La Cipolla
19.01.2007, 14:27
Anekdote über „Kyrill“
['kiril], vom griechischen „der Herrliche“, klärt uns Wikipedia mit fürsorglicher Stimme auf und spendet dem Orkantief damit einen Titel, den bestimmte Klatschblätter nur mit einem gediegenen „Muss das sein?“ kommentieren würden. BILD und Co. sehen den Sturm nun mal lieber als großen Menschenfresser und als zerstörerische Geisel des 21. Jahrhunderts, nicht als Naturgewalt. Aber fangen wir vorne an. Ganz vorne.
315 n. Chr. in Jerusalem
Ein junger Mann namens Kyrill wird geboren. Sein sicherlich unglaublich aufregendes Leben verbringt er in der spannenden Position eines Priesters und die Unterschlagung von Kirchengütern, die man ihm am Ende vorwirft ändert natürlich nichts an seiner Heiligsprechung. Viel mehr ist nicht bekannt, und irgendwie stört das auch niemanden.
444 n. Chr. im Nördlichen Ägypten
Kyrill von Alexandria, ein griechischer Gelehrter und Patriarch der Stadt, von der man heute eigentlich nur noch weiß, dass da irgendwann mal eine große Bibliothek mit angehängtem Leuchtturm abgebrannt ist, stirbt. Die Chronisten des Theologen drücken ihr „Mitleid“ in den Trost spendenden Worten „Sein Abschied erfreut die Lebenden, aber er wird die Toten betrübt haben.“ aus. Also stand wohl auch dieser Kyrill nicht gerade unter dem besten Stern, es sei denn, man glaubt an das Leben nach dem Tod. Dort hatte er dann sicher seinen Spaß.
9. Jhd. irgendwo tief im slawischen Raum
Kyrill von Saloniki hieß eigentlich Konstantin und ist eine wichtige Person in der Missionierung der Christenheit. Er hat die Sarazenen von der Dreieinigkeit überzeugen wollen, aber der Ausgang des Kampfes „Viele Krummsäbel vs. ein Mann, sein Sohn und eine ungewisse, übernatürliche Existenz“ war wohl vorauszusehen. Man darf trotzdem nicht untergraben, dass er scheinbar die einzige Person dieses Namens ist, die ein relativ erfülltes Leben hatte. Der gute Mann ist viel gereist, hat verdammt viele Leute in den Himmel geschickt und ist am Ende angeblich als frisch gekürter Bischof an einer Krankheit eingegangen. Wahrscheinlich hatten auch großbrüstige Frauen einen Anteil an seinem Tod, aber da schweigen die Quellen.
1138 - Kyrill von Konstantinopel war völlig uninteressant. Ruhe er in Frieden.
1902 bis 1971, abermals in Ägypten
Kyrill IV. war koptischer Papst von Alexandrien, und ich hätte davor nicht einmal gewusst, dass eine koptische Kirche existiert. Hat angeblich einige Erscheinungen gehabt, was man aber auch auf zu ausgedehnte Shisha-Sitzungen zurückführen kann, zudem wurde seine Leiche ein paar Mal umher getragen, was bei den Ägyptern jedes Mal fröhliche Festlichkeiten mit sich brachte. Beneidenswert.
Sehen wir es ein. Wer von seinen Eltern Kyrill genannt wird, steht nicht unbedingt unter dem besten Schicksalsstern. Und wenn die Eltern auch noch krampfhaft emanzipierte Meteorologen sind (Die Namensvergabe weiblich-männlich für Hoch- und Tiefdruckgebiete wechselt jährlich), kann dabei eigentlich nichts Gutes herauskommen. Der arme Kyrill hätte schließlich ebenso gut einen Mädchennamen bekommen können, Geschlecht hin oder her.
„Zerdrückte Autos, kaputte Dächer, Feuerwehr im Dauereinsatz“, meint die BILD zum „Sturmchaos“ und lässt ihre Leser auf der Internetseite die besten und dramatischsten Fotos hochladen. Umkippende Autos und weinende Menschen sind schon lange kein Tabu mehr, also warum dann nicht gleich die entsetzten Leser zum gegenseitigen Honig-um-die-Lippen-Schmieren einladen? Bei uns war das THW zwar tatsächlich bis morgens im Einsatz, allerdings scheint seitdem die Sonne. Was recht lustig ist, wenn man bedenkt, dass die Eltern in Sachsen-Anhalt heute entscheiden dürfen, ob ihre Eleven die Schule besuchen, und durch einen Fehler in der Bürokratie dürfen die Abiturienten diese Wegbiegung sogar selbst nehmen. Überraschenderweise waren trotzdem alle da, aber bei heiterem Himmel, Sonne und einem lauen Lüftchen kommt man auch nicht auf die Idee zu schwänzen, Legalität hat in dieser Sache bekanntlich eh nur eine zweitrangige Bedeutung. Die ersten Zweifel kamen erst in Stunde drei, denn Mathe ist eigentlich kein Fach, in dem man große Gedankengänge darüber führt, ob es sich lohnt, einen Notausgang zu nehmen. Trotz allem besaß niemand die Dreistigkeit, mit den Worten „Der Sturm wird mir langsam zu gefährlich“ die Schule zu verlassen, auch wenn es sicher Stoff für einige Gedanken über den deutschen Regelfaschismus gegeben hätte.
Man kann Geschädigter sein, und eventuell sogar einen der 36 tödlich Verunglückten persönlich gekannt haben, letztendlich ist Kyrill nur eine Naturerscheinung gewesen. Es ist nicht besonders viel passiert, nicht einmal für europäische Verhältnisse, der vielfach angepriesene „Millionensachschaden“ war bei der Flut letztes Jahr wesentlich schlimmer und hat den Staatshaushalt bekanntlich trotzdem nicht vernichtet. Und wenn danach sogar noch die Sonne scheint, sollte man den kleinen Kyrill nicht immer so hart am Riemen nehmen. Frontal 21 überprüft seine Festplatte übrigens gerade nach Killerspielen, aber bisher hat man nur das Wahlprogramm der CDU gefunden. Die Partei hat sich daraufhin entschlossen, Stoiber zu verbieten, die Ergebnisse können sie in Funk und Fernsehen begutachten.
['kiril], vom griechischen „der Herrliche“, klärt uns Wikipedia mit fürsorglicher Stimme auf und spendet dem Orkantief damit einen Titel, den bestimmte Klatschblätter nur mit einem gediegenen „Muss das sein?“ kommentieren würden. BILD und Co. sehen den Sturm nun mal lieber als großen Menschenfresser und als zerstörerische Geisel des 21. Jahrhunderts, nicht als Naturgewalt. Aber fangen wir vorne an. Ganz vorne.
315 n. Chr. in Jerusalem
Ein junger Mann namens Kyrill wird geboren. Sein sicherlich unglaublich aufregendes Leben verbringt er in der spannenden Position eines Priesters und die Unterschlagung von Kirchengütern, die man ihm am Ende vorwirft ändert natürlich nichts an seiner Heiligsprechung. Viel mehr ist nicht bekannt, und irgendwie stört das auch niemanden.
444 n. Chr. im Nördlichen Ägypten
Kyrill von Alexandria, ein griechischer Gelehrter und Patriarch der Stadt, von der man heute eigentlich nur noch weiß, dass da irgendwann mal eine große Bibliothek mit angehängtem Leuchtturm abgebrannt ist, stirbt. Die Chronisten des Theologen drücken ihr „Mitleid“ in den Trost spendenden Worten „Sein Abschied erfreut die Lebenden, aber er wird die Toten betrübt haben.“ aus. Also stand wohl auch dieser Kyrill nicht gerade unter dem besten Stern, es sei denn, man glaubt an das Leben nach dem Tod. Dort hatte er dann sicher seinen Spaß.
9. Jhd. irgendwo tief im slawischen Raum
Kyrill von Saloniki hieß eigentlich Konstantin und ist eine wichtige Person in der Missionierung der Christenheit. Er hat die Sarazenen von der Dreieinigkeit überzeugen wollen, aber der Ausgang des Kampfes „Viele Krummsäbel vs. ein Mann, sein Sohn und eine ungewisse, übernatürliche Existenz“ war wohl vorauszusehen. Man darf trotzdem nicht untergraben, dass er scheinbar die einzige Person dieses Namens ist, die ein relativ erfülltes Leben hatte. Der gute Mann ist viel gereist, hat verdammt viele Leute in den Himmel geschickt und ist am Ende angeblich als frisch gekürter Bischof an einer Krankheit eingegangen. Wahrscheinlich hatten auch großbrüstige Frauen einen Anteil an seinem Tod, aber da schweigen die Quellen.
1138 - Kyrill von Konstantinopel war völlig uninteressant. Ruhe er in Frieden.
1902 bis 1971, abermals in Ägypten
Kyrill IV. war koptischer Papst von Alexandrien, und ich hätte davor nicht einmal gewusst, dass eine koptische Kirche existiert. Hat angeblich einige Erscheinungen gehabt, was man aber auch auf zu ausgedehnte Shisha-Sitzungen zurückführen kann, zudem wurde seine Leiche ein paar Mal umher getragen, was bei den Ägyptern jedes Mal fröhliche Festlichkeiten mit sich brachte. Beneidenswert.
Sehen wir es ein. Wer von seinen Eltern Kyrill genannt wird, steht nicht unbedingt unter dem besten Schicksalsstern. Und wenn die Eltern auch noch krampfhaft emanzipierte Meteorologen sind (Die Namensvergabe weiblich-männlich für Hoch- und Tiefdruckgebiete wechselt jährlich), kann dabei eigentlich nichts Gutes herauskommen. Der arme Kyrill hätte schließlich ebenso gut einen Mädchennamen bekommen können, Geschlecht hin oder her.
„Zerdrückte Autos, kaputte Dächer, Feuerwehr im Dauereinsatz“, meint die BILD zum „Sturmchaos“ und lässt ihre Leser auf der Internetseite die besten und dramatischsten Fotos hochladen. Umkippende Autos und weinende Menschen sind schon lange kein Tabu mehr, also warum dann nicht gleich die entsetzten Leser zum gegenseitigen Honig-um-die-Lippen-Schmieren einladen? Bei uns war das THW zwar tatsächlich bis morgens im Einsatz, allerdings scheint seitdem die Sonne. Was recht lustig ist, wenn man bedenkt, dass die Eltern in Sachsen-Anhalt heute entscheiden dürfen, ob ihre Eleven die Schule besuchen, und durch einen Fehler in der Bürokratie dürfen die Abiturienten diese Wegbiegung sogar selbst nehmen. Überraschenderweise waren trotzdem alle da, aber bei heiterem Himmel, Sonne und einem lauen Lüftchen kommt man auch nicht auf die Idee zu schwänzen, Legalität hat in dieser Sache bekanntlich eh nur eine zweitrangige Bedeutung. Die ersten Zweifel kamen erst in Stunde drei, denn Mathe ist eigentlich kein Fach, in dem man große Gedankengänge darüber führt, ob es sich lohnt, einen Notausgang zu nehmen. Trotz allem besaß niemand die Dreistigkeit, mit den Worten „Der Sturm wird mir langsam zu gefährlich“ die Schule zu verlassen, auch wenn es sicher Stoff für einige Gedanken über den deutschen Regelfaschismus gegeben hätte.
Man kann Geschädigter sein, und eventuell sogar einen der 36 tödlich Verunglückten persönlich gekannt haben, letztendlich ist Kyrill nur eine Naturerscheinung gewesen. Es ist nicht besonders viel passiert, nicht einmal für europäische Verhältnisse, der vielfach angepriesene „Millionensachschaden“ war bei der Flut letztes Jahr wesentlich schlimmer und hat den Staatshaushalt bekanntlich trotzdem nicht vernichtet. Und wenn danach sogar noch die Sonne scheint, sollte man den kleinen Kyrill nicht immer so hart am Riemen nehmen. Frontal 21 überprüft seine Festplatte übrigens gerade nach Killerspielen, aber bisher hat man nur das Wahlprogramm der CDU gefunden. Die Partei hat sich daraufhin entschlossen, Stoiber zu verbieten, die Ergebnisse können sie in Funk und Fernsehen begutachten.