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Fenryl
21.11.2006, 21:32
Eine ältere und auch die letzte Kurzgeschichte, die ich bisher präsentiert habe. Momentan arbeite ich vorwiegend an einem größeren Werk. Einige kennen es vielleicht schon, andere wieder nicht.

Vom Vereinsamen

Wie jede Nacht sitze ich dort draußen, auf der Veranda, das Buch in meiner Hand. Mein Blick löst sich von den Zeilen und schweift in die weite Nacht. Nach oben zum Firmament blickend, beobachte ich das Sternenmeer. Zahlreich offenbaren sie sich mir im dunklen Himmelsreich, die herrenlosen Lichter der Finsternis. Vertieft in ihnen, ersehne ich mir nur ihre Nähe, ersuche ihre Gesellschaft. Ihr vereint allwo, ich hier ganz allein…

Förmlich wird mein Herz vom zerrenden Schmerz in die Tiefen meiner Seele getrieben. Erfasst von der Qual, verformt sich mein Gesicht zu seinem unheilvollen Antlitz. Meine Seele hat sich der Einsamkeit gebeugt, sie ist Herrin über meine Wunschträume geworden. Hat neben mir Platz genommen, um mir in meiner Weltentfremdung auszuhelfen. Ihr treuloser Atemhauch küsst meine Wangen, ihre bitteren Klauen schlingen sich um meinen Leib. Sie beginnt mit ihrer grotesken Begattung, wirbt um mein abspenstiges Herz. Widerstrebend versuche ich mich aus ihrer Umarmung zu lösen, möchte ihren widerwärtigen Liebkosungen entfahren… Mein Blick treibt himmelswärts, zu den Gestirnen, den stummen Kronzeugen des Missbrauchs. Jammernd flehe ich nach Erlösung, doch meine Geliebte erstickt meine Bitte, treibt mir ihre schwulstige Zunge in den Rachen. Sie ist die gefräßige Gemahlin und ich ihr auserwählter Bräutigam. Fremd ist ihr mein Wohl, sie will nur ihren Hunger stillen, mich demütigen. Sie wünscht sich sehnlichst, dass ich vor ihr auf die Knie falle und mich ohne jegliche Gegewehr ihren Trieben senke. Sie überkommt mich in willenlosen Atemzügen. Überfällt mich, während Wunschträume mich streicheln. Reisst den Verstand in die Untiefe, wenn ich in unwilligen Süchten treibe. In ihrer Gegenwart verrottet die Glückseeligket, hinterlässt nicht mehr als deren Vergänglichkeit. Ihrer Ouvertüre hat ein Ende gefunden und geht über in den eigentlichen Akt. Ihre düsteren Schenkel knoten sich um meinen Unterleib, zieht sie mich näher an sich, schabt ihre Dornen von Händen tief in meine Haut, als wenn sie mich überziehen wollte, eine Vereinigung herbeisehnt. Rhythmisch stösst sie mich abwärts in die Verdammung, prügelt sich mit meinen Körper ’gen ihre eigene Krönung. Jeder Taktschlag raubt mir einen Teil meiner Unschuld, hinterlässt in mir eine triefende Wunde. Mein Herz quält sich durch diese Begegnung, erweckt in mir den letzten Hoffungsschimmer… Die Einsamkeit rauscht durch diesen Teufelsakt, spürt ihre höchste Sinneslust in naher Ferne, obgleich mein Mut ihr jähes Ersterben beschwört. Mein Augapfel gebährt sie zur Welt, den Ausdruck meiner Trauer, dem ich mich nicht entziehen kann. Langsam ziehen sie ihre Bahnen entlang meiner Wange, hinterlassen einen Dunst von Wärme an meiner Haut… Die Einsamkeit bricht ihren Höllenritt ab, verrenkt sich vor dem Funkeln der Tränen, in denen sich das Licht ihrer himmlischen Brüder spiegelt. Schmerzverzerrt wie ich es war, löst sie sich vollkommen von mir und verschwindet in der Finsternis, aus der sie kam.

NeoInferno
22.11.2006, 13:44
Also stilistisch ist die Geschichte ohne Frage sehr wortgewaltig und bildhaft. Eine fabelhaft gelungene Personifizierung der Einsamkeit, die durch die vielen Metaphern wirklich zu einer Art vorstellbaren Gestalt wird.

Nur inhaltlich ist es mir persönlich zu eingeschränkt. Du beschreibst eben - obwohl auf eine beeindruckende Art - nur die Qualen, die die Einsamkeit dem Prot zufügt, und verlierst dich irgendwo in deinen eigenen Bildern und poetischen Formulierungen. Ich hätte mich mehr auf eine richtige Geschichte mit diesem Sprachniveau gefreut.

Nichtsdestotrotz ein schönes, wortgewandtes Stimmungsbild :)

Batista
22.11.2006, 15:25
Ich stelle mir die Geschichte gerade vorgetragen vor, nicht wirklich mein Geschmack weil die Wortwahl, wie NeoInferno auch bereits sagte, zwar hochschlagend ist, allerdings zu sehr in arg poetisierten Gewässern schwimmt. Das klingt für mich dann einfach zu gewaltig, verliert die Nähe und schafft es nicht mehr mich als Leser zu erreichen. Zudem sind die meisten der verwendeten Metaphern leicht ausgetragen. Ich kann mir die durchschnittliche Einsamkeit auch nur schlecht nach deiner Beschreibung vorstellen, jedenfalls kann ich es nur unzureichend bestätigen. Für mich ist der Prozess noch eine ganze Ecke schleichender und dementsprechend uneinsichtiger aber da hat wahrscheinlich jeder andere Erfahrungen gemacht.
Wie gesagt, ist vielleicht auch einfach nicht mein Geschmack, ich kann mit dieser Art der Darstellung jedenfalls nur noch wenig anfangen.

La Cipolla
23.11.2006, 06:19
Ist dann wohl Ansichtssache, ich mag den Stil auch.


Nach oben zum Firmament blickend, beobachte ich das Sternenmeer.
Das ist ... doof. Das Firmament ist doch das Sternenmeer.
"Nach oben in die Luft guckend beobachtete ich den Himmel" würde auch doof klingen.

Aber sonst toll.

M-P
23.11.2006, 06:57
wegen diesen ganzen scheiss metaphern und der poetischen wortwahl wirkt diese story auf mich vollkommen kalt und narzistisch. nicht schön.

warum sollte man mitleid mit jemandem haben, der seine qualen so ausdrückt und über seine eigene unfähigkeit jammert, rauszugehen und eigenhändig etwas gegen die einsamkeit zu tun? depressionen sind erstmal nichts wohinter man sich verstecken kann.
und dann auch noch so scheiss unmenschlich?
ja, genau. deine geschichte hat so nichts menschliches. ich meine, irgendwo gehört in eine tragische geschichte ein "scheisse dreck fuck" rein, man kann doch gar nicht anders als menschliches wesen. dann würde es sicher einen fetten poetischen aspekt einbüßen, aber dann stellt sich die frage "brauch man poetik in dieser form überhaupt?" - ich find poesie so wie sie hier angewendet wird einfach nur grottenschlecht und unnötig, das nimmt sich selber viel zu wichtig, es macht keinen spaß zu lesen, es gibt einem nicht das gefühl abzudriften in einen anderen raum oder eine andere zeit, man ist einfach nicht dabei, oder es ist einfach nicht so geil.

Fenryl
03.12.2006, 00:06
Deine Meinung in allen Ehren M-P, aber bitte nicht auf diese Weise. Ich wüsste nicht, was ich oder meine Worte dir getan haben, dass ich eine solche Wortwahl von dir verdient habe. Kannst du mir sagen, was ein "scheisse dreck fuck" genau sein soll?

Nun, um mal auf das Empfinden einzugehen: Jeder empfindet anders, wenn er von der Melancholie erfasst wird und verarbeitet es auf andere Weise. Vielleicht kennt es jemand, wenn er traurig ist obwohl es so gesehen keinen Grund gibt. Wenn man einfach nicht lächeln kann, wenn man möchte, sich zur Niedergeschlagenheit gezwungen fühlt. Ich habe lediglich einen Augenblick dieser Trauer eingefasst, wie ich ihn für mich empfunden habe, verpackt in einer bildlichen Weise.

Deshalb hat M-P recht, dass die Geschichte kalt und wohl auch unmenschlich wirkt, was vielleicht wegen der Ausdrucksweise geschieht und an den Bildern liegt. Für dich ein Kritikpunkt, für andere eben das, was sie schön macht. Mitleid übrigens, soll diese Geschichte nicht erzeugen, danach fleht keine Silbe. In die Tragik und Hoffnungslosigkeit drängt es sich auch nicht.

@La Cipolla
Nun gut, für mich ist "Luft" und "Himmel", wie "Firmament" und "Sternenmeer" ein Unterschied. Schließlich ist da am Firmament noch wesentlich mehr als nur ein Meer von Sternen.

Mister Brightside
03.12.2006, 00:46
Ich schliesse mich vollkommen NeoInfernos Meinung an. Auch in einer Kurzgeschichte sollte wenigstens ein Abschnitt aus dem Leben der Figur, nicht nur ein unmittelbarer (kurzer) Moment beschrieben werden. Aber wie er beschrieben ist... wirklich gut.
Du hast Potenzial. Präsentier' doch bitte mal was Neues!