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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Joerg und ich [Kurzgeschichte, Sci-Fi, Spaß]



derBenny
04.01.2007, 13:50
Joerg und ich

"Vorsicht, unbekanntes Objekt auf Kollisionskurs", stöhnte die weibliche Stimme des Computers, als würde es ihr der Raumverkehrsleitcomputer der Erde mit seinem riesigen Arbeitsspeicher persönlich besorgen.
Die Navigatorin stieß ihren typischen Schrei aus und raufte sich symbolisch die Haare. Dieser Computer sei eine Beleidigung für jede emanzipierte Frau in der Galaxis, beschwerte sie sich lautstark und schüttelte missbilligend den Kopf.
Ich quittierte ihre Anmerkung, die ich im übrigen mehrmals am Tag zu hören bekam, mit einem Gähnen, dem ich, soweit es möglich war, einen leicht gereizten Klang zu verleihen versuchte, um deutlich zu machen, dass ihre lautstarke Kritik an der orgastischen Phonetik des Computers, die ich selber mit Bedacht für den Bordcomputer des Lastenraumtransporters "Virgin Mary XI" ausgewählt hatte, mich aus dem Schlaf der Gerechten gerissen hatte. Dass sie die Stimme in Anbetracht des Namens außerdem höchst zynisch fand, muss ich wohl nicht erwähnen.
Mir gefalle es so, knurrte ich, rieb mir den Schlaf aus den Augen, faltete meine Wolldecke zusammen und verstaute sie unter dem Kapitänssessel. "Was ist denn eigentlich los?"
Die Navigatorin seufzte. "Computer, Bericht!"
Aus den Lautsprechern stöhnte es, als würde es den Computer erregen, Befehle entgegenzunehmen. "Unbekanntes Objekt auf Kollisionskurs, Größe ... 4 Kubikmeter, quaderförmig, Entfernung ... 420 Kilometer, Zeit bis zur Kollision ... 3 Minuten und 25 Sekunden."
"Quaderförmig?", wunderte ich mich. Dann konnte es kein typischer Gesteinsbrocken sein. "Vielleicht ist es einer dieser großen, schwarzen, vagabundierenden Quader."
Die Navigatorin sah mich skeptisch an.
Ich klärte sie über die Monolithe, der Begriff war mir wieder eingefallen, auf, die, wie man aus 'Space Odyssee" wisse, überall im Weltraum rumfliegen würden.
Jetzt schüttelte sie entnervt den Kopf.
"Computer, was ist das für ein Objekt?", fragte ich in der Hoffnung, dass der Computer mir Recht geben würde. Immerhin hatte ich bei weitem mehr Weltraumerfahrung als das blutjunge Mädchen vor dem Radarschirm und wusste, dass im Weltraum grundsätzlich keine geometrisch ideal geformten Objekte rumflogen, mit Ausnahme dieser Monolithe, die bisher nur Kubrick vor die Linse bekommen zu haben schien.
Der Computer schnaufte auf unanständige Weise, während er die entsprechenden Messungen anstellte und überprüfte. Schließlich: "Joerg."
"Wer?", fragte ich, "Was?", die Navigatorin.
"Joerg!", wiederholte die weibliche Stimme aus dem Lautsprecher, jetzt etwas verärgert über die indirekte Unterstellung, sie hätte sich nicht deutlich genug ausgedrückt.
Was hier Joerg heiße, erkundigte ich mich, ebenfalls verärgert.
Mein Ärger schien den Computer wieder zu erregen. Joerg, klärte mich die weibliche Stimme auf, sei ein äußerst formschöner und zudem günstiger Schrank aus dem Hause IKEA.
"Ach so", sagte ich, aber die Navigatorin blieb verwirrt stehen, als hätte sie es immer noch nicht verstanden.
"Es ist nur ein Schrank", erklärte ich es ihr ruhig.
Dass es ein Schrank sei, habe sie auch gehört, schnauzte sie mich an. "Aber wie kommt ein verdammter Schrank in den Weltraum, hierher, Lichtjahre entfernt vom nächsten bewohnbaren Planeten?"
Ich wollte gerade anmerken, dass das tatsächlich eine Frage sei, die nach Aufklärung verlange, als es laut krachte, der Boden bebte und Glas splitterte.

"Er ist in mich eingedrungen", stöhnte die weibliche Stimme des Bordcomputers immer wieder, während ich mit durchsichtiger Plastikfolie das Loch in der Frontscheibe des Raumschiffes notdürftig abzudichten versuchte und mir dabei unfreiwillig den Sonnenwind um die Ohren pfeifen ließ. Mit viel Geduld und einer Menge Tesafilm gelang es mir schließlich, den Schaden zu beheben, den der in der Tat formschöne Eichenholzschrank, jetzt seitlich auf dem Steuerpult lehnend, angerichtet hatte. Schließlich wandte ich mich diesem zu.
"Und was jetzt?", fragte die Navigatorin, immer noch sichtlich erschüttert über die Tatsache, dass wir im Weltraum eine Kollision mit einem IKEA-Produkt namens Joerg erlitten hatten.
Ich beantwortete ihre Frage, indem ich vorschlug, ihn direkt neben der Konsole für die Lebenserhaltung zu platzieren, weil er da am besten hinpasse und seine Formschönheit am ehesten zur Geltung komme. Dass die Navigatorin keine Einwände zu haben schien, sie stand nur mit offenem Mund fassungslos da, deutete ich als Zeichen der Zustimmung für meinen Vorschlag und so setzten wir unsere Reise, nunmehr im Besitz des stilechten Eichenholzschranks Joerg, schließlich fort.

Pursy
04.01.2007, 17:40
Diese Geschichte ist ebenso sinnfrei wie LUSTIG!:hehe:
Ich lag in der Ecke vor lachen als ich "Joerg" gelesen hab... den hab ich nämlich vorgestern noch persönlich in Augenschein genommen. Formschön mag er sein, aber im Grunde doch hässlich wie die Nacht... in seiner Formschönen Art und Weise!;)

Aber find ich ziemlich gut, hoffe auf eine Fortsetzung... vielleicht diesmal mit einem bisschen klareren Hintergrund!:D

Icetongue
05.01.2007, 23:33
Diese Geschichte ist ebenso sinnfrei wie LUSTIG!:hehe:

Aber find ich ziemlich gut, hoffe auf eine Fortsetzung... vielleicht diesmal mit einem bisschen klareren Hintergrund!:D
Muha, wie geil. :D http://upload.npcfighter.de/files/36/756132.gif in beiden Punkten.

Bei Joerg musste ich auch ziemlich schmunzeln, weil mein Bruder früher einen Jörg in seiner Klasse hatte, den er meist als recht... Umgebungsfüllend beschrieben hat. Die Vorstellung, dass so jemand alsquadratisches Objekt durch's Weltall rauscht... :hehe:

Der Schreibstil gefällt mir, klingt alles so beiläufig erzählt, als ob du erzählen würdest, wie das Wetter war... ich weiss, im Weltraum gibt's nicht viele Wetter abgesehen von "kalt und windstill", "kalt mit leichten Meteoritenschauern" und "kalt mit vereinzelten Kometenschweifen". :p

La Cipolla
09.01.2007, 13:54
Sprachlich sehr gut, auch wenn sehr geschachtelt, inhaltlich vollkommen leer und humoristisch genial. :D Da kann auch gern mal was größeres kommen.
Die Idee mit dem Schrank rockt einfach, auch wenn der erste Teil vll sogar ein bisschen zu lang ausgeführt ist.

NeoInferno
10.01.2007, 00:57
Geil. Ist eine der wenigen Geschichten hier, über die ich wirklich schmunzeln (eine Vorstufe des Lachens) konnte. Hast mir nichtmal was zum meckern gelassen *schnüff*