt genau, Truman. Also, Woody hier kommt jetzt vorbei und macht deine Taschen leer, und in einer Minute sind wir hier weg, entendido?"
"Was?"
"Keine Ahnung. Trotzdem. Woody!"
Woodys Gaul trabte direkt neben Truman. Zweiter Fehler.
Woody zog ein Messer aus dem Stiefel und stieg ab. Dritter und vierter Fehler.
"Dass du stillhalten musst, muss ich dir nicht sagen, oder, Truman?" Dieses dauernde Truman nervte. Fünfter Fehler.
"Klar."
Woody zog Truman an der Schulter hoch. Sechster Fehler.
Truman wand sich mit einer blitzartigen Drehung aus dem Griff, ließ das Tuch zu Boden fallen – scheiß auf die Narbe -, zog Woodys Arm nach hinten und war hinter ihm, als Al gerade die Waffe gezogen hatte. Ab da wurde es unangenehm für Woody. Truman setzt ihm das Messer an die Kehle und zugleich jagte ihm Al einen Schuss ins rechte Bein. Woodys Hut und Messer fielen zu Boden, sein Bein zuckte kurz gegen Trumans, der davon nichts merkte, und Woody heulte wie eine hungriger Kojote. Es roch nach verbranntem Fleisch. Jack schrie irgendwas, das wohl "Scheiße!" bedeuten sollte, aber eher wie "Schß!" klang.
Klar, musste schnell gehen.
Truman schleifte den immer wieder jaulenden Woody hinter sein Pferd.
"Du •••••••••! Wir machen dich fertig!" Das war Jack.
"Mein Bein, verdammt!" Woody.
"Beruhigt euch, Jungs. Euer schwarzer Freund hier hat ziemlich üble Schmerzen, wisst ihr." Truman; die Situation ein bisschen unter Kontrolle.
Die Pferde trippelten herum. Dummerweise auch das zwischen Truman und den beiden Pennern. Truman folgte und zog den wimmernden Glatzkopf erbarmungslos mit sich. Jack beruhigte sich nicht.
Stattdessen: "Du kleiner •••••••! Wir machen dich fertig und lassen dich hier liegen! Und in ein paar Jahren bist du auch nur ein bisschen mehr Staub! Hast du das verstanden, du •••••••?"
"Dass Leute wie du immer so viel reden müssen, wenn ihnen die Situation über den Kopf wächst. Und so sinnloses Zeug. Wo ihr das nur immer aufschnappt. Rate deinem Niggerfreund doch lieber, nach seiner Waffe zu greifen, Superhirn."
Trumans Stimme war ruhig, aber er konnte nicht aufhören, den Typen niederzumachen. Unklug.
Apropos unklug. Woody versuchte tatsächlich, an seine Hüfte zu greifen. Truman, der immer noch Woodys linken Arm im Griff hatte, ließ das Messer einmal zucken und Blut von Woodys auseinanderklaffender Hand verdunkelte den Staub unter den beiden. Woody schrie. Natürlich.
Das Pferd trippelte noch etwas. Truman klebte an seiner Flanke. Wie ein Tanz; ein Tanz mit einem Verwundeten und einem Pferd.
…Fünf…
Der Highwayman. Er rollte langsam aus, etwa zehn Meter von der seltsamen Gruppe entfernt. Er blieb stehen. Durch die dunklen Scheiben war nichts zu sehen. Für einen Moment hielten Ödland, Getier und Menschen den Atem an.
Nichts.
Jacks Aufmerksamkeit schwankte zwischen Mann hinter Mann und Pferd und X-Faktor in Auto hin und her. Al war tödlich auf erstere Gruppe fixiert. Er grinste und fasste einen Entschluss. War jedenfalls anzunehmen. Jedenfalls jagte er ein paar Salven volle Sau in das Pferd, das in unterschiedlich große Stücke zerlegt wurde. Truman und Woody kriegten eine Menge davon ab. Jack schien einigermaßen überrascht. Truman ebenfalls. Seine Deckung war rapide geschrumpft. Al hielt nur einen Augenblick inne, um die Zerstörung in sich aufzunehmen und legte dann auf den wimmernden Woody an.
Woodys erstarrte.
Truman konnte es auch nicht fassen. Das Glitzern in Als Augen war ein auf sie zurauschender Feuerball.
Ein lauter, dumpfer Knall. Nein, zwei. Drei.
Woody wurde von irgendetwas erfasst. Einer Lokomotive vielleicht. Er wirbelte aus Trumans Griff und schräg hinter ihn, wo er wie ein Sack Tabak landete. Jetzt schrie er nicht mehr.
Truman fiel und landete mit der Wunde im Staub.
Höllische Schmerzen. Blut in seinem linken Auge.
Hoch! Nicht liegen bleiben! Bewegen! Zu Woody! Tapferer Woody, immer noch Deckung.
Dachte er sich. Aber nichts da. Benommenheit und Schmerzen. Er knickte sofort ein und blieb liegen. Fragmente in den Augenwinkeln: Zwei nervös trippelnde Pferde; zu deren Füßen zwei sich surreal langsam legende Staubwolken. In der Windschutzscheibe des Highwayman drei Löcher, die Truman an eine Bowlingkugel erinnerten. Aus den Löchern stieg Rauch auf. Was zum Teufel...
Die Fahrertür des Highwayman öffnete sich. Truman hielt es aus irgendeinem Grund für angeraten, wie tot im Staub liegen zu bleiben, die Zähne zusammenzubeißen und die Welt durch einen winzigen, rot verschleierten Ausschnitt zu beobachten. Das Messer lag immer noch in seiner Hand.
…Sechs.
Ein linker Fuß in einem ausgedienten hellbraunen Lederschuh pflanzte sich in den Staub. Der Schuh war auffallend klein und wurde zudem größtenteils von einer weiten schwarzen Stoffhose bedeckt. Ihm folgte, seltsam nachgezogen, ein dunkler Stiefel, eindeutig größer, unter einem identischen Hosenbein. Die Tür wurde beinah sanft geschlossen.
Die beiden ungleichen Schuhe und die Hose hinkten schwerfällig zu den Pferden und aus Trumans Blickwinkel. Verflucht! Liegenbleiben. Nicht bewegen.
Das Hinken des Typen war so nah am Boden gut hörbar, und Truman schätzte, dass er ziemlich genau bei Jacks Leiche stehen blieb. Er ging einfach mal davon aus, dass Jack krepiert war. Andernfalls hätte der Bastard sicher nicht so lange die Fresse gehalten.
Der Geruch, der in der Luft lag, war der jedes frischen Schlachtfeldes. Truman lag zwar mittendrin in all dem, aber er kam damit klar. Auch wenn er extrem angewidert sein würde, wenn er nicht so beschäftigt damit wäre, Schmerzen, Benommenheit und Verwirrung zu fühlen.
Der Killer humpelte jetzt in seine Richtung.
Das Klicken einer Tür. Die hintere Tür des Highwayman ging auf.
Gerade als das schlanke, barfüßige Mädchen aus dem Auto stolperte und sich auf die Knie fallen ließ, um sich zu übergeben, waren die zwei ungleichen Schuhe bei ihr. Schneller Krüppel. Sie blieben stehen, und durch die Beine hindurch konnte Truman dem Mädchen beim Kotzen zuschauen.
Sie war vielleicht 15, 16 Jahre alt, mit wirren schwarzen Haaren, sogar dünn, als hätte sie in letzter Zeit wenig zu essen gehabt, ungewaschen und zitternd. Ihre Kleidung bestand aus dem typischen Kleid, dass irgendwelche militanten Ackerbauern im Süden ihren noch unverheirateten Töchtern verpassen würden. Nur war dieses hier von Rissen übersät, als hätte sich irgendeine archaische Raubkatze darüber hergemacht. Truman fand, wenn man ignorieren konnte, dass sie verdreckt und unterernährt war und ihre Zuckungen vom Erbrechen herrührten, war das ein durchaus schöner Anblick.
Der kümmerliche Rest einer Zigarette flog in den Tümpel aus Auswurf. Das Mädchen blickte auf und bemerkte den Killer mit den unterschiedlichen Schuhen. Sie war bemerkenswert unüberrascht. Schon eher resigniert. Dann fiel ihr Blick durch seine Beine hindurch auf Truman. Für einen Moment nagelte ihr Blick seinen fest, und beide schienen einen Aufschrei zu unterdrücken. Ihr Gesicht war scharf geschnitten, ihre Haut totenblass unter dem Schmutz und ihre Augen waren die See an einem stürmischen Tag. Sie sah ihn unglaublich fest an, und sein Drang, ruhig liegen zu bleiben, wurde noch überzeugender. Bleib liegen!
Das Mädchen stand unsicher auf und sagte: "Lass uns von hier weg. Die nützen dir doch eh nichts."
Sie stieg wieder ein, ließ die Tür aber auf.
Die Beine des Killers standen einen Moment da, dann öffnete er die Fahrertür und stieg ein. Trumans Blick blieb an der Lache aus Erbrochenem im Staub hängen, aus der ein schmutzigweißer, leicht ins gelbliche tendierender Zigarettenstummel ragte. Bevor beide Türen zufielen und der Highwayman das Schlachtfeld verließ, nur eine Staubwolke mitnahm und den Frieden zurückließ, der einem Massaker folgt, meinte Truman einen Laut zu hören, der eindeutig nicht von dem Mädchen kam: ein untertänig zitterndes Flüstern, klein zusammengefaltet wie eine geheime Botschaft auf einem Zettel. Es klang wie "Ja.