Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Der höchst offizielle Lyrik-Thread (kein eigener Kram!)
Ein Literaturforum ohne Lyrikthread! Geht denn sowas?
Dieser Thread soll Raum dafür bieten die Lieblingslyriker vorzustellen, über diese zu sprechen und auch um explizit auf einzelne Gedichte einzugehen und über diese zu diskutieren.
Ein für mich persönlich sehr wichtiger Dichter ist Heinrich Heine. Seine wichtigsten Themen sind die Politik (Vormärz), die Frauen und der Humor. Ich schätze an ihm, dass er ohne zu große Bilder zu benutzen, die Liebe wundervoll schildern kann. Seine politischen Gedichte, beispielsweise das über die schlesischen Weber zeigen, sind selbst heute noch interessant. Beispielhaft für seine Gedichte sollen folgende hier stehen:
Das Fräulein stand am Meere
Das Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang,
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.
"Mein Fräulein! Sein Sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück."
Ich halte ihr die Augen zu
Und küß sie auf den Mund;
Nun läßt sie mich nicht mehr in Ruh,
Sie fragt mich um den Grund.
Von Abend spät bis Morgens fruh,
Sie fragt zu jeder Stund:
Was hältst du mir die Augen zu,
Wenn du mir küßt den Mund?
Ich sag ihr nicht, weshalb ichs tu,
Weiß selber nicht den Grund
Ich halte ihr die Augen zu
Und küß ihr auf den Mund.
Ein zweiter Dichter, den ich anführen möchte ist Rainer Maria Rilke. Er schafft es, Gefühle präzise zu vermitteln in dem er sie überschreibt. Seine Metaphern sind genial, weil man sie nicht interpretieren braucht, man sollte es nicht einmal tun, man versteht sie einfach auf einer emotionalen Basis und das ist eine Kunst die nur wenige Autoren verstehen. Beispielhaft für ihn soll folgendes stehen:
Schlussstück
Der Tod ist groß,
Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.
Das Kind
Unwillkürlich sehn sie seinem Spiel
lange zu; zuweilen tritt das runde
seiende Gesicht aus dem Profil,
klar und ganz wie eine volle Stunde,
welche anhebt und zu Ende schlägt.
Doch die anderen zahlen nicht die Schläge,
trüb von Mühsal und vom Leben träge;
und sie merken gar nicht, wie es trägt-,
wie es alles trägt, auch dann, noch immer,
wenn es müde in dem kleinen Kleid
neben ihnen wie im Wartezimmer
sitzt und warten will auf seine Zeit.
Lehnen im Abendgarten beide,
lauschen lange nach irgendwo.
"Du hast Hände wie weiße Seide..."
Und da staunt sie: "Du sagst das so..."
Etwas ist in den Garten getreten.
und das Gitter hat nicht geknarrt,
und die Rosen in allen Beeten
beben vor seiner Gegenwart.
Das soll erst einmal ein allgemeiner Eingangspost sein. Später kann man das ganze noch präzisieren, dann stelle ich auch noch ein paar Texte vor. ^^
cloud2003
02.12.2006, 22:52
Wenn schon von Rilke die Rede ist^^:
Am Kirchhof zu Königssaal
(Aula regis)
Auf schloß das Erztor der Kustode.
Du sahst vor Blüten keine Gruft.
Der Lenz verschleierte dem Tode
das Angesicht mit Blust und Duft;
da stieg wie eine Todesode
ein Trauermantel in die Luft.
Wir sahn ihn beide und wir schwiegen...
Rings feierte Mittsommerlicht,
in den Syringen summten Fliegen. -
Da lag ein Schädel vor uns dicht;
aus seinen leeren Augen stiegen
verkümmerte Vergißmeinnicht.
Der Wahnsinn
Sie muss immer sinnen: Ich bin... ich bin...
Wer bist du denn, Marie?
Eine Königin, eine Königin!
In die Kniee vor mir, in die Knie!
Sie muss immer weinen: Ich war... ich war...
Wer warst du denn, Marie?
Ein Niemandskind, ganz arm und bar,
und ich kann dir nicht sagen wie.
Und wurdest aus einem solchen Kind
eine Fürstin, vor der man kniet?
Weil die Dinge alle anders sind,
als man sie beim Betteln sieht.
So haben die Dinge dich groß gemacht,
und kannst du noch sagen wann?
Eine Nacht, eine Nacht, über eine Nacht, -
und sie sprachen mich anders an.
Ich trat in die Gasse hinaus und sieh:
die ist wie mit Saiten bespannt;
da wurde Marie Melodie, Melodie...
und tanzte von Rand zu Rand.
Die Leute schlichen so ängstlich hin,
wie hart an die Häuser gepflanzt, -
denn das darf doch nur eine Königin,
daß sie tanzt in den Gassen: tanzt!...
Wilhelm Busch hat nicht nur gute Bildergeschichten sondern IMO auch nette Gedichte geschrieben:
Unfrei
Ganz richtig, diese Welt ist nichtig.
Auch du, der in Person erscheint,
Bist ebenfalls nicht gar so wichtig,
Wie deine Eitelkeit vermeint.
Was hilft es dir, damit zu prahlen,
Daß du ein freies Menschenkind?
Muß du nicht pünktlich Steuern zahlen,
Obwohl sie dir zuwider sind?
Wärst du vielleicht auch, sozusagen,
Erhaben über Gut und Schlecht,
Trotzdem behandelt dich dein Magen
Als ganz gemeinen Futterknecht.
Lang bleibst du überhaupt nicht munter.
Das Alter kommt und zieht dich krumm
Und stößt dich rücksichtslos hinunter
Ins dunkle Sammelsurium.
Daselbst umfängt dich das Gewimmel
Der Unsichtbaren, wie zuerst,
Eh du erschienst, und nur der Himmel
Weiß, ob und wann du wiederkehrst.
Beruhigt
Zwei mal zwei gleich vier ist Wahrheit.
Schade, daß sie leicht und leer ist,
Denn ich wollte lieber Klarheit
Über das, was voll und schwer ist.
Emsig sucht ich aufzufinden,
Was im tiefsten Grunde wurzelt,
Lief umher nach allen Winden
Und bin oft dabei gepurzelt.
Endlich baut ich eine Hütte.
Still nun zwischen ihren Wänden
Sitz ich in der Welten Mitte,
Unbekümmert um die Enden.
La Cipolla
08.12.2006, 19:53
Rilke find ich doof zu lesen, Emotion stimmt aber. Heine find ich eigentlich recht langweilig, aber das Liebesgedicht da ist schön. Und Busch ist einfach genial. ^^'' Hab ich früher immer stundenlang mit meiner Oma angehört.
Was deutsche Autoren angeht, ist er der einzige mir bekannte (es gibt sicher mehr), der in einem angenehmen, sprachlichen und nicht künstlich gehobenen Stil schreibt und trotzdem intelligente Sachen dabei hat. Sein Antisemitismus hat ja glücklicherweise keine großartigen Gedichtfrüchte getragen... :rolleyes: Sonst sind die deutschen, vor allem die ganz großen, da imho schrecklich.
Sonst Edgar Allan Poe. Und den siene Werke muss man in Englisch einsaugen, außerdem kann man sie unmöglich alle in einen Topf werfen.
Erstmal das Standard-Stück. Bei Poe muss man laut lesen und sich vorstellen, wie sich der gute Mann hineinsteigert. Ist imho eines der ganzen wenigen Gedichte, in denen man ewig ruminterpretieren kann, obwohl sie oberflächlich offensichtlich sind.
The Raven
Once upon a midnight dreary, while I pondered weak and weary,
Over many a quaint and curious volume of forgotten lore,
While I nodded, nearly napping, suddenly there came a tapping,
As of some one gently rapping, rapping at my chamber door.
`'Tis some visitor,' I muttered, `tapping at my chamber door -
Only this, and nothing more.'
Ah, distinctly I remember it was in the bleak December,
And each separate dying ember wrought its ghost upon the floor.
Eagerly I wished the morrow; - vainly I had sought to borrow
From my books surcease of sorrow - sorrow for the lost Lenore -
For the rare and radiant maiden whom the angels named Lenore -
Nameless here for evermore.
And the silken sad uncertain rustling of each purple curtain
Thrilled me - filled me with fantastic terrors never felt before;
So that now, to still the beating of my heart, I stood repeating
`'Tis some visitor entreating entrance at my chamber door -
Some late visitor entreating entrance at my chamber door; -
This it is, and nothing more,'
Presently my soul grew stronger; hesitating then no longer,
`Sir,' said I, `or Madam, truly your forgiveness I implore;
But the fact is I was napping, and so gently you came rapping,
And so faintly you came tapping, tapping at my chamber door,
That I scarce was sure I heard you' - here I opened wide the door; -
Darkness there, and nothing more.
Deep into that darkness peering, long I stood there wondering, fearing,
Doubting, dreaming dreams no mortal ever dared to dream before
But the silence was unbroken, and the darkness gave no token,
And the only word there spoken was the whispered word, `Lenore!'
This I whispered, and an echo murmured back the word, `Lenore!'
Merely this and nothing more.
Back into the chamber turning, all my soul within me burning,
Soon again I heard a tapping somewhat louder than before.
`Surely,' said I, `surely that is something at my window lattice;
Let me see then, what thereat is, and this mystery explore -
Let my heart be still a moment and this mystery explore; -
'Tis the wind and nothing more!'
Open here I flung the shutter, when, with many a flirt and flutter,
In there stepped a stately raven of the saintly days of yore.
Not the least obeisance made he; not a minute stopped or stayed he;
But, with mien of lord or lady, perched above my chamber door -
Perched upon a bust of Pallas just above my chamber door -
Perched, and sat, and nothing more.
Then this ebony bird beguiling my sad fancy into smiling,
By the grave and stern decorum of the countenance it wore,
`Though thy crest be shorn and shaven, thou,' I said, `art sure no craven.
Ghastly grim and ancient raven wandering from the nightly shore -
Tell me what thy lordly name is on the Night's Plutonian shore!'
Quoth the raven, `Nevermore.'
Much I marvelled this ungainly fowl to hear discourse so plainly,
Though its answer little meaning - little relevancy bore;
For we cannot help agreeing that no living human being
Ever yet was blessed with seeing bird above his chamber door -
Bird or beast above the sculptured bust above his chamber door,
With such name as `Nevermore.'
But the raven, sitting lonely on the placid bust, spoke only,
That one word, as if his soul in that one word he did outpour.
Nothing further then he uttered - not a feather then he fluttered -
Till I scarcely more than muttered `Other friends have flown before -
On the morrow will he leave me, as my hopes have flown before.'
Then the bird said, `Nevermore.'
Startled at the stillness broken by reply so aptly spoken,
`Doubtless,' said I, `what it utters is its only stock and store,
Caught from some unhappy master whom unmerciful disaster
Followed fast and followed faster till his songs one burden bore -
Till the dirges of his hope that melancholy burden bore
Of "Never-nevermore."'
But the raven still beguiling all my sad soul into smiling,
Straight I wheeled a cushioned seat in front of bird and bust and door;
Then, upon the velvet sinking, I betook myself to linking
Fancy unto fancy, thinking what this ominous bird of yore -
What this grim, ungainly, gaunt, and ominous bird of yore
Meant in croaking `Nevermore.'
This I sat engaged in guessing, but no syllable expressing
To the fowl whose fiery eyes now burned into my bosom's core;
This and more I sat divining, with my head at ease reclining
On the cushion's velvet lining that the lamp-light gloated o'er,
But whose velvet violet lining with the lamp-light gloating o'er,
She shall press, ah, nevermore!
Then, methought, the air grew denser, perfumed from an unseen censer
Swung by Seraphim whose foot-falls tinkled on the tufted floor.
`Wretch,' I cried, `thy God hath lent thee - by these angels he has sent thee
Respite - respite and nepenthe from thy memories of Lenore!
Quaff, oh quaff this kind nepenthe, and forget this lost Lenore!'
Quoth the raven, `Nevermore.'
`Prophet!' said I, `thing of evil! - prophet still, if bird or devil! -
Whether tempter sent, or whether tempest tossed thee here ashore,
Desolate yet all undaunted, on this desert land enchanted -
On this home by horror haunted - tell me truly, I implore -
Is there - is there balm in Gilead? - tell me - tell me, I implore!'
Quoth the raven, `Nevermore.'
`Prophet!' said I, `thing of evil! - prophet still, if bird or devil!
By that Heaven that bends above us - by that God we both adore -
Tell this soul with sorrow laden if, within the distant Aidenn,
It shall clasp a sainted maiden whom the angels named Lenore -
Clasp a rare and radiant maiden, whom the angels named Lenore?'
Quoth the raven, `Nevermore.'
`Be that word our sign of parting, bird or fiend!' I shrieked upstarting -
`Get thee back into the tempest and the Night's Plutonian shore!
Leave no black plume as a token of that lie thy soul hath spoken!
Leave my loneliness unbroken! - quit the bust above my door!
Take thy beak from out my heart, and take thy form from off my door!'
Quoth the raven, `Nevermore.'
And the raven, never flitting, still is sitting, still is sitting
On the pallid bust of Pallas just above my chamber door;
And his eyes have all the seeming of a demon's that is dreaming,
And the lamp-light o'er him streaming throws his shadow on the floor;
And my soul from out that shadow that lies floating on the floor
Shall be lifted - nevermore!
Dann noch dieses Kleinod, das ich absolut krank und genial finde. Man muss sich auch wieder reinsteigern, sogar nochmehr. Und man kann sich streiten, ob das deutsche "Glocken" nicht besser wirkt.
The Bells
I
Hear the sledges with the bells-
Silver bells!
What a world of merriment their melody foretells!
How they tinkle, tinkle, tinkle,
In the icy air of night!
While the stars that oversprinkle
All the heavens, seem to twinkle
With a crystalline delight;
Keeping time, time, time,
In a sort of Runic rhyme,
To the tintinnabulation that so musically wells
From the bells, bells, bells, bells,
Bells, bells, bells-
From the jingling and the tinkling of the bells.
II
Hear the mellow wedding bells,
Golden bells!
What a world of happiness their harmony foretells!
Through the balmy air of night
How they ring out their delight!
From the molten-golden notes,
And an in tune,
What a liquid ditty floats
To the turtle-dove that listens, while she gloats
On the moon!
Oh, from out the sounding cells,
What a gush of euphony voluminously wells!
How it swells!
How it dwells
On the Future! how it tells
Of the rapture that impels
To the swinging and the ringing
Of the bells, bells, bells,
Of the bells, bells, bells, bells,
Bells, bells, bells-
To the rhyming and the chiming of the bells!
III
Hear the loud alarum bells-
Brazen bells!
What a tale of terror, now, their turbulency tells!
In the startled ear of night
How they scream out their affright!
Too much horrified to speak,
They can only shriek, shriek,
Out of tune,
In a clamorous appealing to the mercy of the fire,
In a mad expostulation with the deaf and frantic fire,
Leaping higher, higher, higher,
With a desperate desire,
And a resolute endeavor,
Now- now to sit or never,
By the side of the pale-faced moon.
Oh, the bells, bells, bells!
What a tale their terror tells
Of Despair!
How they clang, and clash, and roar!
What a horror they outpour
On the bosom of the palpitating air!
Yet the ear it fully knows,
By the twanging,
And the clanging,
How the danger ebbs and flows:
Yet the ear distinctly tells,
In the jangling,
And the wrangling,
How the danger sinks and swells,
By the sinking or the swelling in the anger of the bells-
Of the bells-
Of the bells, bells, bells, bells,
Bells, bells, bells-
In the clamor and the clangor of the bells!
IV
Hear the tolling of the bells-
Iron Bells!
What a world of solemn thought their monody compels!
In the silence of the night,
How we shiver with affright
At the melancholy menace of their tone!
For every sound that floats
From the rust within their throats
Is a groan.
And the people- ah, the people-
They that dwell up in the steeple,
All Alone
And who, tolling, tolling, tolling,
In that muffled monotone,
Feel a glory in so rolling
On the human heart a stone-
They are neither man nor woman-
They are neither brute nor human-
They are Ghouls:
And their king it is who tolls;
And he rolls, rolls, rolls,
Rolls
A paean from the bells!
And his merry bosom swells
With the paean of the bells!
And he dances, and he yells;
Keeping time, time, time,
In a sort of Runic rhyme,
To the paean of the bells-
Of the bells:
Keeping time, time, time,
In a sort of Runic rhyme,
To the throbbing of the bells-
Of the bells, bells, bells-
To the sobbing of the bells;
Keeping time, time, time,
As he knells, knells, knells,
In a happy Runic rhyme,
To the rolling of the bells-
Of the bells, bells, bells:
To the tolling of the bells,
Of the bells, bells, bells, bells-
Bells, bells, bells-
To the moaning and the groaning of the bells.
basti-kun
30.03.2007, 17:31
nicht, dass es mich überraschte, dass dieser thread schon fast untergegangen ist...und doch will ich ihn noch ein wenig kitzeln...
zunächst zu heine:
heine war ein brillianter zyniker und in keinster weise langweilig. was sich der gute henri da aus dem munde gezogen hat, immer die damilige zeit vor augen, ist schon erstaunlich. ich war letztens auf einem heinrich heine abend meines ehemaligen gymansiums und ich muss sagen, heine war ne coole sau.
und wen ich hier bitte bitte nicht ignoriert lassen möchte sind die deutschen expressionisten!
allen voran else lasker-schüler, die ich als eine der Herausragendsten unter den deutschen Lyrikern erwähnen will.
(eines ihrer bekanntesten)
HÖRE
Ich raube in den Nächten
Die Rosen deines Mundes,
Daß keine Weibin Trinken findet.
Die dich umarmt,
Stiehlt mir von meinen Schauern,
Die ich um deine Glieder malte.
Ich bin dein Wegrand.
Die dich streift,
Stürzt ab.
Fühlst du mein Lebtum
Überall
Wie ferner Saum?
Dazu kommt selbstredend noch Gottfried Benn, den man gar nicht vergessen kann, wenn man von Else Lasker-Schüler spricht.
Mann und Frau gehn durch die Krebsbaracke
Der Mann:
Hier diese Reihe sind zerfallene Schöße
und diese Reihe ist zerfallene Brust.
Bett stinkt bei Bett. Die Schwestern wechseln stündlich.
Komm, hebe ruhig diese Decke auf.
Sieh, dieser Klumpen Fett und faule Säfte,
das war einst irgendeinem Mann groß
und hieß auch Rausch und Heimat.
Komm, sieh auf diese Narbe an der Brust.
Fühlst du den Rosenkranz von weichen Knoten?
Fühl ruhig hin. Das Fleisch ist weich und schmerzt nicht.
Hier diese blutet wie aus dreißig Leibern.
Kein Mensch hat soviel Blut.
Hier dieser schnitt man
erst noch ein Kind aus dem verkrebsten Schoß.
Man läßt sie schlafen. Tag und Nacht. - Den Neuen
sagt man: hier schläft man sich gesund. - Nur sonntags
für den Besuch läßt man sie etwas wacher.
Nahrung wird wenig noch verzehrt. Die Rücken
sind wund. Du siehst die Fliegen. Manchmal
wäscht sie die Schwester. Wie man Bänke wäscht.
Hier schwillt der Acker schon um jedes Bett.
Fleisch ebnet sich zu Land. Glut gibt sich fort,
Saft schickt sich an zu rinnen. Erde ruft.
ich bin zwar nicht so der gedichtfreund (beispielsweise find ich alle bisher geposteten total kacke, aber unwichtig, gedichte hassen mich und ich hasse gedichte) aber dennoch kenne ich ein paar richtig gute, die über alles erhaben sind, weil sie einfach gut sind.
von lovecraft zum beispiel
H.P. Lovecaft - The City
It was golden and splendid,
That City of light;
A vision suspended
In deeps of the night;
A region of wonder and glory, whose temples were marble and white.
I remember the season
It dawn'd on my gaze;
The mad time of unreason,
The brain-numbing days
When Winter, white-sheeted and ghastly, stalks onward to torture and craze.
More lovely than Zion
It shone in the sky
When the beams of Orion
Beclouded my eye,
Bringing sleep that was filled with dim mem'ries of moments obscure and gone by.
Its mansions were stately,
With carvings made fair,
Each rising sedately
On terraces rare,
And the gardens were fragrant and bright with strange miracles blossoming there.
The avenues lur'd me
With vistas sublime;
Tall arches assur'd me
That once on a time
I had wander'd in rapture beneath them, and bask'd in the Halcyon clime.
On the plazas were standing
A sculptur'd array;
Long bearded, commanding,
rave men in their day--
But one stood dismantled and broken, its bearded face battered away.
In that city effulgent
No mortal I saw,
But my fancy, indulgent
To memory's law,
Linger'd long on the forms in the plazas, and eyed their stone features with awe.
I fann'd the faint ember
That glow'd in my mind,
And strove to remember
The aeons behind;
To rove thro' infinity freely, and visit the past unconfin'd.
Then the horrible warning
Upon my soul sped
Like the ominous morning
That rises in red,
And in panic I flew from the knowledge of terrors forgotten and dead.
_
okay, und dann denke ich müsste in so einem thread wenigstens noch ein klassiches beatnik gedicht stehen.
Allen Ginsberg - Five A.M.
Elan that lifts me above the clouds
into pure space, timeless, yea eternal
Breath transmuted into words
Transmuted back to breath
in one hundred two hundred years
nearly Immortal, Sappho's 26 centuries
of cadenced breathing -- beyond time, clocks, empires, bodies, cars,
chariots, rocket ships skyscrapers, Nation empires
brass walls, polished marble, Inca Artwork
of the mind -- but where's it come from?
Inspiration? The muses drawing breath for you? God?
Nah, don't believe it, you'll get entangled in Heaven or Hell --
Guilt power, that makes the heart beat wake all night
flooding mind with space, echoing through future cities, Megalopolis or
Cretan village, Zeus' birth cave Lassithi Plains -- Otsego County
farmhouse, Kansas front porch?
Buddha's a help, promises ordinary mind no nirvana --
coffee, alcohol, cocaine, mushrooms, marijuana, laughing gas?
Nope, too heavy for this lightness lifts the brain into blue sky
at May dawn when birds start singing on East 12th street --
Where does it come from, where does it go forever?
La Cipolla
01.04.2007, 09:42
Folgendes von Annette von Droste-Hülshoff mussten wir im Vorabi interpretieren, leichter gings kaum. Mir gefällt es inzwischen aber gut, weils sich schön liest und so schön simpel ist, und genau auf dem Grad zwischen Kitsch und Lyrik, den ich mag.
Am Turme (1845)
Ich steh' auf hohem Balkone am Turm,
Umstrichen vom schreienden Stare,
Und lass' gleich einer Mänade den Sturm
Mir wühlen im flatternden Haare;
O wilder Geselle, o toller Fant,
Ich möchte dich kräftig umschlingen,
Und, Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand
Auf Tod und Leben dann ringen!
Und drunten seh' ich am Strand, so frisch
Wie spielende Doggen, die Wellen
Sich tummeln rings mit Geklaff und Gezisch,
Und glänzende Flocken schnellen.
O, springen möcht' ich hinein alsbald,
Recht in die tobende Meute,
Und jagen durch den korallenen Wald
Das Walroß, die lustige Beute!
Und drüben seh ich ein Wimpel wehn
So keck wie eine Standarte,
Seh auf und nieder den Kiel sich drehn
Von meiner luftigen Warte;
O, sitzen möcht' ich im kämpfenden Schiff,
Das Steuerruder ergreifen,
Und zischend über das brandende Riff
Wie eine Seemöve streifen.
Wär' ich ein Jäger auf freier Flur,
Ein Stück nur von einem Soldaten,
Wär' ich ein Mann doch mindestens nur,
So würde der Himmel mir raten;
Nun muß ich sitzen so fein und klar,
Gleich einem artigen Kinde,
Und darf nur heimlich lösen mein Haar,
Und lassen es flattern im Winde!
Hm, dieser Gottfried Benn hat was von Trakl...
Aber das ist ja ohnehin irgendwie so eine Sache, diese Art von Expressionismus - ich mag ja Trakl wirklich gerne, aber irgendwo ist es dann wirklich immer dasselbe. Man muss dem aber auch zugute halten, dass er ja nicht viel Zeit hatte, zu schreiben... mit 27 ist er, glaube ich, gestorben.
Und dann war es eben, dass allem, was er schrieb, durch diese Grodek-Schlacht ein "purpurner" Schleier anhing - naja, und das sind dann auch alle Gedichte, purpur. Und dadurch, dass er nicht gerade didaktisch ist, sondern eben meist nur Expressionist. Und Effekte erzielt er, aber wenn man länger Gedichte von ihm liest, dann findet man immer dieselben Themen und immer dieselben Worte...
Und Gottfried Benn hat da noch einen nüchternere Farbton (so weit ich das ablesen konnte aus dem Gedicht. Ich muss sagen, dass ich ihn vorher nicht kannte).
Ein kurzes Beispiel zu Trakl, nur mal so zur Veranschaulichung - auch sein bekanntestes, aber enthält im Grunde alles, was ein Trakl-Gedicht braucht:
Grodek
Am Abend tönen die herbstlichen Wälder
Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen
Und blauen Seen, darüber die Sonne
Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht
Sterbende Krieger, die wilde Klage
Ihrer zerbrochenen Münder.
Doch stille sammelt im Weidengrund
Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt
Das vergoßne Blut sich, mondne Kühle;
Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.
Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen
Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain1,
Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;
Und leise tönen im Rohr die dunklen Flöten des Herbstes.
O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre
Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz,
Die ungebornen Enkel.
Zugegeben, die Parallele zu Benn ist hier nicht so deutlich wie es vielleicht bei Trakls "Die junge Magd" der Fall gewesen wäre, aber das ist so lang.
Ich finde lange Gedichte in solchen Threads unangemessen, wenn man eigentlich nur Eindrücke sammeln möchte.
Ich möchte auch ein Gedicht vorstellen, das mir Stan mal irgendwann vor ewigen Zeiten gezeigt hat, und das mich damals ziemlich schwer beeindruckt hat. Ich finde den Stil sehr interessant und ich glaube es bringt auch diese ganzen Gefühle die man beim Verliebtsein hat auf den Punkt, diese Achterbahnfahrt, Geschwindigkeit, auf und hab, Rasierei. Außerdem ist es sehr unterhaltsam :)
An Anna Blume
Oh Du, Geliebte meiner 27 Sinne, ich liebe Dir!
Du, Deiner, Dich Dir, ich Dir, Du mir, ---- wir?
Das gehört beiläufig nicht hierher!
Wer bist Du, ungezähltes Frauenzimmer, Du bist, bist Du?
Die Leute sagen, Du wärest.
Laß sie sagen, sie wissen nicht, wie der Kirchturm steht.
Du trägst den Hut auf Deinen Füßen und wanderst auf die Hände,
Auf den Händen wanderst Du.
Halloh, Deine roten Kleider, in weiße Falten zersägt,
Rot liebe ich Anna Blume, rot liebe ich Dir.
Du, Deiner, Dich Dir, ich Dir, Du mir, ----- wir?
Das gehört beiläufig in die kalte Glut!
Anna Blume, rote Anna Blume, wie sagen die Leute?
Preisfrage:
1. Anna Blume hat ein Vogel,
2. Anna Blume ist rot.
3. Welche Farbe hat der Vogel?
Blau ist die Farbe Deines gelben Haares,
Rot ist die Farbe Deines grünen Vogels.
Du schlichtes Mädchen im Alltagskleid,
Du liebes grünes Tier, ich liebe Dir!
Du Deiner Dich Dir, ich Dir, Du mir, ---- wir!
Das gehört beiläufig in die ---- Glutenkiste.
Anna Blume, Anna, A----N----N----A!
Ich träufle Deinen Namen.
Dein Name tropft wie weiches Rindertalg.
Weißt Du es Anna, weißt Du es schon,
Man kann Dich auch von hinten lesen.
Und Du, Du Herrlichste von allen,
Du bist von hinten, wie von vorne:
A------N------N------A.
Rindertalg träufelt STREICHELN über meinen Rücken.
Anna Blume,
Du tropfes Tier,
Ich-------liebe-------Dir!
An Irish Airman Foresees His Death
I know that I shall meet my fate
Somewhere among the clouds above;
Those that I fight I do not hate,
Those that I guard I do not love;
My country is Kiltartan Cross,
My countrymen Kiltartan's poor,
No likely end could bring them loss
Or leave them happier than before.
Nor law, nor duty bade me fight,
Nor public men, nor cheering crowds,
A lonely impulse of delight
Drove to this tumult in the clouds;
I balanced all, brought all to mind,
The years to come seemed waste of breath,
A waste of breath the years behind
In balance with this life, this death.
~ William Butler Yeats
Und Wenn
Und wenn ein Zweig ans Fenster schlaegt,
Und wenn die Pappeln rauschen,
Ist's dass ich wieder tief bewegt
Dir nahe, um zu lauschen.
Und funkeln Sterne aus dem See,
Erhellend seine Tiefen,
So lindern Sehensucht sich und Weh,
Die lang im Herzen schliefen.
Und wenn der dichten Wolken Ziehn,
Die Mondesstrahlen traenken,
Ist's, dass ich neu verzaubert bin
Von deinem Angedenken.
Mihai Eminescu
Der Wanderer
Es geht ein Wandrer durch die Nacht
Mit gutem Schritt;
Und krummes Thal und lange Höhn --
Er nimmt sie mit.
Die Nacht ist schön --
Er schreitet zu und steht nicht still,
Weiß nicht, wohin sein Weg noch will.
Da singt ein Vogel durch die Nacht:
'Ach Vogel, was hast du gemacht!
Was hemmst du meinen Sinn und Fuß
Und gießest süßen Herz-Verdruß
In's Ohr mir, daß ich stehen muß
Und lauschen muß -- --
Was lockst du mich mit Ton und Gruß?' --
Der gute Vogel schweigt und spricht:
'Nein, Wandrer, nein! Dich lock' ich nicht
Mit dem Getön --
Ein Weibchen lock' ich von den Höhn --
Was geht's dich an?
Allein ist mir die Nacht nicht schön.
Was geht's dich an? Denn du sollst gehn
Und nimmer, nimmer stille stehn!
Was stehst du noch?
Was that mein Flötenlied dir an,
Du Wandersmann?'
Der gute Vogel schweig und sann:
'Was that mein Flötenlied ihm an?
Was steht er noch? --
Der arme, arme Wandersmann!'
Friedrich Nietzsche
Mein absoluter Liebling (!!!):
The Genius Of The Crowd - Charles Bukowski (Youtube) (http://www.youtube.com/watch?v=gifEn61dZBc)
there is enough treachery, hatred violence absurdity in the average
human being to supply any given army on any given day
and the best at murder are those who preach against it
and the best at hate are those who preach love
and the best at war finally are those who preach peace
those who preach god, need god
those who preach peace do not have peace
those who preach peace do not have love
beware the preachers
beware the knowers
beware those who are always reading books
beware those who either detest poverty
or are proud of it
beware those quick to praise
for they need praise in return
beware those who are quick to censor
they are afraid of what they do not know
beware those who seek constant crowds for
they are nothing alone
beware the average man the average woman
beware their love, their love is average
seeks average
but there is genius in their hatred
there is enough genius in their hatred to kill you
to kill anybody
not wanting solitude
not understanding solitude
they will attempt to destroy anything
that differs from their own
not being able to create art
they will not understand art
they will consider their failure as creators
only as a failure of the world
not being able to love fully
they will believe your love incomplete
and then they will hate you
and their hatred will be perfect
like a shining diamond
like a knife
like a mountain
like a tiger
like hemlock
their finest art
Dann noch was von Hemingway:
The Age Demand
The age demanded that we sing
And cut away our tongue.
The age demanded that we flow
And hammered in the bung.
The age demanded that we dance
And jammed us into iron pants.
And in the end the age was handed
The sort of shit that it demanded.
Because you told me,
“Yes, that tasted pretty good.”
July the sixth
Shall be from this day forward
Salad Anniversary
Ich mag Tawara Machi.
Skeptical of promises,
you don't even bother
to build your castle away from the waves
The day I left for Tokyo
Mother looked older by all the years
of separation ahead
Miss Kaizer
06.07.2008, 10:36
Nachdem ja hier schon Else Lasker Schüler und Gottfried Benn genannt sind möcht ich doch mal was von Mascha Kaleko hinzufügen, einer Autorin die irgendwie ziemlich unbekannt geblieben ist... o,o
Temporäres Testament
Nach meinem Tode (Trauer streng verbeten)
verlass ich diesen elenden Planeten.
Wenn Plato recht hat - Plato ist ein Mann -:
Erst wenn man tot ist, fängt das Leben an.
Kapitel Eins beginnt mit dem Begräbnis,
der Seele letztes irdisches Erlebnis.
Auf meines freue ich mich heute schon !
Da gibt es keine Trauerprozession.
Kein Lorbeerkranz vom Bund der Belletristen.
Kein Kunstvaein hat mich in seinen Listen,
kein Dichtazirkel...Sagen wir es schlicht:L
Gesellig war die sanft Entschlafne nicht.
Der Redakteur, den sie einst tödlich kränkte,
als er sein Mäntlein nach dem Winde hängte,
hat ihren Nachruf lange schon gesetzt,
der schliesst: "M.K. war reichlich überschätzt."
Diverse Damen, deren Herren Gatten
zuzeiten eine Schwäche für mich hatten,
die werden selbst im Regen Schlange stehen,
um mich auch wirklich mausetot zu sehen.
Die strengen Richter meiner wilden Jugend
entdecken der Verstorbnen edle Tugend....
und eingedenk der menschlichen Misere
vergiesst so mancher eine Anstandszähre.
Den wahren Freunden, ach, sie sind zu zählen !
Werd ich vielleicht zuweilen etwas fehlen.
Moral: Was euch im Leben zu mir zog,
hebt es nicht auf für meinen Nekrolog !
Broken Chords Can Sing A Little
14.04.2009, 01:34
Das ist ja schon alt. Egal.
Eines meiner absoluten Lieblingsgedichte:
Paul Celan - Du liegst
DU LIEGST im großen Gelausche,
umbuscht, umflockt.
Geh du zur Spree, geh zur Havel,
geh zu den Fleischerhaken,
zu den roten Äppelstaken
aus Schweden -
Es kommt der Tisch mit den Gaben,
er biegt um ein Eden -
Der Mann ward zum Sieb, die Frau
mußte schwimmen, die Sau,
für sich, für keinen, für jeden -
Der Landwehrkanal wird nicht rauschen.
Nichts
stockt.
Treibt mir fast Tränen in die Augen. Verzweifelter lässt sich Lyrik kaum formulieren:
Friedrich Hölderlin - Hälfte des Lebens
Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.
Weh mir, wo nehm' ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.
Das hier ist dem Vorigen eigentlich recht ähnlich, sowohl vom Aufbau als auch von der Thematik her (nur wohl nicht ganz so biografisch angehaucht). Ich steh drauf.
Georg Trakl - Verfall
Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,
Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.
Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
Träum ich nach ihren helleren Geschicken
Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
So folg ich über Wolken ihren Fahrten.
Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,
Indes wie blasser Kinder Todesreigen
Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,
Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.
Zuletzt noch zwei moderne Sachen:
Charles Bukowski - To the whore who took my poems
some say we should keep personal remorse from the
poem,
stay abstract, and there is some reason in this,
but jezus;
twelve poems gone and I don't keep carbons and you have
my
paintings too, my best ones; it's stifling:
are you trying to crush me out like the rest of them?
why didn't you take my money? they usually do
from the sleeping drunken pants sick in the corner.
next time take my left arm or a fifty
but not my poems;
I'm not Shakespeare
but sometime simply
there won't be any more, abstract or otherwise;
there'll always be money and whores and drunkards
down to the last bomb,
but as God said,
crossing his legs,
I see where I have made plenty of poets
but not so very much
poetry.
Charles Bukowski - Finish
We are like roses that have never bothered to
bloom when we should have bloomed and
it is as if
the sun has become disgusted with
waiting.
Jack Kerouac from Mexico City Blues
211th Chorus
The wheel of the quivering meat conception
Turns in the void expelling human beings,
Pigs, turtles, frogs, insects, nits
Mice, lice, lizards, rats, roan
Racinghorses, poxy bucolic pigtics,
Horrible unnameable lice of vultures
Murderous attacking dog-armies
Of Africa, Rhinos roaming in the jungle,
Vast boars and huge gigantic bull
Elephants, rams, eagles, condors,
Pones and Porcupines and Pills –
All the endless conception of living beings
Gnashing everywhere in Consciousness
Throughout the ten directions of space
Occupying all the quarters in & out,
From supermicroscopic no-bug
To huge Galaxy Lightyear Bowell
Illuminating the sky of one Mind –
Poor! I wish I was free
Of that slaving meat wheel
And safe in heaven dead
daenerys
23.04.2009, 13:05
Einer meiner Lieblinge, wenn auch recht "klassisch" ;) :
Ginkgo Biloba - Goethe 1819 (1815)
Dieses Baumes Blatt, das von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Giebt geheimen Sinn zu kosten,
Wie's den Wissenden erbaut.
Ist es ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Dass man sie als Eines kennt?
Solche Frage zu erwidern,
Fand ich wohl den rechten Sinn,
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Dass ich Eins und doppelt bin?
Möwenlied - Morgenstern
Die Möwen sehen alle aus,
als ob sie Emma hießen.
Sie tragen einen weißen Flaus
und sind mit Schrot zu schießen.
Ich schieße keine Möwe tot,
Ich laß sie lieber leben -
und füttre sie mit Roggenbrot
und rötlichen Zibeben.
O Mensch, du wirst nie nebenbei
der Möwe Flug erreichen.
Wofern du Emma heißest, sei
zufrieden, ihr zu gleichen.
Weltende - Else Lasker-Schüler
Es ist ein Weinen in der Welt,
Als ob der liebe Gott gestorben wär,
Und der bleierne Schatten, der niederfällt,
Lastet grabesschwer.
Komm, wir wollen uns näher verbergen…
Das Leben liegt in aller Herzen
Wie in Särgen.
Du! wir wollen uns tief küssen -
Es pocht eine Sehnsucht an die Welt,
An der wir sterben müssen.
Tiger - Alfred Wolfenstein
Die große Sonne scheint in seine Zelle
Und zieht auf seinem bunt gestreiften Felle
noch andre Striche: schwarzer Stäbe Schatten.
Er blinzt hinauf mit wütendem Verlangen:
Das Licht durchbricht doch die zerbißnen Stangen!
Es legt sich innen zu ihm auf die Matten!
Kann sich die Sonne nicht mit ihm zusammen
Aufs Gitter werfen? Schmelzen heiße Flammen
Aus ihrer beider Rachen nicht die Platten?
Die Sonne ist nicht heiß, wie er sie kannte,
Als sie im fernen freien Himmel brannte-
Auch sie gefangen, malt hier Kerkerschatten.
Städter - Alfred Wolfenstein
Dicht wie die Löcher eines Siebes stehn
Fenster beieinander, drängend fassen
Häuser sich so dicht an, daß die Straßen
Grau geschwollen wie Gewürgte stehn.
Ineinander dicht hineingehakt
Sitzen in den Trams die zwei Fassaden
Leute, ihre nahen Blicke baden
Ineinander, ohne Scheu befragt.
Unsre Wände sind so dünn wie Haut,
Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine.
Unser Flüstern, Denken ... wird Gegröle ...
- Und wie still in dick verschlossner Höhle
Ganz ungerührt und ungeschaut
Steht ein jeder fern und fühlt: alleine
Der römische Brunnen - Conrad Ferdinand Meyer
Auf steigt der Strahl, und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;
Die zweite gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht."
Sonst mag ich Poe, speziell "The Raven" und "The Bell", auch gern, aber die wurden ja schon genannt.
Ich mag genau in diesem Moment Hanna Leybrand sehr.
Liebeskasuistik
Wie Liebster kommst du
nur darauf du könntest
häßlich sein
ist doch das Gegenteil
der Fall da ich
dich liebe
Wie denn kannst du
da du geliebt wirst
häßlich sein
wie Liebster könntest
häßlich du
mir so gefallen
Nicht sicher
Es ist nicht sicher Bruder
daß wir uns finden
die wir uns suchen
daß wir uns sehen
wenn wir uns begegnen
daß wir uns erkennen
wenn wir uns lieben
daß wir uns wiedererkennen
anderntags
Der mit mir spielte
Der mit mir spielte
krönte mich mit
einer Zackenkrone
aus Papier
der baute mir
auf Kugellagern
eine Staatskarosse
bettete auf
Buntlaub mich
und frisches Heu
im Schloß
aus Kistenbrettern
der schmückte mich
mit lila Phlox
im Kinderland
als seine Königin
Was nur
erfände der
der heute
mit mir spielte
La Cipolla
12.11.2010, 10:17
"Dolores" von Algernon Swinburne, das mich alle Jubeljahre mal wieder in seinen Bann schlägt (angespornt durch Sandman und Pages of Pain, zwei Fantasy-Medien, die sich darauf beziehen), obwohl es so ungemein düster und seltsam ist. Im Spoiler unten ist der ganze Text, aber weil es so lang ist, hier erstmal ein Ausschnitt, den ich sehr eingängig finde.
[...]
By the hunger of change and emotion
By the thirst of unbearable things,
By despair, the twin-born of devotion
By the pleasure that winces and stings,
The delight that consumes the desire,
The desire that outruns the delight,
By the cruelty deaf as a fire
And blind as the night,
By the ravenous teeth that have smitten
Through the kisses that blossom and bud,
By the lips intertwisted and bitten
Till the foam has a savour of blood,
By the pulse as it rises and falters,
By the hands as they slacken and strain,
I adjure thee, respond from thine altars,
Our Lady of Pain.
[...]
Dolores
Cold eyelids that hide like a jewel
Hard eyes that grow soft for an hour;
The heavy white limbs, and the cruel
Red mouth like a venomous flower;
When these are gone by with their glories,
What shall rest of thee then, what remain,
O mystic and sombre Dolores,
Our Lady of Pain?
Seven sorrows the priests give their Virgin;
But thy sins, which are seventy times seven,
Seven ages would fail thee to purge in,
And then they would haunt thee in heaven:
Fierce midnights and famishing morrows,
And the loves that complete and control
All the joys of the flesh, all the sorrows
That wear out the soul.
O garment not golden but gilded,
O garden where all men may dwell,
O tower not of ivory, but builded
By hands that reach heaven from hell;
O mystical rose of the mire,
O house not of gold but of gain,
O house of unquenchable fire,
Our Lady of Pain!
O lips full of lust and of laughter,
Curled snakes that are fed from my breast,
Bite hard, lest remembrance come after
And press with new lips where you pressed.
For my heart too springs up at the pressure,
Mine eyelids too moisten and burn;
Ah, feed me and fill me with pleasure,
Ere pain come in turn.
In yesterday's reach and to-morrow's,
Out of sight though they lie of to-day,
There have been and there yet shall be sorrows
That smite not and bite not in play.
The life and the love thou despisest,
These hurt us indeed, and in vain,
O wise among women, and wisest,
Our Lady of Pain.
Who gave thee thy wisdom? what stories
That stung thee, what visions that smote?
Wert thou pure and a maiden, Dolores,
When desire took thee first by the throat?
What bud was the shell of the blossom
That all men may smell to and pluck?
What milk fed thee first at what bosom?
What sins gave thee suck?
We shift and bedeck and bedrape us,
Thou art noble and nude and antique;
Libitina thy mother, Priapus
Thy father, a Tuscan and Greek.
We play with light loves in the portal,
And wince and relent and refrain;
Loves die, and we know thee immortal,
Our Lady of Pain.
Fruits fail and love dies and time ranges;
Thou art fed with perpetual breath,
And alive after infinite changes,
And fresh from the kisses of death;
Of languours rekindled and rallied,
Of barren delights and unclean,
Things monstrous and fruitless, a pallid
And poisonous queen.
Could you hurt me, sweet lips, though I hurt you?
Men touch them, and change in a trice
The lilies and languours of virtue
For the raptures and roses of vice;
Those lie where thy foot on the floor is,
These crown and caress thee and chain,
O splendid and sterile Dolores,
Our Lady of Pain.
There are sins it may be to discover,
There are deeds it may be to delight.
What new work wilt thou find for thy lover,
What new passions for daytime or night?
What spells that they know not a word of
Whose lives are as leaves overblown?
What tortures undreamt of, unheard of,
Unwritten, unknown?
Ah beautiful passionate body
That never has ached with a heart!
On thy mouth though the kisses are bloody,
Though they sting till it shudder and smart,
More kind than the love we adore is,
They hurt not the heart or the brain,
O bitter and tender Dolores,
Our Lady of Pain.
As our kisses relax and redouble,
From the lips and the foam and the fangs
Shall no new sin be born for men's trouble,
No dream of impossible pangs?
With the sweet of the sins of old ages
Wilt thou satiate thy soul as of yore?
Too sweet is the rind, say the sages,
Too bitter the core.
Hast thou told all thy secrets the last time,
And bared all thy beauties to one?
Ah, where shall we go then for pastime,
If the worst that can be has been done?
But sweet as the rind was the core is;
We are fain of thee still, we are fain,
O sanguine and subtle Dolores,
Our Lady of Pain.
By the hunger of change and emotion
By the thirst of unbearable things,
By despair, the twin-born of devotion
By the pleasure that winces and stings,
The delight that consumes the desire,
The desire that outruns the delight,
By the cruelty deaf as a fire
And blind as the night,
By the ravenous teeth that have smitten
Through the kisses that blossom and bud,
By the lips intertwisted and bitten
Till the foam has a savour of blood,
By the pulse as it rises and falters,
By the hands as they slacken and strain,
I adjure thee, respond from thine altars,
Our Lady of Pain.
Wilt thou smile as a woman disdaining
The light fire in the veins of a boy?
But he comes to thee sad, without feigning,
Who has wearied of sorrow and joy;
Less careful of labour and glory
Than the elders whose hair has uncurled;
And young, but with fancies as hoary
And grey as the world.
I have passed from the outermost portal
To the shrine where a sin is a prayer;
What care though the service be mortal?
O our Lady of Torture, what care?
All thine the last wine that I pour is,
The last in the chalice we drain,
O fierce and luxurious Dolores,
Our Lady of Pain.
All thine the new wine of desire,
The fruit of four lips as they clung
Till the hair and the eyelids took fire,
The foam of a serpentine tongue,
The froth of the serpents of pleasure,
More salt than the foam of the sea,
Now felt as a flame, now at leisure
As wine shed for me.
Ah thy people, thy children, thy chosen,
Marked cross from the womb and perverse!
They have found out the secret to cozen
The gods that constrain us and curse;
They alone, they are wise, and no other;
Give me place, even me, in their train,
O my sister, my spouse, and my mother,
Our Lady of Pain.
For the crown of our life as it closes
Is darkness, the fruit thereof dust;
No thorns go as deep as a rose's,
And love is more cruel than lust.
Time turns the old days to derision,
Our loves into corpses or wives;
And marriage and death and division
Make barren our lives.
And pale from the past we draw nigh thee,
And satiate with comfortless hours;
And we know thee, how all men belie thee,
And we gather the fruit of thy flowers;
The passion that slays and recovers,
The pangs and the kisses that rain
On the lips and the limbs of thy lovers,
Our Lady of Pain.
The desire of thy furious embraces
Is more than the wisdom of years,
On the blossom though blood lie in traces,
Though the foliage be sodden with tears.
For the lords in whose keeping the door is
That opens to all who draw breath
Gave the cypress to love, my Dolores,
The myrtle to death.
And they laughed, changing hands in the measure,
And they mixed and made peace after strife;
Pain melted in tears, and was pleasure;
Death mingled with blood, and was life.
Like lovers they melted and tingled,
In the dusk of thine innermost fane;
In the darkness they murmured and mingled,
Our Lady of Pain.
In a twilight where virtues are vices,
In thy chapels, unknown of the sun,
To a tune that enthralls and entices,
They were wed, and the twain were as one.
For the tune from thine altar hath sounded
Since God bade the world's work begin,
And the fume of thine incense abounded,
To sweeten the sin.
Love listens, and paler than ashes,
Through his curls as the crown on them slips,
Lifts languid wet eyelids and lashes,
And laughs with insatiable lips.
Thou shalt hush him with heavy caresses,
With music that scares the profane;
Thou shalt darken his eyes with thy tresses,
Our Lady of Pain.
Thou shalt bind his bright eyes though he wrestle,
Thou shalt chain his light limbs though he strive;
In his lips all thy serpents shall nestle,
In his hands all thy cruelties thrive.
In the daytime thy voice shall go through him,
In his dreams he shall feel thee and ache;
Thou shalt kindle by night and subdue him
Asleep and awake.
Thou shalt touch and make redder his roses
With juice not of fruit nor of bud;
When the sense in the spirit reposes,
Thou shalt quicken the soul through the blood.
Thine, thine the one grace we implore is,
Who would live and not languish or feign,
O sleepless and deadly Dolores,
Our Lady of Pain.
Dost thou dream, in a respite of slumber,
In a lull of the fires of thy life,
Of the days without name, without number,
When thy will stung the world into strife;
When, a goddess, the pulse of thy passion
Smote kings as they revelled in Rome;
And they hailed thee re-risen, O Thalassian,
Foam-white, from the foam?
When thy lips had such lovers to flatter;
When the city lay red from thy rods,
And thine hands were as arrows to scatter
The children of change and their gods;
When the blood of thy foemen made fervent
A sand never moist from the main,
As one smote thm, their lord and thy servant,
Our Lady of Pain.
On sands by the storm never shaken,
Nor wet from the washing of tides;
Nor by foam of the waves overtaken,
Nor winds that the thunder bestrides;
But red from the print of thy paces,
Made smooth for the world and its lords,
Ringed round with a flame of fair faces,
And splendid with swords.
There the gladiator, pale for thy pleasure,
Drew bitter and perilous breath;
There torments laid hold on the treasure
Of limbs too delicious for death;
When the gardens were lit with live torches;
When the world was a steed for thy rein;
When the nations lay prone in thy porches,
Our Lady of Pain.
When, with flame all around him aspirant,
Stood flushed, as a harp-player stands,
The implacable beautiful tyrant,
Rose-crowned, having death in his hands;
And a sound as the sound of loud water
Smote far through the flight of the fires,
And mixed with the lightning of slaughter
A thunder of lyres.
Dost thou dream of what was and no more is,
The old kingdoms of earth and the kings?
Dost thou hunger for these things, Dolores,
For these, in a new world of things?
But thy bosom no fasts could emaciate,
No hunger compel to complain
Those lips that no bloodshed could satiate,
Our Lady of Pain.
As of old when the world's heart was lighter,
Through thy garments the grace of thee glows,
The white wealth of thy body made whiter
By the blushes of amorous blows,
And seamed with sharp lips and fierce fingers,
And branded by kisses that bruise;
When all shall be gone that now lingers,
Ah, what shall we lose?
Thou wert fair in the fearless old fashion,
And thy limbs are as melodies yet,
And move to the music of passion,
With lithe and lascivious regret.
What ailed us, O gods, to desert you
For creeds that refuse and restrain?
Come down and redeem us from virtue,
Our Lady of Pain.
All shrines that were Vestal are flameless,
But the flame has not fallen from this;
Though obscure be the god, and though nameless
The eyes and the hair that wqe kiss;
Low fires that love sits by and forges
Fresh heads for his arrows and thine;
Hair loosened and soiled in mid orgies
With kisses and wine.
Thy skin changes country and colour,
And shrivels or swells to a snake's.
Let it brighten and bloat and grow duller,
We know it, the flames and the flakes,
Red brands on it smitten and bitten,
Round skies where a star is a stain,
And the leaves with thy litanies written,
Our Lady of Pain.
On thy bosom though many a kiss be,
There are none such as knew it of old.
Was it Alciphron once or Arisbe,
Male ringlets or feminine gold,
That thy lips met with under the statue,
Whence a look shot out sharp after thieves
From the eyes of the garden-god at you
Across the fig-leaves?
Then still, through dry seasons and moister,
One god had a wreath to his shrine;
Then love was the pearl of his oyster,
And Venus rose red out of wine,
We have all done amiss, choosing rather
Such loves as the wise gods disdain;
Intercede for us thou with thy father,
Our Lady of Pain.
In spring he had crowns of his garden,
Red corn in the heat of the year,
Then hoary green olives that harden
When the grape-blossom freezes with fear;
And milk-budded myrtles with Venus
And vine-leaves with Bacchus he trod;
And ye said, "We have seen, he hath seen us,
A visible God."
What broke off the garlands that girt you?
What sundered you spirit and clay?
Weak sins yet alive are as virtue
To the strength of the sins of that day.
For dried is the blood of thy lover,
Ipsithilla, contracted the vein;
Cry aloud, "Will he rise and recover,
Our Lady of Pain?"
Cry aloud; for the old world is broken;
Cry out; for the Phrygian is priest,
And rears not the bountiful token
And spreads not the fatherly feast.
From the midmost of Ida, from shady
Recesses that murmur at morn,
They have brought and baptized her, Our Lady,
A goddess new-born.
And the chaplets of old are above us,
And the oyster-bed teems out of reach;
Old poets outsing and outlove us,
And Catullus makes mouths at our speech.
Who shall kiss, in thy father's own city,
With such lips as he sang with, again?
Intercede for us all of thy pity,
Our Lady of Pain.
Out of Dindymus heavily laden
Her lions draw bound and unfed
A mother, a mortal, a maiden,
A queen over death and the dead.
She is cold, and her habit is lowly,
Her temple of branches and sods;
Most fruitful and virginal, holy,
A mother of gods.
She hath wasted with fire thine high places,
She hath hidden and marred and made sad
The fair limbs of the Loves, the fair faces
Of gods that were goodly and glad.
She slays, and her hands are not bloody;
She moves as a moon in the wane,
White-robed, and thy raiment is ruddy,
Our Lady of Pain.
They shall pass and their places be taken,
The gods and the priests that are pure,
They shall pass, and shalt thou not be shaken?
They shall perish, and shalt thou endure?
Death laughs, breathing close and relentless
In the nostrils and eyelids of lust,
With a pinch in his fingers of scentless
And delicate dust.
But the worm shall revive thee with kisses;
Thou shalt change and transmute as a god,
As the rod to a serpent that hisses,
As the serpent again to a rod.
Thy life shall not cease though thou doff it;
Thou shalt live until evil be slain,
And the good shall die first, said thy prophet,
Our Lady of Pain.
Did he lie? did he laugh? does he know it,
Now he lies out of reach, out of breath,
Thy prophet, thy preacher, thy poet,
Sin's child by incestuous Death?
Did he find out in fire at his waking,
Or discern as his eyelids lost light,
When the bands of his body were breaking
And all came in sight?
Who has known all the evil before us,
Or the tyrannous secrets of time?
Though we match not the dead men that bore us
At a song, at a kiss, at a crime -
Though the heathen outface and outlive us,
And our lives and our longings are twain -
Ah, forgive us our virtues, forgive us,
Our Lady of Pain.
Who are we that embalm and embrace thee
With spices and savours of song?
What is time, that his children should face thee?
What am I, that my lips do thee wrong?
I could hurt thee - but pain would delight thee;
Or caress thee - but love would repel;
And the lovers whose lips would excite thee
Are serpents in hell.
Who now shall content thee as they did,
Thy lovers, when temples were built
And the hair of the sacrifice braided
And the blood of the sacrifice spilt,
In Lampsacus fervent with faces,
In Aphaca red from thy reign,
Who embraced thee with awful embraces,
Our Lady of Pain?
Where are they, Cotytto or Venus,
Astarte or Ashtaroth, where?
Do their hands as we touch come between us?
Is the breath of them hot in thy hair?
From their lips have thy lips taken fever,
With the blood of their bodies grown red?
Hast thou left upon earth a believer
If these men are dead?
They were purple of raiment and golden,
Filled full of thee, fiery with wine,
Thy lovers, in haunts unbeholden,
In marvellous chambers of thine.
They are fled, and their footprints escape us,
Who appraise thee, adore, and abstain,
O daughter of Death and Priapus,
Our Lady of Pain.
What ails us to fear overmeasure,
To praise thee with timorous breath,
O mistress and mother of pleasure,
The one thing as certain as death?
We shall change as the things that we cherish,
Shall fade as they faded before,
As foam upon water shall perish,
As sand upon shore.
We shall know what the darkness discovers,
If the grave-pit be shallow or deep;
And our fathers of old, and our lovers,
We shall know if they sleep not or sleep.
We shall see whether hell be not heaven,
Find out whether tares be not grain,
And the joys of the seventy times seven,
Our Lady of Pain.
Mordechaj
12.11.2010, 13:26
Ich bin so einer, der sich nich festlegen kann. Das meiste davon lässt sich wunderbar singen, das chinesische ist sogar eigentlich ein Liedtext, dafür aber nicht weniger poetisch als ein Gedicht. Ich habe mir erlaubt, hier und da meine Eigenübersetzungen hinzuzufügen.
Ein vuhs zuo einem rappen sprach ...
Ein vuhs zuo einem rappen sprach
der hôch ûf einem boume saz
und truoc ein kæse in sînem snabel
her rappe, ir sint gar kluoc.
Sô schœnen vogel ich nie gesach,
nie lerche noch galander baz
gesang dan ir sus ich niht zabel,
ich hôrte es gerne gnouc.
Der rappe dur den valschen prîs
mit lûter stimme im sînen sanc erbôrte.
des viel der kæse im underz rîs
in krift der vuhs, den sanc er gerne hôrte.
Sus gent guot tœrscher herren vil
dur valschez lop, dur smeichen liegen triegen
wol fougt den affen tôren spil,
ez gent die narren gerne ir guot den giegen.
~der Kanzler, um 1300
Ein Fuchs zu einem Raben sprach,
Der hoch auf einem Baume saß
Und in seinem Schnabel einen Käse trug:
Herr Rabe, was Ihr seid gar klug.
Einen so schönen Vogel ich nie sah,
Weder Lerche noch Nachtigalle gar
Besser singen als Ihr da,
So zweifle ich nicht
Gern hörte ich genug davon fürbar.
Der Rabe, durch den falschen Preis,
Mit lauter Stimme seinen Sang emporte.
So fiel der Käse hinunter in den Reis,
Ihn griff der Fuchs; den Sang er gerne hörte.
So geht es wohl töricht Herren viel,
Durch falsches Lob, durch Schmeichelei und Lug, Intrigen
So geht es auch dem Toren, der mit dem Affen spielt,
Es geben die Narren gern ihr Gut den Gier'gen.
L'Attente
C’est la vie au ralenti,
c’est le cœur à rebours,
c’est une espérance et demie:
trop et trop peu à son tour.
C’est le train qui s’arrête en plein
chemin sans nulle station
et on entend le grillon
et on contemple en vain
penché à la portière,
d’un vent que l’on sent, agités
les prés fleuris, les prés
que l’arrêt rend imaginaires.
~Rainer Maria Rilke, 1926
Es ist das Leben außer Gange,
Es ist, was das Herz umgekehrt,
Es ist der Hoffnung stetig bange:
Mal gar zu wenig, mal noch mehr.
Es gleicht dem Zug, der hält
In der Prärie Nirgendwo
Und es horcht des Heimchens Liedlein schon
Und es schaut bedächtig alle Welt
Vergeblich, in die Tür gestemmt,
Im duftenden Winde sich wiegen
Die blühenden Wiesen, die Wiesen,
Die der Halt zu wildem Schein verschwämmt.
Demain dès l'Aube
Demain, dès l'aube, à l'heure où blanchit la campagne,
Je partirai. Enfin, où l’on m'attend.
J'irai par la forêt, j'irai par la montagne.
Je ne puis demeurer loin de vous plus longtemps.
Je marcherai les yeux fixés sur mes pensées,
Sans rien voir au dehors, sans entendre aucun bruit,
Seul, inconnu, le dos courbé, les mains croisées,
Triste, et le jour pour moi sera comme la nuit.
Je ne regarderai ni l'or du soir qui tombe,
Ni les voiles au loin descendant vers Harfleur,
Et quand j'arriverai, je mettrai sur vos tombe
Un bouquet de houx vert et de bruyère en fleur.
~Victor Hugo, 1856 (légèrement altéré par Vincent Goffart)
Morgen, ehe der Morgen graut, noch das Land verblasst,
Werde ich gehen. An den Ort, den ich erwählt.
Ich gehe durch Wälder, über Berge, ohne Rast,
Ertrage nicht länger die Ferne, die mich quält.
Ich wandle so weit ich kann, in Gedanken versenkt,
Ohne Wahrnehmung, nichts, das fühlt, nichts, das wacht
Allein, unbekannt, den Rücken gekrümmt, die Arme verschränkt –
In Trauer; an einem Tag für mich wie die Nacht.
Ich sehe weder das Gold das den Abend bettet,
Noch den Schleier, der in der Ferne gen Harfleur taucht,
Und wenn ich ankomme, lege ich auf eure Stätte
Einen grünen Strauß von Stechpalme und Heidekraut.
Veni, Veni, Emmanuel
Veni, Veni Emmanuel!
Captivum solve Israel!
Qui gemit in exsilio,
Privatus Dei Filio.
Gaude, gaude, Emmanuel
Nascetur pro te, Israel.
Veni, O Jesse virgula,
Ex hostis tuos ungula,
De specu tuos tartari
Educ et antro barathri.
Veni, Veni O Oriens!
Solare nos adveniens,
Noctis depelle nebulas,
Dirasque noctis tenebras.
Veni, Clavis Davidica,
Regna reclude caelica,
Fac iter tutum superum,
Et claude vias inferum.
Veni, Veni Adonai!
Qui populo in Sinai
Legem dedisti vertice,
In Majestate gloriae.
Veni, O Sapientia,
Quae hic disponis omnia,
Veni, viam prudentiae
Ut doceas et gloriae.
Veni, Veni, Rex gentium,
veni, Redemptor omnium,
Ut salvas tuos famulos
Peccati sibi conscios.
~ anonym, n.bek.
Oyfn veg shteyt a boym
אױפן װעג שטײט א בױם
Oyfn veg shteyt a boym,
Shteyt er ayngeboygn,
Ale feygl funem boym
Zaynen zikh tsefloygn.
Dray keyn mizrekh, dray keyn mayrev,
Un der resht - keyn dorem,
Un dem boym gelozt aleyn
Hefker far dem shturem.
Zog ikh tsu der mamen: her,
Zolst mir nor nit shtern,
Vel ikh, mame, eyns un tsvey
Bald a foygl vern...
Ikh vel zitsn oyfn boym
Un vel im farvign
Ibern vinter mit a treyst
Mit a sheynem nign.
Zogt di mame: nite, kind...
Un zi veynt mit trern:
Vest kholile oyfn boym
Mir far froyrn vern.
Zog ikh: mame, s'iz a shod
Dayne sheyne oygn
Un eyder vos un eyder ven,
Bin ikh mir a foygl.
Veynt di mame: ltsik, kroyn,
Ze, um gotes viln,
Nem zikh mit a shalikl,
Kenst zikh nokh farkiln.
Di kaloshn tu zikh on,
S'geyt a sharfer vinter
Un di kutshme nem oykh mit;
Vey iz mir un vind mir...
Un dos vinter-laybl nem,
Tu es on, du shovte,
Oyb du vilst nit zayn keyn gast
Tsvishn ale toyte...
Kh'heyb di fligl, s'iz mir shver,
Tsu fil, tsu fil zakhn,
Hot di mame ongeton
Ir feygele, dem shvakhn.
Kuk ikh troyerik mir arayn
In mayn mames oygn,
S'hot ir libshaft nit gelozt
Vern mir a foygl...
Oyfn veg shteyt a boym,
Shteyt her ayngebogen,
Ale feygl funem boym
Zaynen zikh tsefloygn...
~Itzik Manger, n.a.
חופים
חופים הם לפעמים געגועים לנחל
ראיתי פעם חוף שנחל עזבו
עם לב שבור של חול ואבן
והאדם והאדם
הוא לפעמים גם כן יכול
להישאר נטוש ובלי כוחות
ממש כמו חוף
גם הצדפים כמו חופים כמו הרוח
גם הצדפים הם לפעמים געגועים
לבית שתמיד אהבנו
אשר היה ורק הים
שר לבדו שם את שיריו
כך בין צדפי ליבו של האדם
שרים לו נעוריו
Chofim
Chofim hem lif'amim ga'aguim lenachal
Raiti pa'am chof shenachal azavo
Im lev shavour shel chol va'even
Ve-ha'adam, ve-ha'adam
U'lifamim gam ken yakhol
Lehisha'er natush uvli kochot
Mamash k'mo chof
Gam hatzdafim kemo chofim kemo haruach
Gam hatzdafim hem lif'amim ga'aguim
Levahit shetamid ahavnu
Asher haya verak hayam
Shar levado sham et shirav
Kakh bein tzidfei libo shel ha'adam
Sharim lo ne'urav
~Nathan Jonathan, n.a.
Strände
Manchmal sehnen sich die Strände nach den Flüssen.
Einmal sah ich einen Strand, den der Fluss verlassen hatte,
Mit einem gebrochenen Herzen aus Sand und Stein.
Und der Mensch, der Mensch
Kann ebenso enden -
Verlassen und kraftlos
Ganz so wie der Strand.
Auch die Muscheln, wie der Strand und der Wind,
Auch die Muscheln vermissen oft
Die Heimat, die wir stets liebten,
Als sie noch war. Und nur die See
Singt allein ihr Lied.
Und so, zwischen Muscheln, das Herz des Menschen
Singt ihm von seiner Jugend...
沙漠
我睡在你眼睛的沙漠里
想用我所有温存了解你
我潜入你眼睛的深海里
探索那令人好奇的秘密
总要时刻去防备
害怕会变成那缩成一团的刺猬
一不小心就伤悲
害怕会变成那四处躲藏的海龟
其实心有灵犀只是一场误会
别分错与对
谁在寂寞之后不需要安慰
不管谁爱谁
我走在你眼睛的森林里
想用我所有关怀温暖你
我跳入你眼睛的深渊里
寻找那令人向往的身影
总要时刻去防备
害怕会变成那缩成一团的刺猬
一不小心就伤悲
害怕会变成那四处躲藏的海龟
其实心有灵犀只是一场误会
别分错与对
谁在寂寞之后不需要安慰
不管谁爱谁
也许天长地久已经觉得疲累
谁也挽不回
事到终结之后再讨论是非
分不清是谁
是谁
shā mò
wǒ shuì zài nǐ yǎn jing de shā mò lǐ
xiǎng yòng wǒ suǒ yǒu wēn cún liǎo jiě nǐ
wǒ qián rù nǐ yǎn jing de shēn hǎi lǐ
tàn suǒ nà lìng rén hào qí de mì mì
zǒng yào shí kè qù fáng bèi
hài pà huì biàn chéng nà suō chéng de cì wèi
yī bù xiǎo xīn jiù shāng bēi
hài pà huì biàn chéng nà sì chù duǒ cáng de hǎi guī
qí shí xīn yǒu líng xī zhǐ shì yī chǎng wù huì
biè fēn cuò yǔ duì
shéi zài jì mò zhī hòu bù xū yào ān wèi
bù guǎn shéi ài shéi
wǒ zǒu zài nǐ yǎn jing de sēn lín lǐ
xiǎng yòng wǒ suǒ yǒu guān huái wēn nuǎn nǐ
wǒ tiào rù nǐ yǎn jing de shēn yuān lǐ
xún zhǎo nà lìng rén xiàng wǎng de shēn yǐng
zǒng yào shí kè qù fáng bèi
hài pà huì biàn chéng nà suō chéng de cì wèi
yī bù xiǎo xīn jiù shāng bēi
hài pà huì biàn chéng nà sì chù duǒ cáng de hǎi guī
qí shí xīn yǒu líng xī zhǐ shì yī chǎng wù huì
biè fēn cuò yǔ duì
shéi zài jì mò zhī hòu bù xū yào ān wèi
bù guǎn shéi ài shéi
yě xǔ tiān cháng dì jiǔ yǐ jīng jué de pí lèi
shéi yě wǎn bù huí
shì dào zhōng jié zhī hòu zài tǎo lùn shì fēi
fēn bù qīng shì shéi
shì shéi
~Yu Fei Men, vermutl. 2007
Wüste
Ich schlafe inmitten der Wüste deines Auges
Ich wünschte, dich begreifen zu können
Ich versinke inmitten des tiefen Wassers deines Auges
Begierig, jenes Geheimnis zu entdecken
Und doch den Moment zu wahren
Voller Angst [zwischen den Stacheln] des Igels zu versinken
Völlig anteilnahmslos den Schmerz der Wunde[n spüren]
Voller Angst sich überall vor der Schildkröte verkriechen zu müssen
Für das Herz gibt es lediglich den Raum des Missverständnisses, um still zu lieben
Den Unterschied zwischen einem Fehler und dem Beisammensein ausmachen
Der unnützen Trost in der Einsamkeit darauf spendet
Ganz gleich wer wem etwas bedeutet
Ich laufe inmitten des Waldes deines Auges
Ich wünschte, dich wärmen zu können
Ich werfe mich in den Abgrund deines Auges
Um zu machen, dass du dich nach [meiner] Silhouette sehnst
Und doch den Moment zu wahren
Voller Angst [zwischen den Stacheln] des Igels zu versinken
Völlig anteilnahmslos den Schmerz der Wunde[n spüren]
Voller Angst sich überall vor der Schildkröte verkriechen zu müssen
Für das Herz gibt es lediglich den Raum des Missverständnisses, um still zu lieben
Den Unterschied zwischen einem Fehler und dem Beisammensein ausmachen
Der unnützen Trost in der Einsamkeit darauf spendet
Ganz gleich wer wem etwas bedeutet
Vielleicht fühlt man bereits ermüdende Eintönigkeit
Aus der es wiederum kein Zurück gibt
Und man endet erneut im Streit über Richtig und Falsch
Es bleibt unklar, was es ist
was es ist
Im Übrigen hatten wir so einen Thread (http://www.multimediaxis.de/threads/89390-Der-höchst-offizielle-Lyrik-Thread) schonmal, aber den hier find ich legitimer.
La Cipolla
12.11.2010, 13:28
Oh, du hast natürlich Recht. Hab ihn nicht gefunden und schiebe mal. >_> (Oder wieso findest du den hier legitimer?)
Mordechaj
12.11.2010, 14:00
(Oder wieso findest du den hier legitimer?)
Er ist - bzw. war - neuer und sein Titel ist einleuchtender. ^^"
Joa, meine Legimitätsvorstellungen sind etwas oberflächlich.
Wie dem auch sei.
Meine Lieblinge:
Georg Trakl
Sommer
Am Abend schweigt die Klage
des Kuckucks im Wald.
Tiefer neigt sich das Korn,
der rote Mohn.
Schwarzes Gewitter droht
über dem Hügel.
Das alte Lied der Grille
erstirbt im Feld.
Nimmer regt sich das Laub
der Kastanie.
Auf der Wendeltreppe
rauscht dein Kleid.
Stille leuchtet die Kerze
im dunklen Zimmer;
eine silberne Hand
löschte sie aus;
windstille, sternlose Nacht.
Bertolt Brecht
An die Nachgeborenen
Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen.
Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
Der dort ruhig über die Straße geht
Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde
Die in Not sind?
Es ist wahr: ich verdiene noch meinen Unterhalt
Aber glaubt mir: das ist nur ein Zufall. Nichts
Von dem, was ich tue, berechtigt mich dazu, mich sattzuessen.
Zufällig bin ich verschont. (Wenn mein Glück aussetzt, bin ich verloren.)
Man sagt mir: Iß und trink du! Sei froh, daß du hast!
Aber wie kann ich essen und trinken, wenn
Ich dem Hungernden entreiße, was ich esse, und
Mein Glas Wasser einem Verdurstenden fehlt?
Und doch esse und trinke ich.
Ich wäre gerne auch weise.
In den alten Büchern steht, was weise ist:
Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit
Ohne Furcht verbringen
Auch ohne Gewalt auskommen
Böses mit Gutem vergelten
Seine Wünsche nicht erfüllen, sondern vergessen
Gilt für weise.
Alles das kann ich nicht:
Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
[...]
Bertolt Brecht
Die Liebenden
Sieh jene Kraniche in großem Bogen!
Die Wolken, welche ihnen beigegeben
Zogen mit ihnen schon, als sie entflogen
Aus einem Leben in ein andres Leben
In gleicher Höhe und mit gleicher Eile
Scheinen sie alle beide nur daneben.
Daß so der Kranich mit der Wolke teile
Den schönen Himmel, den sie kurz befliegen
Daß also keines länger hier verweile
Und keines andres sehe als das Wiegen
Des andern in dem Wind, den beide spüren
Die jetzt im Fluge beieinander liegen
So mag der Wind sie in das Nichts entführen
Wenn sie nur nicht vergehen und sich bleiben
Solange kann sie beide nichts berühren
Solange kann man sie von jedem Ort vertreiben
Wo Regen drohen oder Schüsse schallen.
So unter Sonn und Monds wenig verschiedenen Scheiben
Fliegen sie hin, einander ganz verfallen.
Wohin ihr? Nirgendhin. Von wem davon? Von allen.
Ihr fragt, wie lange sind sie schon beisammen? Seit kurzem.
Und wann werden sie sich trennen? Bald.
So scheint die Liebe Liebenden ein Halt.
Rainer Maria Rilke
Ob auch die Stunden
uns wieder entfernen ...
wir sind immer zusammen
im Traum,
wie unter einem
aufblühendem Baum.
Wir werden die Worte,
die laut sind, verlernen
und von uns reden
wie Sterne von Sternen.
Alle lauten Worte verlernen,
wie unter einem
aufblühenden Baum.
- Christian Morgenstern -
Warum erfüllen uns Gräser, eine Wiese, ein Baum mit so reiner Lust ?
Weil wir da Lebendiges vor uns sehen, das nur von außen her zerstört werden kann, nicht durch sich selbst.
Der Baum wird nie an gebrochenem Herzen sterben und das Gras nie seinen Verstand verlieren.
Von außen droht ihnen jede mögliche Gefahr, von innen her aber sind sie gefeit.
Sie fallen sich nicht selbst in den Rücken wie der Mensch mit seinem Geist und ersparen uns damit
das wiederholte Schauspiel unseres eigenen zweideutigen Lebens.
(Gottfried Benn)
Restaurant
Der Herr drüben bestellt sich noch ein Bier,
das ist mir angenehm, dann brauche ich mir keinen Vorwurf zu machen
daß ich auch gelegentlich einen zische.
Man denkt immer gleich, man ist süchtig,
in einer amerikanischen Zeitschrift las ich sogar,
jede Zigarette verkürze das Leben um sechsunddreißig Minuten,
das glaube ich nicht, vermutlich steht die Coca-Cola-Industrie
oder eine Kaugummifabrik hinter dem Artikel.
Ein normales Leben, ein normaler Tod
das ist auch nichts. Auch ein normales Leben
führt zu einem kranken Tod. Überhaupt hat der Tod
mit Gesundheit und Krankheit nichts zu tun,
er bedient sich ihrer zu seinem Zwecke.
Wie meinen sie das: der Tod hat mit Krankheit nichts zu tun?
Ich meine das so: viele erkranken, ohne zu sterben,
also liegt hier noch etwas anderes vor,
ein Fragwürdigkeitsfragment,
ein Unsicherheitsfaktor,
er ist nicht so klar umrissen,
hat auch keine Hippe,
beobachtet, sieht um die Ecke, hält sich sogar zurück
und ist musikalisch in einer anderen Melodie.
Gottfried Benn
Nur zwei Dinge
Durch so viel Form geschritten,
durch Ich und Wir und Du,
doch alles blieb erlitten
durch die ewige Frage: wozu?
Das ist eine Kinderfrage.
Dir wurde erst spät bewußt,
es gibt nur eines: ertrage
- ob Sinn, ob Sucht, ob Sage -
dein fernbestimmtes: Du mußt.
Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
was alles erblühte, verblich,
es gibt nur zwei Dinge: die Leere
und das gezeichnete Ich.
Ingeborg Bachmann
Was wahr ist
Was wahr ist, streut nicht Sand in deine Augen,
was wahr ist, bitten Schlaf und Tod dir ab
als eingefleischt, von jedem Schmerz beraten,
was wahr ist, rückt den Stein von deinem Grab.
Was wahr ist, so entsunken, so verwaschen
in Keim und Blatt, im faulen Zungenbett
ein Jahr und noch ein Jahr und alle Jahre -
was wahr ist, schafft nicht Zeit, es macht sie wett.
Was wahr ist, zieht der Erde einen Scheitel,
kämmt Traum und Kranz und die Bestellung aus,
es schwillt sein Kamm und voll gerauften Früchten
schlägt es in dich und trinkt dich gänzlich aus.
Was wahr ist, unterbleibt nicht bis zum Raubzug,
bei dem es dir vielleicht ums Ganze geht.
Du bist sein Raub beim Aufbruch deiner Wunden;
nichts überfällt dich, was dich nicht verrät.
Es kommt der Mond mit den vergällten Krügen.
So trinkt dein Maß. Es sinkt die bittre Nacht.
Der Abschaum flockt den Tauben ins Gefieder,
wird nicht ein Zweig in Sicherheit gebracht.
Du haftest in der Welt, beschwert von Ketten,
doch treibt, was wahr ist, Sprünge in die Wand.
Du wachst und siehst im Dunkeln nach dem Rechten,
dem unbekannten Ausgang zugewandt.
P. Celan
Psalm
Niemand knetet uns wieder aus Erde und Lehm,
niemand bespricht unseren Staub.
Niemand.
Gelobt seist du , Niemand.
Dir zulieb wollen
wir blühn.
Dir
entgegen.
Ein Nichts
waren wir, sind wir, werden
wir bleiben, blühend:
die Nichts-, die
Niemandsrose.
Mit
dem Griffel seelenhell
dem Staubfaden himmelswüst
der Krone rot
vom Purpurwort, das wir sangen
über, o über
dem Dorn.
P. Celan
Corona
Aus der Hand frißt der Herbst mir sein Blatt: wir sind Freunde.
Wir schälen die Zeit aus den Nüssen und lehren sie gehen:
die Zeit kehrt zurück in die Schale.
Im Spiegel ist Sonntag,
im Traum wird geschlafen,
der Mund redet wahr.
Mein Aug steigt hinab zum Geschlecht der Geliebten:
wir sehen uns an,
wir sagen uns Dunkles,
wir lieben einander wie Mohn und Gedächtnis,
wir schlafen wie Wein in den Muscheln,
wie das Meer im Blutstrahl des Mondes.
Wir stehen umschlungen im Fenster, sie sehen uns zu von der Straße:
es ist Zeit, daß man weiß!
Es ist Zeit, daß der Stein sich zu blühen bequemt,
daß der Unrast ein Herz schlägt.
Es ist Zeit, daß es Zeit wird.
Es ist Zeit.
P.Celan
Auszug aus "Engführung"
Kam, kam.
Kam ein Wort, kam,
kam durch die Nacht,
wollt leuchten, wollt leuchten.
Asche.
Asche, Asche.
Nacht.
Nacht-und-Nacht. -- Zum
Aug geh, zum feuchten.
* Zum Aug geh, zum feuchten --
Orkane.
Orkane, von je,
Partikelgestöber, das andre,
du
weißts ja, wir
lasens im Buche, war
Meinung.
War, war
Meinung. Wie
faßten wir uns
an -- an mit
diesen
Händen?
Es stand auch geschrieben, daß.
Wo? Wir
taten ein Schweigen darüber,
giftgestillt, groß,
ein
grünes
Schweigen, ein Kelchblatt, es
hing ein Gedanke an Pflanzliches dran --
grün, ja
hing, ja
unter hämischem
Himmel.
(gelesen vom Autor selber: http://www.youtube.com/watch?v=Zj1XI13avDA&feature=related)
Samhain
mondenkind
.
Hört ihr
wie die Tore knarren
zwischenweltlich
heute Nacht
Hört
das Flüstern
ihrer Seelen
frei und leicht
zerspinstert sacht
Seht nur
wie sie fließend eilen
angelockt
vom Kerzenlicht
Seht
das Leuchten
ihrer Sphären
wenn Freude sich
mit Sehnsucht mischt
Spürt nur
wie für den Moment
das Leben
sie zurückgewinnt
um einmal noch
sanft zu berührn
bevor man lächelnd
Abschied nimmt
.
Die Autorin findet ihr hier: http://keinverlag.de/texte.php?text=284004
Georges Bernanos
"Wir alle müssen das Leben meistern. Aber die einzige Art, es zu meistern, besteht darin, es zu lieben.“
http://npshare.de/files/6ea3b5b9/XBILdTRf.png
Mordechaj
27.12.2010, 00:57
In sô hôher swebender wunne
In sô hôher swebender wunne
Sô gestuont mîn herze ane vröiden nie.
Ich var, als ich vliegen kunne,
Mit gedanken iemer umbe sie,
Sît daz mich ir trôst enpfie,
Der mir durch die sêle mîn
Mitten in daz herze gie.
Swaz ich wunneclîches schouwe,
Daz spile gegen der wunne, die ich hân.
Luft und erde, walt und ouwe
Suln die zît der vröide mîn enpfân.
Mir ist komen ein hügender wân
Und ein wunneclîcher trôst,
Des mîn muot sol hôhe stân.
Wol dem wunneclîchen maere,
Daz sô suoze durch mîn ôre erklanc,
Und der sanfte tuonder swaere,
Diu mit vröiden in mîn herze sanc,
Dâ von mir ein wunne entspranc,
Diu vor liebe alsam ein tou
Mir ûz von den ougen dranc.
Saelic sî diu süeze stunde,
Saelic sî diu zît, der werde tac,
Dô daz wort gie von ir munde,
Daz dem herzen mîn sô nâhen lac,
Daz mîn lîp von vröide erschrac,
Und enweiz von liebe joch,
Waz ich von ir sprechen mac.
(Heinrich von Morungen, um 1225)
Mordechaj
04.02.2011, 17:17
... از جمادی مُردم و نامی شدم
از جمادی مُردم و نامی شدم — وز نما مُردم بهحیوان سرزدم
مُردم از حیوانی و آدم شدم — پس چه ترسم؟ کی ز مردن کم شدم؟
حمله دیگر بمیرم از بشر — تا برآرم از ملائک بال و پر
وز ملک هم بایدم جستن ز جو — کل شیء هالک الا وجهه
بار دیگر از ملک پران شوم — آنچه اندر وهم ناید آن شوم
پس عدم گردم عدم چو ارغنون — گویدم کانا الیه راجعون
~Rumi
Als Teil der Erde starb ich...
Als Teil der Erde starb ich und wurde Pflanze,
Als Pflanze starb ich und wuchs zum Tiere,
Ich starb als Tier und ich ward Mensch.
Warum sei da Furcht? Wann machte mich das Sterben je geringer?
Noch einmal soll als Mensch ich sterben, um aufzusteigen,
Himmelwesen gezeiht; doch selbst vom Engelsein
muss ich hinwegscheiden: Alles außer H' muss sterben.
Und wenn meine Engelsseele dahingegeben ist,
Werde ich, was kein Geist je zu erdenken war.
Oh, heb mein Dasein auf! Denn Nichtsein
kündet im Orgeltone:
In H' kehren wir zurück.
(Übersetzung judaisiert)
Mordechaj
18.02.2011, 17:13
Der Duft --- Die Rose
Im Himmelsrosenhag sprach eine Huri:
»Ich habe nie, was jenseits ist, erkannt.
Was ist das: Tag und Nacht, und Morgen, Abend?
Geburt und Tod, sie kennt nicht mein Verstand.«
Zum Dufthauch ward sie, sprosst' am Rosenzweige -
So setzte sie den Fuss in dieses Land.
Das Auge tat sie auf, ward Knospe, lächelnd,
Ward Rose - Blatt um Blatt fiel in den Sand,
Und von der Zarten, die die Fesseln löste
Blieb nur ein Ach - man hat es Duft genannt.
~Iqbal
Mordechaj
21.07.2011, 12:15
Cause And Effect
the best often die by their own hand
just to get away,
and those left behind
can never quite understand
why anybody
would ever want to
get away
from
them
~Charles Bukowski
Mordechaj
19.08.2011, 10:11
Leerzeichen
In der gänzlichen Leere
sammeln sich die Schwaden der Worte,
zum Beispiel Feder und Taube.
Aber das Erlöschen des Atems,
die starre Falte des Munds,
die angehaltene Bewegung
sind schon durchwirkt
von dem Hanf des Hasses,
dem Seidenschiffchen der Güte.
So sind sie Fremde
un aller Sicherheit bar,
enthoben den Träumen der Leere
und unseres Zutuns gewiß.
Aber auf sie kommt es an,
auf sie allein noch
beim Federspiel der Meduse,
die mit den Gelenken knackt,
ihr magisches Lächeln ins Licht gedreht
wie ungestalte Kerzen im Wind.
Wenn sie entweicht, endlos,
in Katakomben, unter dem Wasser hin,
ist hier vollständige Leere.
Dies aber gilt als Norm des Lebens,
ist das vollkommen irrige
Zeichen für Dasein.
~Peter Jokostra
Jerome Denis Andre
27.08.2011, 14:25
Das Zeichen
Freunde, dass der Mandelzweig
wieder blüht und treibt,
ist das nicht ein Fingerzeig,
dass die Liebe bleibt.
Dass das Leben nicht verging,
so viel Blut auch schreit,
achtet dieses nicht gering,
in der trübsten Zeit.
Tausende zerstampft der Krieg,
eine Welt vergeht.
Doch des Lebens Blütensieg
leicht im Winde weht.
Freunde, dass der Mandelzweig
sich in Blüten wiegt,
bleibe uns ein Fingerzeig,
wie das Leben siegt.
Kenne es leider erst, seit es eine Kommilitonin vor kurzem auf FB postete.
Finde es grade in Hinblick auf das Abfassungsjahr bewundernswert, dass er solch ein hoffnungsvolles Gedicht schrieb.
Wie soll ich meine Seele halten, dass
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt,wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Spieler hat uns in der Hand?
O süßes Lied.
Rainer Maria Rilke - Liebeslied
Ein sehr schönes Gedicht von Ute Marie Fomm, aus "Der Morgen hat ein blauches Tuch"
Säntis
Mit den Vögeln,
den schwarzen
wollte ich fliehen
schneller höher
fort von dem gipfel
der uns das ende war
hilflos - besiegt
von der ohnmacht der weite
sog ich kristallene luft
auf meine lippen
und der abstieg
war wie zerbrechen
La Cipolla
16.11.2011, 14:55
Im Nebel
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.
Seltsam, Im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
November 1905
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Haben wir heute in der Deutschdidaktik als "Herbstgedicht" behandelt, was ich da irgendwo nur ganz am Rand sehe. Und es hat mich ziemlich beeindruckt. Weiß noch nicht genau, inwiefern ich da hinter Hesse stehen würde - oder hinter dem, was er sich so in seinen frühen Jahren gedacht hat (ich lese wohl eh was anderes) - aber atmosphärisch und toll ist's alle mal. ^^
Definitiv ja zu Benn, Trakl und Celan und vor allem Heine. Einige meiner Lieblinge:
Mein Herz, mein Herz ist traurig
Mein Herz, mein Herz ist traurig,
Doch lustig leuchtet der Mai;
Ich stehe, gelehnt an der Linde,
Hoch auf der alten Bastei.
Da drunten fließt der blaue
Stadtgraben in stiller Ruh;
Ein Knabe fährt im Kahne,
Und angelt und pfeift dazu.
Jenseits erheben sich freundlich,
In winziger, bunter Gestalt,
Lusthäuser, und Gärten, und Menschen,
Und Ochsen, und Wiesen, und Wald.
Die Mägde bleichen Wäsche,
Und springen im Gras herum;
Das Mühlrad stäubt Diamanten,
Ich höre sein fernes Gesumm.
Am alten grauen Turme
Ein Schilderhäuschen steht;
Ein rotgeröckter Bursche
Dort auf und nieder geht.
Er spielt mit seiner Flinte,
Die funkelt im Sonnenrot,
Er präsentiert und schultert -
Ich wollt, er schösse mich tot.
- Heinrich Heine
Seine Gedichte sind so wunderbar leicht lesbar obwohl er um 1800 gelebt hat. Und immer wortgewandt und noch immer aktuell.
Zu kurz
Kaum, daß auf diese Welt du kamst,
zur Schule gingst, die Gattin nahmst,
dir Kinder, Geld und Gut erwarbst
schon liegst du unten, weil du starbst.
- Heinz Erhardt
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Ich finde solche, die von ihrem Geld erzählen
und solche, die mit ihrem Geiste protzen
und solche, die erst beten und dann stehlen,
ich finde solche, Sie verzeihn, zum Kotzen.
- Heinz Erhardt
Der Meister des Unsinns, dessen ernsthafte Lyrik aber auch gefällt.
Die Dämmerung
Ein dicker Junge spielt mit einem Teich.
Der Wind hat sich in einem Baum gefangen.
Der Himmel sieht verbummelt aus und bleich,
Als wäre ihm die Schminke ausgegangen.
Auf lange Krücken schief herabgebückt
Und schwatzend kriechen auf dem Feld zwei Lahme.
Ein blonder Dichter wird vielleicht verrückt.
Ein Pferdchen stolpert über eine Dame.
An einem Fenster klebt ein fetter Mann.
Ein Jüngling will ein weiches Weib besuchen.
Ein grauer Clown zieht sich die Stiefel an.
Ein Kinderwagen schreit und Hunde fluchen.
- Alfred Liechtenstein
Fabel
Da sang die Nachtigall
die Welt ist all
die Welt ist all
es werden die Raben
sie gefressen haben.
Da krächzten die Raben
wir haben
wir haben
noch nicht all
und fraßen die Nachtigall.
- Bernd Wagner
Das Gedicht verfolgt mich seit Jahren wie kein anderes.
Mordechaj
08.12.2011, 15:22
Ich hab mich gerade in ein Gedicht verliebt:
Schnee
Schnee: wer
Dieses Wort zu Ende
Denken könnte
Bis dahin
Wo es sich auflöst
Und wieder zu Wasser wird
Das die Wege aufweicht
Und den Himmel in
Einer schwarzen
Blanken Pfütze
Spiegelt, als wäre er
Aus nichtrostendem Stahl
Und bliebe
Unverändert blau.
~Rolf Dieter Brinkmann
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