deserted-monkey
10.08.2007, 14:49
Gomez
Dunkle Wolken jagten sich am Himmelszelt, die Strassen waren gehüllt in ein waberndes, finsteres Grau und kein Mensch war mehr draussen. Es war kalt. Heulend strich der Wind um die trostlosen Gebäude, die so grau waren wie die Strassen, und liess da und dort einen Fensterladen klappern oder eine Zeitung raschelnd in einem offenen Gulli verschwinden. Schiefe Strassenlampen säumten die von Schlaglöchern übersähte Strasse und man hätte meinen können, die längst erloschenen Lampen hätten zurück ins Leben gefunden und würden versuchen, wie alte, tote Arme nach einem zu greiffen. Gomez schritt ruhig dahin. Er war erst 14, viel zu jung, um noch allein draussen zu sein. Aber es war ja auch niemand mehr da, mit dem er hätte gehen können.
Weit vorne flackerte eine letzte Strassenlampe, wie ein zuckendes, sich windendes Tier, dass sich mit aller Kraft an sein erlöschendes Leben klammert. Gomez ruhiger Blick betrachtete es mit einem fiebrig glänzenden Auge und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Das andere Auge war abgestorben, verkrustet, tot. Bald würde auch das noch gesunde sterben, so wie das letzte Licht vor ihm in der Dunkelheit.
Schatten bewegten sich an den rissigen Wänden, huschten und zuckten umher. Gomez wusste nicht, was dort im Dunkeln auf ihn lauerte, aber Angst hatte er keine, schon lange nicht mehr. Fest hielt er die alte Beretta umklammert, obwohl er wusste, dass sie gegen diese Kreaturen nichts ausrichten konnte. Waffen waren nutzlos geworden. So wie alles andere auf der Welt auch. Nicht einmal der Überlebenswille war noch da, nur in Gomez Herz flackerte ein allerletzter Funke davon. Doch wie lange würde es noch dauern, bis auch er erlischt?
Plötzlich raschelte und klirrte etwas neben ihm. Als entstamme es einer anderen Welt, ja, gar einem anderen Universum oder einer anderen Dimension, drangen die Geräusche an sein verfaultes Ohr, das immer noch erstaunlich gut hören konnte. Eine verbogene Mülltonne lag am Strassenrand, Asseln und Schaben krabbelten aus ihr hervor und eine dünne, tastende Hand. Faules und aufgeplatztes Fleisch klebte an ihr, wie eine modrige Hülle, die es abzustossen gilt. Gomez blieb verwundert stehen und wartete. Immer mehr kam aus der kalt glänzenden Tonne, erst ein Arm, dessen weisse Knochen durch die pergamentartige Haut schimmerten, dann eine Schulter und schliesslich ein ganzer Mensch. Ein ganzer, verfaulter, toter Mensch. Gomez hob die Beretta, umfasste sie hart mit beiden Händen und hielt sie vor sich, wie einen Schild, um ihn vor dem Untergang zu beschützen. Seine Fingerspitzen zitterten.
"Hast du nie gelernt, Menschen zu lieben?", fragte die kratzende Stimme des Toten aus der Tonne. Gomez blinzelte mit seinem einzigen Auge in den sauren Regen, der nun aus den sich auftürmenden Wolkenbildern brach.
"Meine Mutter. Ich liebe meine Mutter.", flüsterte Gomez, so leise, dass es kein Ohr der Welt hätte hören können. Doch auch sie war schon so lange tot, wie das Ding aus der Mülltonne, dessen entstelltes Gesicht ihn lauernd ansah. Gomez ziehlte auf dessen Stirn, wo schon der brüchige Schädelknochen hindurchzuschimmern begann. Würde die letzte, verbleibende Kugel ihn zerreissen und das Ding für immer zum Schweigen bringen? Es war ihm egal. Die Kälte schlich sich enger um ihn, wie ein hungriges Raubtier, das seine Beute in die Falle treibt. Der Regen fiel hernieder von dem schwarzen Himmelstor, liess die Haut aufplatzen, wo die Tropfen ihn berührten. Der Schmerz war das Einzige, was ihn an das Leben erinnern konnte.
"Sie liegt im verfaulenden Fleisch der Ewigkeit. Sie wird nie wieder bei dir sein und dir Geschichten erzählen.", sprach das Ding und seine Augen strahlten eine unmenschliche Freude aus. Langsam kroch der Verwesende auf Gomez zu, der immer noch dastand, die Beretta in beiden Händen. Ganz plötzlich brach eine Träne aus Gomez Auge und dort, wo sie seine Haut berührte, zischte das Fleisch, als würde kochendheisses Wasser darüber gegossen.
"Diese unheilbare Krankheit namens Mensch ist über sie hergefallen, so wie über alles andere auch. Möge die Dunkelheit kommen und unsere Zukunft und Vergangenheit verlöschen."
Starr hielt Gomez die Waffe weiter auf das näherkriechende Ungeheuer gerichtet. Er würde abdrücken. Jetzt. Sein Finger legte sich enger um den Abzug der Waffe, deren Lauf er nicht mehr gerade halten konnte.
Ein einsamer Schuss knallte laut durch die Strassen, von denen der Tod Besitz ergriffen hatte. Kurz darauf flackerte die Strassenlampe zum letzten Mal, und als die Dunkelheit die tote Welt um ihn endgültig einnahm, erkannte Gomez bitter, dass er nicht besser war, als all die anderen Menschen. Auch er war nur einer von ihnen gewesen.
ps.: Falls ich Lust dazu habe, werde ich daran noch weiterschreiben, denn Gomez Geschichte ist noch nicht zu Ende. Wahrscheinlich.
Vielleicht, aber nur vielleicht, wird er versuchen, die alte Welt zu retten oder eine neue, bessere Welt zu erschaffen, oder... er stirbt.
Dunkle Wolken jagten sich am Himmelszelt, die Strassen waren gehüllt in ein waberndes, finsteres Grau und kein Mensch war mehr draussen. Es war kalt. Heulend strich der Wind um die trostlosen Gebäude, die so grau waren wie die Strassen, und liess da und dort einen Fensterladen klappern oder eine Zeitung raschelnd in einem offenen Gulli verschwinden. Schiefe Strassenlampen säumten die von Schlaglöchern übersähte Strasse und man hätte meinen können, die längst erloschenen Lampen hätten zurück ins Leben gefunden und würden versuchen, wie alte, tote Arme nach einem zu greiffen. Gomez schritt ruhig dahin. Er war erst 14, viel zu jung, um noch allein draussen zu sein. Aber es war ja auch niemand mehr da, mit dem er hätte gehen können.
Weit vorne flackerte eine letzte Strassenlampe, wie ein zuckendes, sich windendes Tier, dass sich mit aller Kraft an sein erlöschendes Leben klammert. Gomez ruhiger Blick betrachtete es mit einem fiebrig glänzenden Auge und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Das andere Auge war abgestorben, verkrustet, tot. Bald würde auch das noch gesunde sterben, so wie das letzte Licht vor ihm in der Dunkelheit.
Schatten bewegten sich an den rissigen Wänden, huschten und zuckten umher. Gomez wusste nicht, was dort im Dunkeln auf ihn lauerte, aber Angst hatte er keine, schon lange nicht mehr. Fest hielt er die alte Beretta umklammert, obwohl er wusste, dass sie gegen diese Kreaturen nichts ausrichten konnte. Waffen waren nutzlos geworden. So wie alles andere auf der Welt auch. Nicht einmal der Überlebenswille war noch da, nur in Gomez Herz flackerte ein allerletzter Funke davon. Doch wie lange würde es noch dauern, bis auch er erlischt?
Plötzlich raschelte und klirrte etwas neben ihm. Als entstamme es einer anderen Welt, ja, gar einem anderen Universum oder einer anderen Dimension, drangen die Geräusche an sein verfaultes Ohr, das immer noch erstaunlich gut hören konnte. Eine verbogene Mülltonne lag am Strassenrand, Asseln und Schaben krabbelten aus ihr hervor und eine dünne, tastende Hand. Faules und aufgeplatztes Fleisch klebte an ihr, wie eine modrige Hülle, die es abzustossen gilt. Gomez blieb verwundert stehen und wartete. Immer mehr kam aus der kalt glänzenden Tonne, erst ein Arm, dessen weisse Knochen durch die pergamentartige Haut schimmerten, dann eine Schulter und schliesslich ein ganzer Mensch. Ein ganzer, verfaulter, toter Mensch. Gomez hob die Beretta, umfasste sie hart mit beiden Händen und hielt sie vor sich, wie einen Schild, um ihn vor dem Untergang zu beschützen. Seine Fingerspitzen zitterten.
"Hast du nie gelernt, Menschen zu lieben?", fragte die kratzende Stimme des Toten aus der Tonne. Gomez blinzelte mit seinem einzigen Auge in den sauren Regen, der nun aus den sich auftürmenden Wolkenbildern brach.
"Meine Mutter. Ich liebe meine Mutter.", flüsterte Gomez, so leise, dass es kein Ohr der Welt hätte hören können. Doch auch sie war schon so lange tot, wie das Ding aus der Mülltonne, dessen entstelltes Gesicht ihn lauernd ansah. Gomez ziehlte auf dessen Stirn, wo schon der brüchige Schädelknochen hindurchzuschimmern begann. Würde die letzte, verbleibende Kugel ihn zerreissen und das Ding für immer zum Schweigen bringen? Es war ihm egal. Die Kälte schlich sich enger um ihn, wie ein hungriges Raubtier, das seine Beute in die Falle treibt. Der Regen fiel hernieder von dem schwarzen Himmelstor, liess die Haut aufplatzen, wo die Tropfen ihn berührten. Der Schmerz war das Einzige, was ihn an das Leben erinnern konnte.
"Sie liegt im verfaulenden Fleisch der Ewigkeit. Sie wird nie wieder bei dir sein und dir Geschichten erzählen.", sprach das Ding und seine Augen strahlten eine unmenschliche Freude aus. Langsam kroch der Verwesende auf Gomez zu, der immer noch dastand, die Beretta in beiden Händen. Ganz plötzlich brach eine Träne aus Gomez Auge und dort, wo sie seine Haut berührte, zischte das Fleisch, als würde kochendheisses Wasser darüber gegossen.
"Diese unheilbare Krankheit namens Mensch ist über sie hergefallen, so wie über alles andere auch. Möge die Dunkelheit kommen und unsere Zukunft und Vergangenheit verlöschen."
Starr hielt Gomez die Waffe weiter auf das näherkriechende Ungeheuer gerichtet. Er würde abdrücken. Jetzt. Sein Finger legte sich enger um den Abzug der Waffe, deren Lauf er nicht mehr gerade halten konnte.
Ein einsamer Schuss knallte laut durch die Strassen, von denen der Tod Besitz ergriffen hatte. Kurz darauf flackerte die Strassenlampe zum letzten Mal, und als die Dunkelheit die tote Welt um ihn endgültig einnahm, erkannte Gomez bitter, dass er nicht besser war, als all die anderen Menschen. Auch er war nur einer von ihnen gewesen.
ps.: Falls ich Lust dazu habe, werde ich daran noch weiterschreiben, denn Gomez Geschichte ist noch nicht zu Ende. Wahrscheinlich.
Vielleicht, aber nur vielleicht, wird er versuchen, die alte Welt zu retten oder eine neue, bessere Welt zu erschaffen, oder... er stirbt.