Dreammaster
31.07.2007, 18:21
Eine Wichtelgeschichte, die ich vor einigen Monaten mal wichteln durfte.
Inhalt: Der schlechte Lisa Plenske-Verschnitt Simone will einen Freund, aber keiner will sie. Zumindest bis sie an ein seltsames Buch kommt.
Geschichte ist arg unlogisch und nur eine Aneinanderkettung von Ereignissen. Leider habe nur ich Korrektur gelesen, sollten noch Fehler da sein, her damit.
Konstruktive Kritik ist AUSDRÜCKLICH erwünscht.
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April, ein ganz ungewöhnlicher Monat an einem ganz gewöhnlichen Tag.
Das Wetter war schon seit längerem extrem wechselhaft. Noch schien die Sonne,
aber bereits nach fünf Minuten fing es an zu hageln, das obwohl der
Wetterbericht extra schönes Wetter angesagt hatte.
Simone ging dieser Wetterumschwung jedoch förmlich am Allerwertesten vorbei,
sie war ohnehin Stubenhockerin und war gerade dabei eine aus dem Internet
ausgedruckte Geschichte zu lesen.
Zugegeben, die Geschichte war nicht sonderlich toll geschrieben, aber in dieser
kamen unglaublich erotische, geil aussehende Vampire vor, die man einfach
ansabbern musste!
In dieser Geschichte ging es um eine junge Priesterin aus Prag, die von einem
schwulen Vampir gebissen wurde und selber ihr Dasein als Vampir fristen musste,
bis sie dank eines intimen Verhältnisses mit einem Werwolf selber zur
Werwölfin wurde.
Simone konnte einfach nicht verstehen, wie die Autorin dieser doch sehr
prickelnden Geschichte nur Beleidigungen erhalten konnte.
Aber das war nicht Simones Problem, viel lieber hätte sie sich einen tollen
Typen geangelt.
Simone mochte zwar achtzehn sein, gleichzeitig war sie auch nur 1,60 m groß.
Nicht zu vergessen, sie durfte noch immer eine Zahnspange tragen und ihr
unbändiges, braunes Haar entpuppte sich auch immer wieder als Last.
Kein Wunder, dass man sie entweder für eine Minderjährige oder frühreifes
Gör hielt.
Es musste toll sein, sich zu verlieben, Schmetterlinge im Bauch, schlaflose
Nächte und ständiges Schwärmen für den Angebeteten, während man sich
gegenseitig mit Sahnetorten bewarf.
Liebe, ein Zustand, den Simone wohl niemals erfahren durfte.
Ihre Busenfreundin Theresa meinte jedoch, eine Lösung für besagtes Problem zu
haben, trotzdem wäre ein Date mit Tessas Bruder die allerletzte Notlösung
gewesen. Er war zwar nett und irgendwie auch ganz niedlich, allerdings auch
blind.
Nichts gegen ihn, aber Simone war doch kein Blindenhund. Schon gar nicht ein
Tier. Gut, aber das hätte quasi auf der Hand liegen müssen, was viele
Mitmenschen aber dennoch übersahen. Warum auch immer.
In der Zwischenzeit hatte sich das Wetter aufgeklärt und Simones Mutter trat in
das Zimmer. Das Gespräch zwischen Mutter und Tochter verlief eigentlich für
eine Familie dieses Kalibers ganz normal ab. Simone wurde als stinkfaul
beschimpft, was diese natürlich abstritt, und dass sie diesen Schund aus dem
Internet nicht lesen sollte. Simone protestierte, warf mit ihrem
Spongebob-Kissen, welches sie im Movie Park in Bottrop-Kirchhellen erstanden
hatte, nach ihrer Mutter, nur um am Ende zum einkaufen verdonnert zu werden.
Immerhin hatte sich das Wetter aufgeklärt. Allerdings nur für fünf Minuten,
danach fing es an zu hageln – und Simone hatte selbstverständlich keinen
Schirm.
Nach einer halben Stunde hatte sie auch schon den Supermarkt, mit leichtem
Dachschaden, erreicht. Darum zückte sie rasch ihre von der Mutter aufgedrückte
Einkaufsliste und überflog diese.
Sie brauchte also Butter, Käse, Brot, Kakaopulver, Klebebärte,
Thunfischkonserven, Schinken, Sahne, Nudeln und noch einiges mehr.
Bis auf die Klebebärte klang alles doch recht einleuchtend, nur wozu brauchte
ihre Mutter noch ein halbes Dutzend Klobürsten?
Zumal sich Simone nicht verlesen hatte, sie ließ sich die Liste sogar vorlesen.
Nicht dass sie es nötig gehabt hätte, aber der Dachschaden hätte größer als
erwartet ausfallen können.
Die Bezahlung an der Kasse verlief schnell und unproblematisch, auf der Straße
schneite es und auch sonst geschah nichts Besonderes.
Jedenfalls bis sich Simone entschloss mal einen Umweg zu nehmen, das heißt, sie
verlief sich und landete in einem Teil der Innenstadt, den sie normalerweise
nicht betrat.
Demnach war es auch kaum verwunderlich, als die junge Frau plötzlich vor diesem
Antiquariat stand, das auf sie doch sehr beunruhigend wirkte.
Trotzdem, sie tat das einzig richtige und trat in den Laden ein.
Das Antiquariat war von innen doch trotz einladenden Schaufensters sehr düster
und staubig. Ein paar vereinzelte Lampen erhellten den Verkaufsraum unmerklich
und im fahlen Licht sah man Staubpartikel in der Luft flirren. Jeder Asthmatiker
wäre sofort tot umgefallen oder hätte zumindest die schlimmste allergische
Reaktion seines Lebens erleben dürfen.
Der Verkaufsraum war sehr groß, dicke Wälzer waren alphabetisch und nach Genre
in den Regalen eingeräumt worden und warteten darauf, dass ein Sammler sie fand
und einverleibte. Unter anderem gab es sogar Erstausgaben aus Großmutters
Zeiten und vielleicht sogar noch ältere Schinken.
Eine unheimliche Stille umgab Simone, als sie eintrat, das Glöckchen, das beim
Öffnen der Türe bimmeln hörte war heute im Urlaub. Nein, Unsinn! Was schreibe
ich denn da, wie ist das überhaupt möglich? Ach egal, fällt sowieso niemanden
auf.
Wie auch immer, Simone war von der Anzahl der Staubpartikel überwältigt,
einige hatten für den Bruchteil einer Sekunde sogar die Silhouette eines
verdammt süßen Typs gebildet, die Bücher waren da vorerst nur Nebensache. Die
unheimliche Gestalt, die Simone dabei anstarrte, auch bekannt als Verkäuferin,
wie sie sich umsah wurde nicht registriert. Ebenso wenig als diese mit einem
Wimpernschlag verschwunden war. Währenddessen hatte sich Simone in der
Abteilung für Romanzen verirrt und aufs Geratewohl zog sie irgendein Buch
hinaus. Auf dem Titel stand „Romeo und Julia“, vermutlich literarischer
Schund, den Simone angeekelt zurückstellte.
Als sie sich umdrehte um sich weiter umzusehen hätte sie den Schock ihres
Lebens erhalten müssen, der aber ausblieb. Vor ihr stand die Verkäuferin des
Ladens, eine Frau unbekannten Alters, mit rabenschwarzem Haar, das ihr sogar das
gesamte Gesicht verdeckte. Dazu trug sie eine Art weißes Kleid, welches ihr
irgendwie bekannt vorkam. Ein Name lag ihr auf der Zunge, Sadomaso? Ja, so
ähnlich klang der Name jedenfalls.
Mit schlaffen Armen und leicht vorne über gebeugt wurde Simone von der Fremden
angestarrt, bis sich eine unheimlich lächerliche Grabesstimme meldete:
„Willkommen in meinem Antiquariat, wie kann ich Ihnen behilflich sein?“
Simone starrte die Besitzerin des Ladens verwirrt an.
„Verzeihen Sie bitte meine Stimmlage, ich bin erkältet und die Aushilfe ist
heute auf einer Beerdigung ihres Verlobten.“
Das erklärte für Simone einiges, außer...
„Sind Sie japanophil?“, fragte Simone die Frau taktlos.
„Nein, ich hasse Japan, doch leider habe ich neulich eine Wette verloren und
muss den Fummel einen Monat tragen“, erklärte die Verkäuferin
wahrheitsgemäß.
„Nun, also...“, begann Simone, ehe sie unterbrochen wurde.
„Also, Frau Simone Maier, sie sind hier, um...“
„Häh?“
Simone starrte die Frau an, dass sie wusste, dass Simone auch Simone hieß
überraschte sie, aber mit Nachnamen definitiv nicht Maier.
„Schmidt“, berichtigte Simone.
„Wie bitte?“
„Mein Name ist Simone Schmidt und nicht Simone Maier.“
„Was sagen sie da? Bin ich wieder mit dem Datum durcheinander gekommen?“
Die seltsame Fremde zückte einen elektrischen Terminplaner aus dem Umhang,
Kleid oder was auch immer hervor und schien nach Simones Namen zu suchen.
„Ah, richtig, da haben wir ja Ihren Namen. Sie wollen unbedingt einen Freund
an Land ziehen, der Ihnen Gänseheit beschert.“
Die Verkäuferin kicherte debil.
„Sie meinen sicherlich Gänsehaut, aber da haben Sie trotzdem recht.“
Simone war verwundert, woher wusste die Frau das nur? Obwohl... das war
eigentlich völlig egal. Immerhin, es war ja nicht so, dass sich Simone in einem
sechstklassigen Horrorfilm befand. Vielleicht in einer sehr schlechten
Geschichte, die verkrampft versuchte einen Spannungsbogen aufzubauen, aber
bestimmt nicht in einem Film.
Die mehr oder minder freundliche Verkäuferin führte ihre potenzielle
Verbraucherin zu den Regalen mit den Ratgebern für alle Lebenslagen. Schon
komisch, dass in einem Antiquariat Ratgeber verkauft wurden, konnte man sich
doch eher schlecht vorstellen. Neben Ratgebern, die eine vollkommene Kochkunst
versprachen, Modetipps aus dem Jahr 1950 und dem eher ungewöhnlichen Ratgeber,
wie man ein Spion wird, gab es auch beunruhigende Titel. Na gut, das
beunruhigende an diesen Titeln war, dass sie in Griechisch verfasst worden
waren, aber diese grinsenden Totenschädel auf dem Buchrücken vermittelten ein
doch etwas beklemmendes Gefühl.
„So, junges Fräulein, dieses Buch hier dürfte genau nach Ihrem Geschmack
sein“, entgegnete die Verkäuferin plötzlich und drückte Simone einen dicken
Wälzer in die Hand.
Simone betrachtete den Titel etwas argwöhnisch.
„Wie werde ich ihn auf brutalste Weise los, ohne angezeigt zu werden?“
„Oh, falsches Buch, verzeihen Sie bitte vielmals.“
Nun drückte ihr die Verkäuferin ein anderes Buch in die Hand.
„Wie beschwöre ich mir einen Freund, ohne selbst in Lebensgefahr zu
schweben?“, las Simone den Titel laut und deutlich, mit zweifelndem Unterton,
vor.
„Ganz genau“, bestätigte die Frau ihr gegenüber.
„Das soll mir helfen?“
„In letzter Zeit nicht in den Spiegel gesehen, was?“
Simones Kopf wurde knallrot und der Kopf der Verkäuferin durfte engere
Bekanntschaft mit dem Ratgeber schließen, wie man einen Kerl loswerden konnte.
In Anbetracht der Tatsache, dass das weitere Geschehen uninteressant war,
überspringen wir den Teil, wie Simone das Buch kaufte und wie sehr sich ihre
Mutter über die Klobürsten für den nächsten Mordanschlag freute.
Ebenso die uninteressante Alienentführung, die drohende Apokalypse durch böse
Wäschetrockner und die Reise ins Jahr 1904, sowie einiges mehr.
Den übersprungenen Ereignissen zufolge, waren also erst wenige Stunden
vergangen und Simone hatte schon ausreichend im Buch geblättert. Dabei stellte
sie rasch fest, dass dieses Buch kein ordinärer Ratgeber war, sondern ein
Zauberbuch. Daher auch unter anderem die drohende Apokalypse. Wie der Titel
versprach, der Benutzer, bzw. die Benutzerin selbst schwebte zwar nicht
annähernd in Lebensgefahr. Alle anderen jedoch umso mehr und alle süßen Kerle
vollbrachten am Ende des kleinen Abenteuers Suizid, was sehr witzlos und
unnötig war, oder aber ließen sie wie einen heißen Stein fallen. Einer wollte
sogar mit der Königin der bösen Wäschetrockner durchbrennen. Sachen gab’s.
Nach einer Weile fand sie auch schon einen weiteren, sehr viel versprechenden
Eintrag. Einen Freund aus der Sagenwelt heraufbeschwören. Das klang doch nicht
schlecht, sie hätte einen Vampir oder auch Werwolf beschwören können.
Eventuell sogar einen bisexuellen, tollen Elfenfreund.
Natürlich musste der Eintrag umgehend genauer studiert werden. Was benötigt
wurde, war einmal das Buch selbst für die Beschwörung, eine ausreichende
Lichtquelle, eine Ruine und um der Sache noch den nötigen Schwung zu verpassen
musste es auch Nacht sein. Der aktuellen Jahreszeit dämmerte es bereits um 19
Uhr, demnach musste es schon um 20 Uhr dunkel genug sein, für die Beschwörung.
Also packte Simone alles nötige in ihren Rucksack und machte sich auf die Ruine
im Wald zu suchen.
Das heißt, Wald war etwas sehr übertrieben, es war eigentlich der städtische
Park und dort stand seit sie denken konnte die Ruine eines großen Gebäudes,
das damals zum ebenfalls im Park stehenden Schloss gehörte, jedoch im zweiten
Weltkrieg zerstört wurde. Das Wasserschloss wurde hingegen wieder aufgebaut,
wenn man auch vermuten konnte, dass es nicht so aussah, wie damals.
Im Schlosspark angekommen wurde Simone auch gleich fündig, so weit weg vom
Eingang war die Ruine zum Glück nicht. Sehr zur Freude ihrer Füße, dadurch
konnte sie später eine längerfristige Suchaktion knicken. Also ging die junge
Frau wieder nach Hause und wartete, bis die Zeit reif war.
Um 20:37 Uhr schließlich fand sie sich im Zentrum der Ruine wieder, wo sie mit
Taschenlampe und Buch bewaffnet versuchte den Spruch, der in selbigen
geschrieben stand, aufzusagen.
Soweit verlief auch alles recht gut, nur verhaspelte sie sich an einer Stelle
und statt eines süßen Kerls erschien ein blauer Lichtwirbel vor ihr, aus dem
eine Frau trat.
Eine vollbusige, überproportionierte, spindeldürre und vollkommene Schönheit
mit viel zu langem Haar und einem extrem freizügigen Priesterinnengewand um
genau zu sein.
„DIEB!“, brüllte die Fremde unverholen und zeigte einfach, aber direkt mit
dem Zeigefinger auf Simone.
Selbstverständlich starrte die Beschwörerin in spe das Busenwunder leicht
verwirrt an. Sie war doch nicht lesbisch. Also wirklich, das war zuviel des
Guten. Den Neuankömmling störte das aber herzlich wenig.
„DIEB! Wie kannst du es WAGEN, mir, der wundervollen Göttin Oblyvia, das
Rampenlicht zu stehlen!“, brüllte diese Frau, welche sich halt als Oblyvia
vorstellte, noch immer.
„Rampenlicht stehlen?“, wiederholte Simone verwirrt.
„Du hässliche Kröte! Das hier sollte MEINE Geschichte sein, wie ich mit
meinen wundervollen Mary Sues die Welt erobere, um diese perfekt zu machen!
STIRB!“
Damit deutete Oblyvia mit einem sehr ominösen Stab auf Simone, aber nichts
geschah.
Die Göttin wiederholte ihr vorhaben noch ein paar Mal, bis ihre wenigen
Gehirnzellen feststellten, dass ihre Sueheit hier gänzlich nutzlos war und
keine Wirkung zeigte.
„Oh nein, wie fürchterlich, ich bin machtlos! ICH SCHMELZE! ICH SCHMELZE!
NEIN!“, brüllte die Göttin der Mary Sues und stolperte in den Wirbel
zurück, worauf beide verschwanden.
„Was für ein jämmerlicher Auftritt war das denn?“, wunderte sich Simone
und beschloss diese Sache einfach zu ignorieren und zu vergessen.
Also fing sie noch einmal auf ein Neues an, den Spruch aufzusagen, dieses Mal
sogar richtig.
Selbstverständlich erschien auch kein neuer Lichtwirbel, aus dem ein perfektes
Busenwunder hinaustrat, sondern die Erde fing an zu Beben, dunkle Wolken
überzogen den jungen Nachthimmel und es fing an ganz stereotyp zu Gewittern –
ohne Regen.
Die Erde tat sich unter lautem Getöse auf, welcher von nächtlichen
Spaziergängern ignoriert wurde, Flammen schossen kilometerweit hinauf und aus
dem flammenden Inferno trat ein gut aussehender, muskulöser Mann hinaus, mit
wehendem schwarzen Haar und eiskaltem Blick. Außerdem war er nackt!
„Wer wagt es, mich aus meinem Schlummer zu reißen!“, sprach der Mann mit
donnernder Stimme, dann fiel sein Blick auf Simone, die ihn mit breitem
Zahnspangengrinsen anstarrte (und sabberte).
Der Blick des Nackten wandelte sich abrupt von eiskalt in verwirrt.
„Was ist? Was starrst du so?“, fragte er, mit ebenso donnernder Stimme.
„Ihnen ist schon aufgefallen, dass Sie nackt sind?“, erläuterte Simone,
noch immer grinsend, wahrheitsgemäß.
Der Fremde guckte erst komisch, dann sah er an sich hinunter.
„VERDAMMT! Deshalb ist mir so kalt!“, fluchte er.
Das war so was von peinlich, das heißt, nicht wirklich. Da, wo er eigentlich
herkam, brauchte man in den seltensten Fällen Kleidung, dort war es immerhin
immer warm genug und niemanden störte das. Da es aber auch schon ziemlich lange
her war, dass man ihn gerufen hatte (einen Namen hatte er übrigens nicht)
vergaß man hin und wieder auch mal, sich zu bekleiden. Das heißt, wenn man mal
gerufen wurde. Ihm passierte dies jedoch andauernd, das heißt entkleidet
auftreten, im Gegensatz zu seinen Kollegen.
„Rein zufällig habe ich hier einen unbenutzten Damenschlüpfer bei mir, wenn
ich Ihnen damit aushelfen kann“, bot Simone höflichst an.
Der Namenlose nahm das Angebot selbstverständlich an und verschwand zum
einkleiden hinter den Büschen. Das war jedoch etwas sinnlos, Simone hatte ihn
schließlich bereits gesehen. Davon abgesehen...
„Nein, nicht!“, schrie Simone dem süßen Fremden hinterher, aber die
Warnung kam viel zu spät.
Hinter dem Gebüsch lag ein Gehweg, auf dem gerade einige Passanten waren. Das
Geschrei war natürlich groß.
„Modepolizei!“
„Holt die Kamera!“
„Ist er zufällig homosexuell?“
„Meine Augen!“
„ICH SCHMELZE!“
„Klappe, sie schmelzen doch gar nicht!“
„Nicht?“
„Ja, das machen Sie nicht und ziehen Sie Flittchen sich doch was anderes
an!“
„Dann kann ich mich ja doch noch in den Mittelpunkt stellen!“
Mit hochrotem Kopf stürmte der nackte Namenlose zu Simone zurück.
„Was rennen Sie auch einfach auf die Straße? Hätten Sie das nicht getan,
hätte auch kein anderer Sie gesehen! Das heißt, wenn es überhaupt etwas zu
sehen gäbe!“, tadelte die junge Frau ihren Gegenüber.
„Warum haben Sie mich auch nicht vorgewarnt?“
„Hätte ich ahnen können, dass Sie so freizügig sind?“
Eine peinliche Stille trat ein. Dann räusperte sich Herr „Seht mich an, ich
bin nackt“ und fing an in einem gelangweilten, monotonen Ton zu sprechen.
„Vielen Dank, dass Sie sich für diesen Zauber entschieden haben. Ihnen werden
versteckt drei Freier angeboten, welche optimal zu Ihnen passen dürften. Sie
haben alle Zeit zu entscheiden, wen Sie wählen möchten.“
Simone sah den halbnackten Traummann fragwürdig an.
„Wie, aussuchen? Ich dachte Sie waren mein Traumprinz“, gab sie verdattert
von sich.
„Nein, bin ich nicht. Ich habe lediglich die Aufgabe zu vermitteln.“
Erneut räusperte sich der namenlose Fremde.
„Hinter Vorhang Nummer eins verbirgt sich ein doch etwas grenzdebiles
Muttersöhnchen, mit einer fragwürdigen Vorliebe für Frauen. Seine Interessen
sind Cheerleader, Kochen und despotisches Verhalten. Als Liebhaber ziemlich
ungeschlagen, will aber immer aufs selbe hinaus. Hinter Vorhang Nummer zwei
steckt der Romantiker. Sanft, liebevoll und charmant möchte er Ihnen den Tag
versüßen. Sehr anpassungsfähig in den Interessen, kann außerdem gut kochen
und scheut nicht davor den Haushalt zu führen. Hinter Vorhang Nummer drei
steckt ein Mann, der seine Besten Tage hinter sich hat, stark vom Charakter her,
jedoch enorm trottelig. Außerdem nichts für schwächere Gemüter. Diesen
Freier wollen Sie garantiert nicht als Feind haben. Nun entscheiden Sie sich,
wer soll es sein?“
Simone wartete eine Weile, bevor sie sich meldete.
„Und wie sehen diese Freier aus?“
„Das ist nebensächlich und beeinflusst die Auswahl negativ“, war die knappe
und monotone Antwort.
Gut, dann musste sie wohl auf gut Glück ihre Entscheidung verkünden. Ein
toller Liebhaber wäre sicherlich nicht schlecht gewesen, aber despotisches
Verhalten und Muttersöhnchen? Nein, darauf wollte sie verzichten. Auch Nummer
drei konnte man von der Beschreibung in der Pfeife rauchen. Demnach war die
Entscheidung schnell getroffen.
„Ich nehme Nummer zwei, den charmanten Romantiker.“
„Und dies sind die Kandidaten, die Sie nicht gewählt haben. Nummer drei ist
Ignazius Nockehöschen, General des Dunklen Reiches aus einer anderen Welt,
über 100 Jahre alt und eigentlich schon tot. Was soll’s, Schwamm drüber.“
Der Vorhang öffnete sich und dort war nichts, außer einem Häuflein Staub.
Glück gehabt.
„Nummer eins wäre Imperator Freudengardt gewesen. Er stammt von den Drachen
ab und sieht immer aus, wie der Mann ihrer kühnsten Träume.“
Hinter dem Vorhang stand ein Mann in eiserner Rüstung, der von einer Gruppe
Cheerleadern angefeuert wurde, bevor er von diesen abtransportiert wurde. Der
wäre sicherlich kein Fehlschlag gewesen. Schade drum.
Jetzt wurde es spannend, wer stand wohl hinter Vorhang Nummer zwei? Diese
Anspannung war kaum auszuhalten, während der nackte Ansager weiterhin monoton
den Gewinner ansprach.
„Nun der Moment, auf de Sie alle (nicht) gewartet haben! Der Auserwählte,
Ferdinand. Nachdem ihn seine einstige Geliebte ausnutze, betrogen und verlassen
hatte begann er zwar Freitod, welchen seinen rastlosen Geist nicht davon abhielt
weiterhin auf eine Frau zu warten, die seine Liebe erwiderte.“
Wäre Simone bei der monotonen Ansage nicht fast eingeschlafen, hätte sie
vermutlich den nächsten Schock ihres Lebens bekommen. Eine dunkle Gestalt in
einem rabenschwarzen Kapuzenumhang gehüllt, beinlos, schwebend und mit
knöchernen Händen, kam auf Simone zugeflogen. Was dann geschah, war leicht
erklärt. Das Gespenst fiel ihr in die Arme und knuddelte sie ordentlich durch.
Davon wurde natürlich die Angebetete des Geistes sofort wach, schrie auf und
stieß ihn weg.
„Was soll denn der Mist? War hier nicht die Rede von mythologischen
Traumkerlen? Was soll das?“, beschwerte sich Simone lauthals.
„Geister gehören nun mal in die mythologische Sparte und vom Umtausch sind
wir leider ausgeschlossen. Einen schönen Tag noch“, waren die letzten Worte
des Nackten, bevor dieser sich einfach in Luft auflöste und die Damenunterhose
natürlich mitnahm.
Jetzt hätte man sich eigentlich denken können, dass diese doch sehr
Nivea-lose... äh... niveaulose Geschichte endlich ihr wohlverdientes Ende
gefunden hätte, dem war aber leider nicht so. Ganz im Gegenteil, es ging noch
weiter.
Denn nachdem Simone den Bettlakenfetischisten ordentlich eines auf die Zwölf
gegeben hatte, machte sie sich auf den Nachhauseweg.
Dieser bestand jedoch aus so vielen Umwegen, dass sie erst weit nach Mitternacht
dort wohlbehalten ankam. Das alles natürlich nur um diesem Gespenst zu
entkommen. Doch trotz aller Liebesmüh erwartete Simones gespenstischer Stalker
sie schon an der Eingangstür. Simone starrte diesen, fast schon lächerlichen,
Verehrer an, welcher seiner Geliebten zuwinkte.
Wütend stapfte Simone auf ihn zu und brüllte: „SAG MAL, HAST DU NIX BESSERES
ZU TUN, ALS MIR NACHZUSPIONIEREN!?“
Der Geist zeigte keine Reaktion.
„Verstehst du mich überhaupt?“
Der Geist nickte.
„Kannst du auch sprechen?“
Der Geist nickte erneut.
„WARUM ANTWORTEST DU DANN NICHT!“
Der Geist wandte sich ab und machte so was Ähnliches wie eine peinlich
berührte Szene.
„Du bist schüchtern...“, erkannte Simone die Lage und beschloss endlich
ihre Behausung einzutreten.
Glücklicherweise blieb das Haus jedoch stehen, Simones Füße waren nicht
gebrochen und sie trat ein. Was jetzt nicht sonderlich überraschend war, ihre
Mutter wartete im Flur auf sie, schien aber nicht sonderlich wütend zu sein. Im
Gegenteil, sie schien, als stand sie weit neben der Spur.
„Hallo, Schnucki. Wo warste denn? Habsch ganz lange auf dich wartet“,
brabbelte die Mutter nur ganz schwer verständlich vor sich hin.
„Wie bitte?“
Simones Mutter wiederholte sich noch einige weitere Male, besser verstehen
konnte man sie jedoch noch immer nicht. In der Zwischenzeit war auch das
Gespenst im Flur, wie es für Geister nun mal so üblich war, erschienen. Es
tippte Simone auf die Schulter und deutete etwas an, indem es auf ihre Mutter
zeigte.
„Ja, ich glaube auch dass meine Mutter spinnt.“
Der Geist schüttelte energisch den verhüllten Kopf.
„Ach so, ja. Mutter, darf ich dir meinen... Verehrer vorstellen? Er ist tot,
das heißt, nicht wirklich tot. Eher so ein Zwischending aus lebendig und tot.
Du verstehst?“, versuchte Simone ihren neuen Freund vorzustellen.
Ihre Mutter grinste übertrieben debil. Sehr übertrieben. So übertrieben, dass
sie vermutlich betrunken war.
„Ich möchte dir deinen
Schwipp-Schwager-Kusine-Tante-Urgroßmutter-Schwester-Großvater vorstellen“,
brachte ihre Mutter plötzlich hervor.
„Bitte wen willst du mir vorstellen?“
Jetzt war die Verwirrung wirklich perfekt. Gut, Schwippschwager sagte Simone
etwas, aber wie konnte jemand gleichzeitig die Kusine und auch noch der
Großvater sein? Das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Jedenfalls so lange, bis dieser überproportionierte Strich in der Landschaft
plötzlich den Flur betrat und sich vorstellte.
„Hallo, ich bin es, Oblyvia. Ich werde dich aufstechen... äh... ausstechen.
Und dann werde ich allen meine Vorzüge beweisen!“
Simone schwieg Oblyvia einfach an.
„Natürlich werde ich mir als allererstes deinen nudistischen Freund unter den
Nagel reißen, dann werden wir als Königin und Sklave die Welt regieren“,
fing das Busenwunder plötzlich an zu schwärmen, wurde jedoch je unterbrochen.
„Das war nicht mein Freund, er war lediglich ein Vermittler und hat mir das da
aufgeschwatzt“, gab Simone eher reißerisch von sich und deutete auf den
Geist, der nur stumm zusah.
„Dann werde ich mir eben den unter den Nagel reißen“, gab die unwirkliche
Schönheit trotzig von sich.
Na toll, Oblyvia war nicht nur eine Mary Sue, sondern auch noch nekrophil.
„Ich würde ihn dir ja schenken, aber er scheint nicht besonders erpicht
darauf zu sein.“
„WIE KANNST DU MADE ES WAGEN, GEGEN MEINEN GENIALEN PLAN ANSTINKEN ZU
WOLLEN?“, brüllte Oblyvia los, die offensichtlich nur Dinge akzeptierte, auf
die nur sie selbst kam.
Wie damals die Sache, alles in Schokolade zu verwandeln. Das Ende vom Lied war,
dass sich die Leute gegenseitig auffraßen und sich Oblyvia eine andere Welt
suchen musste, in der sie zur Übergöttin mutieren konnte. Das aber nur
nebenbei.
Wie auch (schl)immer, das kleine Fräulein Perfekt lachte unglaublich
scheußlich und tänzelte anschließend mit der Grazie eines umfallenden Sackes
Reis aus Simones Elternhaus, mit folgendem Reifenquietschen und dem Geräusch
eines Autounfalls.
Als wäre damit ein böser Zauber von Haus entfernt, schien auch wieder ihre
Mutter zur Besinnung zu kommen. Jedenfalls sabberte sie nicht mehr.
„Alles in Ordnung, Mutter?“
„Ich denke schon, Liebes, aber ich muss schlecht geträumt haben...“
„Schlecht geträumt?“
„Ja, ich träumte, dass eine halbnackte Nymphomanin ins Haus eindrang und mich
mit ihren Gesprächen immer weiter verblöden ließ.“
Damit hätte jetzt alles endlich geklärt sein können, aber da gab es ja
schließlich noch ein nicht tot zu kriegendes Problem.
„Simone, Kindchen, was ist das da für ein Kuttenheini? Der Schwarze Abt?“
„Nein, das ist mein Liebhaber. Ich wollte mir ja einen verdammt knackigen
Burschen beschwören, allerdings kam nur das bei raus“, erläuterte die
Tochter missmutig und ganz knapp.
Die Mutter hingegen fing sofort an zu schwärmen.
„Ach ja, das erinnert mich an meine Jugend, als ich noch nicht ganz so schön
war, wie heute. Da wollte ich mit bedingungslosen Dienern Tote beschwören. Das
klappte aber nicht und so lernte ich deinen Vater kennen, als er uns als
Polizist verhaftete.“
Simones Vater war Polizist, damals ein Neuling zwar, aber immerhin. Nicht das
jemand auf den naiven Gedanken käme, Simone sei ein Halbdämon (nur zu einem
Tausendstel). Das wäre schwachsinnig und obendrein unlogisch. Wie auch immer,
vor zwei Jahren verstarb ihr Vater bei einem Einsatz, um das ganze vollkommen
aufzuklären.
Ihrer geistig umnachteten Mutter nachsehend, beschloss Simone sich zu Bett zu
legen, morgen würde sie zu diesem Antiquariat gehen und sich über dieses
Ramschbuch beschweren.
Den Ereignissen des ganzen letzten Tages zufolge schlief Simone jedoch zwei Tage
durch, denn wie oft reist man schon ins Jahr 1904, wird von Außerirdischen
entführt, von Wäschetrocknern fast versklavt und so weiter? Nicht zu vergessen
das geisterhafte Geisterproblem ohne geistreiche Konversation?
Während Simone unter der Dusche stand, überlegte sie selbstverständlich, wie
sie ihren leicht angetoteten Verehrer wieder loswerden konnte. Dem nackten
Moderator zuzuhören war immerhin nicht einfach, bei dieser monotonen
Sprachweise. Beim bloßen Gedanken an diesen nackten Schönling kam sie so sehr
geistig ab, dass sie nicht bemerkte, wie ihr Schaum in die Augen lief. Wie es
nun mal bei Seifenschaum in den Augen schon immer war, sprang Simone ungeschickt
aus der Duschkabine und versuchte nach dem Handtuch zu greifen. Sie ergriff
selbstverständlich auch nach einem Baumwollstoff, nur handelte es sich dabei
nicht um ein Handtuch, sondern – wie könnte es anders sein – um die Kutte
des Geistes.
Simone schrie entsetzt auf und...
[folgender Absatz musste aufgrund hoher Gewaltdarstellung und Vulgärsprache
zensiert werden]
Simone hätte nie gedacht, was man für tödliche Angriffe mit Gänseblümchen
machen konnte, als sie mit ihrem Verehrer fertig war. Eine allergische Reaktion
mal ausgeschlossen. Was minder schön war, sie suchte in der Innenstadt schon
seit zwei Stunden nach dem ominösen Antiquariat. Sie war sich sicher, dass sie
sich nicht in der Straße geirrt hatte. Na gut, sie war sich fast sicher. Aber
wie sollte man sich denn in einer Stadt zurechtfinden, die vom Autor nicht
einmal ausreichend genug beschrieben wurde? Hier sah alles gleich aus!
Nach weiteren drei Stunden fragte sie einen harmlosen Passanten, ob in dieser
Straße nicht einmal ein Antiquariat war.
Die Antwort, dass es zwei Straßen weiter war verwunderte Simone zwar ein wenig
sehr, war aber abzusehen.
Das Antiquariat hatte sich innerhalb der letzten Tage nicht wirklich geändert,
es war vielleicht noch staubiger, aber noch immer düster. Dafür sprang Oblyvia
wie eine Prima Ballerina im Ladenlokal umher. Aber ignorieren wir das einfach
mal, wobei sie schon längst tot sein müsste.
Die fragwürdige Verkäuferin stand mit dem Rücken zur Kasse, vermutlich, und
neigte sich in einem gewissen Takt immer vor und zurück. Simone nahm ihren
ganzen Mut zusammen, ignorierte weiterhin den halbnackten Nervbolzen, und geigte
der Verkäuferin ihre Meinung.
„Sagen Sie mal, was haben Sie mir da für einen Ramsch angedreht? Anstatt mit
diesem dummen Buch etwas halbwegs Ansehnliches zu bekommen...“
Die Verkäuferin drehte sich um, jedoch handelte es sich dabei um das Gespenst
und wollte Simone wieder an den Busen fallen.
„Hier, nimm das“, entgegnete Oblyvia kurz zu Simone und drückte dieser
einen Baseballschläger in die Hand, womit diese ihren praktischen Nutzen in der
Geschichte erfüllte, endlich!
Simone nahm den Schläger dankend an und führte damit einen erfolgreichen
Exorzismus ab.
Somit fand diese Geschichte auch endlich ihr wohlverdientes Ende.
Oblyvia starb kurz darauf, weil sie als Mary Sue ihren Nutzen erfüllt hatte,
wurde aber als noch nervigere Göttin ins Leben zurückgerufen (mit noch
längerem und vor allem schlimmerem Namen).
Die Verkäuferin schmollte, weil sie keinen zweiten Auftritt bekam.
Simones Mutter verklagte den Autoren auf Schmerzengeld, weil sie weder ein
Aussehen, noch Charakter erhalten hatte.
Simone fand in ihrem besonderen Buch einen Spruch, mit dem sie den Namenlosen
direkt als Freund beschwören durfte und lebte noch lange glücklich mit ihm
zusammen.
Der Namenlose hingegen bekam einen lächerlichen Namen und machte, seitdem er
mit Simone verheiratet ist, jeden Sommer Urlaub an einem FKK-Strand.
Doch eine Frage blieb offen: Nämlich was für Tabletten dieser Schundautor
genommen hat, um diesen Mist zu verzapfen? Doch lassen wir das alles hier jetzt
auf sich beruhen und bemühen uns, das hier aus unserem Gedächtnis zu
streichen, um uns schöneren Dingen zu widmen.
Inhalt: Der schlechte Lisa Plenske-Verschnitt Simone will einen Freund, aber keiner will sie. Zumindest bis sie an ein seltsames Buch kommt.
Geschichte ist arg unlogisch und nur eine Aneinanderkettung von Ereignissen. Leider habe nur ich Korrektur gelesen, sollten noch Fehler da sein, her damit.
Konstruktive Kritik ist AUSDRÜCKLICH erwünscht.
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April, ein ganz ungewöhnlicher Monat an einem ganz gewöhnlichen Tag.
Das Wetter war schon seit längerem extrem wechselhaft. Noch schien die Sonne,
aber bereits nach fünf Minuten fing es an zu hageln, das obwohl der
Wetterbericht extra schönes Wetter angesagt hatte.
Simone ging dieser Wetterumschwung jedoch förmlich am Allerwertesten vorbei,
sie war ohnehin Stubenhockerin und war gerade dabei eine aus dem Internet
ausgedruckte Geschichte zu lesen.
Zugegeben, die Geschichte war nicht sonderlich toll geschrieben, aber in dieser
kamen unglaublich erotische, geil aussehende Vampire vor, die man einfach
ansabbern musste!
In dieser Geschichte ging es um eine junge Priesterin aus Prag, die von einem
schwulen Vampir gebissen wurde und selber ihr Dasein als Vampir fristen musste,
bis sie dank eines intimen Verhältnisses mit einem Werwolf selber zur
Werwölfin wurde.
Simone konnte einfach nicht verstehen, wie die Autorin dieser doch sehr
prickelnden Geschichte nur Beleidigungen erhalten konnte.
Aber das war nicht Simones Problem, viel lieber hätte sie sich einen tollen
Typen geangelt.
Simone mochte zwar achtzehn sein, gleichzeitig war sie auch nur 1,60 m groß.
Nicht zu vergessen, sie durfte noch immer eine Zahnspange tragen und ihr
unbändiges, braunes Haar entpuppte sich auch immer wieder als Last.
Kein Wunder, dass man sie entweder für eine Minderjährige oder frühreifes
Gör hielt.
Es musste toll sein, sich zu verlieben, Schmetterlinge im Bauch, schlaflose
Nächte und ständiges Schwärmen für den Angebeteten, während man sich
gegenseitig mit Sahnetorten bewarf.
Liebe, ein Zustand, den Simone wohl niemals erfahren durfte.
Ihre Busenfreundin Theresa meinte jedoch, eine Lösung für besagtes Problem zu
haben, trotzdem wäre ein Date mit Tessas Bruder die allerletzte Notlösung
gewesen. Er war zwar nett und irgendwie auch ganz niedlich, allerdings auch
blind.
Nichts gegen ihn, aber Simone war doch kein Blindenhund. Schon gar nicht ein
Tier. Gut, aber das hätte quasi auf der Hand liegen müssen, was viele
Mitmenschen aber dennoch übersahen. Warum auch immer.
In der Zwischenzeit hatte sich das Wetter aufgeklärt und Simones Mutter trat in
das Zimmer. Das Gespräch zwischen Mutter und Tochter verlief eigentlich für
eine Familie dieses Kalibers ganz normal ab. Simone wurde als stinkfaul
beschimpft, was diese natürlich abstritt, und dass sie diesen Schund aus dem
Internet nicht lesen sollte. Simone protestierte, warf mit ihrem
Spongebob-Kissen, welches sie im Movie Park in Bottrop-Kirchhellen erstanden
hatte, nach ihrer Mutter, nur um am Ende zum einkaufen verdonnert zu werden.
Immerhin hatte sich das Wetter aufgeklärt. Allerdings nur für fünf Minuten,
danach fing es an zu hageln – und Simone hatte selbstverständlich keinen
Schirm.
Nach einer halben Stunde hatte sie auch schon den Supermarkt, mit leichtem
Dachschaden, erreicht. Darum zückte sie rasch ihre von der Mutter aufgedrückte
Einkaufsliste und überflog diese.
Sie brauchte also Butter, Käse, Brot, Kakaopulver, Klebebärte,
Thunfischkonserven, Schinken, Sahne, Nudeln und noch einiges mehr.
Bis auf die Klebebärte klang alles doch recht einleuchtend, nur wozu brauchte
ihre Mutter noch ein halbes Dutzend Klobürsten?
Zumal sich Simone nicht verlesen hatte, sie ließ sich die Liste sogar vorlesen.
Nicht dass sie es nötig gehabt hätte, aber der Dachschaden hätte größer als
erwartet ausfallen können.
Die Bezahlung an der Kasse verlief schnell und unproblematisch, auf der Straße
schneite es und auch sonst geschah nichts Besonderes.
Jedenfalls bis sich Simone entschloss mal einen Umweg zu nehmen, das heißt, sie
verlief sich und landete in einem Teil der Innenstadt, den sie normalerweise
nicht betrat.
Demnach war es auch kaum verwunderlich, als die junge Frau plötzlich vor diesem
Antiquariat stand, das auf sie doch sehr beunruhigend wirkte.
Trotzdem, sie tat das einzig richtige und trat in den Laden ein.
Das Antiquariat war von innen doch trotz einladenden Schaufensters sehr düster
und staubig. Ein paar vereinzelte Lampen erhellten den Verkaufsraum unmerklich
und im fahlen Licht sah man Staubpartikel in der Luft flirren. Jeder Asthmatiker
wäre sofort tot umgefallen oder hätte zumindest die schlimmste allergische
Reaktion seines Lebens erleben dürfen.
Der Verkaufsraum war sehr groß, dicke Wälzer waren alphabetisch und nach Genre
in den Regalen eingeräumt worden und warteten darauf, dass ein Sammler sie fand
und einverleibte. Unter anderem gab es sogar Erstausgaben aus Großmutters
Zeiten und vielleicht sogar noch ältere Schinken.
Eine unheimliche Stille umgab Simone, als sie eintrat, das Glöckchen, das beim
Öffnen der Türe bimmeln hörte war heute im Urlaub. Nein, Unsinn! Was schreibe
ich denn da, wie ist das überhaupt möglich? Ach egal, fällt sowieso niemanden
auf.
Wie auch immer, Simone war von der Anzahl der Staubpartikel überwältigt,
einige hatten für den Bruchteil einer Sekunde sogar die Silhouette eines
verdammt süßen Typs gebildet, die Bücher waren da vorerst nur Nebensache. Die
unheimliche Gestalt, die Simone dabei anstarrte, auch bekannt als Verkäuferin,
wie sie sich umsah wurde nicht registriert. Ebenso wenig als diese mit einem
Wimpernschlag verschwunden war. Währenddessen hatte sich Simone in der
Abteilung für Romanzen verirrt und aufs Geratewohl zog sie irgendein Buch
hinaus. Auf dem Titel stand „Romeo und Julia“, vermutlich literarischer
Schund, den Simone angeekelt zurückstellte.
Als sie sich umdrehte um sich weiter umzusehen hätte sie den Schock ihres
Lebens erhalten müssen, der aber ausblieb. Vor ihr stand die Verkäuferin des
Ladens, eine Frau unbekannten Alters, mit rabenschwarzem Haar, das ihr sogar das
gesamte Gesicht verdeckte. Dazu trug sie eine Art weißes Kleid, welches ihr
irgendwie bekannt vorkam. Ein Name lag ihr auf der Zunge, Sadomaso? Ja, so
ähnlich klang der Name jedenfalls.
Mit schlaffen Armen und leicht vorne über gebeugt wurde Simone von der Fremden
angestarrt, bis sich eine unheimlich lächerliche Grabesstimme meldete:
„Willkommen in meinem Antiquariat, wie kann ich Ihnen behilflich sein?“
Simone starrte die Besitzerin des Ladens verwirrt an.
„Verzeihen Sie bitte meine Stimmlage, ich bin erkältet und die Aushilfe ist
heute auf einer Beerdigung ihres Verlobten.“
Das erklärte für Simone einiges, außer...
„Sind Sie japanophil?“, fragte Simone die Frau taktlos.
„Nein, ich hasse Japan, doch leider habe ich neulich eine Wette verloren und
muss den Fummel einen Monat tragen“, erklärte die Verkäuferin
wahrheitsgemäß.
„Nun, also...“, begann Simone, ehe sie unterbrochen wurde.
„Also, Frau Simone Maier, sie sind hier, um...“
„Häh?“
Simone starrte die Frau an, dass sie wusste, dass Simone auch Simone hieß
überraschte sie, aber mit Nachnamen definitiv nicht Maier.
„Schmidt“, berichtigte Simone.
„Wie bitte?“
„Mein Name ist Simone Schmidt und nicht Simone Maier.“
„Was sagen sie da? Bin ich wieder mit dem Datum durcheinander gekommen?“
Die seltsame Fremde zückte einen elektrischen Terminplaner aus dem Umhang,
Kleid oder was auch immer hervor und schien nach Simones Namen zu suchen.
„Ah, richtig, da haben wir ja Ihren Namen. Sie wollen unbedingt einen Freund
an Land ziehen, der Ihnen Gänseheit beschert.“
Die Verkäuferin kicherte debil.
„Sie meinen sicherlich Gänsehaut, aber da haben Sie trotzdem recht.“
Simone war verwundert, woher wusste die Frau das nur? Obwohl... das war
eigentlich völlig egal. Immerhin, es war ja nicht so, dass sich Simone in einem
sechstklassigen Horrorfilm befand. Vielleicht in einer sehr schlechten
Geschichte, die verkrampft versuchte einen Spannungsbogen aufzubauen, aber
bestimmt nicht in einem Film.
Die mehr oder minder freundliche Verkäuferin führte ihre potenzielle
Verbraucherin zu den Regalen mit den Ratgebern für alle Lebenslagen. Schon
komisch, dass in einem Antiquariat Ratgeber verkauft wurden, konnte man sich
doch eher schlecht vorstellen. Neben Ratgebern, die eine vollkommene Kochkunst
versprachen, Modetipps aus dem Jahr 1950 und dem eher ungewöhnlichen Ratgeber,
wie man ein Spion wird, gab es auch beunruhigende Titel. Na gut, das
beunruhigende an diesen Titeln war, dass sie in Griechisch verfasst worden
waren, aber diese grinsenden Totenschädel auf dem Buchrücken vermittelten ein
doch etwas beklemmendes Gefühl.
„So, junges Fräulein, dieses Buch hier dürfte genau nach Ihrem Geschmack
sein“, entgegnete die Verkäuferin plötzlich und drückte Simone einen dicken
Wälzer in die Hand.
Simone betrachtete den Titel etwas argwöhnisch.
„Wie werde ich ihn auf brutalste Weise los, ohne angezeigt zu werden?“
„Oh, falsches Buch, verzeihen Sie bitte vielmals.“
Nun drückte ihr die Verkäuferin ein anderes Buch in die Hand.
„Wie beschwöre ich mir einen Freund, ohne selbst in Lebensgefahr zu
schweben?“, las Simone den Titel laut und deutlich, mit zweifelndem Unterton,
vor.
„Ganz genau“, bestätigte die Frau ihr gegenüber.
„Das soll mir helfen?“
„In letzter Zeit nicht in den Spiegel gesehen, was?“
Simones Kopf wurde knallrot und der Kopf der Verkäuferin durfte engere
Bekanntschaft mit dem Ratgeber schließen, wie man einen Kerl loswerden konnte.
In Anbetracht der Tatsache, dass das weitere Geschehen uninteressant war,
überspringen wir den Teil, wie Simone das Buch kaufte und wie sehr sich ihre
Mutter über die Klobürsten für den nächsten Mordanschlag freute.
Ebenso die uninteressante Alienentführung, die drohende Apokalypse durch böse
Wäschetrockner und die Reise ins Jahr 1904, sowie einiges mehr.
Den übersprungenen Ereignissen zufolge, waren also erst wenige Stunden
vergangen und Simone hatte schon ausreichend im Buch geblättert. Dabei stellte
sie rasch fest, dass dieses Buch kein ordinärer Ratgeber war, sondern ein
Zauberbuch. Daher auch unter anderem die drohende Apokalypse. Wie der Titel
versprach, der Benutzer, bzw. die Benutzerin selbst schwebte zwar nicht
annähernd in Lebensgefahr. Alle anderen jedoch umso mehr und alle süßen Kerle
vollbrachten am Ende des kleinen Abenteuers Suizid, was sehr witzlos und
unnötig war, oder aber ließen sie wie einen heißen Stein fallen. Einer wollte
sogar mit der Königin der bösen Wäschetrockner durchbrennen. Sachen gab’s.
Nach einer Weile fand sie auch schon einen weiteren, sehr viel versprechenden
Eintrag. Einen Freund aus der Sagenwelt heraufbeschwören. Das klang doch nicht
schlecht, sie hätte einen Vampir oder auch Werwolf beschwören können.
Eventuell sogar einen bisexuellen, tollen Elfenfreund.
Natürlich musste der Eintrag umgehend genauer studiert werden. Was benötigt
wurde, war einmal das Buch selbst für die Beschwörung, eine ausreichende
Lichtquelle, eine Ruine und um der Sache noch den nötigen Schwung zu verpassen
musste es auch Nacht sein. Der aktuellen Jahreszeit dämmerte es bereits um 19
Uhr, demnach musste es schon um 20 Uhr dunkel genug sein, für die Beschwörung.
Also packte Simone alles nötige in ihren Rucksack und machte sich auf die Ruine
im Wald zu suchen.
Das heißt, Wald war etwas sehr übertrieben, es war eigentlich der städtische
Park und dort stand seit sie denken konnte die Ruine eines großen Gebäudes,
das damals zum ebenfalls im Park stehenden Schloss gehörte, jedoch im zweiten
Weltkrieg zerstört wurde. Das Wasserschloss wurde hingegen wieder aufgebaut,
wenn man auch vermuten konnte, dass es nicht so aussah, wie damals.
Im Schlosspark angekommen wurde Simone auch gleich fündig, so weit weg vom
Eingang war die Ruine zum Glück nicht. Sehr zur Freude ihrer Füße, dadurch
konnte sie später eine längerfristige Suchaktion knicken. Also ging die junge
Frau wieder nach Hause und wartete, bis die Zeit reif war.
Um 20:37 Uhr schließlich fand sie sich im Zentrum der Ruine wieder, wo sie mit
Taschenlampe und Buch bewaffnet versuchte den Spruch, der in selbigen
geschrieben stand, aufzusagen.
Soweit verlief auch alles recht gut, nur verhaspelte sie sich an einer Stelle
und statt eines süßen Kerls erschien ein blauer Lichtwirbel vor ihr, aus dem
eine Frau trat.
Eine vollbusige, überproportionierte, spindeldürre und vollkommene Schönheit
mit viel zu langem Haar und einem extrem freizügigen Priesterinnengewand um
genau zu sein.
„DIEB!“, brüllte die Fremde unverholen und zeigte einfach, aber direkt mit
dem Zeigefinger auf Simone.
Selbstverständlich starrte die Beschwörerin in spe das Busenwunder leicht
verwirrt an. Sie war doch nicht lesbisch. Also wirklich, das war zuviel des
Guten. Den Neuankömmling störte das aber herzlich wenig.
„DIEB! Wie kannst du es WAGEN, mir, der wundervollen Göttin Oblyvia, das
Rampenlicht zu stehlen!“, brüllte diese Frau, welche sich halt als Oblyvia
vorstellte, noch immer.
„Rampenlicht stehlen?“, wiederholte Simone verwirrt.
„Du hässliche Kröte! Das hier sollte MEINE Geschichte sein, wie ich mit
meinen wundervollen Mary Sues die Welt erobere, um diese perfekt zu machen!
STIRB!“
Damit deutete Oblyvia mit einem sehr ominösen Stab auf Simone, aber nichts
geschah.
Die Göttin wiederholte ihr vorhaben noch ein paar Mal, bis ihre wenigen
Gehirnzellen feststellten, dass ihre Sueheit hier gänzlich nutzlos war und
keine Wirkung zeigte.
„Oh nein, wie fürchterlich, ich bin machtlos! ICH SCHMELZE! ICH SCHMELZE!
NEIN!“, brüllte die Göttin der Mary Sues und stolperte in den Wirbel
zurück, worauf beide verschwanden.
„Was für ein jämmerlicher Auftritt war das denn?“, wunderte sich Simone
und beschloss diese Sache einfach zu ignorieren und zu vergessen.
Also fing sie noch einmal auf ein Neues an, den Spruch aufzusagen, dieses Mal
sogar richtig.
Selbstverständlich erschien auch kein neuer Lichtwirbel, aus dem ein perfektes
Busenwunder hinaustrat, sondern die Erde fing an zu Beben, dunkle Wolken
überzogen den jungen Nachthimmel und es fing an ganz stereotyp zu Gewittern –
ohne Regen.
Die Erde tat sich unter lautem Getöse auf, welcher von nächtlichen
Spaziergängern ignoriert wurde, Flammen schossen kilometerweit hinauf und aus
dem flammenden Inferno trat ein gut aussehender, muskulöser Mann hinaus, mit
wehendem schwarzen Haar und eiskaltem Blick. Außerdem war er nackt!
„Wer wagt es, mich aus meinem Schlummer zu reißen!“, sprach der Mann mit
donnernder Stimme, dann fiel sein Blick auf Simone, die ihn mit breitem
Zahnspangengrinsen anstarrte (und sabberte).
Der Blick des Nackten wandelte sich abrupt von eiskalt in verwirrt.
„Was ist? Was starrst du so?“, fragte er, mit ebenso donnernder Stimme.
„Ihnen ist schon aufgefallen, dass Sie nackt sind?“, erläuterte Simone,
noch immer grinsend, wahrheitsgemäß.
Der Fremde guckte erst komisch, dann sah er an sich hinunter.
„VERDAMMT! Deshalb ist mir so kalt!“, fluchte er.
Das war so was von peinlich, das heißt, nicht wirklich. Da, wo er eigentlich
herkam, brauchte man in den seltensten Fällen Kleidung, dort war es immerhin
immer warm genug und niemanden störte das. Da es aber auch schon ziemlich lange
her war, dass man ihn gerufen hatte (einen Namen hatte er übrigens nicht)
vergaß man hin und wieder auch mal, sich zu bekleiden. Das heißt, wenn man mal
gerufen wurde. Ihm passierte dies jedoch andauernd, das heißt entkleidet
auftreten, im Gegensatz zu seinen Kollegen.
„Rein zufällig habe ich hier einen unbenutzten Damenschlüpfer bei mir, wenn
ich Ihnen damit aushelfen kann“, bot Simone höflichst an.
Der Namenlose nahm das Angebot selbstverständlich an und verschwand zum
einkleiden hinter den Büschen. Das war jedoch etwas sinnlos, Simone hatte ihn
schließlich bereits gesehen. Davon abgesehen...
„Nein, nicht!“, schrie Simone dem süßen Fremden hinterher, aber die
Warnung kam viel zu spät.
Hinter dem Gebüsch lag ein Gehweg, auf dem gerade einige Passanten waren. Das
Geschrei war natürlich groß.
„Modepolizei!“
„Holt die Kamera!“
„Ist er zufällig homosexuell?“
„Meine Augen!“
„ICH SCHMELZE!“
„Klappe, sie schmelzen doch gar nicht!“
„Nicht?“
„Ja, das machen Sie nicht und ziehen Sie Flittchen sich doch was anderes
an!“
„Dann kann ich mich ja doch noch in den Mittelpunkt stellen!“
Mit hochrotem Kopf stürmte der nackte Namenlose zu Simone zurück.
„Was rennen Sie auch einfach auf die Straße? Hätten Sie das nicht getan,
hätte auch kein anderer Sie gesehen! Das heißt, wenn es überhaupt etwas zu
sehen gäbe!“, tadelte die junge Frau ihren Gegenüber.
„Warum haben Sie mich auch nicht vorgewarnt?“
„Hätte ich ahnen können, dass Sie so freizügig sind?“
Eine peinliche Stille trat ein. Dann räusperte sich Herr „Seht mich an, ich
bin nackt“ und fing an in einem gelangweilten, monotonen Ton zu sprechen.
„Vielen Dank, dass Sie sich für diesen Zauber entschieden haben. Ihnen werden
versteckt drei Freier angeboten, welche optimal zu Ihnen passen dürften. Sie
haben alle Zeit zu entscheiden, wen Sie wählen möchten.“
Simone sah den halbnackten Traummann fragwürdig an.
„Wie, aussuchen? Ich dachte Sie waren mein Traumprinz“, gab sie verdattert
von sich.
„Nein, bin ich nicht. Ich habe lediglich die Aufgabe zu vermitteln.“
Erneut räusperte sich der namenlose Fremde.
„Hinter Vorhang Nummer eins verbirgt sich ein doch etwas grenzdebiles
Muttersöhnchen, mit einer fragwürdigen Vorliebe für Frauen. Seine Interessen
sind Cheerleader, Kochen und despotisches Verhalten. Als Liebhaber ziemlich
ungeschlagen, will aber immer aufs selbe hinaus. Hinter Vorhang Nummer zwei
steckt der Romantiker. Sanft, liebevoll und charmant möchte er Ihnen den Tag
versüßen. Sehr anpassungsfähig in den Interessen, kann außerdem gut kochen
und scheut nicht davor den Haushalt zu führen. Hinter Vorhang Nummer drei
steckt ein Mann, der seine Besten Tage hinter sich hat, stark vom Charakter her,
jedoch enorm trottelig. Außerdem nichts für schwächere Gemüter. Diesen
Freier wollen Sie garantiert nicht als Feind haben. Nun entscheiden Sie sich,
wer soll es sein?“
Simone wartete eine Weile, bevor sie sich meldete.
„Und wie sehen diese Freier aus?“
„Das ist nebensächlich und beeinflusst die Auswahl negativ“, war die knappe
und monotone Antwort.
Gut, dann musste sie wohl auf gut Glück ihre Entscheidung verkünden. Ein
toller Liebhaber wäre sicherlich nicht schlecht gewesen, aber despotisches
Verhalten und Muttersöhnchen? Nein, darauf wollte sie verzichten. Auch Nummer
drei konnte man von der Beschreibung in der Pfeife rauchen. Demnach war die
Entscheidung schnell getroffen.
„Ich nehme Nummer zwei, den charmanten Romantiker.“
„Und dies sind die Kandidaten, die Sie nicht gewählt haben. Nummer drei ist
Ignazius Nockehöschen, General des Dunklen Reiches aus einer anderen Welt,
über 100 Jahre alt und eigentlich schon tot. Was soll’s, Schwamm drüber.“
Der Vorhang öffnete sich und dort war nichts, außer einem Häuflein Staub.
Glück gehabt.
„Nummer eins wäre Imperator Freudengardt gewesen. Er stammt von den Drachen
ab und sieht immer aus, wie der Mann ihrer kühnsten Träume.“
Hinter dem Vorhang stand ein Mann in eiserner Rüstung, der von einer Gruppe
Cheerleadern angefeuert wurde, bevor er von diesen abtransportiert wurde. Der
wäre sicherlich kein Fehlschlag gewesen. Schade drum.
Jetzt wurde es spannend, wer stand wohl hinter Vorhang Nummer zwei? Diese
Anspannung war kaum auszuhalten, während der nackte Ansager weiterhin monoton
den Gewinner ansprach.
„Nun der Moment, auf de Sie alle (nicht) gewartet haben! Der Auserwählte,
Ferdinand. Nachdem ihn seine einstige Geliebte ausnutze, betrogen und verlassen
hatte begann er zwar Freitod, welchen seinen rastlosen Geist nicht davon abhielt
weiterhin auf eine Frau zu warten, die seine Liebe erwiderte.“
Wäre Simone bei der monotonen Ansage nicht fast eingeschlafen, hätte sie
vermutlich den nächsten Schock ihres Lebens bekommen. Eine dunkle Gestalt in
einem rabenschwarzen Kapuzenumhang gehüllt, beinlos, schwebend und mit
knöchernen Händen, kam auf Simone zugeflogen. Was dann geschah, war leicht
erklärt. Das Gespenst fiel ihr in die Arme und knuddelte sie ordentlich durch.
Davon wurde natürlich die Angebetete des Geistes sofort wach, schrie auf und
stieß ihn weg.
„Was soll denn der Mist? War hier nicht die Rede von mythologischen
Traumkerlen? Was soll das?“, beschwerte sich Simone lauthals.
„Geister gehören nun mal in die mythologische Sparte und vom Umtausch sind
wir leider ausgeschlossen. Einen schönen Tag noch“, waren die letzten Worte
des Nackten, bevor dieser sich einfach in Luft auflöste und die Damenunterhose
natürlich mitnahm.
Jetzt hätte man sich eigentlich denken können, dass diese doch sehr
Nivea-lose... äh... niveaulose Geschichte endlich ihr wohlverdientes Ende
gefunden hätte, dem war aber leider nicht so. Ganz im Gegenteil, es ging noch
weiter.
Denn nachdem Simone den Bettlakenfetischisten ordentlich eines auf die Zwölf
gegeben hatte, machte sie sich auf den Nachhauseweg.
Dieser bestand jedoch aus so vielen Umwegen, dass sie erst weit nach Mitternacht
dort wohlbehalten ankam. Das alles natürlich nur um diesem Gespenst zu
entkommen. Doch trotz aller Liebesmüh erwartete Simones gespenstischer Stalker
sie schon an der Eingangstür. Simone starrte diesen, fast schon lächerlichen,
Verehrer an, welcher seiner Geliebten zuwinkte.
Wütend stapfte Simone auf ihn zu und brüllte: „SAG MAL, HAST DU NIX BESSERES
ZU TUN, ALS MIR NACHZUSPIONIEREN!?“
Der Geist zeigte keine Reaktion.
„Verstehst du mich überhaupt?“
Der Geist nickte.
„Kannst du auch sprechen?“
Der Geist nickte erneut.
„WARUM ANTWORTEST DU DANN NICHT!“
Der Geist wandte sich ab und machte so was Ähnliches wie eine peinlich
berührte Szene.
„Du bist schüchtern...“, erkannte Simone die Lage und beschloss endlich
ihre Behausung einzutreten.
Glücklicherweise blieb das Haus jedoch stehen, Simones Füße waren nicht
gebrochen und sie trat ein. Was jetzt nicht sonderlich überraschend war, ihre
Mutter wartete im Flur auf sie, schien aber nicht sonderlich wütend zu sein. Im
Gegenteil, sie schien, als stand sie weit neben der Spur.
„Hallo, Schnucki. Wo warste denn? Habsch ganz lange auf dich wartet“,
brabbelte die Mutter nur ganz schwer verständlich vor sich hin.
„Wie bitte?“
Simones Mutter wiederholte sich noch einige weitere Male, besser verstehen
konnte man sie jedoch noch immer nicht. In der Zwischenzeit war auch das
Gespenst im Flur, wie es für Geister nun mal so üblich war, erschienen. Es
tippte Simone auf die Schulter und deutete etwas an, indem es auf ihre Mutter
zeigte.
„Ja, ich glaube auch dass meine Mutter spinnt.“
Der Geist schüttelte energisch den verhüllten Kopf.
„Ach so, ja. Mutter, darf ich dir meinen... Verehrer vorstellen? Er ist tot,
das heißt, nicht wirklich tot. Eher so ein Zwischending aus lebendig und tot.
Du verstehst?“, versuchte Simone ihren neuen Freund vorzustellen.
Ihre Mutter grinste übertrieben debil. Sehr übertrieben. So übertrieben, dass
sie vermutlich betrunken war.
„Ich möchte dir deinen
Schwipp-Schwager-Kusine-Tante-Urgroßmutter-Schwester-Großvater vorstellen“,
brachte ihre Mutter plötzlich hervor.
„Bitte wen willst du mir vorstellen?“
Jetzt war die Verwirrung wirklich perfekt. Gut, Schwippschwager sagte Simone
etwas, aber wie konnte jemand gleichzeitig die Kusine und auch noch der
Großvater sein? Das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Jedenfalls so lange, bis dieser überproportionierte Strich in der Landschaft
plötzlich den Flur betrat und sich vorstellte.
„Hallo, ich bin es, Oblyvia. Ich werde dich aufstechen... äh... ausstechen.
Und dann werde ich allen meine Vorzüge beweisen!“
Simone schwieg Oblyvia einfach an.
„Natürlich werde ich mir als allererstes deinen nudistischen Freund unter den
Nagel reißen, dann werden wir als Königin und Sklave die Welt regieren“,
fing das Busenwunder plötzlich an zu schwärmen, wurde jedoch je unterbrochen.
„Das war nicht mein Freund, er war lediglich ein Vermittler und hat mir das da
aufgeschwatzt“, gab Simone eher reißerisch von sich und deutete auf den
Geist, der nur stumm zusah.
„Dann werde ich mir eben den unter den Nagel reißen“, gab die unwirkliche
Schönheit trotzig von sich.
Na toll, Oblyvia war nicht nur eine Mary Sue, sondern auch noch nekrophil.
„Ich würde ihn dir ja schenken, aber er scheint nicht besonders erpicht
darauf zu sein.“
„WIE KANNST DU MADE ES WAGEN, GEGEN MEINEN GENIALEN PLAN ANSTINKEN ZU
WOLLEN?“, brüllte Oblyvia los, die offensichtlich nur Dinge akzeptierte, auf
die nur sie selbst kam.
Wie damals die Sache, alles in Schokolade zu verwandeln. Das Ende vom Lied war,
dass sich die Leute gegenseitig auffraßen und sich Oblyvia eine andere Welt
suchen musste, in der sie zur Übergöttin mutieren konnte. Das aber nur
nebenbei.
Wie auch (schl)immer, das kleine Fräulein Perfekt lachte unglaublich
scheußlich und tänzelte anschließend mit der Grazie eines umfallenden Sackes
Reis aus Simones Elternhaus, mit folgendem Reifenquietschen und dem Geräusch
eines Autounfalls.
Als wäre damit ein böser Zauber von Haus entfernt, schien auch wieder ihre
Mutter zur Besinnung zu kommen. Jedenfalls sabberte sie nicht mehr.
„Alles in Ordnung, Mutter?“
„Ich denke schon, Liebes, aber ich muss schlecht geträumt haben...“
„Schlecht geträumt?“
„Ja, ich träumte, dass eine halbnackte Nymphomanin ins Haus eindrang und mich
mit ihren Gesprächen immer weiter verblöden ließ.“
Damit hätte jetzt alles endlich geklärt sein können, aber da gab es ja
schließlich noch ein nicht tot zu kriegendes Problem.
„Simone, Kindchen, was ist das da für ein Kuttenheini? Der Schwarze Abt?“
„Nein, das ist mein Liebhaber. Ich wollte mir ja einen verdammt knackigen
Burschen beschwören, allerdings kam nur das bei raus“, erläuterte die
Tochter missmutig und ganz knapp.
Die Mutter hingegen fing sofort an zu schwärmen.
„Ach ja, das erinnert mich an meine Jugend, als ich noch nicht ganz so schön
war, wie heute. Da wollte ich mit bedingungslosen Dienern Tote beschwören. Das
klappte aber nicht und so lernte ich deinen Vater kennen, als er uns als
Polizist verhaftete.“
Simones Vater war Polizist, damals ein Neuling zwar, aber immerhin. Nicht das
jemand auf den naiven Gedanken käme, Simone sei ein Halbdämon (nur zu einem
Tausendstel). Das wäre schwachsinnig und obendrein unlogisch. Wie auch immer,
vor zwei Jahren verstarb ihr Vater bei einem Einsatz, um das ganze vollkommen
aufzuklären.
Ihrer geistig umnachteten Mutter nachsehend, beschloss Simone sich zu Bett zu
legen, morgen würde sie zu diesem Antiquariat gehen und sich über dieses
Ramschbuch beschweren.
Den Ereignissen des ganzen letzten Tages zufolge schlief Simone jedoch zwei Tage
durch, denn wie oft reist man schon ins Jahr 1904, wird von Außerirdischen
entführt, von Wäschetrocknern fast versklavt und so weiter? Nicht zu vergessen
das geisterhafte Geisterproblem ohne geistreiche Konversation?
Während Simone unter der Dusche stand, überlegte sie selbstverständlich, wie
sie ihren leicht angetoteten Verehrer wieder loswerden konnte. Dem nackten
Moderator zuzuhören war immerhin nicht einfach, bei dieser monotonen
Sprachweise. Beim bloßen Gedanken an diesen nackten Schönling kam sie so sehr
geistig ab, dass sie nicht bemerkte, wie ihr Schaum in die Augen lief. Wie es
nun mal bei Seifenschaum in den Augen schon immer war, sprang Simone ungeschickt
aus der Duschkabine und versuchte nach dem Handtuch zu greifen. Sie ergriff
selbstverständlich auch nach einem Baumwollstoff, nur handelte es sich dabei
nicht um ein Handtuch, sondern – wie könnte es anders sein – um die Kutte
des Geistes.
Simone schrie entsetzt auf und...
[folgender Absatz musste aufgrund hoher Gewaltdarstellung und Vulgärsprache
zensiert werden]
Simone hätte nie gedacht, was man für tödliche Angriffe mit Gänseblümchen
machen konnte, als sie mit ihrem Verehrer fertig war. Eine allergische Reaktion
mal ausgeschlossen. Was minder schön war, sie suchte in der Innenstadt schon
seit zwei Stunden nach dem ominösen Antiquariat. Sie war sich sicher, dass sie
sich nicht in der Straße geirrt hatte. Na gut, sie war sich fast sicher. Aber
wie sollte man sich denn in einer Stadt zurechtfinden, die vom Autor nicht
einmal ausreichend genug beschrieben wurde? Hier sah alles gleich aus!
Nach weiteren drei Stunden fragte sie einen harmlosen Passanten, ob in dieser
Straße nicht einmal ein Antiquariat war.
Die Antwort, dass es zwei Straßen weiter war verwunderte Simone zwar ein wenig
sehr, war aber abzusehen.
Das Antiquariat hatte sich innerhalb der letzten Tage nicht wirklich geändert,
es war vielleicht noch staubiger, aber noch immer düster. Dafür sprang Oblyvia
wie eine Prima Ballerina im Ladenlokal umher. Aber ignorieren wir das einfach
mal, wobei sie schon längst tot sein müsste.
Die fragwürdige Verkäuferin stand mit dem Rücken zur Kasse, vermutlich, und
neigte sich in einem gewissen Takt immer vor und zurück. Simone nahm ihren
ganzen Mut zusammen, ignorierte weiterhin den halbnackten Nervbolzen, und geigte
der Verkäuferin ihre Meinung.
„Sagen Sie mal, was haben Sie mir da für einen Ramsch angedreht? Anstatt mit
diesem dummen Buch etwas halbwegs Ansehnliches zu bekommen...“
Die Verkäuferin drehte sich um, jedoch handelte es sich dabei um das Gespenst
und wollte Simone wieder an den Busen fallen.
„Hier, nimm das“, entgegnete Oblyvia kurz zu Simone und drückte dieser
einen Baseballschläger in die Hand, womit diese ihren praktischen Nutzen in der
Geschichte erfüllte, endlich!
Simone nahm den Schläger dankend an und führte damit einen erfolgreichen
Exorzismus ab.
Somit fand diese Geschichte auch endlich ihr wohlverdientes Ende.
Oblyvia starb kurz darauf, weil sie als Mary Sue ihren Nutzen erfüllt hatte,
wurde aber als noch nervigere Göttin ins Leben zurückgerufen (mit noch
längerem und vor allem schlimmerem Namen).
Die Verkäuferin schmollte, weil sie keinen zweiten Auftritt bekam.
Simones Mutter verklagte den Autoren auf Schmerzengeld, weil sie weder ein
Aussehen, noch Charakter erhalten hatte.
Simone fand in ihrem besonderen Buch einen Spruch, mit dem sie den Namenlosen
direkt als Freund beschwören durfte und lebte noch lange glücklich mit ihm
zusammen.
Der Namenlose hingegen bekam einen lächerlichen Namen und machte, seitdem er
mit Simone verheiratet ist, jeden Sommer Urlaub an einem FKK-Strand.
Doch eine Frage blieb offen: Nämlich was für Tabletten dieser Schundautor
genommen hat, um diesen Mist zu verzapfen? Doch lassen wir das alles hier jetzt
auf sich beruhen und bemühen uns, das hier aus unserem Gedächtnis zu
streichen, um uns schöneren Dingen zu widmen.