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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Blutroter Mond



deserted-monkey
10.11.2006, 15:36
Ich versuche die Sache nicht allzu obszön zu gestalten, doch sogar der Mob weiss was zur Hölle das bedeutet.
Der Knoten sitzt fest in meinem Nacken, meine Augen sind mit schwarzem Tuch verbunden.
Die Sonne brennt auf mich herunter. Das Blut peitscht durch mein Fleisch, erhitzt von der bratenden Sonne. Irgendwo plärrt ein Rock’n’roll-Song aus einem Radio, ich kenne nicht den Song, ich weiss nur das ich ihn hasse.
Ich denke zu viel, deshalb bin ich zu früh an diesen Ort gekommen.
Ich hebe meinen schweren Kopf gen Sonne, verfluche sie.
Letzte Nacht heulte ich mit dem Mond.

Ich möchte nicht, das ich dich nicht mehr liebe
Ich möchte dich nicht weniger lieben
Du streichelst mein Gesicht zum letzten Mal und ich möchte von deiner Liebkosung zerquetscht werden.
Meine Hände kommen frei, sie haben sie nicht gut genug verschnürt. Die Finger spannen sich, knacken.
Soll ich oder soll ich nicht? Wo ist der verdammte Unterschied?
„Du bist hier um zu gehen. Um für immer zu gehen, Mörder.“
Das letzte Wort hallt in meinem Kopf, hin und her, hin und her.
Soll ich?
Ich gebe mir einen Ruck, es ist mein letzter Versuch.

Ich hatte keine Pläne, nur eine gute Idee
Ich liess diese Stadt in meinem Grauen versinken, ich sehe die Bilder vor mir, wie durch einen Rückspiegel. Verzerrt.
Ich habe mir viele Feinde geschaffen, doch sie wissen nicht einmal wer ich bin.
Wenn sie mich töten erhalten sie keinen Ruhm, das wissen sie so gut wie ich.

Ich war mit dir vereinigt, wir liessen uns treiben. Doch das ist nun vorbei.
Um mich steht eine Armee von Niemandem, sie haben keine Fahne, keine Häuser mehr, ich habe sie niedergebrannt.
Ich bin schrecklich verwirrt, das bekenne ich...
Und ich möchte meine Taten wiederholen.

Meine Hände schnellen vor, packen deinen Hals.
Das schwarze Tuch lässt nur Umrisse erkennen, meine Finger spüren deinen Puls.
Die Finger legen sich eisern um deinen Hals, dein Schrei schon in der Kehle erstickt.
Dann graben sich meine Fingernägel durch deine Halsschlagader, warmer Lebenssaft spritzt über meine Hände.
Ich drücke deinen Körper an mich, er erschlafft in meinen Armen.

Ich höre die Schreie des Mobs, sie kommen angerannt, doch viel zu spät.
Mit einem Schrei springe ich vom Stuhl, das Seil spannt sich in meinem Nacken.
Ich schliesse meine Augen, lasse deinen Körper in den Sand fallen.
Sie schlagen mich mit Stöcken, ich spüre nicht den Schmerz.
Ich hänge dort bis in die Nacht und noch immer haben sie mich nicht ganz umgebracht, als der blutrote Mond die Nacht erhellt.
Ich vergehe und endlich verstummt das Radio.


Bitte um Feedback. Danke.

La Cipolla
12.11.2006, 10:05
Sehr geil. o.o'' Hat wieder den Effekt des Leserausches, also man fängt an und ist wenige Sekunden später durch, weil sich alles wie in einem Rutsch liest. Aus diesem Grund haut auch die Atmosphäre hin, und größere Schnitzer sind mir nicht aufgefallen.


Dann graben sich meine Fingernägel durch deine Halsschlagader, warmer Lebenssaft spritzt über meine Hände.
Das stell ich mir doch eher lächerlich vor...

Hab jetzt ein wenig über den Titel nachgedacht und find ihn inzwischen passend. Kam mir erst komisch vor.

NeoInferno
12.11.2006, 13:58
Hi,

erstmal Textzeugs:

"Die Sonne brennt auf mich herunter. Das Blut peitscht durch mein Fleisch, erhitzt von der bratenden Sonne."
- Eine unschöne Wiederholung, fällt aber weniger auf, da auf zwei Sätze verteilt.

"Irgendwo plärrt ein Rock’n’roll-Song aus einem Radio, ich kenne nicht den Song"
- Erstens wieder eine Wiederholung und zweitens würde nie jemand den letzten Satz so sagen. Eher "ich kenne ihn nicht" oder so.

"ich spüre nicht den Schmerz."
- Wieder so eine komische Konstruktion. Soll das absichtlich so doof klingen, als Stilmittel quasi? ;) "Ich spüre den Schmerz nicht" ist üblicher..

Zur Geschichte an sich:
Ich muss schon sagen, du hast dich wirklich weiterentwickelt. Stilistisch liest sich das ganze fließend und eingängig, die Sprache und die Satzstruktur passen super zur Geschichte. Das einzige was mir nicht ganz klar wird ist der Inhalt.
Prot ist der Mörder, der in der gesamten Stadt allerhand Böses getan hat und deswegen gehängt werden soll oder so. Aber welche Rolle hat seine "Liebe"? Anscheinend ist sie neben ihm, und er erwürgt sie dann auch noch. Warum sollte er das tun? Einfach weil er böse ist?

Zudem bleiben Hintergründe und Motivationen unklar. Du stellst uns einfach in die Situation rein, und am Ende ist man auch nicht unbedingt aufgeklärter über das Was und Warum. Ist ja an sich nicht falsch, aber gerade hier, wo es nur um den Mörder geht, interessiert mich schon seine Geschichte. Der Punkt ist aber nicht so ernst zu nehmen, in Kurzgeschichten ist ja fast alles erlaubt ;)

Was mir auch noch etwas negativ aufstößt ist - du wirst lachen - das Radio. Die Geschichte baut ein ganz anderes Bild in meinem Kopf auf, ein Bild von einer altertümlicheren Stadt aus einer früheren Epoche, in der sich die Menschen noch primitiveren Formen der Bestrafung bedienten. Und in dieser Zeit gab es bestimmt noch keine Radios. Die Geschichte liest sich ganz einfach so, und das Radio macht das für mich eigentlich eindeutige Bild irgendwie kaputt. Ja, eine Kleinigkeit, aber eine, die auffällt. Zumindest mir ;)

Das Ende würdest du ohne das Radio auch noch besser hinbekommen.
"Ich vergehe und endlich verstummt das Radio."
Wie ich finde, ist das kein wirklich würdiger Abschluss für die Geschichte. Den letzten Satz diesem doofen, unbedeutenen Radio widmen, das für die Geschichte keine wirkliche Funktion hat? Neee..

Und schau dir mal bitte noch deine Satzanfänge an. Jeder zweite fängt mit "Ich" an. Manchmal auch jeder erste. Ist mir aber durch die restliche Qualität der Sprache nicht so negativ aufgefallen, wie es sollte o.O

Lass dich nicht davon abschrecken, dass 90% meines Kommentares irgendwas kritisieren - ich mag deine Geschichte, sowohl stilistisch als auch inhaltlich. Aber weiterentwickeln kann man sich ja immer, daher nehm ich gerne auch gute Geschichten auseinander.
Also das nächste mal etwas mehr Hintergrund, Warums und Details, dann wird aus ner guten Geschichte eine sehr gute ;)

Bye
Neo

La Cipolla
12.11.2006, 17:36
Also das Radio fällt mir erst jetzt auf, auch wenns wahrscheinlich wichtig war. <<

Ich hab die Geschichte so auf zwei Ebenen verstanden. jemand hat seine Frau/Freundin whatever umgebracht und wird deshalb gehängt. Sozusagen mit Temporalverschub.
:hehe:

Das Radio könnte einfach die Sensationsgeilheit der Menschen darstellen, die erst beruhigt ist, wenn jemand stibrt. Aber das geht schon sehr weit. :p

deserted-monkey
14.11.2006, 11:51
@ La Cipolla
Danke für deine positive Rückmeldung! Endlich konnte ich deinen Ansprüchen gerecht werden (hoffentlich)...

@ Neo
Ich habe im Sinn die "Taten" und die "Liebe" des Mörders in einer anderen Story zu veröffentlichen (unter dem Titel "Blutrote Sonne"). Dort wird dann auch erklärt werden, warum er seine "Liebe" am Schluss umbringt, als er schon fast am Galgen hängt (verrate jetzt natürlich noch nichts ;) ). Ja und auch warum es ein Radio in der Geschichte gibt... Das hat schon einen bestimmten Grund.

Bis dann

euer Deserted-Monkey

NeoInferno
14.11.2006, 12:32
Achso, wenn das eine Folgestory ist, wäre mein Kommentar zur Geschichte ein ganz anderes. Das hättest du vielleicht anfangs erwähnen sollen. Irgendwelche Logik- oder Plotlöcher sind nämlich in dem Fall zu vernachlässigen.

Du solltest es aber bei wenigen Teilen belassen - mehr würde meiner Meinung nach der Story schaden, denn sie wirkt schon jetzt relativ rund und abgeschlossen.

deserted-monkey
14.11.2006, 15:05
Du solltest es aber bei wenigen Teilen belassen - mehr würde meiner Meinung nach der Story schaden, denn sie wirkt schon jetzt relativ rund und abgeschlossen.

Ich werde genau einen weiteren Teil schreiben. Dieser wird aber vermutlich recht lang werden... Diese Geschichte ist sozusagen der Abschluss der anderen.

qed
15.11.2006, 10:43
Ich bin auf deinen nächsten Teil gespannt, obwohl auch dieser schon als abgeschlossen sein könnte. Jedenfalls schon mal sehr schön geschrieben, man kann sich ein Bild davon machen, wie das ganze so in etwa aussieht. Auch die Ich Perspektive - passend. Das meiste wurde eigentlich schon gesagt, mir gefällt diese Art des Geschichtenschreibens von dir, bitte mehr davon (:



Wo ist der verdammte Unterschied?


Ich weiss nicht, aber irgendwie stört mich hier das verdammt.

Das Radio wird hoffentlich wirklich noch etwas bedeuten, denn irgendwie stelle ich mir das auch viel altertümmlicher vor. Vielleicht wäre Kreuzigung sogar noch passender als Hängen gewesen, denn wenn du gehängt wirst, dann erstickst du ziemlich schnell und die Hitze der Sonne spürst du nicht mehr richtig, weil du mit dem Atem beschäftigt bist. Aber bei einer Kreuzigung könnte der ganze Prozess Tage gehen, schrecklich sowas, aber jo. Nur kurz meine Meinung.