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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ode an das Leben



Froschvampir
06.01.2007, 21:47
Keine Ahnung. Hab da irgendwas zusammengetippt und wünsche Bewertungen... Lest es euch einfach durch.


Die Münze

Seit Jahren nun wandere ich herum. Die ganze Zeit in Dunkelheit. Für die Menschen, die mich haben, bedeute ich nicht viel. Überhaupt nichts bedeute ich ihnen. Schliesslich bin ich eine 1 Cent-Münze. Ich habe aber schon viel gesehen in meinem Unleben. Als Münze sieht man viel von der Welt, man reist herum und ist bei den verschiedensten Leuten, die man sich nur vorstellen kann. Bis vor einem Monat war ich noch im Media Markt. Dort braucht man mich schliesslich, bei all dem X,99€-Artikeln. Man fragt sich, warum man nicht einfach 30,00€ aus 29,99€ machen kann. Vielleicht wirkt sich das auf die menschliche Psyche aus, wer weiss. Aber ich spiele ja nun wirklich keine Rolle. Nun befinde ich mich bei einem Mann mittleren Alters, der mich bei dem Kauf eines neuen DVD-Rekorders im Media Markt bekam. 99,99€. Was zahlte er? 100€. Dafür bekam man mich. Und was will er jetzt mit mir anstellen? Keine Ahnung. Vielleicht werde ich mein Unleben lang in diesem Geldbeutel befinden. Aber immerhin gibt es hier auch andere Münzen. Mit dem gleichen Schicksal.

Vegetieren

Nun sitze ich schon wieder hier, mit einer Tüte Chips zwischen meinen Armen und der Fernbedienung in der Hand. Im Fernsehen läuft irgendein Programm über Tiere. Keine Ahnung. Am liebsten würde ich ja gerne einen spannenden Actionfilm sehen. Doch halt. Was tu ich hier denn genau? Diese Frage schoss mir durch den Kopf, sekundenschnell, wie eine Kugel aus einer Pistole. Mir wurde es ganz kalt. Wie gelähmt stand ich auf, der Mann im Fernsehen redete weiter, doch mir wurde es ganz anders. Ich stand vor den Vorhängen, die die Sicht auf meinen Balkon verdeckten. Blitzschnell schob ich sie beiseite und starrte aus dem Fenster. Draussen war nichts los. Autos fuhren auf Strassen, die aus meiner Sicht minimal klein wirkten, da ich mich schliesslich in einem Block befand. Häuser waren überall zu sehen und Vögel flogen in der Luft, als sei das Leben für uns Menschen so sorglos wie für sie. Die Vögel wirkten auf mich etwas provokant. Keine Ahnung, warum. Sie waren so sorglos. Und frei. Ich habe heute zwar einen freien Tag, nahm mir aber vor, den Tag so zu gestalten, wie ich es will. Ohne zu überlegen schob ich alle meine Vorlieben in die Ecke Fernsehen... Doch da draussen musste es doch noch was anderes geben. Also zog ich meinen Kittel an und stülpte meine Schuhe über meine Füsse und öffnete die Tür – draussen war alles wie immer. In den Gängen des siebenstöckigen Blockes roch es wie immer nach Marmor und einem Geruch, den ich „Kellergeruch“ nenne. Niemand war draussen, die Pflanze vor der Tür meiner Mitbewohnerin stand wie immer regungslos da. Klar, sollte sie etwa tanzen? Aber dennoch. Irgendwie abschätzend gingen mir die Worte „Wie mies die es doch hat“ durch den Kopf. Aber sie kann ja nichts dafür. Sie ist ja nur eine Pflanze. Ich rannte die Treppe hinunter und kam dann irgendwann nach vielen Tritten unten beim Eingang an. Ich habe keine Lust, den Lift zu benutzen. Draussen ist es kalt. Schliesslich ist es ja Winter... Da kam ein Taxi vorbei, wie automatisch stoppte ich es und befahl dem Fahrer, zum Media Markt zu fahren. Dort werde ich mir dann endlich mal einen DVD-Player kaufen. Ich habe zwar nur 100€ dabei, aber irgendein Sonderangebot wird es schon geben. Dann kann ich mir endlich einmal die DVD ansehen, die ich von meinen Eltern zu Weihnachten bekam.

Hänsel
07.01.2007, 22:26
Vorweg: Mach Absätze!

Mir gefällts ausgezeichnet. Die Chronologie der Perspektiven ist gut gewählt,andersrum wäre alles futsch. Sprachlich schön, bis auf ein paar merkwürdige Wortwahlen wie zB Schuhe überstülpen...
außerdem irritiert mich, dass es im Aufgang nach Marmor riecht. Wie riecht Marmor und warum riecht es nach Marmor in einem Block? Das Wort Block finde ich btw auch nicht besonders schön. Sprich vom Mehrfamilienhaus oder wenn du dich im Stil der Münze einreihen willst, von etwas poetischem wie "Seelensilos" o.ä.

Insgesamt bin ich mir unsicher, ob der nicht vorhandene Spannungsbogen und Inhalt für eine Geschichte ,die über Belanglosigkeit handelt als rethorisches Mittel sich bewährt. Oder nicht sogar den Leser erschlägt.
Vielleicht hat jemand anderes eine Meinung dazu?

La Cipolla
09.01.2007, 14:20
Das ist der Post, bei dem es mir am meisten widerstrebt, ihn noch einmal schreiben zu müssen. :D
Also ich bin immer noch positiv überascht und glaube immernoch an das Gute im Menschen, dass es wirklich von dir ist. :rolleyes: Die Zusammengehörigkeit ist wirklich bemerkenswert gelungen und einen Sack voller Niveaustufen über deinem letzten "Werk". Was vll(!) daran liegt, dass du dich hier nicht so verstellt hast..


Insgesamt bin ich mir unsicher, ob der nicht vorhandene Spannungsbogen und Inhalt für eine Geschichte ,die über Belanglosigkeit handelt als rethorisches Mittel sich bewährt. Oder nicht sogar den Leser erschlägt.
Vielleicht hat jemand anderes eine Meinung dazu?
Ich denk schon, dadurch wirkt vor allem der letzte Teil atmosphärischer. Das geht aber natürlich nur bei so kurzen Texten, jeder weitere Satz könnte den Leser schon zum Aufhören zwingen.
Die nichtvorhandenen Absätze gehn ihmo auch in Ordnung, wenn wir einmal bei unbewussten Stilmitteln sind. :p

Was ich nicht gut finde, sind die Teil-Überschriften, alles andere in den beiden Texten ergibt letztendlich eine Einheit, auch die große Überschrift, aber die beiden kleinen hätte man ebenfalls noch synchronisieren können. Ist vielleicht Ansichtssache.

Froschvampir
09.01.2007, 17:55
@Cipo: Glaub mir einfach, wenn ich eines nicht ausstehen kann, dann Lügen. Es wäre das letzte was ich machen würde, Sachen von anderen unter meinem Namen zu veröffentlichen.

Broken Chords Can Sing A Little
15.01.2007, 22:44
Muss auch sagen, dass ich positiv überrascht bin. Die Personifizierung der 1-Cent-Münze als niederste unter ihresgleichen hat mir gefallen, ist innovativ.
Der zweite Text passt zwar gegen Ende gut dazu, aber der Teil davor ist meiner Meinung nach ziemlich unnötig und wurde dafür auch zu lange ausformuliert. Diese kleinen Sätze zwischen den längeren Aussagen können ein gutes Stilmittel sein, jedoch hast du sie zu oft verwendet, weswegen ich sie mit der Zeit auch einfach überflog und auf das Ende zusteuerte. Soll heißen, die zweite Geschichte hat ihre Berechtigung, ist aber falsch formuliert.

Ansonsten ist es so gesehen sogar schade, dass du gebannt wurdest. Naja, wie auch immer.