NeoInferno
20.05.2007, 20:02
Meine erste Kurzgeschichte seit einer Weile, denke ich mal. Ich hoffe, sie gefällt euch, und wenn nicht: Kritik wäre auch schön :)
Kann nebenbei sein, dass ich an einigen Stellen noch herumeditiere..
Schwanengesang
Das Privileg des Erzählers ist die Kenntnis des Anfangs und des Endes. Ich weiß, wie es begann, damals, als es noch keine Gedanken gab, keine Erinnerungen, keine Wirkung. Nur eine Ursache, eine kleine nur, aber stark genug, um zu überleben. 4,6 Milliarden Jahre lang.
Alles war Wald, der Wald war alles. Ein riesiger grüner Ozean aus Leben, so allumfassend, dass alles andere bedeutungslos wurde, für sehr lange Zeit.
Der erste Geruch duftete nach Moos. Der erste Ton war der Gesang eines jungen Vogels. Das erste Gefühl war ein warmer Wind, wie er über gigantische Baumkronen strich, über Wiesen voll von ungezähmten Grashalmen.
Der erste Atemzug des Anfangs. Wenn man die Augen schließt und den Atem anhält, kann man ihn noch immer spüren…
*
Vor uns ausgebreitet ist: Eine buntes Meer aus flüssigem Neon. Ein dunkler Dschungel aus Irrlichtern, die Irrwege beschreiben. Eine Miniaturstadt, bewohnt von Miniaturmenschen, die ihren Miniaturtätigkeiten nachgehen.
Durch die Straßen zieht eine Prozession der Stille, weil alle Töne hoch zu uns schweben, sich über unseren Köpfen sammeln, wie eine Gewitterwolke aus reinem Schall.
Yara sagt: „Ich hab da so ein hohes Fiepen im Ohr…“
Ihr Fuß wippt im Takt der Nichtmusik, die hier überall herumschwirrt und sie betrachtet die paar Sterne über unseren Köpfen.
Und ich sage, dass das sterbende Töne sind.
Frequenzen, die sie nie wieder hören wird. Kleine, hohe Schwanengesänge.
„Ich verstehe nicht, warum wir kein bisschen traurig sind deswegen. Stell dir vor eines Tages kannst du plötzlich eine bestimmte Farbe nicht mehr sehen. Sie wäre einfach weg. Würde dir das etwa nichts ausmachen?“
Sie kneift die Augen zusammen, als versuche sie sich tatsächlich vorzustellen, wie eine Farbe aussieht, die nicht mehr da ist. Als sie die Augen wieder öffnet, hat sie ein selbstzufriedenes Lächeln auf den Lippen.
„In meinen Gedanken lebt alles weiter. Farben, Töne, auch wenn sie eines Tages hier draußen verschwunden sind, hier drin leben sie weiter. Von hier kann sie mir keiner wegnehmen“, sagt Yara und hält sich eine Hand ans Herz.
Dieses überschätzte Organ, denke ich, und lasse meine Zigarette vom Rand der Brüstung hinunterfallen. Dieses Gerede vom Sitz der Seele und dem Nicht-Wirklich-Verlieren und dem „Weißt du noch?“. Sich Farben vorstellen, die es nie gegeben hat. Schlechte Zeiten in guten Erinnerungen ertränken.
Noch immer mit dem Rücken zu Yara sage ich: „Vielleicht verlierst du eines Tages etwas so wertvolles und großes, dass du merkst, dass du einige Sachen nicht in deinem Herzen tragen kannst.“
Ganz weit unter mir erlischt ein letzter Funken und gesellt sich zu seinen verglimmenden Schwestern und Brüdern, dort unten im Land der Stille und der Nichtigkeit.
„Außerdem“, sage ich, schaue Yara an und versuche nicht allzu theatralisch zu klingen.
„Wenn man sich an etwas Verlorenes erinnert, ist es meist eh schon zu spät.“
*
Sie war nicht mehr hier. Weggeflogen durch einen kleinen Spalt in der Mauer, mit neonfarbenen Plastikflügeln, weggeritten auf dem dichten, milchigen Rauch. Hoch zu den Sternen, dann ins Nirwana und dann in ihr eigenes Herz, wo das tiefe Glück sie packte und für ein paar Stunden hielt, bis der Griff sich löste, ganz allmählich, und sie widerwillig zurückkam. Und dann feststellen musste, dass da nichts Warmes mehr war, kein Glück, das sie hier halten konnte, und dass der stickige Rauch einfach nur in ihrem Hals kratzte, in ihren Augen brannte, und nicht entweichen konnte, weil der Raum keine Fenster hatte. Die Farben waren ausgewaschen, die Ferne vergessen, nur die Sterne glommen noch etwas nach.
Sie war wieder hier.
Am Anfang war da etwas, was man als Proberaum bezeichnen kann, eine Art Metapher für Leute mit viel Phantasie. Dort saß jemand mit blonden, geflochtenen Haare und einer ausgetragenen, überlangen Cordhose. Und hier saß jemand der sich Sorgen machte.
Irgendwann fragte ich mich nicht mehr, was ich hier unten machte, sondern wusste, dass ich genau hier sein musste. Genau jetzt.
Ich stand auf und setze mich rüber zu dem Mädchen mit den trüben, traurigen Augen, dem Joint in der Hand und den müden Gedanken im Kopf.
Ich sagte: „Du siehst nicht gerade glücklich aus.“
Sie nahm einen langen Zug und hauchte den Qualm genüsslich nach oben hin aus, wo sie wohl irgendwelche Sterne erwartete, oder irgendein Zeichen für irgendwas.
Sie sagte: „Wie bitte?“, und es klang wie ein Ersatz für eine Frage. Ein Symbol für etwas, das nur sie kennt.
„Glaubst du wirklich du brauchst den ganzen Kram da, um irgendeinen Sinn in dein Leben zu bringen?“, sagte ich und lehnte mich auch zurück, schaute in die imaginäre Ferne über unseren Köpfen, die da irgendwo sein musste, an der Decke eines metaphorischen Proberaums.
„Die meisten Leute“, begann sie ganz langsam und bildete jedes Wort als sei es aus zerbrechlichem Glas, „reden von Glück, Sinn und Leben und solchem Zeug, ohne auch nur die kleinste Ahnung zu haben, was das eigentlich sein soll. Wenn jedem selbst überlassen wird, was wir darin sehen…“
Sie nahm noch einen Zug und drückte den Joint im Aschenbecher aus.
„…ist die Welt ziemlich am Arsch.“
Ich sagte: „Ich weiß es. Ich zeig’s dir, wenn du willst.“
Am Anfang gingen zwei Menschen langsam die Stufen aus einem metaphorischen Proberaum hinauf.
Einer von beiden hatte ein Lächeln im Gesicht.
Ein anderer sagte: „Übrigens: Ich bin Yara“.
*
Wir tanzen zum Stimmgewirr mehrerer Menschen, zu den Geräuschen die sie machen, wenn sie Bierflaschen öffnen oder gelegentlich fallen lassen. Zu dem stetigen Surren der Nachtbeleuchtung und zum undefinierbaren Krach, der aus einem kleinen, überforderten Radio kommt.
Die Dämmerung kriecht bestimmt bald hinter der fernen Betonwüste hervor. Heute ist die Farbe der Zeit schwarz und sie schwindet merklich, mit jedem Schritt den wir tun, mit jedem Wort das wir nicht sagen.
Yara umarmt mich und flüstert mir ins Ohr: „Weißt du, was ich damals machen wollte, bevor wir uns zum ersten Mal trafen?“
Ich sage: „Studentin der Esoterik vielleicht, parallel neben dem Tiefseetauchen und Kellnern? Nein im ernst, ich glaube, du wolltest damals so ziemlich gar nichts tun. Weil du nicht wusstest, wer du bist. Na jedenfalls starrt uns dein Freund schon die ganze Zeit an.“
Und eigentlich sind alle um uns herum nur Statisten. Hier oben stehen nur drei Menschen, und alles was man sehen kann, sind die feinen Linien zwischen ihnen. Die Ideen, die sie vereinen und trennen. Mit jeder Sekunde gehen wir der ungewissen Zukunft entgegen. Nur mit dem Wissen, dass man nichts weiß.
Sie drückt sich noch etwas näher an mich und flüstert mir zu: „Ich wollte sterben. Dann traf ich dich. Und jetzt verlobe ich mich.“
„Glaubst du ich tue das richtige?“
Mit dem Wissen, dass man nicht weiß, was man will. In welcher Zukunft man sein will. Welche Idee die richtige ist und für wen. Gefangen zwischen Egoismus und dem Besten für einen anderen.
„Warum fragst du mich das?“
„Weil du mich gerettet hast. Weil du mein Kompass bist. Mein Gewissen.“
*
Vor uns ausgebreitet war: Eine orangefarbene, schmelzende Halbkugel. Schatten von schwarzen Umrissen von angedeuteten Bäumen. Hellblaue Irrlichter, die im See baden. Die wichtigsten Nebensächlichkeiten eines Moments.
Am Anfang saßen zwei Menschen im Gras.
Yaras Kopf lag auf meiner Schulter.
Ich legte meinen Arm um sie und sagte: „Weißt du was das hier ist?“
Ich sagte: „Der Anfang vom Rest deines Lebens.“
Ich sagte: „Der Anfang vom Glücklichsein.“
*
Das Privileg des Erzählers ist die Kenntnis des Anfangs und des Endes. Ich weiß, wie es endet. Es endet so:
Ich sitze im Zug. Bei jedem Regentropfen, der auf der Scheibe zerplatzt, hoffe ich, dass ich mich irre. Dass manche Herzen furchtbar groß sind und Erinnern so etwas wie wieder finden sein kann. Ich hoffe, dass es Dinge gibt, die einem niemand nehmen kann. Ich hoffe, dass man sich unvorstellbare Farben vorstellen kann, wenn man nur die Augen schließt.
Manchmal kann man nicht sagen, wer gewinnt und wer verliert.
Jedes Mal, wenn die Grenzen verschwimmen, zwischen den richtigen und den falschen Entscheidungen, regnet es.
In einem Paralleluniversum, verließen die zwei Menschen, auf die es ankommt, die Feier zusammen. Weil einer von ihnen sich nie entscheiden musste.
Und es endet so:
Am anderen Ende einer kleinen Welt öffnet jemand einen Brief.
Er beginnt so:
Vor uns ausgebreitet ist: Eine buntes Meer aus flüssigem Neon…
Im allerletzten Moment, bevor eine kleine Welt für immer stirbt, fallen ein paar Tränen auf eine Geschichte aus einem Brief und draußen, bei hellstem Sonnenschein und blauem Himmel, beginnt es zu regnen.
Kann nebenbei sein, dass ich an einigen Stellen noch herumeditiere..
Schwanengesang
Das Privileg des Erzählers ist die Kenntnis des Anfangs und des Endes. Ich weiß, wie es begann, damals, als es noch keine Gedanken gab, keine Erinnerungen, keine Wirkung. Nur eine Ursache, eine kleine nur, aber stark genug, um zu überleben. 4,6 Milliarden Jahre lang.
Alles war Wald, der Wald war alles. Ein riesiger grüner Ozean aus Leben, so allumfassend, dass alles andere bedeutungslos wurde, für sehr lange Zeit.
Der erste Geruch duftete nach Moos. Der erste Ton war der Gesang eines jungen Vogels. Das erste Gefühl war ein warmer Wind, wie er über gigantische Baumkronen strich, über Wiesen voll von ungezähmten Grashalmen.
Der erste Atemzug des Anfangs. Wenn man die Augen schließt und den Atem anhält, kann man ihn noch immer spüren…
*
Vor uns ausgebreitet ist: Eine buntes Meer aus flüssigem Neon. Ein dunkler Dschungel aus Irrlichtern, die Irrwege beschreiben. Eine Miniaturstadt, bewohnt von Miniaturmenschen, die ihren Miniaturtätigkeiten nachgehen.
Durch die Straßen zieht eine Prozession der Stille, weil alle Töne hoch zu uns schweben, sich über unseren Köpfen sammeln, wie eine Gewitterwolke aus reinem Schall.
Yara sagt: „Ich hab da so ein hohes Fiepen im Ohr…“
Ihr Fuß wippt im Takt der Nichtmusik, die hier überall herumschwirrt und sie betrachtet die paar Sterne über unseren Köpfen.
Und ich sage, dass das sterbende Töne sind.
Frequenzen, die sie nie wieder hören wird. Kleine, hohe Schwanengesänge.
„Ich verstehe nicht, warum wir kein bisschen traurig sind deswegen. Stell dir vor eines Tages kannst du plötzlich eine bestimmte Farbe nicht mehr sehen. Sie wäre einfach weg. Würde dir das etwa nichts ausmachen?“
Sie kneift die Augen zusammen, als versuche sie sich tatsächlich vorzustellen, wie eine Farbe aussieht, die nicht mehr da ist. Als sie die Augen wieder öffnet, hat sie ein selbstzufriedenes Lächeln auf den Lippen.
„In meinen Gedanken lebt alles weiter. Farben, Töne, auch wenn sie eines Tages hier draußen verschwunden sind, hier drin leben sie weiter. Von hier kann sie mir keiner wegnehmen“, sagt Yara und hält sich eine Hand ans Herz.
Dieses überschätzte Organ, denke ich, und lasse meine Zigarette vom Rand der Brüstung hinunterfallen. Dieses Gerede vom Sitz der Seele und dem Nicht-Wirklich-Verlieren und dem „Weißt du noch?“. Sich Farben vorstellen, die es nie gegeben hat. Schlechte Zeiten in guten Erinnerungen ertränken.
Noch immer mit dem Rücken zu Yara sage ich: „Vielleicht verlierst du eines Tages etwas so wertvolles und großes, dass du merkst, dass du einige Sachen nicht in deinem Herzen tragen kannst.“
Ganz weit unter mir erlischt ein letzter Funken und gesellt sich zu seinen verglimmenden Schwestern und Brüdern, dort unten im Land der Stille und der Nichtigkeit.
„Außerdem“, sage ich, schaue Yara an und versuche nicht allzu theatralisch zu klingen.
„Wenn man sich an etwas Verlorenes erinnert, ist es meist eh schon zu spät.“
*
Sie war nicht mehr hier. Weggeflogen durch einen kleinen Spalt in der Mauer, mit neonfarbenen Plastikflügeln, weggeritten auf dem dichten, milchigen Rauch. Hoch zu den Sternen, dann ins Nirwana und dann in ihr eigenes Herz, wo das tiefe Glück sie packte und für ein paar Stunden hielt, bis der Griff sich löste, ganz allmählich, und sie widerwillig zurückkam. Und dann feststellen musste, dass da nichts Warmes mehr war, kein Glück, das sie hier halten konnte, und dass der stickige Rauch einfach nur in ihrem Hals kratzte, in ihren Augen brannte, und nicht entweichen konnte, weil der Raum keine Fenster hatte. Die Farben waren ausgewaschen, die Ferne vergessen, nur die Sterne glommen noch etwas nach.
Sie war wieder hier.
Am Anfang war da etwas, was man als Proberaum bezeichnen kann, eine Art Metapher für Leute mit viel Phantasie. Dort saß jemand mit blonden, geflochtenen Haare und einer ausgetragenen, überlangen Cordhose. Und hier saß jemand der sich Sorgen machte.
Irgendwann fragte ich mich nicht mehr, was ich hier unten machte, sondern wusste, dass ich genau hier sein musste. Genau jetzt.
Ich stand auf und setze mich rüber zu dem Mädchen mit den trüben, traurigen Augen, dem Joint in der Hand und den müden Gedanken im Kopf.
Ich sagte: „Du siehst nicht gerade glücklich aus.“
Sie nahm einen langen Zug und hauchte den Qualm genüsslich nach oben hin aus, wo sie wohl irgendwelche Sterne erwartete, oder irgendein Zeichen für irgendwas.
Sie sagte: „Wie bitte?“, und es klang wie ein Ersatz für eine Frage. Ein Symbol für etwas, das nur sie kennt.
„Glaubst du wirklich du brauchst den ganzen Kram da, um irgendeinen Sinn in dein Leben zu bringen?“, sagte ich und lehnte mich auch zurück, schaute in die imaginäre Ferne über unseren Köpfen, die da irgendwo sein musste, an der Decke eines metaphorischen Proberaums.
„Die meisten Leute“, begann sie ganz langsam und bildete jedes Wort als sei es aus zerbrechlichem Glas, „reden von Glück, Sinn und Leben und solchem Zeug, ohne auch nur die kleinste Ahnung zu haben, was das eigentlich sein soll. Wenn jedem selbst überlassen wird, was wir darin sehen…“
Sie nahm noch einen Zug und drückte den Joint im Aschenbecher aus.
„…ist die Welt ziemlich am Arsch.“
Ich sagte: „Ich weiß es. Ich zeig’s dir, wenn du willst.“
Am Anfang gingen zwei Menschen langsam die Stufen aus einem metaphorischen Proberaum hinauf.
Einer von beiden hatte ein Lächeln im Gesicht.
Ein anderer sagte: „Übrigens: Ich bin Yara“.
*
Wir tanzen zum Stimmgewirr mehrerer Menschen, zu den Geräuschen die sie machen, wenn sie Bierflaschen öffnen oder gelegentlich fallen lassen. Zu dem stetigen Surren der Nachtbeleuchtung und zum undefinierbaren Krach, der aus einem kleinen, überforderten Radio kommt.
Die Dämmerung kriecht bestimmt bald hinter der fernen Betonwüste hervor. Heute ist die Farbe der Zeit schwarz und sie schwindet merklich, mit jedem Schritt den wir tun, mit jedem Wort das wir nicht sagen.
Yara umarmt mich und flüstert mir ins Ohr: „Weißt du, was ich damals machen wollte, bevor wir uns zum ersten Mal trafen?“
Ich sage: „Studentin der Esoterik vielleicht, parallel neben dem Tiefseetauchen und Kellnern? Nein im ernst, ich glaube, du wolltest damals so ziemlich gar nichts tun. Weil du nicht wusstest, wer du bist. Na jedenfalls starrt uns dein Freund schon die ganze Zeit an.“
Und eigentlich sind alle um uns herum nur Statisten. Hier oben stehen nur drei Menschen, und alles was man sehen kann, sind die feinen Linien zwischen ihnen. Die Ideen, die sie vereinen und trennen. Mit jeder Sekunde gehen wir der ungewissen Zukunft entgegen. Nur mit dem Wissen, dass man nichts weiß.
Sie drückt sich noch etwas näher an mich und flüstert mir zu: „Ich wollte sterben. Dann traf ich dich. Und jetzt verlobe ich mich.“
„Glaubst du ich tue das richtige?“
Mit dem Wissen, dass man nicht weiß, was man will. In welcher Zukunft man sein will. Welche Idee die richtige ist und für wen. Gefangen zwischen Egoismus und dem Besten für einen anderen.
„Warum fragst du mich das?“
„Weil du mich gerettet hast. Weil du mein Kompass bist. Mein Gewissen.“
*
Vor uns ausgebreitet war: Eine orangefarbene, schmelzende Halbkugel. Schatten von schwarzen Umrissen von angedeuteten Bäumen. Hellblaue Irrlichter, die im See baden. Die wichtigsten Nebensächlichkeiten eines Moments.
Am Anfang saßen zwei Menschen im Gras.
Yaras Kopf lag auf meiner Schulter.
Ich legte meinen Arm um sie und sagte: „Weißt du was das hier ist?“
Ich sagte: „Der Anfang vom Rest deines Lebens.“
Ich sagte: „Der Anfang vom Glücklichsein.“
*
Das Privileg des Erzählers ist die Kenntnis des Anfangs und des Endes. Ich weiß, wie es endet. Es endet so:
Ich sitze im Zug. Bei jedem Regentropfen, der auf der Scheibe zerplatzt, hoffe ich, dass ich mich irre. Dass manche Herzen furchtbar groß sind und Erinnern so etwas wie wieder finden sein kann. Ich hoffe, dass es Dinge gibt, die einem niemand nehmen kann. Ich hoffe, dass man sich unvorstellbare Farben vorstellen kann, wenn man nur die Augen schließt.
Manchmal kann man nicht sagen, wer gewinnt und wer verliert.
Jedes Mal, wenn die Grenzen verschwimmen, zwischen den richtigen und den falschen Entscheidungen, regnet es.
In einem Paralleluniversum, verließen die zwei Menschen, auf die es ankommt, die Feier zusammen. Weil einer von ihnen sich nie entscheiden musste.
Und es endet so:
Am anderen Ende einer kleinen Welt öffnet jemand einen Brief.
Er beginnt so:
Vor uns ausgebreitet ist: Eine buntes Meer aus flüssigem Neon…
Im allerletzten Moment, bevor eine kleine Welt für immer stirbt, fallen ein paar Tränen auf eine Geschichte aus einem Brief und draußen, bei hellstem Sonnenschein und blauem Himmel, beginnt es zu regnen.