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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ein ganz besonderer Zoo



Dreammaster
31.07.2007, 20:34
Eine Satire zum Bürgerservice unserer Stadt. Ist schon etwas älter, dafür aber von wem anderen Korrektur gelesen. Kritik ist wie immer ausdrücklich erwünscht. Mir ist der Montag-Freitag-Fehler bewusst, beide boten sich jedoch geradezu an.
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Montags, halb zehn in Deutschland. Die Tageszeit, an der Mann und Frau allerlei Getier auf der Straße treffen soll. Aber was man dort so alles treffen kann, ist noch gar nichts zum Vergleich zu dem, was man auch andernorts finden kann. Der Mensch braucht nur seine Augen offen zu halten und schon ist es möglich, sich besten Falls in einem Irrenhaus wieder zu finden, im schlimmsten Falle jedoch in einem Zoo der besonderen Art. An der Stelle nichts gegen die sogenannten Irren, aber diese sind nun wirklich nichts im Vergleich zu den „Normalen“.
Wir kennen das ja sicherlich alle. Die Hausfrau oder der selten anzutreffende Hausmann sitzen gemütlich im trauten Heim, denken sich nichts Böses und dann kommt die Post ins Haus. Man sieht durch, die üblichen Rechnungen, Mahnungen und Drohbriefe und wenn man besonders viel Pech hat, liegt noch ein Brief der Stadtverwaltung mit drin.
„Sehr geehrte/r Herr/Frau Ypsilon, hiermit möchten wir Ihnen mitteilen, dass ihr Personalausweis/ Reisepass angekommen ist… „
Den Rest kennt man ja, schließlich besitzt jeder volljährige Einwohner einen solchen Ausweis und kennt diese netten Briefe.
Da die Kinder noch in der Schule sind und das Hackfleisch noch antaut, will sich der private Hausverwalter Ypsilon die Zeit nehmen, um seinen Ehepartner den Ausweis abzuholen. Nur Pech, wenn der Partner nicht da ist, um die Vollmacht zu unterzeichnen, geschweige denn der alte Personalausweis vorhanden ist. Es stört Ypsilon nicht, den Stress dürfen ruhig die anderen haben.
Also nichts wie flott und munter beim Bürgerservice antanzen.

Wenige Minuten später ist man natürlich dort. Man fragt höflichst an, wo man die Personalausweise abholen darf.
„Ihren Ausweis können Sie hier abholen. Wie heißen Sie denn? Haben Sie Ihren alten Ausweis dabei?“, fragt eine holde, engelsgleiche Stimme.
Natürlich fühlt man sich von solch Bösartigkeit gleich unsanft angemacht, also schreit man erst einmal den gesamten Rathauskomplex zusammen, wie man es nur wagen könne, so grob zu sein. Dabei hat der Tag doch gerade erst angefangen. Aber man ist ja nicht so, also lässt man sich wieder beschwichtigen. Natürlich kommt auch gleich der nächste Hieb unter die Gürtellinie.
„Tut mir Leid, Herr Ypsilon, aber um den Ausweis Ihrer Frau abholen zu können, benötigen wir eine Vollmacht, den alten Personalausweis Ihrer Frau und Ihren.“, ertönt die sanfte Stimme der Beamtin.
Das lässt man(n) sich natürlich nicht bieten, also unterbreitet man(n) schlagkräftige Argumente, bevor man des Hauses verwiesen wird.

Aber bleiben wir doch noch ein Weilchen und leisten der bösartigen Stadtverwaltung unsere Aufwartung, indem wir stumm dabei sitzen. Die dämonische Beamtin leckt ihre Wunden und der Alltag nimmt weiterhin seinen Lauf.
Das Telefon klingelt und ein anderer Beamter nimmt ab.
„Bergerservice Stadt X, guten Tag. Wie kann ich Ihnen helfen?“
„HÖR’N SIE MAL! WIR BRAUCHEN DIE NEUE ADRESSE EINES GEWISSEN…“
Der Name ist leider unter dem Gebrüll nicht sehr gut zu verstehen. Das schreckt natürlich den Beamten nicht ab, der knapp dem Hörsturz entgeht.
„Tut mir leid, die Person ist nach unbekannt verzogen.“
Die Antwort ist noch infernalischer, genauer gesagt, wäre sie noch etwas lauter, könnte das gesamte Rathaus diese Antwort hören.
„WIE KÖNNEN SIE’S WAGEN? WIR SIND HIER DIE BESTEN STEUERZAH…“
Die Antwort des Beamten ist ein simples Auflegen des Hörers.
Ruhe und Frieden? Natürlich nicht, denn der Steuerzahler lässt so was doch nicht auf sich sitzen, ruft erneut an und gröhlt erst mal die komplette Verwaltung an, von wegen Inkompetenz und so was eben. Eine sehr sympathische Figur da am anderen Ende der Leitung, wahrhaftig.

Der Rest des Tages verläuft weiterhin planlos. Man muss für die polizeiliche Behörde Passbilder sammeln, nur um festzustellen, dass diese entweder verschlampt, von den Praktikanten falsch einsortiert wurden oder ganz simpel noch am Schreibtisch eines Kollegen liegen. Kann immer mal vorkommen, kostet ja nur den Kopf.
Zwischendurch kommt auch Frau Ypsilon zur Stadtverwaltung und teilt der Beamtin ihre schlagkräftigen Argumente mit. Nach einer Geiselnahme, diversen Drohungen und dem Einschalten der Polizei hält die Frau auch endlich ihren Personalausweis in Händen. Leider fällt der Frau erst jetzt auf, dass ihre Frisur nicht zum Ausweis passt, also beantragt sie den Nächsten. Jede Aufforderung dies zu unterlassen, scheitert kläglich. Immerhin ist sie hier eine treudoofe Bürgerin der Stadt, sie hat mehr Rechte, als sämtliche Rathäuser im gesamten Bundesland!

Wieder die übliche Planlosigkeit. Man füllt Suchanfragen und diverses aus, sortiert neue Personalausweise ein, ebenso Reisepässe, teilt welche auf, verschickt die bösen „Ihr Ausweis ist da“- Briefe und dergleichen. Außerdem, wenn man ganz genau hinhört, kann man das verzweifelte Rascheln der Papiere hören. Schließlich hat ein Beamter gerade mit den Fundsachen zu kämpfen. Entweder, es fehlt der Zettel zur jeweiligen Fundsache oder die Fundsache wurde „verloren“. Keine schöne Sache, besonders dann, wenn man leichte Ansätze eines Fahrrades unter den Pullovern diverser Beamten erspähen kann.

Nun neigt sich der Arbeitstag aber auch endlich dem langersehnten Ende zu. Das Kollegium räumt die Plätze auf, Kaffeetassen werden rasch gesäubert und die letzten Einwohner senden ihre Morddrohungen, aufgrund akuter Inkompetenz. Doch als ob dies nicht genug wäre, folgt auch schon gleich der nächste Schlag in Form eines Telefonklingelns. Nach kurzem Überlegen nimmt ein Kollege den Hörer ab, leiert denselben monotonen Satz wie immer ab und da kommt es.
Der Mensch am anderen Ende der Leitung verfügt nicht über die Geistesgegenwart, dass man Handys im Flugzeug nicht benutzen soll. Natürlich sitzt diese Person in einem Flieger, der in Australien gerade eben erst abgehoben hat, aber da dies doch so wichtig ist, fragt man natürlich, ob der Bürgerservice nicht so lange warten könne. Dieses Gespräch nimmt etwa ein zehntel des Feierabends ein, Beamten haben ja keine Freizeit, bis der Beamte überzeugt wurde, noch ein paar Stunden für eine unbekannte Tätigkeit zu warten. Doch anstatt zu warten, geht nun auch schließlich der letzte Beamte in Richtung Heimat. Dummerweise hat dieser nur eines vergessen: Mich! Man hat es doch tatsächlich geschafft mich hier zu vergessen. Großartig! Sorgen muss ich mir aber keine machen, es ist Freitag. Frühestens am Montag komme ich hier raus, bis dahin kann ich mich von alten Akten ernähren. Also keine Sorge, wenn Sie einen schrillen Hilferuf hören, wehrte Leser. Einen schönen Tag noch und genießen Sie Ihren nächsten Besuch bei der Stadtverwaltung. Wenn nicht…

NeoInferno
05.08.2007, 18:55
Es bleibt hier bei dem Versuch, lustig zu sein, da du zu sehr auf Stereotypen setzt und der Humor generell viel zu flach und abgegriffen wirkt.

Außerdem entspricht der Spannungsbogen des Textes einer Warteschlange in einem solchen Bürgerservice - viel zu lang und alles andere als aufregend.
Es gibt keine wirkliche Klimax und das Plätschern der Story ist irgendwie einschläfernd.

Zu deiner Verteidigung kann ich sagen, dass es hier sehr sehr wenige wirklich lustige Texte gibt, weil das Schreiben in dem Genre wohl schwierig zu sein scheint.

Liferipper
06.08.2007, 09:34
Das lässt man(n) sich natürlich nicht bieten, also unterbreitet man(n) schlagkräftige Argumente, bevor man des Hauses verwiesen wird.

Bis hierhin dachte ich noch, es könnte eventuell halbwegs witzig werden, wenn wir mehr über Herr Ys Kampf gegen die Mühlen der Bürokratie hören. Danch war es einfach nur noch langweilig.

La Cipolla
09.08.2007, 07:36
Also hier ist der Witz erstmal wesentlich besser als in der ersten Geschichte (die ich aus fehlender Spannung und erzwungenem Humor heraus abgebrochen habe), vor allem im zweiten Teil konnte ich hier und da ordentlich schmunzeln.
Das Ende hätte man jedoch komplett weglassen können, die pure Beschreibung ohne Einordnung des Sichtpunktes reicht völlig aus. Vor allem dieser möchtegernkryptische letzte Satz veranlasst den Leser höchstens dazu, eine Augenbraue in die Höhe zu ziehen.

Schreib am besten weiter, ich denke mal, den Humor kannst du auf jeden Fall noch toppen, die Gestelltheit kommt ja eigentich auch mit der Zeit heraus.

Und schöner Titel. :)


Achja. Liferipper würde ich in sofern Recht geben, dass es für den Lesefluss vorteilhaft ist, die Sache an einem Punkt zu fixieren, bspw. Herr Y, oder aber dem Erzähler. Der Wechsel ist dann immer mit einem minimalen Teil Verwirrung verbunden. Oder was heißt Verwirrung, man hat eher so das Gefühl, etwas völlig belangloses zu lesen, wenn mal hier, mal hier von erzählt wird.