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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sonnenbrand



Scarecrow
27.01.2007, 16:43
(Die Sonne scheint nicht nur so.)


Oh, es war ein Blick in die Ewigkeit, gewiss. Ein Blick für die Ewigkeit.
Dass ich mich danach besser gefühlt hätte, kann ich nicht behaupten. Im Gegenteil. Seit jenem Tag, an dem ich auf der saftigen Wiese hinter der Burg gelegen und vor mich hingeträumt hatte, veränderte sich alles. Schlaf ist zu einem Wort geworden, dessen Bedeutung sich mir bald nur mehr durch einen Blick in ein Wörterbuch erschließen sollte. In den endlosen Stunden, in denen der Großteil aller Menschen verharrt und sich der Ruhe hingibt, martern mich Gedanken an das frühere Leben, das ich hatte, ehe ich es wagte, zu lange in die Sonne zu starren.

Mir wird nie klar werden, was wirklich geschah, so wahr ich noch hier stehe, in meinem Zimmer, inmitten der Hitze. Mit blutroten Augen, den zuckenden Lidern und meiner unglaublichen Angst vor dem, was noch kommen wird. Viele fürchten die Nacht, ihre Dunkelheit und ihre erdrückende Schatten.
Was würde ich für eine Nacht voller Ruhe und Schwärze tun? Für eine Nacht, in der ich nicht bangen Wissens an den grellen, grausamen Tag in mir, und dass er bald kommen wird, denken muss?

Ein Rasen umgab die Burg. Stets gepflegt hinterließ er einen immergrünen Eindruck. Wege durchkreuzten ihn und führten durch Heckengebilden und Stauden hindurch in alle vier Himmelsrichtungen. Efeu kroch an den Außenwänden des großen alten Gebäudes empor und schlängelte sich neben vergitterten Fenstern die Fassade entlang nach oben.
Ich kannte diesen Ort seit meiner frühesten Kindheit. Die Schönheit der Landschaft hier hatte mich seit jeher gefesselt und mich immer wieder dazu gebracht zurückzukehren.
Denn wenn man an Tagen, an denen der Wind den dichten Wald rundum an den Hängen des Arlsberg schüttelte und sich die Kronen der Bäume seiner Gewalt neigten, auf dem Balkon der alten Burg stand und über die bröckelnde Brüstung hinuntersah, so hatte man den Eindruck, als würde das Gebäude ein Fels in der stürmenden Brandung sein.
Eine imposante Erscheinung, voll Schönheit und edler Anmut.

Der Wind brachte damals keine Wolken mit sich, die sich zu Gestalten formen konnten. Wie so oft lag ich auf dem saftigen Rasen hinter der Burg, ließ meinen Blick über den Himmel schweifen und empfand nichts als den tiefen Frieden, hier in Zeiten der Hektik einfach zu liegen und zu träumen. Meine Gedanken schweiften, ähnlich dem Wind, mal in die eine, dann in die andere Richtung und oft glaubte ich, zwischen dem Rauschen in den Blättern, eine sanfte Melodie zu hören.
Ich wusste, dass ich sie mir nur einbildete, doch es machte Spaß, sie als Musik von Elfen in dem Wald zu erkennen. Ich sah sie beinahe vor mir, diese netten Wesen, die mit leisem Flügelschlag durch die Bäume flogen. Lachend und singend, auf kleinsten Harfen, jene Noten spielend, die mir mein Kopf vorgaukelte, zu hören.
Da öffnete ich meine Augen und genau über mir stand der wunderbarste Himmelskörper in Gottes schönem Reich. Die Sonne strahlte und fing meinen Blick auf, denn ich konnte nirgends anders mehr hinsehen, als in diese flirrende Scheibe am Firmament. Alles verlor sich in ihr, wurde rundum dunkel und farblos, während bunte Flecken vor meinen Augen zu tanzen begannen. Sie war genau vor mir. Ich konnte sie so sehen, wie ich es noch nie getan hatte. Ich sah flüssiges Feuer, dessen Wellen wie in einem Ozean aneinander prallten und hin und her wogten. Ich tauchte ein in diese Oberfläche, erblickte Sterne, erblickte Flammen und erkannte hinter dem Vorhang aus Unendlichkeit das Universum.
Und es brannte.
Ich stürzte immer tiefer in den Strudel aus Bildern, Formen und Mysterien. Meine Hände krallten sich in die Erde, aber immer noch starrte ich in die Sonne und ich wusste in diesem Augenblick, dass ich meine Augen nie wieder schließen würde.
Plötzlich schob sich etwas in mein Blickfeld, etwas, das ich nicht genau sehen konnte, aber doch wusste, dass es da war, weil sich auf einmal die Flammen teilten und…
Ich rang nach Atem und setzte mich auf. Wo vorher die erfrischende Brise des Windes war, stand die Luft nun und es war heiß. Für einen kurzen Moment existierte nichts anderes mehr als diese unerträgliche Wärme und ich.
Dann setzte der Wind wieder ein, strich mir über das Gesicht und die Hitze flaute ab. Schweiß perlte an meiner Stirn, meine Kleidung war komplett durchnässt. Trotzdem zitterte ich.
Meine Hände fuhren ziellos durchs Gras und es fühlte sich seltsam an.
Ich sah hinunter und stellte fest, warum.
Der Boden rund um mich war verkohlt und all die Pflanzen zu Asche zerfallen.

Ich weiß nicht mehr, wie und wann ich an diesem Tag den Weg zurück zu meiner Wohnung gefunden hatte.
Ich kann mich nur noch dunkel daran erinnern, dass ich auf meinem Bett lag. Mein Hecheln lieferte mir kaum genug Luft, um atmen zu können und Schweiß wurde in beängstigender Geschwindigkeit aus meinem Körper gepresst. Ich fühlte mich seltsam schwach, beinahe fiebrig.
Wenn ich die Augen schloss, begann sich alles zu drehen und eine bunte Spirale beförderte mich in einen dunklen Abgrund. Ich war fertig, erledigt, ohne jegliche Kraft.
Aber warum? Was war geschehen?
Es kostete viel Kraft, erneut aufzustehen und in die Küche zu wanken. Ich ging zum Kühlschrank und holte mir Wasser. Kaum berührte das erquickend lebendige Nass meine Lippen schien es einfach zu vergehen, mich nicht zu erreichen. Als ob es sofort verdunsten würde, sobald es in meine Nähe kam. Ich wollte die Flasche wegstellen, da merkte ich, dass sich meine Finger in das Plastik gegraben hatten. Ich wollte sie davon lösen und zerrte daran. Klebrige Fäden von geschmolzenem Plastik zogen sich von meiner Hand zur Flasche. Einbildung, anders konnte es nicht sein. Aber der Geruch …
Ich wurde immer schwächer, musste mich auf den Tisch stützen, um nicht einfach umzufallen. Mühsam bewegte ich mich Richtung Schlafzimmer.
Etwas Seltsames ging vor.
Ich wollte den Gedanken fassen und ihn festhalten, nur damit ich irgendetwas tun konnte, aber als ich in das Bett stürzte, wurde alles unwichtig.

Und ich träumte …
Ich träumte, dass ich auf einer Ebene stand. Um mich herum war nichts als roter Sand und ein Himmel, der fernab jeglicher Vorstellungskraft lag. Er bewegte sich. Doch waren es keine Wolken, die eine Täuschung von Bewegung hervorriefen, sondern der Himmel selbst.
Er wand sich, warf sich hin und her. Tiefschwarz und brodelnd, als wäre die Welt verkehrt.
Wind stürmte heran und zerrte an meinen Haaren und ich sah, dass ich nackt war. Da war zuerst keine Kälte.
Am Horizont erblickte ich plötzlich eine Gestalt. Viel zu weit weg, um zu erkennen, was sie war, wollte ich ihr entgegengehen, aber ich konnte mich nicht bewegen. Da veränderte sich der Wind und trug Böen zu mir heran, die Hitze mit sich brachten. Unglaubliche Hitze.
In der Ferne sah ich, wie der Boden aufbrach und Flammen emporschlugen. Die Gestalt wandelte, verzerrt und unwirklich dazwischen hindurch, stetig in meine Richtung.
Immer schneller. Immer näher.
Dann wachte ich auf.

Es roch verbrannt. Die Laken waren verkohlt und Ruß in den Ecken der Zimmerdecke.
Entweder ich schlief noch, oder ich verfiel gerade endgültig dem Wahnsinn. Ich griff nach der Decke, dem Leintuch und es zerfiel zu Asche. Unfassbar.
Ich stand auf und bewegte mich. Die Schwäche war noch immer da und belastete meine Glieder. Mir war nicht kalt und ich zitterte nicht mehr. Ich schloss für einen kurzen Moment die Augen …
… und stand wieder auf der Ebene und vor mir, noch weit entfernt sah ich die Gestalt, die durch das Feuer zu mir wanderte.
Ich taumelte gegen die Wand und riss meine Augen so weit auf, dass es schmerzte.
Vision oder Wirklichkeit? Normalität oder Wahnsinn?
Im Zimmer war es wärmer als gerade noch eine Sekunde vorher. Erheblich wärmer.
Ich blinzelte und im selben Augenblick, war ich woanders. Und die Gestalt wieder näher.
Ich wollte schreien, um Hilfe brüllen, aber wer sollte mir helfen? Was hatte ich überhaupt?
Bilder schossen mir durch den Kopf. Sie brannten.
Nicht mehr die Augen schließen. Nie wieder.

Vielleicht geht es eine Zeit lang gut, aber du schaffst es nicht, ewig wach zu sein. Nie zu blinzeln. Es geht einfach nicht.
So kam dieses Ding immer näher.
Irgendwann wurden seine Konturen deutlicher. Es musste über zwei Meter groß sein und es war schwarz. Ich hatte immer geglaubt, dass auch dieses Ding brennen würde, aber ich hatte mich geirrt.
Es brachte die Flammen.
Was, wenn sie mich erreichen?

Lange Zeit habe ich gehofft, dass ich mir das alles nur einbilden würde. Eine Art Traum, aus dem ich noch erwachen werde. Ich habe mich getäuscht.
Um mich herum sind nicht mehr viele Sachen. Der Raum ist verkohlt und beinahe alles in ihm bereits zu Asche zerfallen. Es ist bereits unerträglich heiß. Die Hitze kommt von mir, aus meinem Inneren.
Ich will nicht mehr kämpfen. Ich kann nicht mehr.
Was damals geschehen ist, werde ich wohl nie herausfinden. Ich weiß nur, dass etwas von der Sonne in mir zurückgeblieben ist, denn dieses Ding in mir, oder was es auch immer ist, es kommt von ihr. Das Warum löst sich in brennende Fetzen auf.
Mein Haus hat sich nach und nach in eine Ruine verwandelt. Vielleicht ist dieser Spiegel vor mir, dieser große alte Spiegel das Letzte, das noch nicht zerstört ist.
Alles in mir krampft sich zusammen und ich weine. Es tut so furchtbar weh.
Eine Träne tropft auf meine Hand und ich verbrenne mich daran. Ich schließe die Augen.
Die Ebene steht in Flammen, die Hölle tobt rund um mich herum. Die schwarze Gestalt tritt aus dem Feuervorhang hervor und kommt näher. Ich spüre einen Schwall von brutaler Hitze. Ich schreie auf und mit ganzer Kraft presse ich die Lider zusammen.
Ich will nicht mehr.
Es wird der grausame Tag; hell, heiß und erbarmungslos. Ich werde geblendet, da ist nichts mehr und mit einem Mal steht dieses Ding genau vor mir und ich habe noch die Zeit, es zu betrachten, während die Hitze mich erdrückt.
Schwarzes, rissiges Gestein aus dessen Ritzen es rot hervorleuchtet und es mutet irgendwie wie Lavagestein an. Wie ein Steingolem. Es ist gesichtslos.
Eine Hand, größer als mein Kopf, packt mich und ich …
… reiße die Augen auf.
Das Zimmer brennt lichterloh und zuerst glaube ich, dass die Flammen so laut sind, bis ich erkenne, dass ich es bin, der schreiend vor dem Spiegel steht. Unerträgliche Schmerzen.
Tränen fressen sich durch meine Augen, mein Gesicht und ich kann trotzdem noch sehen und ich verstehe es nicht. Da ist nichts mehr, eine dampfende Masse in der Höhle, was einst Augäpfel gewesen sind, aber ich sehe!
Die fließenden Konturen des schmelzenden Spiegels zeigen mich im brennenden Zimmer und wie ich meine Hände in meinen Schädel kralle. Der Pein lässt mich würgen. Die Haut kräuselt, schält sich und ich raufe mir das Haar aus und reiße es von der blutigen Kopfhaut.
Warum dieser Schmerz? Warum …
Wa-

La Cipolla
29.01.2007, 04:05
Hm, inhaltlich interessant, kann sich wieder jeder seine Variante für denken, aber stilistisch einfach schrecklich in die Länge gezogen. Die Spannung, die ein Text aufbauen muss, wenn er so lang sein will, fehlt ziemlich, dadurch hat man kaum Lust bis zum Ende zu lesen, das dann aber wieder gut ist.
Also in meinen Augen einfach zu lang, zu ausführlich für die blumige Ausdrucksweise, wenn auch interessant.

Scarecrow
29.01.2007, 20:37
Hallo Cip!

Danke für deinen Comment. Du musst wissen, ich war nach langer Zeit einfach nur froh, etwas schreiben zu können. die blumige AUsdrucksweise hab ich mir ja bereits gedacht, also dass sie angekreidet wird. Ich will nur nicht immer dasselbe schreiben. So langgezogen finde ich den Text gar nicht, wenn ich bedenke, dass es eine frühere Version gibt, die ich dann verschmissen habe, weil sie zu lang gewesen wäre ;)

Gruß,
Scare

Hänsel
29.01.2007, 20:58
nur um Cipo zu bestärken: Das Ding ist echt um einiges zu lang für den Inhalt. Ansonsten:Sprachlich in Ordnung, Gefühlsbeschreibungen gut. Aber irgendwie fehlt das gewisse Etwas um daraus mehr zu machen. Obs am Ende liegt, bin ich mir nicht sicher, aber sicher ist, dass da mehr hingehört.

Scarecrow
02.02.2007, 08:27
Hallo Hänsel!

Ich finds schon komisch, dass jeder sagt, sie sei zu lang. Ich finde, wenn sie zu kurz wäre, würde sich die ganze Atmosphäre (oder was davon da ist) gar nicht aufbauen lassen.
Zum Ende bleibt nur zu sagen, dass ich tatsächlich daran noch etwas ändern will, aber derzeit noch keine konkreten Pläne habe.
Danke für deinen Beitrag.

gruß,
Scare

kate@net
14.03.2007, 08:40
"Bedeutung sich mir bald nur mehr durch einen Blick in ein Wörterbuch erschließen sollte." Würde ich evtl abändern.
Ansonsten ja es ist wirklich etwas lang. Und leider ist die Geschichte auch etwas seltsam. Man könnte zum einen die vorherige Gestalt des gartens nicht so ausführlich darstellen. Das feuer und die Sonne stehen ja im Vordergrund, also ist es legitim, wenn man den Blick noch mehr darauf fokusiert. Das würde meiner Meinung anch auch die Atmosphäre nicht wirklich zerstören. Und leider ist davon nicht so viel da. Also man kann noch mehr daraus machen, mit treffenden Worten. Es wirkt wirklich etwas in die Länge gezigen und die Spannung verliert an Luft...

NeoInferno
15.03.2007, 14:10
*kopfschüttel*


Ich finde, wenn sie zu kurz wäre, würde sich die ganze Atmosphäre (oder was davon da ist) gar nicht aufbauen lassen.
Oh doch, oh doch. Die Länge macht deine Geschichte kaputt. Und die Geschichte macht deine Geschichte irgendwie auch kaputt. Was passiert denn da genau? Wahnphantasien? Um den Sinn zu entdecken, müsste ich sie wahrscheinlich nochmal durchlesen. Und darauf hat man nach dem ersten mal leider keine Lust mehr ;)

Der Schreibstil passt irgendwie zum sehr knappen Inhalt, und ist auch das einzige was mich dazu bewegt hat, weiterzulesen.

Das ist leider eine der Geschichten, die ich sofort wieder vergessen haben werde.
In 3..2..1..Jetzt.

(PS: Mach dir nichts draus, "Ohne Zuflucht" ist und bleibt eine kleine Perle ^^)

Scarecrow
03.04.2007, 19:27
Ich danke Euch trotzdem fürs Lesen und Euren Kommentar.
Die GEschichte wurde bereits abgehakt ;)