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deserted-monkey
25.06.2007, 22:42
Oh Mort, was ist da draußen?







Diese Geschichte ist jemandem gewidmet


In einem kleinen Saloon einer unwichtigen Stadt zu einer unwichtigen Zeit, nämlich 1998


“Ach du dicke Scheiße.”, flüsterte Elton Rainy, der auf einem schäbigen Hocker im hinteren Teil des Saloons saß und gerade eine Runde Blackjack mit drei schmierig aussehenden Mexikanern spielte. Seine geflüsterten Worte wurden allerdings dem Aussehen des Fremden nicht gerecht, der gerade mit einer ziemlich hilflos wirkenden Bewegung die Schwingtüren quietschen ließ und stolpernd den Saloon betrat. Er sah mehr als Scheiße aus.
Auf seinem Kopf saß ein tief in die Stirn gezogener, ehemals schwarzer und verknitterter Cowboyhut, dessen Farbe von der Sonne derart gebleicht worden war, dass sie eher an ein schmieriges Grau erinnerte. Seine Füße steckten in abgewetzten, zerlöcherten Lederstiefeln, die bei jedem seiner Schritte ein leises Klack! hören ließen. Staubig-blaue Jeans, an denen sich unzählige Motten gütlich getan hatten und ein vergilbtes, verschwitztes Hemd trug er am schlaksigen, dürren Körper. Ärmchen so zerbrechlich wie Holzstecken lugten aus den abgerissenen Hemdärmeln hervor. Sein Gesicht war zerfressen von Dutzenden Narben und nicht verheilten Wunden, aus der übergroßen Geiernase tropfte ihm eine Art Schleim, dessen Farbe zu grünlich war, um als Rotz durchzugehen und seine Augen hatten etwas derart stechendes an sich, dass kein Mensch direkt in sie blicken konnte, ohne nervös zu werden. Diese Augen hatten etwas gesehen, etwas das kein Auge der Welt hätte sehen dürfen, dass wusste Elton Rainy, ohne in sie geblickt zu haben.
Mit dem seltsamen Fremden kam auch dieser abscheuliche Gestank, der nicht einmal Elton Rainy entging, welcher zu hinterst im Saloon saß. Wie eine Mischung aus Hundekacke und verfaulendem Obst.
Nun herrschte für einen kurzen Moment Stille und jeder Gast blickte den Fremden (jedoch nicht in seine Augen) wortlos an. Dieser tat so, als bemerke er die Blicke nicht (und vielleicht tat er das wirklich nicht) und setzte sich mühevoll an einen leeren Tisch direkt beim Eingang. Als er sein Fliegengewicht mit den Armen auf dem Tisch abstützte, um sich zu setzen, glaubte Elton Rainy schon fast, diese würden unter seinem Gewicht einfach zerbrechen. Natürlich geschah dies nicht, aber es schien den Fremden einige Mühe zu kosten, seinen Allerwertesten auf den Hocker zu pflanzen.
Ein leises Murmeln ging durch die Menge der anwesenden Gäste. Dann stand Pietro, der alte Barkeeper vor dem Tisch des Fremden und verzog sichtlich das Gesicht wegen des Gestanks, der so nah bei der Gestalt beinahe unerträglich sein musste.
“Ich muss Sie leider bitten zu gehen, Mister.”, sagte er trocken und seine Pfeife spuckte graue Asche, da er beim Sprechen unabsichtlich in sie geblasen hatte.
“ ... Name ist Mort.”, stotterte der Fremde mit dünnen, gequälten Stimmbändern, die sich anhörten, als hätten sie tagelang kein Wasser gesehen. So sah Mort auch aus. Der alte Pietro musste dem Drang sichtlich widerstehen, sich die Nase zuzuhalten.
“Ich muss Sie leider bitten zu gehen, Mister Mort.”, wiederholte er und seine Augen begannen sich hektisch im Raum umzusehen, als die des Fremden die seinen suchten.
“ ... habe etwas gesehen ... draußen ... Wüste ... “, stotterte Mort krächzend weiter und seine Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern. “Gesehen ... “
Pietro schüttelte den Kopf und zeigte auf die Schwingtüren des Saloons.
“Bitte gehen Sie, oder ich muss Sie gewaltsam hinausbefördern lassen, und das wollen wir doch nicht, oder?”
Alle im Saloon hielten den Atem an und lauschten dem Gespräch zwischen dem Barkeeper und dem seltsamen Fremden, aber niemand sah hin, niemand.
“Kann ... nicht ... gehen ... es wartet ... draußen ... “
Morts Augen rollten in ihren Höhlen und sahen so noch irrer aus, als sie eh schon waren. Seine Finger verkrampften sich an der Tischplatte, als wolle er sich an dieser irgendwie festhalten.
“Mann, der Typ macht mir Angst. Der ist vielleicht irre!”, hörte Rainy jemanden neben sich tuscheln. Eine ältere Lady (die vor 20 Jahren wahrscheinlich einmal hübsch gewesen war) hielt sich tatsächlich mit finsterer Miene das Riechorgan zu. Wachsam lauschte Rainy weiter dem Gespräch.
“Was soll draußen warten?”, fragte eine sarkastische Stimme, die einem etwa 20 jährigen Jungen gehörte, der sich das blonde Haar lässig aus der Stirn gekämmt hatte. “Ein stinkender Kojote, der dich fressen will?”
Der spöttische Lacher eines bärtigen Mannes war zu hören, dann fuhr der gebrechliche Mort auf seinem Hocker herum (grüner Schleim flog aus seiner Nase und bespritzte Tisch und Boden), suchte mit seinen erschreckend wachsamen Geieraugen nach dem lässigen Blondie und dann kreischte er plötzlich los. Sein Mund flog auf (Rainy glaubte seinen Kiefer knacken gehört zu haben) wie eine umgekehrte Bärenfalle und er kreischte die unmenschlichsten Laute, die sämtliche anwesenden Gäste des Saloons je in ihrem Leben gehört hatten.
“Aakhhh ... Hrrrrrgh ... Uuaaaarrrgghh ... “
Seine Schreie klangen abgehackt, krächzend, fauchend und gurgelnd zugleich. Seine Nase versprühte wahre Sturzbäche des grünlichen Schleimes, dann stoppten seine unheimlichen Laute so plötzlich, wie sie begonnen hatten. Kurz hustete er noch, dann krachte er mitsamt seines Hockers zu Boden. Dort lag er, sein Kiefer öffnete und schloss sich unaufhörlich (Klack! Klack! wie seine Schuhe) und er zuckte mit den dürren Ärmchen wie wild umher.
Pietro wandte sich angewidert und mit leicht ängstlichem Blick von dem zuckenden Männchen ab und schrie: “Schafft mir diesen Irren hier raus!”
An der Bar erhoben sich zwei Männer, die kräftig genug aussahen, dass Männchen einfach in der Mitte durchzubrechen.
“Nicht draußen!”, schrie Mort der Zuckende plötzlich mit großer Kraft. “Ich! ... nicht! ... raus! Draußen! ... ist es!”
Die beiden gerufenen Kraftpakete kamen näher. Pietro hatte sich etwa 3 Schritte von Mort entfernt.
“Es wartet ... draußen.”, Morts Stimme war nur noch wieder heiser, brechend, seine Stimmbänder mussten bald einmal einfach reißen. “Kam ... über ... die Wüste ... schrecklich ...”
Er gab eine Art Seufzer von sich und dann lief ihm dicker Speichel aus dem geöffneten Mund. Seine Zähne klapperten, als er weiterfuhr (die beiden Kraftpakete hatten ihn fast erreicht): “Es ... hat mich ... zu... zu dem ... gemacht, was .... was ich ... bin ...”, krächzte er immer leiser werdend. Die beiden Männer, die aufgestanden waren, um ihn hinauszubefördern, packten beide je ein Ärmchen des armen Mort.
“Raus mit ihm!”, bellte Pietro und nickte zornig, aber auch etwas zu hastig, um die Angst in der Bewegung zu unterspielen. Mort drehte völlig durch, wehrte sich wie ein wildes Tier und kämpfte und fauchte, doch es half alles nicht, die beiden waren viel zu stark für ihn.
“Hab die Ewigkeit gesehen!”, schrie der um sein Leben kämpfende Mort nun zum allerletzten Mal in seinem Leben aus voller Kehle und dann sackte sein Kopf kraftlos nach vorne und er wurde still, ganz still.
Kraftpaket Nummer Eins und Nummer Zwei hoben ihn hoch und zögerten leicht, als sie die Saloonschwingtüren erreichten. Diese füllten fast den ganzen Rahmen aus, so dass man von innen nicht hinaussehen konnte.
Was wäre, wenn dort draußen wirklich die Ewigkeit ist? fragte sich Elton Rainy absurderweise fast gleichzeitig mit den beiden Rausschmeißern. Dann öffneten sie die Schwingtüren. Es gab keinen Laut, kein Geräusch, die beiden kippten einfach tot aus ihren Latschen und begruben Mort, das dürre Männchen, unter sich. Fertig.
Da draußen war die Ewigkeit. Das wusste nun jeder im Saloon und Erschrecken und Panik und Erkennen machte sich auf den Gesichtern der Gäste breit. Nur Rainy sass da und sah. Oh Gott, er sah. Bevor die quietschenden Saloontüren ganz zuschwingen konnten, sah er, was da draußen wartete. Dessen Farbe war zu grün, um als Rotz durchzugehen.
Es war der neue Fiat Multipla.


http://www.minivan.pl/img/mid/53-fiat-multipla.jpg
Sorry, das is echt das hässlichste Auto auf Erden, oder? Seit 1998 sorgt der Multipla dafür, dass auf unseren Strassen noch hässlichere Gurken rumgurken. Sinnlos oder nicht, mit dieser Geschichte musste das einfach mal gesagt werden.

La Cipolla
25.06.2007, 23:57
:hehe: :hehe: :hehe: :hehe: :hehe:
Sehr, sehr schön. xDDD''
Die Beschreibungen sind btw auch ohne die Pointe göttlich, aber die macht diese Geschichte natürlich erst zu einem Meisterwerk. Und zu dem Auto ist alles gesagt. :rolleyes:



Nur Rainy dass da und sah.
Verwirrend. ;)

NeoInferno
26.06.2007, 12:50
Nett nett, nur hab ich aus Versehen den letzten Satz der Geschichte vor dem ersten gelesen und wusste leider die ganze Geschichte über worum es geht ^^

Was mir auffällt ist, dass du imo noch an der Quantität deiner Beschreibungen, also Adjektive, Metaphern und so, arbeiten solltest. Zu wenige davon sind nie gut, zu viele aber auch nicht.

deserted-monkey
26.06.2007, 13:16
@ La Cipolla

"Die Beschreibungen sind btw auch ohne die Pointe göttlich, aber die macht diese Geschichte natürlich erst zu einem Meisterwerk. Und zu dem Auto ist alles gesagt."

Danke, danke. Den Multipla kann ich wirklich nicht ausstehen und bekomme jedesmal Wutanfälle, Zitterausbrüche und einen lockeren Zeigefinger (der am Abzug meines imaginären Colts liegt), wenn ich so ein Ding die Strasse entlangkriechen sehe. Und ich habe bis heute noch keinen einzigen Menschen getroffen, der mir gesagt hat, dieses Auto wäre designmässig schön. ;) Eigentlich wollte ich ja eine Westerngeschichte schreiben (die Idee dazu ist mir gekommen, als ich meinen Bruder beim "Total Overdose" zocken gesehen hab), aber irgendwie hatte ich plötzlich den Einfall mit dem hässlichen Multipla. Ja, ihm ist diese Geschichte nun gewidmet worden.

"Verwirrend ;) "

Ich glaubs nicht, du findest doch tatsächlich einen der zwei einzigen Schreibfehler in dem Text http://www.multimediaxis.de/images/smilies/old/sm_15.gif ;)

@ NeoInferno

"Nett nett, nur hab ich aus Versehen den letzten Satz der Geschichte vor dem ersten gelesen und wusste leider die ganze Geschichte über worum es geht"

Ich hab doch gewusst, dass das früher oder später jemandem passieren würde >:( >:( Hätte ich doch besser den letzten Satz auch noch in den Spoiler gepackt...

"Was mir auffällt ist, dass du imo noch an der Quantität deiner Beschreibungen, also Adjektive, Metaphern und so, arbeiten solltest. Zu wenige davon sind nie gut, zu viele aber auch nicht."

Quantität? Das heisst jetzt, ich hab entweder zu wenige oder zu viele, oder? Ich vermute jetzt einfach mal, ich hab zu viele. Stimmts? Sorry Mann, aber ich peil das jetzt gerade nicht ganz... ;)

Oh, meine Posts sind überfüllt von diesen Smileyviechern ... *nachdenklichamkopfkratzundnochnenjointbau* ;)

NeoInferno
26.06.2007, 14:00
Das heisst jetzt, ich hab entweder zu wenige oder zu viele, oder? Ich vermute jetzt einfach mal, ich hab zu viele. Stimmts?
Japp, zumindest empfinde *ich* das so. Es bläht deine Geschichte (oder Geschichten generell) und deren Länge unnötig auf.
Ich denke dann immer, böse wie ich bin:
"Hey, ich hab keine besonders gute oder lange Story zu erzählen, aber ich kann sie mit nem Haufen unnötiger Beschreibungen so aufpumpen, dass es so aussieht" :D

Ist hier aber wirklich nicht so extrem der Fall, du bist auf einem guten Weg. :)

Ach ja:
Quantität (http://de.wikipedia.org/wiki/Quantit%C3%A4t)

qed
27.06.2007, 09:34
Moin

Nun hast du schon wieder zwei neue KGs geschrieben, von denen ich die eine nun gelesen habe. Hat mir wiedermal sehr gut gefallen, dein Schreibstil hat sich einfach wahnsinnig verbessert, wenn ich das so mit früheren Werken von dir vergleiche. Klar, das mit dem in die länge ziehen stimmt, aber dennoch trägt es auch zur Atmo bei; so sieht man alles vor dem inneren geistigen Auge. Und die Pointe am Schluss, total unerwartet, dafür umso besser :D Du hast mir einmal gesagt, das ich gewisse Sachen in einer meiner (im Vergleich zu dir wenigen ^^) Geschichten gut beschrieben habe, und du das niemals schaffen würdest. Ich glaube es ist an der Zeit, das ich das nun zu dir sage.

Chapeau :hehe:nton:

PS: Mir ist noch gerade aufgefallen, vielleicht deine unbrutalste Geschichte, kann das sein? Und auch nicht sehr viele Kraftausdrücke ^^