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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Psyche. Dunkle Erinnerungen



Leon der Pofi
03.01.2007, 09:32
Das ist der Anhang meiner geschichte von damals.
http://www.multimediaxis.net/showthread.php?t=87313
Die Geschichte beschreibt, wie die Betreuerin den Verlust verkraftet.
Rechtschreibfehler muss ich noch ausbessern und ein paar stellen
wahrscheinlich noch umschreiben.

Inspiration und Schatten

Inspiration. Ein sehr individueller Begriff. Ich hasse ihn. Oder mag ich ihn? Ja, damals schon. Wie lange war es her? Ich kann mich kaum noch erinnern. Nur noch der Patenzettel an der Wand gibt mir ein Zeitgefühl. Lydia und Teresa Hamlinton. Verstorben 1999. Das Geschwätz unter den Fotos lese ich mir nie durch. Es ist eine Farce, bei der ich jedes Mal kotzen könnte.

„Gott nimmt seine Kinder in sein heiliges Reich auf“. Das übliche halt, ihr wisst schon. Ein besoffenes Arschloch ermordete geliebte Frau und 16 jähriges Mädchen. Das sollte da stehen.
Zumindest in der Zeitung. Die war jedoch zu beschäftigt, über Prominente zu berichten und mit flachen Witzen, den Geisteszustand ihrer Leser in Frage zu stellen. Obwohl es eher eine Bestätigung, als eine Frage darstellte. Ein betrunkener Autofahrer, der die Familie eines Autors auslöscht ist doch langweilig. Kennt man doch schon.

Wie oft habe ich mir gewünscht, an diesem Tag auch im Auto gewesen zu sein? „Hol doch selbst Teresa von der Schule, ich muss mich konzentrieren“. Die letzten Worte, die ich und meine Frau wechselten. Dann fiel die Haustür in ihre unbarmherzig kalten Angeln. Meine letzten Bücher waren alle so schlecht, dass ich sie selbst nicht lesen konnte. Wie lange ich mich im Arbeitsraum einschloss, weis ich nicht mehr. Hmpf. Arbeitsraum. Ein Loch war es. Die Zigarettenschachteln stapelten sich und ich konnte vor lauter Dunst mein eigenes, hässliches Gesicht nicht mehr im Spiegel sehen. Hatte ja auch gar keinen hängen, aber wenn ich so ein Ding gehabt hätte, wäre es so gewesen. Mir wollte nichts einfallen. Einen Tag vor dem Unfall hörte ich ein leichtes pochen an der Tür. Es hörte sich dumpfer als gewöhnlich an. Wunderte mich jedoch nicht, ich war auch besoffen. Blicke ich Heute zurück, muss es ein erbärmlicher Anblick gewesen sein. Besonders für meine Tochter. Aber in diesem Zustand ging ich Terese grundsätzlich aus dem Weg. Lydia kam mit einem Packet unter dem Arm herein. Als das grelle Licht durch den Türspalt drang und die Dunkelheit durchschnitt, wurde mir beinahe schlecht.

Sie warf mit das Packet auf den Schreibtisch und verschwand gleich wieder. Die Kippe fiel mir runter und ich versengte mein wunderschönes, weißes Hemd. Obwohl, mittlerweile durfte es schon schwarz gewesen sein. Gelangweilt öffnete ich das Packet. Freuen konnte ich mich sowieso über nichts mehr. Es war ein Poster. Ich breitete es auf meinem Schreibtisch aus und betrachtete es. Es war sehr dunkel gehalten. Ein großer See mit einem Waldstück. Darüber war ein Mond zu sehen, welcher in meinen Augen nicht mystisch aussah, sondern nur hässlich. Wie eine Fratze, die den See verschlingen möchte. Aber vermutlich bin ich zu oberflächlich. Esoterik ist für mich ein Fremdwort. Unter dem Fressritual des Mondes stand in fetter Schrift: Inspiration. Dann schlief ich ein.
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Karins erster Nachtdienst verging überraschend schnell. Leider musste sie erkennen, dass sie eingeschlafen war. Ihr braunes Haar war zersaust und ihr Gesicht wurde von dem Abdruck ihrer Armbanduhr verziert. Sie schlenderte im Halbschlaf zum Kaffeeautomaten. Koffein war in diesem Beruf Ambrosia. Plötzlich wurde die trügerische Stille zerfetzt. Schrille Schreie waren zu hören. Karin ließ geschockt den Kaffee fallen und blickte sich entsetzt um. Die Schreie wurden leiser und verstummten zu einem ärmlichen Wimmern.

Die Schreie kamen aus Zimmer 302. Noch eine halbe Stunde bis ihre neuen Kollegen die Arbeit beginnen. Sie hatte entsetzliche Angst. Die Schritte bis zur Tür, kamen ihr wie eine Ewigkeit vor. Sie umklammerte ihren Glücksbringer, einen goldenen Marienkäfer, und öffnete langsam die Tür.


Schnell durchstreifte ihr Blick das gesamte Zimmer. Die weißen Wände schmerzten in den Augen und sie erkannte, dass der Vorhang abgerissen war. Ein leises Schluchzen kam aus der Ecke. Karin sah wie eine junge Frau zusammengekauert auf dem kalten Boden saß. Tränen flossen über ihre Wangen und sie kuschelte sich in den Vorhang. Die Kleine sah Mitleid erregend aus. Ihre schwarzen Haare hingen ihr in das zierliche, magere Gesicht und ihre Augen waren von einem tiefschwarzen Schatten umgeben. Nur mit einem weißen Nachthemd bekleidet, saß sie da.

Karin ging langsam auf das Mädchen zu, welches zusammenzuckte und sich hinter einem Holzbett versteckte. Wie sollte man in so einer Situation reagieren? Hinlaufen und trösten? Warten? Warten schien die beste Alternative. Karin setzte sich auf das Bett und beobachtete das Mädchen. Der kleine Kopf war zwischen die Knie gesunken und manchmal blitzen die schwarzen Augen hervor. Ein kleines, weißes Kärtchen war am Bett befestigt. So klein geschrieben, dass man es kaum entziffern konnte. Teresa Hemlinton.

Teresa wippte vor und zurück. Wie in Trance. Karin versuchte immer wieder sie anzusprechen. Keine Reaktion. Sie war in ihrer eigenen, dunklen Welt gefangen.
Das Spital war schon eine komische Einrichtung, dachte Karin. Kranke Menschen waren im oberen Geschoss des Neubaues untergebracht. Die anderen Patienten, wo man nicht wusste, welche Krankheit sie hatten, waren im unteren Geschoss. Irgendwie wirkte alles isoliert. Den Beruf übte sie nicht freiwillig aus. Das liebe Geld zwang sie dazu. Obwohl, man konnte es nicht einmal als besseres Taschengeld bezeichnen. 250 Dollar. Sie war einfach nur eine Aushilfskraft im St. Victoria Hospital. Sie durfte nicht einmal die Patientenakten betrachten.

Karin schnellte hoch, als plötzlich die Tür aufging. Ein großer Mann betrat das Zimmer, mit schweren, dumpfen Schritten. Die Neonröhren, spiegelten sich auf seiner Glatze wieder. Zwei Knöpfe, seines blauen Mantels waren geöffnet und man konnte sein speckiges, verschwitztes Unterhemd sehen. Er blickte skeptisch zu Karin. „Hat unser kleiner Rauschgoldengel wieder nicht gut geschlafen?“. Ein breites, widerliches Grinsen kam zum Vorschein. Es war die pure Verachtung, die man erkennen konnte. „Ich hörte sie schreien, da bin ich zu ihr gegangen. Sie reagiert aber nicht, wissen sie wie man ihr helfen kann?“ erwiderte Karin.

Der Mann kramte in seiner Hosentasche. Nun konnte man seinen dicken, blassen Bauch sehen. Er holte ein silbernes Päckchen hervor und öffnete es mit seinen Zähnen. Eine Spritze fiel heraus. „Diese Teresa, macht uns immer Ärger. Ständig plärrt sie herum“. Dabei rollte er genervt mit den Augen. Er wandte sich zum Waschbecken, an dem eine Plastikflasche mit einer durchsichten Flüssigkeit hing und füllte die Spritze.

Er ging langsam zu Teresa und schob die weißen Ärmel des Nachhemdes hoch. Sie zuckte nicht einmal, als die Spritze ihren dünnen Arm durchbohrte. Der Kerl blickt auf die Uhr.
„Nun dürfte sie bis vier Uhr schlafen“, und verließ das Zimmer so schnell, dass Karin nicht mehr Antworten konnte.

Das Mädchen kippte nach vor und schlug mit dem Kopf gegen das Holzbett.
Karin kam alles unwirklich vor. Wie konnte dieser Kerl nur so mit dem Mädchen umgehen?

Mit großer Anstrengung zerrte sie Teresa auf das Bett. Ihr regungsloser Körper hatte sicher das Doppelte an Gewicht gewonnen. Karin verdunkelte das Zimmer und setzte sich neben das Mädchen. Langsam streichelte sie ihr durch das Haar und über das Gesicht. Heute weis sie es nicht mehr genau, aber sie glaubte ein kleines Lächeln gesehen zu haben.
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Es war dunkel. Ich versuchte die Augen zu öffnen, aber ich bekam sie nicht auf. Was war das nur für eine Nacht. Mein Kopf schmerzte, dass ich mich beinahe übergeben musste. Ich schob den Vorhang bei Seite und grelles Licht durchströmte den Raum. Immer diese Alpträume. In letzter Zeit denke ich wieder zu sehr an meine Familie.

Gerade als ich aufstehen wollte, schoss mir ein Schmerz durch den Körper. Fluchend sah ich, dass ich den Aschenbecher zerbrochen hatte und jetzt einen großen, schimmernden Splitter im Fuß stecken hatte. Ich biss die Zähne zusammen und zog an dem Eindringling. Er steckte ziemlich fest und das warme Blut strömte vorbei und spiegelte sich im Splitter wieder. Ich humpelte langsam durch das Vorhaus, verlor vor dem Arzneikasten den Halt und flog der Länge nach auf den schmutzigen Fußboden. Meine Wohnung war dreckig, wie noch nie zuvor. Habe ich bereits von der Wohnung erzählt? Als mich meine Familie verließ, verkaufte ich unser Haus und tauschte es gegen eine kleine Wohnung ein. Die Erinnerungen ließen mir keine ruhige Minute.
Für einen einsamen, alten Mann reichten die paar Zimmer vollkommen aus.

Mit einem kräftigen Ruck, zog ich den Splitter heraus und verband die Wunde.
Der Schmerz hielt sich in Grenzen. „Scheiss Aschenbecher“. Aber ich war selbst Schuld, warum musste ich auch jeden Tag, mindestens 40 Zigaretten rauchen? Meine Lunge war vermutlich schon so schwarz, wie das Loch in meinem Herz.
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Es war bereits 14.00, als Karin noch mal zu ihrer Patientin blickte. Sie schlief noch immer. Hatte ihre traurigen Augen geschlossen. Was wohl mit ihr geschehen ist? Warum redet sie nichts? Was hat sie am Abend geträumt? Warum will ihr niemand helfen, sondern sie nur ruhig stellen? Sie versuchte behutsam, Teresa zu wecken. Sie reagierte nicht. Kann sie sich überhaupt noch an ihren Namen erinnern? Karin rüttelte an der Bettdecke und kleine, rote Schmetterlinge kamen zum Vorschein. Sie bewegten sich und schienen davonfliegen zu wollen, ehe sie einen Kreis bildeten und verstummten.

Blut tropfte auf den Fußboden. Auf dem Nachttisch, stand noch das Frühstücksgeschirr und die Semmel war etwas angenagt. Das Frühstücksmesser war blutverschmiert. Karin riss die Bettdecke bei Seite und war wie gelähmt. Der Fuß von Teresa war überseht mit Schnittwunden und das Blut sickerte bereits in die Matratze. Eine schrille Glocke hallte durch das Spital, welche sich an jedem Krankenbett befindet. Kurz darauf stürmte ein kleiner, unscheinbarer Mann in das Zimmer. Dr. Emmer, wie sein Namensschild preisgab. Sein weißer Kittel wehte wie ein Papier im Aufwind, als die Tür in die Angeln flog. „Was ist hier passiert?“. Seine Stimme klang besorgt. „Endlich jemand, der sich um das Mädchen Sorgen macht“, dachte sich Karin.

Er blickte hastig zu dem Mädchen und sah das blutverschmierte Messer. „Nicht schon wieder“, murmelte er. Karin assistierte bei der Wunddesinfektion und Dr. Emmer nähte die Wunden. „Das ist schon das zweite mal diesen Monat. Hat ihnen niemand gesagt, dass sie keine scharfen Gegenstände hier liegen lassen dürfen!?“. Seine Stimme klang diesmal richtig wütend. Karin fing an zu stottern. War es tatsächlich ihr Fehler? Nein. Niemand hat ihr etwas mitgeteilt. Sie trifft keine Schuld. „Aber warum fühle ich mich dann so schlecht? „Ich… Ich wusste es nicht. Mir hat niemand etwas mitgeteilt...“, würgte sie hervor. Ihre Stimme war staubtrocken und hörte sich an wie ein krächzen.



„Schon gut. Ich werde ihnen ab jetzt helfen“, murmelte er in seinen Vollbart, welcher beinahe sein gesamtes Gesicht umgab. Während der gesamten Operation, gab Teresa keinen Laut von sich. Ihr Körper war noch von den Medikamenten betäubt. Aber wie konnte sie sich dann selbst verletzen? Emmer wandte sich Karin zu. „Autoaggression ist eine furchtbare Krankheit. Frau Hamlinton ist erst seit kurzem in unsere Klinik gekommen und das ist schon der zweite Vorfall der sich ereignete. Man fand sie in einem Waldstück, in der Nähe von Michigan. Sie war mehr tot als lebendig und völlig verstört. Sie wurde mit einer massiven Kopfverletzung zu mir gebracht. Was sie genau durchgemacht hat, wissen wir nicht. Es gibt keine Vermisstenanzeigen, keine Familie und sie hat noch nie ein Wort gesprochen“.

„Dadurch, dass man sie unter Drogen setzt, wird es aber auch nicht besser“, erwiderte Karin in derselben Sekunde. Dr. Emmers Miene verfinsterte sich. „Das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme, bis wir einen geeigneten Psychologen gefunden haben.
Ja, es gibt genügend Psychologen. Doch die meisten sind nur am Profit interessiert und scheren sich einen Dreck um ihre Patienten. Ich will, dass sich jemand gut um sie kümmert.
Jemanden, bei dem sie geborgen ist. Sie zum Beispiel machen jetzt schon einen besseren Eindruck auf mich, als dieser Erick in den ganzen Jahren.

Karin horchte auf. „Dieser dicke Kerl, der Teresa das Medikament verabreichte?“.
„Korrekt. Er ist der schlechteste Arzt, den dieses Spital je gesehen hat. Leider ist er an einen speziellen Vertrag gebunden, der ihn unkündbar macht. Bedanken sie sich bei der Verfassung“.

Die Stunden vergingen und die Sonne wich der Nacht. Dr. Emmer war wieder in seine Abteilung im oberen Neubau zurückgekehrt. Er war eigentlich Chirurg, kümmerte sich aber trotzdem auch um andere Patienten. Karin saß am Bett und beobachtete das Mädchen. Langsam öffnete es die Augen. Beide verharrten einige Minuten und starrten sich an. Teresas Augen hatten einen melancholischen Ausdruck. Bemitleidenswert. Sie schienen Karin mit Fragen zu durchbohren. „Warum hilfst du mir nicht?“ „Warum lässt du mich nicht nach Hause?“ „Ich will doch nur Ruhe haben“.

Dennoch schien sich eine angenehme Stille im Raum auszubreiten. Endlich war Teresa nicht mehr alleine, wenn sie aufwachte. Vorsichtig, richtete sie sich im Bett auf und berührte mit der Handfläche Karins Wangen. Dabei spielte sich ein kleines Lächeln um ihre Lippen. Ihre Pupillen waren noch erweitert, doch man hatte das Gefühl, dass sie endlich wieder in der Realität war. Der künstliche Albtraum war endlich beendet. Teresa starrte auf ihre Füße, die mit einem dicken Verband eingebunden waren. Ihr Blick war unwirklich, als wüsste sie gar nicht, was geschehen war.

Karin wollte ihr keine Vorwürfe machen und bereitete ihr das Abendessen vor. Die Selbstverletzung, wollte sie nicht mehr erwähnen. Es gab Haferbrei mit einem Pfirsichkompott. Nicht besonders lecker, doch die Kleine musste bereits einen furchtbaren Hunger haben. Teresa nahm selbstständig den Löffel und versuchte zu essen. Der Haferbrei tropfte ihr aus dem Mund. Anscheinend war der Kopfbereich noch immer etwas taub. Karin nahm den Löffel selbst und begann sie zu füttern. Es schien ihr zu schmecken.

Die nächsten Wochen gestalteten sich, wie in einem Traum. Karin bekam von Dr. Emmer die Bestätigung, dass sie nun alleine für Teresa verantwortlich sei. Bei Problemen, könnte sie sich immer an ihn wenden. Durch die Einzelbetreuung, bekam sie nun auch das volle Gehalt. 1500 Dollar. Endlich konnte sich Karin etwas leisten. Sie zog in eine neue Wohnung mit einem hübschen, kleinen Garten. Seit Ewigkeiten war sie endlich wieder zufrieden.
Wenn sie die Haustür öffnete, stieg ihr sofort der Geruch des Herbstes in die Nase und sie konnte sehen, wie sich die Bäume im Wind bewegten.

Auch Teresas Zustand verbesserte sich merklich. Die dunklen Augenringe, wichen zurück und endlich konnte man Farbe im Gesicht erkennen. Karin war für sie, wie eine Freundin geworden. Sie half ihr beim Anziehen, spielte mit ihr und unterstützte sie, wo sie nur konnte.
Dieses Unterfangen gestaltete sich schwieriger, als man denken würde. Bis jetzt hat sie noch nie gesprochen, jedoch konnte man alle Wünsche anhand ihrer Mimik und Gestik ablesen.
Auch die Albträume wichen zurück, wie die Dunkelheit aus Teresas Gesicht.
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Heute habe ich den ganzen Tag ferngesehen. Dumme, muskelbepackte Helden retten im halbstündigen Rhythmus die Welt. Neben mir, lag mein treues Notizbuch um Ideen für mein Buch aufzuschreiben. Ideen? Geklaute Inhalte aus Filmen, trifft es eher. Aber es gibt immer Menschen, die sich an Altbewehrtes halten und den Unterschied nicht merken. Zumindest hoffte ich es.

Lydia war so weit weg, wie noch nie zuvor. Ich dachte kaum noch an sie. Auch Teresa war verschwunden. Aber es tat gut, zu vergessen. Den Schmerz loszulassen. Alleine zu sein.
Ich möchte vergessen…
Vergessen….
Für immer.
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Die kalte Jahreszeit brach herein. Die Bäume verloren ihre bunten Kleider und wurden kahl.
Karin nutzte den Herbst, um einen geeigneten Psychologen für Teresa zu finden. Doch ein Vorstellungsgespräch wich dem anderen. Eine innere Stimme sagte ihr, dass irgendwann jemand kommen musste, dem sie vertrauen konnte. Sie wollte einen einfachen Menschen, der sich wirklich um seine Patienten kümmert. Mit Herzblut seine Arbeit verrichtet. Oder noch besser, es gar nicht als Arbeit betrachtet

Die meisten erfüllten dieses Kriterium nicht. Sie saßen im Anzug da und aus ihrem Mund kamen nicht gefühlsvolle Worte, sondern pädagogisch korrekte Sätze, die aus einem Lehrbuch gestammt haben könnten. Doch eine Person war anders. Rebecca Irvine.
Sie trug einen hellblauen Pullover und einen schwarzen Rock. Ihre Haare waren nach hinten gebunden und wurden durch einen lila Haargummi davon abgehalten, nach vorne zu fallen.
Ihre Erscheinung war erfrischend anders. Doch sie wirkte nervös.

Noch bevor Karin sie etwas fragen konnte, erkundigte sich Rebecca um Teresas Gesundheitszustand. Das hat bis jetzt noch niemand getan. „Entschuldigen sie, ich wollte nicht gleich fragen, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Rebecca.“. Sie reichten sich die Hände und Karin merkte, wie die Hände der jungen Frau zitterten. Sie war sichtlich nervös und knabberte während ihrer Unterhaltung ständig an den Fingernägeln. Für viele Menschen ein Grund, Bewerber abzulehnen. Sie war 25 Jahre alt und gerade mit dem Studium fertig geworden. Außer ein paar Praktikumsstunden, hatte sie keinerlei Berufserfahrung. Hier wurde also nicht nur um die freie Stelle gehandelt, sondern auch um Rebeccas Zukunft.

Endlich erwachte die innere Stimme, auf die Karin lange wartete. Ja. Sie hatte ein gutes Gefühl. Nach einem halbstündigen Gespräch, welches überwiegend von Teresa handelte, bekam Rebecca die Zusage. Ihr Gesicht strahlte eine Freude aus, die beinahe ansteckend wirkte.
Der erste Dezember, war gleichzeitig Rebeccas erster Arbeitstag. Von Teresas Zimmer aus, hatte man einen herrlichen Ausblick in den Garten des Spitals. Das Mädchen saß vor dem Fenster und beobachtete, wie sich der Schnee vom Geäst der Bäume löste und auf den Boden rieselte. Rebecca legte ihre Hände auf Teresas Schulter. Karin vermutete, dass sie zusammenzucken würde. Dem war jedoch nicht so. Das Mädchen drehte sich um und sah Rebecca in die Augen. Schwarz und Blau trafen aufeinander. Sie lächelten.

Das erste Förderprogramm sollte sein, Frau Hamlinton zum Sprechen zu ermutigen.
Karin holte ein Kartenspiel, auf dem verschiedene Gegenstände abgebildet waren.
Rebecca nahm eine Karte und hielt es Teresa vor das Gesicht. Ein rotes Auto war abgebildet.
„Auto. A…u….t…o“. Das Mädchen öffnete den Mund, jedoch lösten sich nur ein paar Wortfetzen, welche sich wie das Gebrabbel eines Kleinkindes anhörten. Es war nicht viel, aber der Versuch zählte.

Rebecca vermutete, dass Teresas geistiger Zustand normal, das Sprachzentrum jedoch geschädigt ist. Ob die Kopfverletzungen, oder ein traumatisches Erlebnis als Ursache in Frage kommen, war zu diesem Zeitpunkt noch unklar.




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Ich drehte mich um. Meine Wohnung war jetzt so weit entfernt, dass ich das Gebäude kaum noch erkennen konnte. Aber ich spürte, dass es der richtige Weg war. Endlich konnte ich mich wieder frei bewegen. Ich entschloss spontan, einkaufen zu gehen. Vor ein paar Monaten, war dieser Gedanke noch unvorstellbar. Ich ließ mir alle Lebensmittel von einer Firma liefern, oder bat meine Nachbarn um Hilfe. Die rollten meistens nur mit den Augen, halfen mir jedoch trotzdem. Das Getratsche ignorierte ich. Hinter geschlossenen Türen, gab es sicher nur das eine Thema. „Der Schriftsteller von unten, ja genau der. Der verliert langsam den Verstand. Dieser Kerl sperrt sich nur noch in seiner Wohnung ein!“.

Achtundneunzig. Neunundneunzig. Hundert! Ich klammerte mich an die Straßenlaterne und blickte wieder zurück. Ich spürte die Blicke der Passanten, die mich zu durchbohren schienen.
Aber ich kam mir auch verrückt vor. Die Zeit der Isolation nagte noch an mir. Ich entwickelte merkwürdige Phobien. Dazu gehörte auch, dass ich mich jede Hundert Meter umdrehte. Idiotisch? Ja. Das war es, jedoch gab es mir ein Gefühl der Sicherheit.

Nach einer halben Stunde erreichte ich den Mega Markt. Ein typisch amerikanisches Geschäft.
Es bestand aus drei Stockwerken. Im Erdgeschoss gab es Lebensmittel und Kleidung, im Obergeschoss Möbel und Textilien und in der Mitte war die Elektroabteilung. Hier arbeitete meine Frau. Es war eine schöne Arbeit und in der Mittagspause fuhr sie immer nach Hause, um mir und Teresa das Mittagessen zu kochen. Ich verdrängte die Erinnerungen und ging in das Lebensmittelgeschäft. Nervös blickte ich mich um. Zu viele Leute. Ich musste immer aufpassen, dass ich niemanden anrempelte. Ich füllte meinen Einkaufswagen mit Tiefkühlpizza, Gemüse und dem wichtigsten Getränk um ordentliche Ideen zu sammeln. Bier!
In der Fleischabteilung musste ich etwas warten, bis ich bedient wurde.

„Wie darf ich ihnen helfen?“, fragte der Fleischhauer. Er war wirklich freundlich.
Auch wenn seine weiße Schürze, voller Blut war. Er wirkte recht ungepflegt und seine Haare waren schmierig. Ein recht hässlicher Zeitgenosse, möchte man meinen. Aber ich war niemand, der Menschen nach Äußerlichkeiten bewertet.
„10 Pfund Rinderhack bitte“, erwiderte ich. Ebenfalls lächelnd.


Ich packte das Fleisch in den Einkaufswagen und stellte mich zur Kasse. Ich war total eingeengt. Sowohl vor mir, als auch hinter mir bildete sich eine Menschenschlange.
Ich fing zu schwitzen an. Kleine Perlen lösten sich von meiner Stirn und tropften auf den Boden. Es war unangenehm heiß. Ich hatte das Gefühl, als würden mich die anderen Menschen beobachten. Ich musste raus! So schnell wie möglich raus. Nur noch zwei Leute vor mir. Macht schneller! Beeilt euch! Ich stieg von einem Fuß auf den anderen, wie eine dicke Frau auf einem Heimtrainer. Na endlich. Ich bezahlte bei der Kassiererin, ich sah sie nicht einmal an, und rannte los. Vermutlich hielten mich alle für einen Ladendieb. Der Ausgang! Ich rannte so schnell die Straße hinunter, wie ich nur konnte. Meine Beine waren taub und manchmal hatte ich das Gefühl, als würde ich ins Schwanken geraten. Nur noch ein paar Meter. Ich stürmte die Treppe nach oben, riss die Haustür auf und schlug sie hinter mir zu, dass ein Donnern durch das Treppenhaus hallte. Ich hatte es geschafft
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Rebecca stand in Teresas Zimmer, welches vollkommen leer war. Nur das Geräusch der Äste, die gegen die Fensterscheibe schlugen war zu hören. Vermutlich ging Karin mit ihr am Gang spazieren. Gerade als sie nachsehen wollte, betrat Karin das Zimmer. Sie gähnte laut. „Guten Morgen Becky. Sie sahen sich einen Moment fragend an. Teresa war verschwunden.

Sie begannen, dass Mädchen im ganzen Spital zu suchen. Teresa war weder im Spielzimmer, noch im Fernsehraum. Sogar das Bad und die Toiletten im oberen Stockwerk wurden durchsucht. Sie war wie verschwunden.

Man überlegte bereits ob es nicht ratsamer wäre, die Polizei zu rufen. Karin wollte gerade ihr Handy aus Teresas Zimmer holen, als sie ein leises Stöhnen hörte. Es war so leise, dass man es kaum wahrnahm. Der Kleiderschrank? Karin öffnete die kleinen Schranktüren, deren Scharniere laut quietschten. Teresa lag zusammengekauert zwischen den Kleidern und war in ihrer Wolldecke eingewickelt. Sie schien wie im Tiefschlaf. Erst nachdem Karin kräftig an ihr rüttelte, öffnete sie die Augen für einen kurzen Moment. Dann verdunkelte sich die Umgebung wieder für das Mädchen.

Erst nach zwei Tagen wachte sie wieder auf. Irgendetwas schien gewaltsam an ihrer Energie zu zerren.
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Haha. Geschafft! Ich verhandle gerade mit einem Buchverlag über meine Werke. Die Chancen stehen gut, dass sie veröffentlicht werden. Nun wird sich alles ändern. Ich habe wieder eine Zukunft
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Weihnachten stand vor der Tür. Karin und Rebecca dekorierten Teresas Zimmer. Überall hingen Weihnachtskugeln und Girlanden und in der Ecke stand sogar ein kleiner Weihnachtsbaum. Alles wirkte herrlich kitschig. Teresa saß meistens am Fenster und hörte Musik. „Jingle Bells“ und „Fröhliche Weihnacht überall“ waren ihre Lieblingslieder. Manchmal stand sie sogar auf und tanzte dazu.

Auch für die beiden Betreuerinnen waren es schöne Feiertage, obwohl sie arbeiten mussten.
Denn das Mädchen zeigte erstaunliche Fortschritte. Sie begann einzelne Wörter zu sprechen.
„Hallo“ und „Wiedersehen“. Aber auch einzelne Namen konnte sie bereits aussprechen und ihren Spielkarten richtig zuordnen.



Heiligabend. Teresa kniete unter dem Weihnachtsbaum und holte ein Packet hervor.
Fragend blickte sie zu ihren Freundinnen. „Meins?“. Ihr Gesicht strahlte vor Freude.
Die Beiden nickten. Sie öffnete vorsichtig das Geschenk. Ein nagelneuer CD-Player mit Kopfhörer und fünf Cd´s.

Teresa eilte zu ihrem Schreibtisch und holte zwei Zeichnungen hervor. „Weihnachten“, stotterte die Kleine. Karin und Rebecca freuten sich wahnsinnig darüber. Auf dem Bild waren zwei große und ein kleines Strichmännchen abgebildet. Links oben eine lachende Sonne, rechts oben der Mond. Die drei Figuren wurden von einem Dach überdeckt, auf dem verschiedene Weihnachtsdekorationen angebracht waren.

Das war die Zeit, die allen am liebsten in Erinnerung blieb

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Eine Absage. Die Bücher haben ihnen nicht gefallen. Meine Träume liegen in Scherben.
Ein gelungenes Weihnachtsfest, eines erbärmlichen Lebens. Mein gespartes Geld wird auch immer weniger, bald werde ich verhungern

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Fortbildung. Es sollte doch nur ein Seminar werden. Karin und Rebecca bekamen ein Angebot von Dr. Emmer, welches sie berechtigte, an einem Fortbildungsabend teilzunehmen.
Nach kurzem Zögern, nahmen beide dankend an. An dem Tag der Abwesenheit, sollte sich Dr. Emmer um Teresa kümmern.

Sie waren bereits zwei Stunden weg und lauschten einem Vortrag über den richtigen Umgang von Menschen, mit geistiger Beeinträchtigung. Es war sehr interessant.

Dr. Emmer saß in seinem Büro, als ihm plötzlich übel wurde. Er schaffte es gerade noch auf die Toilette, wo er sich übergab. Die Grippewelle hatte sie bereits vor ein paar Tagen erreicht, jedoch fühlte er sich bis jetzt noch nie unwohl. Er konnte so unmöglich arbeiten. „Doch ich habe es ihnen versprochen“ murmelte er. Doch die Übelkeit war zu stark um es länger ertragen zu können. Er hatte unglaubliche Kopfschmerzen und konnte kaum noch etwas sehen.
Er musste nach Hause. Diesen Abend hatte Erick Notdienst. Doch ihm blieb keine andere Wahl. Was sollte schon großartiges passieren? Ausgerechnet zur Weihnachtszeit?

Am späteren Abend, gewann die Einsamkeit Oberhand. Teresa drehte sich vom Fenster weg und verließ ihr Zimmer. Irgendwo musste doch jemand sein. Sie lugte um die Tür. „Karin?“
Der Gang war unangenehm weiß und schmerzte in den Augen. Sie huschte schnell zum anderen Ende und ihre schwarzen Haare wehten durch die Luft. Sie kam zu einer großen Tür. Der Ausgang. Sie rüttelte so kräftig an der Tür, dass ihr ein Fingernagel abbrach. Sie schrie auf und fiel zu Boden. Sie wusste nicht, was sie machen sollte. Sie fing an zu weinen und schlug mit der Faust auf den Boden.

Erick horchte auf. „Ich hasse Nachtdienste. Ausgerechnet jetzt muss der alte Sack krank werden“. Er kratzte sich am Oberarm und gähnte laut. Die Geräusche schienen von draußen zu kommen. Er ging die spindelförmige Treppe nach unten. Er folgte dem Klopfen und nach ein paar Minuten, fand er den Ruhestörer. Er schlich sich an und packte Teresa bei der Schulter. Sie hatte ihn nicht gehört. Geschockt sah sie ihn an. „Was machst du denn schon wieder hier draußen?!“. Teresa öffnete den Mund und wollte erzählen, wen sie suchte. Doch es kamen nur abgehackte Worte.
Der Stress war zu groß. Erick hob die Kleine hoch und wollte sie in ihr Zimmer zurückbringen. Er war kein Krankenhaus gewöhnt. Früher arbeitete Erick in einer Nervenheilanstalt. Da ging man nicht besonders zimperlich mit den Patienten um.

Teresa schnellte nach vor und biss ihm in seine Hand. Erick schrie auf und schlug ihr mit der flachen Hand in das Gesicht. Das dürfte niemand erfahren. Körperliche Gewalt gegenüber Patienten war ein Kündigungsgrund. Selbst sein Vertrag war davor nicht geweiht. Zum Glück war Teresa alleine und die anderen Patienten im oberen Stockwerk.

Er zerrte sie in ihr Zimmer und warf sie auf das Bett. Erick wollte gerade die Spritze mit dem Beruhigungsmittel füllen, als er bemerkte, dass die Dosis nur bis zur Hälfte reichte. „Das wird schon genügen, die Kleine hat ja nicht viel auf den Rippen“.

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Heute war der Gerichtsvollzieher bei mir. Sogar die Schreibmaschine hat man mir weggenommen. Das Zimmer ist leer. Bis auf einen Tisch, ein paar Sessel und einem traurigen, alten Mann ist alles weg. Mit der Miete bin ich ebenfalls im Rückstand. Ich versinke in Selbstmitleid.

Die Weihnachtstage waren einfach schrecklich. Meine Gedanken waren nur noch bei meiner Familie. Die Geschichten über Weihnachtsdepressionen schienen zu stimmen. Ich schenkte ihnen nie Beachtung. Wie sollte es nun weitergehen? Oder besser gesagt, möchte ich überhaupt dass es weitergeht? Ich betrank mich mit Bier. Meine Hände waren taub, ich fühlte weder Wärme noch Kälte.

Ich öffnete die Haustür und ging nach oben. Meine Schritte waren schwer und ich hatte große Mühe, die Treppe hochzusteigen. Ich sah aus dem Fenster. Der Schnee rieselte vorbei und ein paar Kinder spielten im Schnee. Teresa. Früher habe ich auch mit dir gespielt. Kannst du dich noch an unseren Schneemann erinnern? Wir hatten keine Karotten mehr und ich steckte ihm eine Colaflasche in den Kopf. Du hast wahnsinnig gelacht.

Ich nahm eine Eisenstange und öffnete den Dachboden. Hier hatte ich ein paar Familienfotos versteckt und manchmal ging ich nach oben, um sie anzusehen. Heute nicht. Ich fühlte mich wie in Trance und öffnete das Fenster zum Dach. Ich setzte mich auf das Fensterbrett und starrte in die Tiefe. Ungefähr fünfzehn Meter…

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Teresa wachte auf. Es war schrecklich kalt. Ihr Kopf schmerzte und sie fühlte sich wie im Delirium. Sie riss die Augen auf und starrte in die dunkle Tiefe. Wie war sie hier hergekommen? Das Spital war von der Dunkelheit umgeben und der Schnee leuchtete. Wo waren Karin und Rebecca? Sie stolperte und fiel nach hinten auf den kalten Boden.
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Ich hörte die Stimmen von Lydia und Teresa. Sie riefen mich. Ich will nicht mehr alleine sein.
Der kalte Wind pfiff um meine Ohren und hörte sich in der Tiefe an, als ob ein Rudel hungriger Wölfe auf mich wartet.

Doch die Stimmen veränderten sich. Ich hörte plötzlich meine eigene. „Du wirst sie wieder sehen, gebe nicht auf“. Ich ging Einen Schritt nach vor. Meine Gedanken machten sich selbstständig und der Autounfall spielte sich vor meinem geistigen Auge noch einmal ab.

Noch bevor ich realisieren konnte, was geschah, schlug ich auf dem Boden auf. Ich hatte keine Schmerzen. Im Gegenteil. Warmes Licht ummantelte mich und ich lächelte. Ich sah meine Familie und schloss die Augen. Diesmal für immer

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Teresa fiel vom Himmel, wie der Engel der sie immer war






DAILY TIMES
Michigan

Der 17. Juli wird von einem tragischen Unfall umschattet. Beinahe eine gesamte Familie wurde getötet, als der Vater die Kontrolle über den Wagen verlor und dieser gegen einen Baum prallte. Sein Alkoholspiegel betrug 1,8 Promille. Vater und Mutter starben noch am Unfallort. Die 16 jährige Tochter, wurde aus dem Wagen geschleudert und mit massiven Kopfverletzungen in das örtliche Spital geliefert



Patientenakte.

Name: Teresa Hamlinton
Wohnort: Michigan, Bakerstreet 16.
Familienstand: Waise
Augenfarbe: Dunkelbraun
Größe: 1.60 Meter
Gewicht: 90 Pfund

Die Patientin wurde am 17 Juli in das Unfallskrankenhaus eingeliefert, wo sie der diensthabende Arzt, Dr. Julius Emmer, mit einer Notoperation rettete.

Beide Eltern kamen bei dem Autounfall ums Leben. Verwandte oder Bekannte, konnten nicht ermittelt werden.


Frau Hamlinton lag 5 Wochen im künstlichen Tiefschlaf. Leider musste festgestellt werden, dass sich Auswirkungen der Kopfverletzung bemerkbar machten. Das Sprachzentrum wurde gestört und Teresa kann sich nur noch nonverbal ausdrücken.

Betreuerin: Karin Tyler
Therapeutin: Rebecca Irvine

Am 7 Januar 2000 nahm sich Teresa Hamlinton das Leben.
Ein genaues Krankenbild konnte sich uns nicht erschließen.
Nach neuesten wissenschaftlichen und psychologischen Gutachten,
könnten Anzeichen einer Persönlichkeitsspaltung vorhanden gewesen sein.

Ihre Bezugspersonen werden zurzeit psychologisch Betreut.
Der diensthabende Arzt des Unglückstages, Erick Backon wurde wegen fahrlässigem Verhalten und nachweisbarer Körperverletzung an drei Patienten auf ungewisser Zeit
Suspendiert.




Psyche

Es dämmerte bereits. Der Abendhimmel färbte sich in ein blutrotes Meer und die Schatten der Bäume tanzten auf der Straße. Karin kniete vor Theresas Grab. Gedanken schossen so schnell durch ihren Kopf, als gäbe es kein halten mehr. Zwei Jahre waren vergangen. Zwei schmerzhafte Jahre voller Schuldgefühle, Wut und Angst. Sie verließ das Krankenhaus und kehrte ihrer eigenen Existenz den Rücken. Sie brach jeglichen Kontakt zu ihren ehemaligen Kollegen ab und versuchte verzweifelt, eine neue Lebensaufgabe zu finden. „Warum hast du mich verlassen? Ich hasse dich!“. Sie schlug mit der Faust gegen den Grabstein. Doch es kam keine Antwort. Nur das dunkle Foto von Theresa blickte zurück.

Die Schuld war jedoch nicht bei dem Mädchen zu suchen. Dieser Erick trug die Verantwortung, von der er sich jedoch distanzierte. Noch bevor es zur Anklage kam, erhängte er sich in seiner Wohnung. Vielleicht hatte er doch etwas Menschliches in ihm. Reue? Schuldgefühle? Niemand kennt die Antwort. Der kalte Wind zischte zwischen den alten Friedhofsmauern hervor und Karin fröstelte. Es war schon spät. Sie ging auf einem Schotterweg nach Hause und lauschte dem Knirschen der Steine. Plötzlich huschte ein Schatten vorbei, kletterte auf einen Baum und verharrte auf diesem. Ein Eichhörnchen saß auf einem Ast und war eifrig damit beschäftigt, Wintervorräte zu sammeln.

Karin beobachtete das Tier. Es hob seine kleine, pelzige Pfote und putzte sich vergnügt.
Sie konnte jedoch keine Gefühlsregung entdecken. Früher hätte sie geschmunzelt und dem kleinen Kerl zugerufen. Sie hegte schon länger den verdacht, ihre Gefühle nicht mehr richtig unter Kontrolle zu haben. „Bin ich etwa krank?“. Sie drehte dem kleinen Waldgeist den Rücken zu und ging weiter. Es wurde bereits dunkel und die Straßenlaternen wurden automatisch eingeschaltet. Kleine Glühwürmchen schwirrten um das warme Licht herum.
Einige glühten, einige waren erloschen. Ob die Käfer, die nicht mehr leuchten bald sterben?
„Nein… Nein!“. Karin fasste sich an den Kopf und Tränen flossen ihr über die Wangen.
„Was ist nur los mit mir?“.

Endlich hatte sie ihre neue Wohnung erreicht. Ihr Haus mit dem hübschen Garten musste sie wegen finanzieller Differenzen aufgeben. 500 Dollar hatte sie nur noch zur Verfügung. Dieses Geld bekam sie freundlicherweise monatlich von ihren Eltern überwiesen. Arbeitslosengeld wollte sie nicht annehmen. Wie ein Schmarotzer, dachte sich Karin immer. Die neue Wohnung war zwar klein, jedoch gemütlich. Die Nachbarn waren auch relativ ruhig. Nur manchmal, nerven die kleinen Kinder mit ihrem Geplärre. Die Wohnungstür knarrte beim öffnen etwas. Sie blickte sich in der Wohnung um. „Hallo Karin. Na, wieder zu Hause? Wieder alleine? Ja, du bist alleine. Was wirst du heute noch machen?“.

Sie warf ihre Jacke achtlos über das Sofa und ging in die Küche. Der Hunger plagte sie bereits.
„Verdammt ich habe vergessen einzukaufen“. Nun saß sie hungrig im Wohnzimmer. Die Geschäfte hatten bereits geschlossen und in ein Restaurant wollte sie auch nur ungern gehen. „Ich werde mich einfach schlafen legen“.

Der Regen prasselte leise auf das Dach und Karin öffnete langsam ihre Augen. Sie kramte am Nachttisch in der Hoffnung, den Wecker zu finden. Doch den hatte sie schon lange nicht mehr. Vor lauter Wut, hatte sie ihn vor Wochen gegen die Wand geworfen. Langsam schlenderte sie ins Wohnzimmer, zog den Vorhang beiseite, und blickte aus dem Fenster. Es war ein müder Blick und ihr Gesicht spiegelte sich im Fenster wieder. Draußen tummelten sich bereits die Menschen und der Straßenverkehr war dicht wie immer. Es musste bereits nach Acht sein.



Sie konnte vor lauter Hunger kaum schlafen und ihr Magen grummelte. Karin zuckte zusammen und krümmte sich vor Schmerzen. „Heute muss ich unbedingt einkaufen gehen“.
Sie schlüpfte in ihre blaue Jeans, zog einen alten, weißen Pullover über und verließ ohne sich zu waschen die Wohnung. Ihr Kopf schmerzte und der Lärm der Stadt, dröhnte in ihrem Körper. Nach dem Aufstehen, fühlte sie sich immer ganz merkwürdig. Als wäre sie gar nicht wirklich hier, als ginge jedes Mal wenn sie aufwacht, für immer etwas verloren. Sie schüttelte den Kopf und blickte auf den grauen Gehweg. „Und wieder hast du einen Tag mehr“.

In der Stadt gab es eine alte Bäckerei, welche Karin bereits als kleines Mädchen regelmäßig besuchte. Sie hatte jedoch immer Angst vor dem Konditormeister. Ein alter, grobschlächtiger Kerl mit einem dunklem Stoppelbart und einer sehr tiefen Stimme. Doch es stellte sich schnell heraus, dass der Mann im Grunde sehr nett war und ihr öfter eine Kleinigkeit schenkte. Heute führt seine Tochter den Betrieb. Der alte Mann war vermutlich schon seit Jahren tot. Doch er war trotzdem Teil ihrer Erinnerung.

Karin öffnete die Tür und ein leises Glöckchen klingelte. Die Bäckerei an sich hatte sich kaum verändert. An der Wand hingen noch die gleichen Bilder wie vor Jahren und im hinteren Abteil standen ein paar Tische und Stühle. Es war, als hätte jemand die Zeit zurückgedreht. „Ein schönes Gefühl“. Sie lächelte. Nur das Gefühl hatte sich verändert.
Statt dem alten Mann, kommt nun seine Tochter aus der Backstube. Niemand erinnert sich mehr an mich. Ich bin ein Kunde wie jeder andere für sie. Die Frau schien gestresst und eine rote Strähne, hing ihr über das zierliche Gesicht. „Wie kann ich ihnen helfen?“. Nach kurzem zögern entschied sich Karin für fünf Semmeln und ein Stückchen Heidelbeerkuchen.

„Warum esse ich überhaupt Heidelbeerkuchen? Früher als Kind hat er mir immer geschmeckt, aber jetzt finde ich ihn nur widerlich“. Karin kannte die Antwort. Es ging ihr nicht um den Kuchen, es ging ihr um das Gefühl als Kind. Die Geborgenheit. Sich um nichts kümmern zu müssen. Und was ist jetzt? „Ich bin alleine, habe keine Arbeit mehr und Theresa geht mir nicht mehr aus dem Sinn! Zwei Jahre ist es her. Zwei verdammte Jahre und ich kann noch immer keinen klaren Gedanken fassen“. „Hallo? Soll ich ihnen die Semmeln noch einpacken?“. Karin schreckte hoch und blickte sich verwirrt um. „Ja, das wäre sehr freundlich“.

Theresa sah Karin mit ihren dunklen Augen fragend an. „Wo warst du, als es mir so schlecht ging? Warum hast du mir nicht geholfen?“. Das Bild verzerrte sich und das Mädchen stand auf dem Dach des Hospitals. Der Schnee glühte in der Dunkelheit und der Mond wirkte beängstigend. Karin stand am Eingang des Gebäudes und blickte nach oben. „Ich will vergessen… vergessen….für immer“.
Theresa viel vom Himmel und schlug auf dem kalten Boden auf. Karin wollte schreien, doch ihre Stimme war versiegelt und es kam keine Hilfe. Ist das ihre neue Bestimmung? Wird sie jetzt immer einsam und verlassen sein?

Karin wachte schweißgebadet auf und ihr Kopf schmerzte abermals. Sie konnte kaum sehen und zitterte am ganzen Körper. Gerade, als sie aufstehen wollte musste sie sich übergeben.
„Was für ein Alptraum. Warum kann ich nicht mehr normal träumen? Ich habe immer mein Bestes getan, warum werde ich so bestraft?“. Wie in Trance, warf sie das Leintuch beiseite und öffnete die Fenster. „Ich brauche dringend Sauerstoff“.




Die kalte Luft wirkte beruhigend und Karin hatte endlich wieder ein richtiges Gefühl.
Auch ihre Gedanken wurden klarer. Es muss sich etwas ändern. Die Luft schmerzte beim einatmen, doch sie fühlte sich lebendig. Vielleicht sollte sie eine psychologische Hilfe in Betracht ziehen? Nein. Die psychologische Hilfe, die sie nach dem Vorfall vom St. Victoria Hospital zur Verfügung gestellt bekam, reichte ihr für das ganze Leben.
Dabei handelte es sich eher um einen Monolog, als um eine ernste Hilfestellung.

Der Therapeut war Karin schon beim ersten Treffen unsympathisch. Ein kleiner, dünner Mann, mit unheimlich stechenden Augen. Er sprach sehr wenig und ließ sich von der Geschichte der Patientin berieseln. Dabei zupfte er an seinem braunen, gezwirbelten Bart und nickte immer mit dem Kopf. Bei jeder Gelegenheit blickte er gelangweilt auf seine Uhr und teilte mit, dass er nur noch wenig Zeit hätte. Nach drei Sitzungen, die sich ähnlich langweilig für den Mann gestalteten, war die Hilfestellung bereits beendet.

Karin schloss die Fenster wieder, kochte sich einen Kaffee und wärmte ihre Semmeln vom Vortag auf, die jetzt nicht mehr knusprig, sondern alt und hart waren. Sie las die Stellenangebote in der Zeitung und musste feststellen, dass sie noch immer nicht für einen neuen Arbeitsplatz bereit war. Dabei handelte es sich nicht um Desinteresse oder Trägheit, sondern um eine merkwürdige Schwere. Sie starrte auf die schwarz gedruckten Buchstaben, bis sie jeglichen Sinn zu verlieren schienen und senkte ihren Kopf zwischen die Knie.
Ihre Gedanken manifestierten sich nur noch auf den verwirrenden Traum über Theresa.
Was hatte er zu bedeuten? Soll ich mich etwa meiner Angst stellen? Nach langem überlegen, fasste sie einen Entschluss.

Es war bereits später Nachmittag, jedoch schien die Sonne noch ungewöhnlich hell und schmerzte in den Augen. Karin stand vor dem Eingang des St. Victoria Hospitals. Sie atmete langsam durch und betrat das Gebäude. War das die richtige Entscheidung? Alles wirkte so steril und einsam wie immer. Der große, hölzerne Tisch stand noch immer im Aufenthaltsraum, wo damals Karins erster Nachtdienst seinen Verlauf nahm. In der dunklen Ecke leuchtete der Kaffeeautomat hervor. Sie schmunzelte, füllte einen Becher und setzte sich an den Tisch. Langsam wurde die Wand begutachtet, an der noch ein paar alte Zeichnungen von Theresa und anderen Patienten hingen.

Sie schüttelte den Kopf und ging langsam den Gang entlang. „Was mache ich hier überhaupt?“. Zimmer 301, 302, 303. Das war Theresas Zimmer. Langsam öffnete sie die Tür. Alte, schmerzhafte Erinnerungen wurden wieder abgespielt. Theresa sitzt mit gesenktem Kopf in der Ecke und Blut fließt an ihren Füßen herab.
Tropfen für Tropfen fällt auf den Boden. Das Mädchen hebt den Kopf und blickt Karin verzweifelt an.

Plötzlich hatte sie wieder ihren blauen Kopfhörer auf und fing an zu singen. „Fröhliche Weihnacht überall“. Ihre zarte Stimme hallte durch den Raum, verstummte jedoch wieder.
Der Christbaum stand in der Mitte und Karin, Rebecca und Theresa lachten zusammen.
Die Bilder verschwommen langsam und die kalte Realität kam wieder zum Vorschein.
Im Bett lag ein kleiner Junge und daneben saß eine junge Krankenschwester, welche Karin verdutzt ansah. „Kann ich ihnen behilflich sein?“. Karin konnte kaum atmen und das sprechen viel ihr schwer. „Ich habe früher in diesem Hospital gearbeitet und wollte meine alten Kollegen besuchen“. Das war eine Lüge, doch die Wahrheit würde sie sowieso nicht interessieren. Die junge Frau schüttelte verständnislos den Kopf. „Es tut mir Leid, ich arbeite erst seit einem halben Jahr in diesem Bereich, wenn sie jedoch eine Auskunft möchten, Dr. Emmers Büro ist im oberen Stockwerk“.
Ohne ein Wort zu sagen, schloss Karin die Tür hinter sich. Es war, als wäre Theresa nie hier gewesen. Niemand interessiert sich noch für sie, niemand vermisst das Mädchen. Sie ist alleine gestorben und wird in Vergessenheit geraten. Und wo ist eigentlich Rebecca? Vielleicht hat sie Urlaub. Dr. Emmers Büro ist noch immer im oberen Stockwerk.
Die hölzerne Tür war hübsch verziert und in der Mitte war ein Glas eingefasst. Man konnte jedoch nicht durchblicken, weil alles milchig und verschwommen wirkte. Vorsichtig klopfte sie an der Tür und betrat das Büro.

Dr. Emmer schien beschäftigt und kramte in seinen Unterlagen. Er sah wie immer aus.
Nur sein Bart war gewachsen. Erstaunt blickte er zu dem ungewöhnlichen Gast und runzelte die Stirn. „Frau Tylor? Was verschafft mir die Ehre? Wie geht es ihnen?“. Leider entwickelte sich das Gespräch nicht wie erhofft. Der Doktor vermied es über Theresa zu sprechen und wich geschickt aus. „Ach, nachdem sie und Frau Irvine uns verlassen haben, war das Hospital nicht mehr dasselbe. Zu viele unqualifizierte Menschen laufen da draußen herum. „Rebecca ist auch weggegangen?“.

Der unscheinbare, kleine Mann lächelte. „Vor einem Jahr, hat sie eine Arbeit als Pflegehelferin begonnen. Leider weiß ich auch nicht, wo genau“. Karin wirkte plötzlich gereizt. „Das Interessiert mich auch nicht“. Das Lächeln auf seinem Gesicht erlöschte langsam und er zwickte seine Augenbrauen fragend zusammen. „Aber sie haben mich doch gefragt?“. Sie drehte sich um und verließ das Büro ohne sich zu verabschieden, rannte die grauen Treppen hinunter und stürmte aus dem Gebäude. Die Nacht war bereits hereingebrochen und die Straßen in ein fahles Mondlicht getaucht.

Der Schweiß tropfte von ihrer Stirn und sie zitterte am ganzen Körper. Langsam sank Karin auf ihre Knie und legte sich auf den Rücken. Erschöpft und mit Tränen in den Augen blickte sie in den Nachthimmel. Vielleicht hatte der alte Mann Recht und auch sie sollte Teresa vergessen. Der Boden war kalt, hart und schmutzig. „Wie mein Herz“.
Plötzlich wurde die Stille durch ein lautes krächzen zerrissen und die junge Frau sprang erschrocken auf. Ein paar Meter neben ihr, saß ein großer, schwarzer Vogel und beobachtete sie mit seinen dunklen Augen. „Verschwinde du Drecksvieh!“. Karin hob einen Stein vom Boden auf und versuchte, das Tier zu verscheuchen. Der Rabe blickte den Steinen hinterher und flatterte aufgeregt mit den Flügeln.

Mit lautem Krächzen stieß er seine schwarzen Schwingen beiseite, stieg in den Himmel empor und landete auf der gegenüberliegenden Straßenseite in der Nähe des Waldeinganges.
Er drehte seinen kleinen Kopf und blickte zu Karin. Der Rabe hüpfte langsam zwischen den Baumreihen umher, als würde er warten. Karin überkam ein merkwürdiges Gefühl und sie schlenderte langsam in seine Richtung. Es war, als würde sie jemand rufen. „Was willst du von mir?“.

Schritt für Schritt geht sie dem Unbekannten entgegen. Schritt für Schritt, verlässt sie die Vergangenheit und wandert auf neuem Pfade. Unwissend was die Zukunft bringt, unwissend was passiert. Schritt für Schritt.







Ihr schwarzer Begleiter hüpfte von Ast zu Ast und beobachtete seine neue Freundin. Der Wald war unheimlich und die Bäume ragten empor, als würden sie die Sterne vom Himmel holen wollen um alles zu verdunkeln. Der Weg wurde immer schmaler und man musste sich vorsehen, nicht über eine Wurzel zu stolpern. Eine ruhige, melancholische Stille breitete sich über den gesamten Wald aus. Nur ab und zu, hörte man ein leises rascheln im Laub.

Der Rabe blickte sich um, begann plötzlich laut zu kreischen und stürzte sich auf den Boden. Karin hielt sich die Ohren zu und lief panisch davon. Ihre Knie zitterten, doch sie lief weiter und weiter. Das wütende Flattern war noch immer in ihrem Kopf zu hören. Die Baumreihen brachen entzwei und sie fand sich auf einer Lichtung wieder. Das Mondlicht war wieder zu sehen und die Finsternis verschwand. „Was mache ich hier überhaupt? Moment!“. Irgendetwas lag da auf dem Boden und reflektierte das Licht wieder. Karin schob das Laub weg und taumelte erschrocken zurück. Vor ihr Lag das Skelett eines Vogels. Der Rabe saß still da und pochte mit seinem Schnabel dagegen.

„War das dein Freund?“. Ob er von einem Tier angefallen wurde? Oder musste er in der Kälte erfrieren? Merkwürdigerweise spürte sie keine Angst an diesem surreal wirkenden Ort. Alles schien unwirklich und weit entfernt. „Was willst du mir damit sagen?“. Das Skelett wurde noch immer von einigen schwarzen Federn bedeckt. Der Rabe krächzte leise. Ein leises, erbärmliches Krächzen. Karin spürte eine Regung in ihrem Herz und sie hatte tiefes Mitgefühl.
„Mich würde niemand vermissen, wenn ich sterben müsste. Ich wäre genauso alleine, wie ich immer war“.

Der Vogel kreischte auf und Karin packte die nackte Angst. Etwas hatte sich verändert. Ohne einen Blick zurückzuwerfen, rannte sie los. Immer schneller, so schnell wie sie noch nie gelaufen war. Die Bäume zischten an ihr vorbei und wirkten nur noch wie Schatten. Phantome in der dunklen Nacht. Sie hustete und das Atmen viel ihr schwer. Ihre Kräfte hatten sie verlassen und die letzten Meter vor dem Ausgang waren eine Qual. Karin blickte müde zum Dach des Hospitals hinauf. „Anscheinend muss es so sein“.

Ihr Kopf pochte unerträglich und sie konnte nur noch die Umrisse ihrer Umgebung erkennen.
Eine graue Treppe erstreckte sich vor ihr. Bei jedem einzelnen Schritt, zuckte sie zusammen.
Die Zeit war nicht mehr von Bedeutung und nach scheinbar unendlichen Stunden, erreichte sie das Ende und eine große Metalltür erstreckte sich vor ihr. Mit einem lauten quietschen, öffnete sich die Tür in eine bessere Welt.

Der Kalte Wind pfiff um ihre Ohren und hörte sich an, wie Stimmen in der Nacht.
Karin stand auf dem Dach und blickte in die tiefe. Autos fuhren vorbei und das Licht der Straßenlaternen blendete sie. Hat sich Teresa auch so gefühlt? Was waren ihre letzten Gedanken? „Mir geht es wie dem Vogel. Nun werde ich auch alleine sterben“.
Sie wollte gerade nach vorne treten, als ihr plötzlich ein Gedanke durch den Kopf schoss.

Die verwaschenen Bilder manifestierten sich zu einem Ganzen und ihr Blick war wieder klar.
Sie begann leise zu murmeln. „Nicht ich bin der tote Vogel, sondern Teresa. Niemand konnte sich an ihn erinnern außer der Rabe…. und nun auch ich. Werde ich jetzt springen, wird Teresa wirklich in Vergessenheit geraten und es ist, als hätte es sie nie gegeben.
Karin wand der Dunkelheit den Rücken zu.

Ich werde dafür sorgen, dass sich auch andere Menschen an dich erinnern werden.


Der Wecker klingelte. Karin öffnete langsam ihre Augen und gähnte laut. Die Sonne blinzelte leicht durch den Vorhang und das Zimmer strahlte eine ruhige Wärme aus. Nach einem ausgiebigen Frühstück, verließ sie ihre Wohnung. Auf dem Tisch lag noch immer die alte Zeitung, doch einige Stellenangebote waren rot markiert.

http://www.korfftext.de/abbara/Rabe.gif

Leon der Pofi
04.01.2007, 22:08
So. aktualisiert und beendet.
Kann aber gut sein, dass ich noch stellen ausbaue, umschreibe.
wäre dankbar für verbesserungsvorschläge

La Cipolla
09.01.2007, 12:42
Ich werds mir ausdrucken, aber alles in einem. @_@ Willlst du den ersten Teil nicht vielleicht nochmal reinschreiben? Damit sprichst du auch Leute an, die ihn nicht gelesen haben, Links wirken auf viele uninteressant. :p

Wie gesagt, Kommentar kommt noch.

La Cipolla
01.02.2007, 10:38
Sola. Lang hats gedauert, dafür gibts auch nen Push.. <<''

Also prinzipell kommt mir die normale Geschichte jetzt nach dreifachem Durchlesen wesentlich sinnvoller vor. Das mag auch dran liegen, dass ich mir die Kleine inzwischen nicht mehr als 8-jährige vorstelle. :rolleyes: Aber irgendwie ist es immernoch verdreht, wenn auch in einem gewissen Sinne gerade dadurch toll. Ihr Sprachzentrum wurde also geschädigt, sie ist schizophren geworden und hat auch noch psychische Krankheiten in beiden Persönlichkeiten. Daumen hoch, Fantasie auf jeden Fall vorhanden. xD''


Du hast irgendwie konstant einen Denkfehler bei bestimmten Kommas, hier ein paar Bsp. Die zwischen den fetten Wörtern müssen alle weg.

- "Die war jedoch zu beschäftigt, über Prominente zu berichten und mit flachen Witzen, den Geisteszustand ihrer Leser in Frage zu stellen."
(Du kannst alternativ auch ein Komma vor das "mit flachen Witzen" setzen, dann steht das grammatikalisch richtig als Einschub da, hört sich aber komisch an. So ists auf jeden Fall falsch.)

- "Mit einem kräftigen Ruck, zog ich den Splitter heraus und verband die Wunde."
(Ich bin mir nicht sicher, ob der erste Teil hier als Einschub durchgehen würde, auf jeden Fall liest es sich dadurch sehr komisch.)

Glaub, da waren noch ein paar der Art drin.


Was Psyche angeht, sehr schön. Sehr sehr schön. ^^'' Das is mal ein ordentliches Ende, wenn auch ganz knapp am Kitsch, gerade noch so vorbeigeschlittert. Der Rabe weckt natürlich wieder Erinnerungen an Poe, aber allgemein ein sehr schönes Bild, das du da entwickelst. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, obs am Anfang nicht doch ein bissl zu lang gezogen ist, und ob man es nicht vielleicht lieber als einzelne Geschichte dastehen lässt. Immerhin hätte es ja auch jeder andere Selbstmörder sein können.
Aber an sich wirklich gut. :A

Leon der Pofi
01.02.2007, 13:28
oh super, da freue ich mich :) mit der rechtschreibung tu ich mir im allgemeinen schwer. besonders mit dem komma.

und büdde büdde nicht schizof. mit persönlichkeitsstörung verwechseln ^^ ich weiß, dass habe ich auch immer getan, als ich mit der materie noch nichts am hut hatte.

dickes danke fürs durchlesen, weil ich bin mir sicher das es viele abschreckt wenn eine geschichte länger ist.