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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Deserted Story's - Kurzgeschichten vom Affen



deserted-monkey
24.01.2007, 17:52
Ich habe in der letzten Zeit öfters mal kurze Geschichten geschrieben. Hier habe ich nun zwei veröffentlicht.

Wassersturm

Devin schreckte hoch.
Ein Tropfen war in seinem Kopf, das Geräusch eines Wassertropfens, der auf der Oberfläche kalten Stahlbleches aufschlägt. Immer und immer wieder. Mit einem Schlag war Devin hellwach. Normalerweise würde ihn dieses Geräusch nicht stören, davon abgesehen das es ihn niemals hätte so aprubt aus dem Schlaf hochfahren lassen, doch dieses Geräusch war anders als die normalen Geräusche.
Es machte ihn wahnsinnig, jeder Tropfen war wie ein kalter Schlag ins Gesicht, das Geräusch nagte seine Nervenbahnen frei, es schmerzte.
Liess ihn die Wände hochgehen, sich windend auf den Boden werfen, zuckend und winselnd, und die Tropfen schlugen zu wie Hammerschläge.
Beide Hände fest auf die Ohren gepresst, stieg Devin aus seinem Bett und ging tretend und schüttelnd in die Küche, immer wieder unter den mächtigen Aufprallern der Tropfen zusammenfahrend.
Je näher er dem Spülbecken kam, desto härter und brutaler wurden sie. Im Licht des Mondes konnte Devin den nächsten Tropfen erkennen, der sich aus dem Hals des Hahnen befreite. In ihm war ein Gesicht, verzerrt zu einer Fratze, ein dunkler Schemen innerhalb des Wassers.
Das Gesicht schrie, doch Devin konnte nichts verstehen, denn dann klatschte der Tropfen nach unten und es zerbarst auf dem glänzenden Blech.
Schon kam der nächste Tropfen aus dem Hals, diesmal ein schmaleres feineres Gesicht in seinem Innern. Devin erkannte es sofort, es hatte seiner Schwester gehört, die im herrschenden Krieg ums Leben gekommen war.
Er wollte schreien, nach vorne springen, ihn auffangen, damit er nicht sich selbst und das Gesicht seiner Schwester endgültig auf dem Blech zerschlagen würde, doch kein Laut entrückte seiner Kehle und seine Glieder waren schwer und lahm.
Der Tropfen zerplatzte wie in Zeitlupe, Devin konnte es sehen, wie das Gesicht in tausend Stücke zerbarst, und der Schlag in seinem Kopf war so hart, das er nach links gegen die Tischkante geschmettert wurde. Warmes Blut strömte aus einer Wunde an seinem Kopf, die Tropfen hämmerten immer mehr und immer schneller in ihm, während draussen vor der Tür der Krieg tobte.
Langsam sank Devin zusammen, legte sich nieder auf den Erdboden.
Als er so dalag, seine Glieder unkontrollierbar zuckend, hörte er ein Geräusch über das Hämmern hinweg. Das Pfeiffen, das Heulen. Dieses herrliche Heulen, das du hörst, wenn die Bombenketten vom Himmel fallen. Zitternd wartete Devin auf die Bomben.

********************

Vom Töten

Stille.
"An die Waffen! An die Waffen!"
Schnelle Fusstritte die sich entfernen, das Geklirr von Waffen im Hintergrund.
"Auf die Positionen, aber ein bisschen plötzlich!"
Stille.
Der erste Schuss, peitschend und knallend, schneidend durch die Stille fährt. Ein Schrei, ein stumpfes Poltern, als ein Körper zu Boden geht.
Stille.
"Seht ihr das Blut, das aus dem Leibe fliesst?"
Stille, dann alle: "Ja, Sir."
"Seht es euch gut an! Seht! Denn eines Tages werdet ihr auch im Drecke liegen, aber ihr werdet stolz sterben, denn stolz stirbt jener, der Ehre zollt dem Vaterlande!"
Wieder ein Schuss, die Stimme verstummt für immer.
Ohne Stolz zu Boden gegangen.
Stille.

Falls Interesse besteht, werde ich noch weitere Kurzgeschichten posten.

NeoInferno
25.01.2007, 11:32
Hi monkey,

1.
aprubt
Abrupt ;)

2. Zu Wassersturm:
Ich finde es - trotz Kriegsszenario - höchst unglaubwürdig, wie die Wassertropfen den Prot derart psychisch und physisch beeinflussen. Ich kann mir die Szene beim besten Willen nicht vorstellen.
Die Aussage deiner Geschichte ist mir auch schleierhaft. "Krieg ist schlecht" sagt jede Geschichte aus, die etwas darüber erzählt. Was wolltest du sagen?
Stilistisch ist sie jedoch ganz gut.

3. Zu Vom Töten
Hier ist ein Muster wieder zu erkennen, das in vielen deiner Geschichten eher negativ auffällt: Du vermischt gerne sehr konträre Schreibstile, wechselst sie in der Story ohne triftigen Grund und verwendest ab und zu auch einen guten Schreibstil an einer falschen Stelle. Dies trifft hier nicht sehr zu, jedoch in längeren Stories wie "Die blutrote Sonne" (Kommentar folgt.. ;) ).

"aber ein bisschen plötzlich!"
- Umgangssprache im sonst eher poetisch-emphatischen Stil

"Seht ihr das Blut, das aus dem Leibe fliesst?"
- Bei einer derartigen Gewaltdarstellung passt mMn dieser Stil ganz und gar nicht, er wirkt surreal, fast komisch, und baut auf jeden Fall eine unangenehme Distanz zwischen Inhalt und Stil auf.
Generell stößt mir dieser Stil, wenngleich er wenn man den Inhalt ausblendet gut geschrieben wirkt, bei dieser Geschichte negativ auf, weil er einfach nicht ganz passen will. Es geht um Militär und Krieg und Blut und Tod, wie kann man da noch eine derart blumige Sprache aufrechterhalten?
Mir ist schon klar, dass du das absichtlich getan hast um irgendeinen Effekt zu erzielen. Meiner Ansicht nach geht das aber hier ein wenig nach hinten los.
Der Stil für sich genommen ist wie gesagt schön.


Falls Interesse besteht, werde ich noch weitere Kurzgeschichten posten.
Gerne doch :)

Neo

deserted-monkey
26.01.2007, 07:38
2. Zu Wassersturm:
Ich finde es - trotz Kriegsszenario - höchst unglaubwürdig, wie die Wassertropfen den Prot derart psychisch und physisch beeinflussen. Ich kann mir die Szene beim besten Willen nicht vorstellen.
Die Aussage deiner Geschichte ist mir auch schleierhaft. "Krieg ist schlecht" sagt jede Geschichte aus, die etwas darüber erzählt. Was wolltest du sagen?
Stilistisch ist sie jedoch ganz gut.

Hi Neo,
das war so gedacht:
Die Wassertropfen (also das Hämmern in Devins Kopf) stellen das Hämmern der Maschinengewehre dar, die verzerrten Gesichter in den Tropfen sind die Gesichter der Gefallenen, die Devin im Krieg hat sterben sehen.



Gerne doch :)


Übers Wochenende poste ich sicher noch ein paar ;)

Gruss

Monkey

NeoInferno
26.01.2007, 14:33
"stellen das Hämmern der Maschinengewehre dar"
- Und genau das sehe ich in deinem Text nirgends. Ich kanns mir denken, aber ich sehs nicht. Du stellst zwischen Wassertropfen und Maschinengewehrsalven kaum eine Verbindung her - du redest wirklich von total unmetaphorischen, gewöhnlichen Wassertropfen.
So kommt das leider rüber.

Tut mir im Übrigen fast leid, dass ich so kritisch bin, aber ich bin sehr interessiert daran, dass du deine Schwächen erkennst und daran arbeitest, sodass uns bald ein superhammer Text von dir um die Ohren fliegt ;)

deserted-monkey
28.01.2007, 15:48
Todesschreie

„Fliegerangriff!“, brüllte der Fahrer des Lastwagens und Sekunden später liess er sich in den schützenden Graben neben der Strasse fallen. Die Soldaten, die sich hinten auf der Ladefläche befanden, taten es ihm gleich. Gerade nachdem Leutnant Harris im Graben verschwunden war, erzitterte die Erde unter der ersten Bombe und Dreck und Splitter spritzten über den Graben hinweg. Die deutschen Bomber flogen tief über die Strasse und die Wagenkolonne hinweg, in der Dunkelheit wie die Schatten riesiger Vögel, und die Bomben explodierten nun ununterbrochen. Keine Gegenwehr kam von unten, nur sehr vereinzelt erhellten die grellen Geschossspuren der flugzeugabwehrenden Gewehre den Himmel, alle flüchteten in den Graben, aber selbst dort war man nicht sicher. Explosionen und Feuer und Flammen erhellten die Nacht und die Bomber kamen immer und immer wieder.
Dann plötzlich wurde es still, nur der Wind trug die Schreie der Verwundeten und Sterbenden mit sich. Harris stieg mit schreckgeweiteten Augen und erfüllt von absolutem Grauen aus dem Graben und da lagen sie, ohne Beine, das Fleisch bis auf die Knochen von den Armen gerissen, verkohlt und brennend, zerplatzte Gedärme aus dem Magen hängend, trübe Augen, Bombensplitter haben ihnen das Licht geraubt. Und ihre Schreie, so etwas Schreckliches hatte Harris noch nie in seinem Leben gehört. Sie schrieen voller Qual man solle sie doch endlich Töten, erschiessen, einige riefen mit gebrochenen Stimmen nach ihren Frauen oder Kindern, andere lagen ganz still, die Hände vor der Brust gefaltet als würden sie beten, doch sie waren längst tot. Harris schritt dem Wagenkonvoi entlang und erlöste die Sterbenden mittels Kopfschuss von ihrer unglaublichen Qual und mit jedem weiteren Menschen starb auch ein Teil in ihm selber.
Er war auf die Knie gesunken, als die Deutschen aus dem Unterholz brachen, er schrie und weinte, seine Stimme war eins mit den Sterbenden und es war sein Leben, das schrie. Als das Hämmern der Gewehre die ganze Welt erfüllte und sein Körper unter den einschlagenden Geschossen zusammenbrach, ...

... wurde Harris abrupt geweckt.
„Sie haben heute Ihren ersten Einsatz, Leutnant Harris. Stehen Sie auf.“, sagte eine Stimme.
Schlaftrunken blinzelte Leutnant Harris in das Gesicht des Hauptmannes.
„Sie werden den Konvoi nach Argyrokastro begleiten. Nehmen Sie sich etwas Kaffee, er ist gut und stark. Melden Sie sich in 15 Minuten im Hauptquartier.“
Schnelle Schritte, die sich aus dem Zelt entfernten.
Harris meldete sich nie. Nie mehr.

deserted-monkey
28.01.2007, 18:25
Der Nebel

Nebelschwaden hingen hoch über dem Feld. Die morgendliche Kälte liess die beiden Männer frösteln, die rauchend neben der Rollbahn standen und warteten. Gekleidet in ihre schweren Uniformen, die vom Reif und Tau nass an der Haut klebten und die Kälte noch tiefer in die ohnehin schmerzenden Glieder trieb, blickten Sie immer wieder nach oben und lauschten, ob nicht das Dröhnen der Flugzeuge bald zu hören sein würde.
„Wo bleiben diese ••••nsöhne?“, fragte der grössere der beiden, derjenige, der immer mit den Wimpern zuckte, wenn er etwas sagte.
„Da im Nebel sollten sie irgendwo sein.“, erwiderte der Andere, zeigte mit der ausgestreckten Hand nach vorne und zog die Glut der Zigarette ein Stückchen näher zum Filter heran.
„Ich weiss es nicht genau, aber ich habe so ein Gefühl, dass sie niemals hier eintreffen werden.“, meinte der Grosse achselzuckend, so als wäre es ihm egal, aber der andere sah die Angst in seinen Augen.
Dann heulte die Sirene, die einen Bombenangriff signalisierte, unheilvoll über das Feld. Aber es waren keine Bomben, die dort aus dem Nebel herabschossen, es waren die Flugzeuge selbst. Nur noch zu unförmigen, verkohlten, verschmolzenen und verbogenen Stücken deformiert, stiessen sie aus dem Himmel herab. Mit ihnen kam ein Schauer aus glühenden Steinen, flirrenden Wrackteilen, Feuer und Flammen. Am Himmel über der Rollbahn herrschte ein heilloses Durcheinander. Die Erde wurde aufgerissen und zerlöchert, als der Nebel das Geschenk des Himmels mit einem heulenden Ton herausspuckte, und die beiden Männer waren sich sicher, dass die Welt nun vollends untergehen würde. Dann wurde es totenstill.
„Da sind sie.“, sagte der Grosse mit leiser zitternder Stimme. Doch der Andere konnte ihm nicht mehr antworten, er war schon längst im Trümmergewirr der Rollbahn verschwunden, seinen teuren Fliegeranzug, den er Cottbourgh für den Flug geliehen hatte, suchen.