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Pursy
24.06.2007, 04:00
Drei Tage… mickrige drei Tage hatte man ihn gesucht. Dann gab man die Suche auf. Und sie hatten nicht einmal sehr angestrengt gesucht. Im Gegenteil, er hatte das Gefühl, sie waren froh, dass er weg war.
Einsam wanderte er durch die Felder und Wälder. Endlich alleine. Sonst war er umgeben von Leuten. Leuten, die sonst ihre Hoffnung aufgegeben hatten, die klagten und die eigentlich nichts mit ihm zu tun haben wollten. Leuten, die ihn hassten und ihn fürchteten als alles andere auf der Welt.
Doch jetzt war er frei. Kein Gemecker, kein weinen, keine Angst. Endlich konnte er alles so genießen, wie er schon immer mochte.
Sein Drang nach Freiheit zog ihn immer weiter in die Wälder, hinaus aufs Meer und zurück. Hätte diese Freiheit jemals ein Mensch gespürt, wüsste man, warum er weg war.
Nach tagelanger Reise, er spazierte gerade wieder durch einen Wald, hörte er ein leises Wimmern und weinen.
Hier, ein Wimmern? Wie konnte das sein? Und warum? Was gab es schon noch für einen Grund zum weinen?
Er folgte dem leisen Klagen und gelangte zu einer kleinen Lichtung, auf der eine kleine Hütte stand. Mehr ein Schuppen, als eine Hütte. Notdürftig zusammengebaut, ohne Nägel, ohne Erfahrung.
In der Hütte sah er ein kleines Mädchen, das vor einem fast regungslosen Leib kniete und darüber gebeugt war. Ihre Kleidung war zerrissen und schmutzig, ihr Gesicht dreckig und mit Kratzern gezeichnet.
Das Mädchen blickte kurz auf und erschrak: „W… Wer bist du?“ Er betrat die Hütte durch den viel zu kleinen Eingang, seine Knie rutschten über den modrigen Boden.
„Meine Name ist Heiner.“ Er reichte dem kleinen Mädchen die Hand, doch bevor sie auch nur daran dachte, ihm ihre Hand zu geben, zog er sie auch schon wieder zurück. „Das sollten wir besser lassen.“
Langsam rutschte er auf seinen Beinen zu dem Körper, der dort auf dem Boden lag. Eine Frau, leise aber schwer Atmend, genau dieselben braunen, lockigen Haare wie das Mädchen.
„Was hat sie?“ Tränen kullern dem Mädchen über die Wange.
„Ich weiß nicht, wie lange hat sie das schon?“
„Eine Woche, aber so schlimm ist es erst seit ein paar Tagen.“
Vorsichtig betrachtete er ihr Gesicht, wagte es nicht einmal sie anzufassen. „Eigentlich müsste sie tot sein.“
Ein Röcheln, ein Husten. „Ich sehne mich… nach dem… Tod.“
Er blickte sie fragend an. „Warum? Willst du das Mädchen hier zurück lassen? Willst du nicht lieber weiterkämpfen und…“ Mehr fiel ihm nicht ein.
„Kämpfen ja…“ Ihr Husten unterbrach ihre Worte. „Aber… was dann? Ich kann sie… nicht ernähren, dass… macht sie alleine. Und… wenn meine Tochter… mich leiden sieht… dann stirbt auch ein Teil von ihr… genau wie wenn ich…. Wirklich sterbe.“
Das Mädchen wusste nichts zu sagen, verwirrt blickte es zu der Frau.
„Ich kenne… dich. Nicht wahr?“
Er nickte nur kurz. „Ja.“
„Dann… lass mich frei. Bitte.“
Sein Blick ging kurz zum Mädchen. Dann wieder zur Frau. Ihr Entschlossener Blick, so entschlossen wie es die Krankheit zuließ.
Langsam hob er die Hand zu ihrem Kopf, strich sanft über ihre Wange. Jetzt erst konnte er die Hitze des Fiebers in ihr spüren. Er spürte fast schon ihren Schmerz, von dem sie befreit werden wollte. „Schließ die Augen… schlaf einfach sanft ein.“
Sie schloss ihre Augen. Sie atmete ein, sie atmete aus.
Das Mädchen blickte auf seine Hand, die er von ihrem Gesicht nahm. „Wer… bist du?“
„Freund Heiner!“ Langsam kroch er aus dem Haus. „Wir sehen uns… wenn auch erst sehr spät.“ Mutigen Schrittes ließ er die Hütte hinter sich.
Er musste zugeben, er hatte etwas vergessen. Es schien zwar unwichtig, aber vergessen durfte er es dennoch nicht.

La Cipolla
25.06.2007, 06:28
Häh? O.o''
Schon wieder eine Geschichte, die ich nicht kapiere. -_-
Ist der Kerl nun der Tod, der seine Aufgabe vergessen hat? Nenn ihn Hein, das macht das klarer, Heiner hab ich in dem Zusammenhang noch nie gehört. ôO
Aber wieso haben ihn die Menschen drei Tage gesucht? ?_?
Ich kapiers nicht.

Also lieber der stilistische Teil. :rolleyes:

Sonst war er umgeben von Leuten. Leuten, die sonst ihre Hoffnung aufgegeben hatten,
Lies mal laut über deine Texte, sowas wie dieses doppelte sonst fällt dann eigentlich auf.

„Kämpfen ja…“ Ihr Husten unterbrach ihre Worte. „Aber… was dann? Ich kann sie… nicht ernähren, dass… macht sie alleine. Und… wenn meine Tochter… mich leiden sieht… dann stirbt auch ein Teil von ihr… genau wie wenn ich…. Wirklich sterbe.
Prinzipiell klappt die Sache mit den drei Punkten, aber du solltest sie nicht so periodisch setzen, kommt mehr wie ein Roboter als wie eine kranke Frau rüber. ;D Einfach selbst mal den Text sprechen, dann merkst du schon, wann du stocken würdest.

Das Mädchen wusste nichts zu sagen, verwirrt blickte es zu der Frau.
„Ich kenne… dich. Nicht wahr?“
Er nickte nur kurz. „Ja.“
„Dann… lass mich frei. Bitte.“
Mach hier bitte klarer, wer was zu wem sagt. Vor allem in einer interpetierbaren Geschichte sollte der Leser nicht überlegen müssen, an wen die Worte gerichtet sind. (Es sei denn natürlich, es ist ein Stilmittel, scheint es aber hier nicht zu sein.)

Im Großen und Ganzen muss ich aber sagen, es gefällt mir. Sind noch sprachliche Schnitzer drin, würds auf jeden Fall überarbeiten.
Und erklär mir die drei Tage. Oo

Trash
25.06.2007, 13:27
Um die Geschichte zu verstehen, musste ich sie mehrmals durchlesen. Aber ich muss dennoch zugeben, dass mich La Cipolla's Vermutung erst auf den Tod in Person brachte; zumindest fällt mir sonst niemand ein, auf den das zutreffen könnte.

Ich kann mir das nur so erklären, dass der Tod in einer Umgebung eine größere Aufgabe zu bewältigen hatte, sprich einge Personen ins Jenseits befördern musste, die ihm einfach nicht begegnen wollten und die mit dem Leben noch nicht abgeschlossen haben, und keiner der dortigen Einwohner konnte sich die Tode so richtig erklären. Demnach haben sie nach dem Tod sprichwörtlich "gesucht", aber nach drei Tagen schließlich aufgegeben mit der Ahnung, dass es vermutlich vorbei war.

Dem Tod wurde eine kurze Pause beschert, weswegen er diese Freiheit genießt. Auf dem Weg des Freiheitsgenusses hört er jenes Wimmern im Wald, das ihn zur nächsten Aufgabe bringt. Zum ersten Mal (seit langem vermutlich) sieht er eine Person, die wirklich sterben möchte, sich nach dem Tod sehnt und das widerrum freut ihn irgendwie, auch wenn es ihm gleichzeitig um das kleine Mädchen leid tut.

Er beweältigt seine Aufgabe und zieht davon.

Was bei mir allerdings ein Fragezeichen zurücklässt, ist die Sache mit dem Vergessen. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen was das sein sollte, außer vielleicht, dass er die Erinnerung des Kindes an den Tod in Person nicht gelöscht hat, falls dies möglich sein sollte. :rolleyes:

Stilistisch betrachtet ist deine Erzählung nichts atemberaubendes. Da stimme ich Cipolla zu, dass du es nochmal bearbeiten solltest. Du benutzt vorwiegend prägnante Sätze, wobei längere Ausschweifungen komplett fehlen. Auf diese muss du nicht verzichten, wenn du eine gewisse Dynamik erzäugen willst, die die Geschichte schneller vorantreibt, denn einige Ruhepausen benötigt jede Erzählung. Bei deiner Geschichte wäre die beste Stelle auszuschweifen die Hütte im Wald. Denn dort geht es mehr um Gefühle als um ein schnelles Ende, imo. ;)

Und ich versteh nicht, wieso die Frau und/oder das kleine Mädchen vorher nicht ins Krankenhaus gegangen sind bzw. warum keine Hilfe geholt wurde, wenn ihre Mutter das schon länger hatte. Erscheint mir etwas unlogisch.

Aber insgesamt betrachtet sagt mir die Erzählung zu. :A

NeoInferno
25.06.2007, 14:18
Zuerst eine Kleinigkeit:

und ihn fürchteten [mehr?] als alles andere auf der Welt.

Es gibt im Text sehr viele imho eindeutige Aussagen, die nur den Schluss zulassen, dass er der Tod ist. Überhaupt finde ich keine Passage, die das Gegenteil andeutet.

Die Idee des Textes ist wirklich interessant und größtenteils ganz gut umgesetzt. Nur wirkt mir alles für den schönen Plot viel zu flach, kurz und detaillos.
Ich hätte mir da einfach etwas längeres und intensiveres zu lesen gewünscht.

Pursy
25.06.2007, 17:47
Danke für die Kommentare und Kritiken, hab ich schon lang nicht mehr gesagt!

@ Chippo
Erstens war Freund Heiner ein Name, dem man den Tod im Mittelalter gegeben hatte. Zweitens... naja, wie lange würdest du dich darüber wundern, dass niemand mehr stirbt? Wie lange würdest du ihn "vermissen"? Länger als drei Tage? Also ich bestimmt nicht. Und mit den sprachlichen Schnitzern... naja, ich kann irgendwie nicht ohne! :p Ich habs mir drei mal durchgelesen und selber gemerkt, dass das manchmal schrunz ist... und dann hab ichs trotzdem gepostest. So hab ich es halt geschrieben! Aber das mit der direkten Rede hab ich mir so überlegt. Ich habe mir gedacht, dass es im Nachhinein klar wird, und dass sollte reichen. Schließlich wurde nichts direkt angesprochen. Weder wer er war, noch wer die beiden waren, noch woher sie sich kennen!

@ den Müll
Er hatte vergessen, warum er da war. Das er auch da war, um leiden zu beenden. Aber das sollte nur eine Interpretationsmöglichkeit sein, sollte am Ende halt offen bleiben.

@ NeoInferno
Ich denke, dass es der Tod ist ist teilweise sofort erdenklich, teilweise natürlich nicht.
Und ich bin einfach kein Mann langer Worte, obwohl ich manchmal dazu neige. Aber hätte ich es noch detailierter beschrieben, wäre meiner Meinung nach dieser Interpretationstouch weg gewesen, und der hing mir sehr am Herzen. Schließlich ist alles eine Frage der Ansicht.

La Cipolla
25.06.2007, 18:51
Der Tod ist ja auch recht eindeutig, aber nicht, wieso er seit drei Tagen niemanden mehr umbringt. ;D Es kommt so rüber als sein die Tage wichtig (für mich jedenfalls.), aber wenn es nur darum geht, dass es eine kurze Zeit ist, dann sag es doch so. Ein paar Tage, oder kurze Zeit halt. Sonst hängt man sich beim Nachdenken wie ich dort auf. @_@

Ich kenn nur den Namen Hein für den Tod, deshalb hatt ich das gefragt. Muss sich dann wohl von Zeit zu Zeit oder Region geändert haben.

Und das Vergessen, naja gut, mit der Erklärung gehts durch. Dann hat die Geschichte aber grundlegend zwei Interpretationsstränge, und wenn man in Gedanken nur einen verfolgt, kann man sich verheddern. ^^''

Dito an Neo, ausbauen. Am besten ein paar Seiten, siehe Poe. Das geht sehr nah an Poe ran, wenn nicht das positive Ende wäre. :rolleyes:

Mio-Raem
25.06.2007, 23:14
Woah, weißt du an was mich diese Stelle hier brutal erinnert ?

„Ich kenne… dich. Nicht wahr?“
Er nickte nur kurz. „Ja.“
„Dann… lass mich frei. Bitte.“
Sein Blick ging kurz zum Mädchen. Dann wieder zur Frau. Ihr Entschlossener Blick, so entschlossen wie es die Krankheit zuließ.
Langsam hob er die Hand zu ihrem Kopf, strich sanft über ihre Wange. Jetzt erst konnte er die Hitze des Fiebers in ihr spüren. Er spürte fast schon ihren Schmerz, von dem sie befreit werden wollte. „Schließ die Augen… schlaf einfach sanft ein.“
Sie schloss ihre Augen. Sie atmete ein, sie atmete aus.

An den Film "Rendevous mit Joe Black" mit Brad Pitt. Ich denke mal, du kennst ihn. Pitt spielt den Tod in Gestalt eines (durch ihn) verstorbenen Bankers, der herausfinden will, warum die Menschen das Leben so lieben, und sich auf dem Sterbebett so sträuben. Als er sich in eine junge Frau verliebt, deren Vater (Anthony Hopkins) bald mit ihm gehen muss, wird es kritisch...

Wunderbarer Film, und auch deine Geschichte gefällt mir sehr gut. Eben weil sie mich so daran erinnert. Will jetzt nicht sagen: "Das ist ganz klar geklaut!", aber ähnlich ist es schon. Nur den Namen "Heiner" finde ich ziemlich doof, egal ob man den Tod im Mittelalter so nannte oder nicht.