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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : [P&P - D&D] Storyfragment zum Schmökern. ^^''



La Cipolla
31.10.2006, 19:46
Jo.
Der Vollständigkeit halber, aber wenn nichts großes passiert, schreib ich nicht dran weiter, nachdem mir die Feder&Schwert Egos offenbahrt haben, dass die Chancen für eine D&D-Story aus Deutschland gegen 0 tendieren. ;D






Wer ich bin, fragst du.
Ich bin deine Mutter und dein Vater.
Dein erster Anblick und dein letzter Kampf.
Dein Richter.

Dein Richter und Henker.
Ich bin das Gesetz. Die Gerechtigkeit.
Ich schlafe nie und finde alle.
Ich bin das Unabwendbare.







Forgotten Realms


Die Kinder
von
Licht und Schatten





Kapitel 1
Das Kind der Ruinen
- Mondaufgang -


Jezz humpelte langsam durch die uralten Ruinen. Bei jedem seiner schleppenden Schritte gab die Schiene an seinem rechten Bein ein wehmütiges Quietschen von sich. Eigentlich mochte er keine großen Städte, aber das verfallene Myth Drannor musste beeindruckend gewesen sein, als es, hunderte Jahre zuvor, noch von den Elfen und Menschen besiedelt war, die hier friedlich zusammen lebten. Jezz hielt nicht viel von friedlichem Zusammenleben, aber in seinem Umfeld störte das die Wenigsten. Genau aufgrund seiner ausgeprägten Misanthropie war er auch nur der Heerleiter der Dunkelelfenraubzüge geworden, die seit dem Abzug der Elfen aus dem großen Wald Cormanthor immer wieder die umliegenden Talländer erschütterten. Der Drow stoppte und seine Gehhilfe verstummte. Die wirren, abstehenden weißen Haare, die sich aus seiner dunklen Ledermaske drehten, wehten leicht im ruhigen Wind, glitzerten aber kaum, denn seit die Hochelfen dieses Gehölz verlassen hatten, ließ ihre mächtige Magie langsam wieder nach und machte die Natur bei Myth Drannor wieder zu dem, was sie einmal war. Uralte riesige Bäume schützten das Unterholz vor der einfallenden Sonne, und die Tiere und Bestien des Waldes fühlten sich wieder wohler. Der Drow murmelte mit einer leisen, zischenden Stimme etwas, woraufhin sich eine kleine, dunkelgrüne Viper an seinem Arm entlang schlängelte und sich auf seiner Schulter niederließ.
"Du hast es auch gehört, nicht wahr, Keheneshef?"
Die Schlange zischte und die grauen Gesichtszüge ihres Herrn verengten sich zu einem wissenden Grinsen.
"Eine unglaubliche Torheit, mit solch lauten Geräuschen in unseren Wald einzudringen."
Die spitzen, länglichen Ohren des Dunkelelfen schienen noch einmal in das grüne Geäst zu lauschen, als sich sein Vertrauter Keheneshef wieder zurück in die schwarze Lederrüstung, die wie ein loser, langer Rock den Drowkörper bedeckte, verkroch. Kurz hielt wieder die trügerische Ruhe auf dem zugewucherten Platz von Myth Drannor ihren Einzug, dann bewegte Jezz seine dunklen Hände kurz rhythmisch vor sich her und flüsterte dabei lächelnd einige mystisch klingende Wörter, bevor sein Körper wie von Zauberhand mit dem Hintergrund verschwamm und langsam dessen Anblick freigab. Wieder war es ruhig in der Geisterstadt, eine idyllische Ruhe, allerhöchstens unterbrochen von gelegentlichem Vogelgezwitscher und dem leisen Brausen des Windes. Nach wenigen Minuten hätte ein aufmerksamer Beobachter Schritte vernehmen können, die offensichtlich aus dem Wald kamen. Kurz darauf erschien auch eine Stimme, leicht beschwingt und aufgeregt.
"Kommt schon, meine Freunde, hier in Myth Drannor warten unzählige Schätze und magische Artefakte, nur um von uns gefunden zu werden! Dieser Ort ist eine Wohltat der Götter!"
Hinter dem fröhlichen, durch eine Ritterrüstung geschützten Mann, der den Wald in Richtung des Platzes verließ, erschienen auch noch eine Elfenfrau in einer langen, grünen Robe und ein hagerer Mann in weißen Gewändern, mit einigen Symbolen des Sonnengottes und einem kleinen Säckchen, aus dem verschiedene Kräuter ragten. Die drei verfielen in ein heiteres Gespräch, als sie die Lichtung erreicht hatten, fröhlich lachend und scherzend. Jezz schaute abwertend und ernst auf die kleine Gruppe herab, von der er nur wenige Meter weit entfernt stand. Er grinste abermals und bewegte sich lautlos ihn ihre Nähe, ohne dass einer von ihnen auch nur den Schemen einer Gefahr bemerkt hätte. Von den Geräuschen seiner Beinschiene war nichts verblieben, und auch als er plötzlich einen gebogenen Dolch in der Hand hielt, blieb der Drow absolut lautlos. Hinter dem Priester wartete er kurz und überlegte. Jezz hatte alle Zeit der Welt, aber er war der Meinung, dass man auch alle Zeit der Welt nicht verschwenden sollte.


Luak erwachte und verscheuchte aufgebracht die Spatzen, die sich auf seinem bulligen Zwergenkopf niedergelassen hatten. Dann stemmte er sich mit seinen kurzen Beinen auf die Höhe und überlegte stirnrunzelnd, warum er genau vor einem großen Baum eingeschlafen war. Mitten in einem Wald. Die ganze Situation kam ihm irgendwie paradox vor, er, ein Zwerg, das Steinvolk, übernachtet unter freiem Himmel, nur geschützt durch die Gnade Silvanus, des Herren des Waldes. Dann kam grummelnd und stolpernd seine Erinnerung zurück. Genau. Seine Lehrmeisterin hatte ihm geraten, draußen zu übernachten, das würde seine Bindungen zur Natur stärken. Luak würde auch auf die stärkste Naturbindung pfeifen, könnte er nur wieder in einem gemütlichen Zwergenbett pennen. Und dann hatte ihm das noch eine Elfenfrau geraten! Aber das schlimmste war ja, dass er sich letztendlich doch entschieden hatte, ihrem Vorschlag zu folgen. Der Zwerg kochte vor innerlicher Wut, wütend über sein eigenes Leben, jedes andere Leben, und die Welt an sich. Er wollte gerade seine große Zwergenaxt ziehen, um sich an einigen Bäumen abzureagieren, als ihm seufzend auffiel, dass er diese wenige Tage zuvor gegen eine kleine, handliche Sichel eingetauscht hatte.
"Die Schwüre eines Druiden verbieten dir das Tragen dieses unheimlichen Mordinstrumentes!"
Hatte seine Lehrerin noch gesagt. Luak hatte wild mit dem Kopf geschüttelt und seine massive Axt schützend vor die Brust gehalten. Wenige Sätze später hatte er den netten Worten der Wildelfe dann doch nachgegeben und eine niedliche Sichel an seinem Gürtel befestigt. Nun bereute er es, bei dem Gedanken, mit einer Sichel auf einen Baum einzuschlagen. Die Welt mochte den alten Luak nicht sonderlich, soviel hatte er schon mitbekommen. Bei seiner ganzen Wut war der Zwerg bereits einige hundert Fuß in die Richtung gelaufen, in der er seinen Druidenhain vermutete. Dann stoppte er und überlegte kurz. Luak sah sich um und schüttelte ungläubig mit dem Kopf. Weitere hundert Fuß später keimte in ihm eine böse Vorahnung. Die Vögel weit oben auf den Bäumen schienen ihn zu verspotten. Nun rannte Luak schon fast in die Richtung, die er eingeschlagen hatte, stoppte dann aber wiederum nach wenigen Schritten an einem großen Tor, das trotz seinem offensichtlich hohen Alters nicht weniger beeindruckend war. Nein, soweit er sich erinnerte, bestand der große Hain nicht aus Stein und glänzendem Marmor. Der Zwerg seufzte und ließ seine Arme schlaff hängen.
"Das Schlimmste, das einem Druiden passieren kann...", hatte die Wildelfe einmal gesagt, "...ist, sich in seinem eigenen Wald zu verlaufen!"
Der von der ungerechten Welt enttäuschte Zwerg Luak stand vor den zugewachsenen Toren der verlassenen Waldstadt Myth Drannor.


Die elfische Magierin schrie laut, als der mit einem Kukri durchstoßene Kleriker zu Boden fiel und reglos liegen blieb. Sein Blut schien an der Luft zu kleben, und das mordlustige Grinsen des Dunkelelfen, auf das sich der Lebenssaft gelegt hatte, war das Erste, was man von der unsichtbaren Figur erkannte, bis Jezz sich durch seinen hinterhältigen Angriff wieder komplett materialisiert hatte. Der Krieger der kleinen Gruppe war noch wie paralysiert vom Schock, aber die Elfe zog reflexartig ihre zarten Hände nach vorne und begann, einige kryptische Worte zu murmeln. In Momenten wie diesen vergötterte der Drow die magischen Studien, die er sich im Unterreich, seiner Heimat, zu Gute hatte kommen lassen. Schon, als sich die ersten arkanen Funken von den Händen der Frau lösten, stürzte er geschwind hinter den nächsten, großen Baum, Sekunden, bevor sich die Vegetation in der näheren Umgebung durch die kochenden magischen Flammen des Feuerballs auf ein Minimum reduzierte. In dem Moment, in dem die züngelnde Hitze an den Seiten des Baumes vorbeischlug, dachte Jezz schon an den nächsten Schritt. Der Dampf legte sich langsam, und die Elfe suchte nervös nach der verkohlten Leiche ihres Widersachers, konnte sie aber zu ihrem Entsetzen nicht finden.
"Kito?"
Auch auf ihren Ruf nach dem Krieger antwortete niemand und eine trügerische Ruhe lag auf dem Schlachtplatz. Die Elfe hatte ein schlechtes Gefühl, denn der Nebel wurde plötzlich dichter, erstickte sogar den Qualm der Flammenmagie problemlos. Wenige Sekunden und hektische Bewegungen später konnte sie ihre Hand vor Augen nicht mehr erkennen, die weißen, dichten Nebelschwaden verweigerten ihr jegliche Sicht.
Jezz wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Er atmete schwer, aber in diesem verhüllenden Nebel war er absolut sicher. Die Macht der "kleinen Magierin" hatte ihn überrascht, und wäre kein passender Baum in der Nähe gewesen, wäre von seinem grauen Körper wohl nur noch ein Aschehaufen übrig geblieben. Der Dunkelelf nahm sich vor, seinen persönlichen Spaß in Zukunft an die zweite Stelle nach einem sicheren Überleben zu stellen.
Die Elfe dagegen geriet in Panik. Als sie suchend durch den Nebel stolperte, stieß sie plötzlich gegen etwas und schaute auf den Boden herab. Ihre Augen weiteten sich und sie musste sich die Hand vor den Mund halten, um sich nicht zu übergeben. Der Kopf ihres Kriegerfreundes lag vor ihren Füßen, entsetzt und mit leerem Blick. Sie hatte sich noch nicht annähernd von dem Schock erholt, als sie das kalte Metall des gebogenen Dolches, eines so genannten Kukris, an ihrem Kinn spürte, zusammen mit dem warmen Atem einer Person. Sie wollte schreien, aber eine dunkle, nahezu obsidianfarbene Hand schoss vor ihren Mund und brach die Töne ab.
"Seid gegrüßt, Fräulein Hochelfe!"
In dem letzten Wort lag eine nicht geringe Portion an Hass.
"Ich bin erstaunt, was jemand wie ihr in einer so schmächtigen, armen Abenteurergruppe treibt?"
Jezz wartete kurz, bis sich die Elfe nicht mehr wie ein Fisch am Haken wandte und sprach dann weiter langsame Sätze der Elfensprache in ihr langes Ohr.
"Ihr könntet es weit bringen. Natürlich nicht hier oben, an der Oberfläche, nein, das könntet ihr wohl nicht. Aber... ich kenne einen anderen Platz, wo Personen mit magischer Macht noch geschätzt werden... Das Unterreich!"
Das leise Gemurmel der Frau verstummte, und auch als Jezz seine Hand von ihrem Mund nahm, sagten ihre wütenden Augen ebenso wenig wie ihre Lippen. Jezz leckte sanft an ihrem Ohr.
"Wir suchen immer und überall Verbündete."
Die Elfe starrte den Drow voller Hass und Verachtung an.
"Niemals! Ich..."
Ihre Worte verstummten, als der Dunkelelf sich mit Schwung weg drehte und teilnahmslos in die Richtung lief, in die er zuerst geschlendert war. Seine Beinschiene gab wieder ihr monotones, ständiges Quietschen von sich, als das Gesicht der toten Elfe in den weichen Matsch fiel.
Jezz ging zielstrebig auf die Ruinen des ehemaligen Tempelviertels zu, unbeeindruckt von der blendenden Schönheit der Gebäude und den unbeschreibbaren Schatten, die nun dort hausten. Das Blutbad hinter ihm interessierte ihn nicht mehr und in seinem Kopf gab es nur noch seinen Auftrag. Dieser war klar. Die Hohepriesterin Lolths benötigte das Blut eines Dämons für irgendein Ritual. Jezz verstand diesen religiösen Dreck nicht, wohl aber die Macht der Spinnengöttin, die sich unter der Erde absoluter Herrschaft erfreute.


Luak bewegte sich ehrfürchtig durch die alten Ruinen. Er war kein junger Zwerg mehr, nicht einmal nach den Maßstäben seines Volkes, aber die Ammenmärchen, die er in seiner Kindheit über Myth Drannor gehört hatte, hallten unwillkürlich in seinem Kopf wieder. Die Geschichten von Dämonen, Helden, Göttern und den engelsgleichen Elfen, nach deren Angesicht er sich in jungen Jahren immer gesehnt hatte, waren ihm klar in Erinnerung geblieben. Heute wusste er, dass Dämonen selbst in dieser verfluchten Stadt selten waren, glücklicherweise, schob er in Gedanken ein, dass die Helden meistens gar nicht so kryptisch und unerreichbar waren, wie er immer geglaubt hatte, und dass man auch unter den ja so gottgleichen Elfen ebenso verschlagene Schurken und unerreichte Idioten finden konnte, wie in jedem anderen Volk. Als Zwerg war man kein großer Träumer, meist beschränkt sich die Denkweise auf den nächsten toten Goblin oder den nächsten großen Klumpen Gold, aber Luak hatte nie von seinen Hirngespinsten abgelassen. Er hatte seine Mine verlassen, seiner Familie Schande gemacht, und war in die Welt gegangen, um dort sein Glück zu finden. So war der einsame Zwerg jahrelang in Gruppen gereist, hatte sein Geld auch oft als Söldner verdient. Alles in allem war es bis zu diesem Zeitpunkt ein erfülltes, interessantes Leben gewesen. Bis zu dem einen Tag, der sein Leben aus den Fugen gerissen hatte und seine ebenso klaren wie simplen Standpunkte in Frage gestellt hatte, den einen Tag, den er nie vergessen würde. Der Morgen hatte wie gewöhnlich begonnen. Luak hatte einen Auftrag erhalten, eine Druidin zu vernichten. Man hatte ihm eine Beschreibung seines Ziels gegeben, und er dachte sich nicht viel dabei. Der Zwerg hatte bereits ohne moralische Bedenken Paladine und Samariter umgebracht, ebenso wie er jeden noch so üblen Schurken tötete, wenn die Bezahlung stimmte. Er hatte nach einer Diskussion sogar einen ordentlichen Zuschlag erwirtschaftet, da sein Auftrag ja in einem Wald angesiedelt war, und er mochte dieses Gestrüpp doch so überhaupt nicht, wie es sich für einen ordentlichen Zwerg gehörte! Also machte sich "Stahlaxt" Luak, wie er damals von vielen genannt wurde, auf den Weg, um seinen Auftrag auszuführen, wie immer, mit Effizienz und dem höchstmöglichen Tempo. Doch dann war etwas Unvorhersehbares geschehen. Seine Zielperson war, wie sich nach einer kurzen Hatz durch den Wald herausstellte, eine Zwergin, und obwohl sie nicht einmal mehr einen Bart trug (Was für Zwergenfrauen durchaus nicht ungewöhnlich war, und oftmals als Zeichen von Attraktivität galt), bezauberte sie den plötzlich gar nicht mehr so erfahrenen und routinierten Söldner sofort. Luak war im Angesicht der Druidin, die sich immer in Begleitung eines stämmigen, gutmütigen Bären aufhielt, nicht mehr im Stande, seinen Auftrag zu erfüllen, nein, er stellte sich sogar gegen seinen Auftraggeber. In den folgenden Tagen geschah etwas, was niemand, der Luak auch nur einmal in die Augen geblickt hatte, für möglich gehalten hätte. Die raue, kalte Fassade des Auftragsmörders bröckelte ab, der Zwerg begann in der Gegenwart der Zwergin zu lachen, schlief nicht mehr in einer breiten Ritterrüstung, und noch heute erzählen sich die menschlichen Waldläufer in dieser Gegend mit einem höhnischen Schmunzeln auf den Lippen, es gebe nichts Herrlicheres, als einem singenden Zwerg zuzuhören, obwohl das Wort grölend vielleicht passender gewesen wäre. Luak genoss seine neu entdeckte Ruhe, der Lebensstil der Druidin hatte ihn schwer beeindruckt, sodass er nun versuchte, ihn für sich zu übernehmen. Aber in einer Welt wie Faerûn hält Frieden nie sehr lange, und meist ist er zudem trügerisch. Luaks ehemaliger Auftraggeber war wütend, konnte er seine Felder nun doch nicht auf das Gebiet des großen Forstes ausbreiten. Also beschloss er, den Wald niederzubrennen, ohne Rücksicht auf jegliches Leben. Still und heimlich, in Nacht und Nebel warfen seine Häscher Fässer mit Öl in den uralten Wald und entzündeten diese. An diesem Morgen war der Himmel knallrot von den Flammen gewesen. Luak hatte sich retten können, aber für die Druidin, seine einzige echte Freundin seit über hundert Jahren, und vielleicht auch die einzige große Liebe seines langen Lebens, gab es kein Entkommen. Der Zwerg musste mit ansehen, wie sie in den lodernden Feuern verbrannte, zusammen mit dem Rest des Waldes. Luak flippte fast aus. Er rannte geradewegs in die Stadt, schlug sich in seiner Barbarenwut durch das Anwesen des Landbauern und tötete diesen letztendlich in einem äußerst kurzen Kampf. Niemand versuchte auch nur, den wütenden Barbaren auf seinem Weg aus der zivilisierten Welt aufzuhalten. Danach fasste er einen Entschluss. Sein Weg führte ihn aus Cormyr, dem fruchtbaren Königreich, wo er sein halbes Leben verbracht hatte, direkt in die tiefen des Cormanthor-Waldes, wo ihn die Druiden nach anfänglichen Zweifeln in ihre Gemeinschaft aufnahmen. Seine Wut war verflogen und die Schwüre der Druiden machten ihm zu schaffen, aber er hielt sich wacker.
Luak stoppte seinen stetigen Schritt. Ohne es zu wissen, war er im Tempelviertel der verfallenen Zivilisation angekommen, spätestens die großen Statuen, Torbögen und Sakramente, die überall in den Stein gemeißelt waren, legten davon Zeugnis ab. Der Zwerg blinzelte durch die Baumdecke. Lathander, der Sonnengott, hatte seinen goldenen Arm bereits über die Welt gelegt, hatte die Nacht rücksichtslos verdrängt. Der Zwerg ging weiter. Zweifelsfrei wäre jeder vernünftige Zwerg, Mensch und welcher Rasse derjenige auch angehören möge, zurückgegangen, aber Luak war wie unter magischer Kontrolle. Das riesige Grab einer Stadt ließ ihn nicht gehen, faszinierte ihn mit seinen Bauten und seinem Anblick des reinen, perfekt bearbeiteten Stein. Luak musste schmunzeln, als er merkte, dass er wie ein ganz gewöhnlicher Zwerg dachte.


Der Tempel des Kelemvor, des Totengottes, war eine riesige Kuppel aus grauem, langsam zerbröselndem Stein, der die Vergänglichkeit des Lebens wie kein anderes Monument einfing. Die große Halbkugel lag auf Säulen, die zugleich die vielen Eingänge der ehemaligen Gottesstätte markierten und nun langsam von den Ranken der Zeit zernagt wurden. In der Mitte des gigantischen Bauwerkes stand ein Altar, verstaubt, aber nicht ohne die kühle Würde, die Kelemvor als Eigenart hatte. Hier wuchs kein Unkraut, alle Lebewesen, auch die untersten Pflanzen fürchteten die Präsenz des Richtergottes, die wie ein grauer Mantel um ihn lag. Kelemvor war kein böser Gott, wie man von seiner Domäne her vermuten konnte, nein, eher war er das Wesen in den sämtlichen Ebenen, dass man am wenigsten in gut oder böse einteilen konnte. Kelemvor war der Richter. Er sorgte niemals für einen frühzeitigen Tod, er führte die Verblichenen mit Würde zu ihrer letzten Ruhestätte. Die hellgrünen Lichter des Tages im Wald fielen durch die Tore des alten Ruinentempels und tauchten ihn in ein friedliches Graugrün. Luak stoppte seinen demütigen Schritt in der heiligen Halle. Aber nicht, weil der Zwerg besonders gläubig war, sondern weil seine Ohren etwas gehört hatten, wenige Momente zuvor. Seine alte Hand legte sich auf den Griff der Sichel, und abermals wünschte er sich seine Axt zurück. Luak hatte ein schlechtes Gefühl. Jemand, der ihn beobachten würde, hätte ihn wohl für schizophren gehalten, so wie der Druidennovize seine Augen in der Halle hin- und hergleiten ließ. Dann vernahm sein feines Gehör abermals ein Geräusch, hinter sich, als würde etwas die Luft an seinem Hals zerschneiden. Die kleine Hand des Zwerges schnellte nach hinten und die Sichelklinge fing den Stich des Kukris auf, das plötzlich in der Luft erschienen war. Langsam wurden die Konturen eines Dunkelelfen sichtbar, der den ehemaligen Barbaren ungläubig anstarrte.
"Seid gegrüßt."
Sagte die Stimme ungefähr zwei Köpfe über Luak und führte einen weiteren, geschickten Schlag aus, den der Zwerg jedoch abermals parierte.
"Ich kenne euch nicht, und soweit ich weiß, meiden die intelligenteren Cormanthor-Druiden Myth Drannor..."
"Halt die Fresse, Drow, ich habe schon unzählige von deiner Sorte gespalten!"
Jezz fing mit seinem gebogenen Dolch einen kräftigen Schlag, soweit das mit einer Sichel möglich war, ab und schaute abwertend auf den Zwerg herab.
"Mit diesem Spielzeug? Ich bitte dich, Kleiner, du hältst die Sichel sogar falsch! Mit diesem starren Klammergriff könntest du vielleicht eine Ogerkeule führen, aber nicht dieses Sichelchen."
Das Sichelchen schnellte zurück, und als Jezz gerade kontern wollte, grub sich eine kleine, aber ungemein kraftvolle Faust in seine Magengrube und der Dunkelelf stolperte erschrocken zurück. Als er wieder stabil stand, erblickte er den ebenso belustigenden wie erschreckenden Anblick eines Zwerges, der versucht, mit einer Sichel, ähnlich einer Axt, Schwung zu holen. Jezz wehrte den Angriff problemlos ab, war nun aber vorsichtiger.
"Hm, Zwerg. Du warst nicht immer Druide, habe ich nicht Recht?"
Der Dunkelelf konnte gerade rechtzeitig sein Bein zurückziehen, bevor der Lederstiefel des Zwerges sein Kniegelenk zertrümmert hätte.
"Pah! Sei leise, Unterweltler, ohne eure hinterhältige Magie wärt ihr gar nichts!"
Jezz blockte einen weiteren, wütenden Schlag und schleuderte den Zwerg zu seiner Verwunderung einige Meter von sich weg.
"Damit könntest du Recht haben!"
Verkündete das grinsende Drowgesicht und verformte sich langsam. Die dünnen, geschickten Arme des Dunkelelfen wurden zu mächtigen Klauen und breite Hörner entstiegen seinem nun blutrot verfärbten Kopf. Mächtige Schwingen verließen den Rücken. Luak dachte einen Moment daran, in Panik zu verfallen, griff dann aber auf die Erfahrung zurück, die er im Laufe der Jahrzehnte gesammelt hatte und rannte mit einem Kriegsschrei los. Dann stürzte er plötzlich, weil die Kraft aus einem Grund, den er nicht verstand, aus seinem linken Bein wich. Seine Sehnen schmerzten fürchterlich und mit einem schnellen Blick konnte er die Viper erkennen, die sein Bein gerade wieder verließ und sich an Jezz selbigem empor schlängelte.
"Reingefallen, mein Freund."
Die Illusion verschwand, und Luak stemmte sich keuchend auf die Beine. Die Knochen im linken Bein schienen zu platzen, aber der Zwerg stand fest. Jezz lief in ruhigen Schritten und dem Kukri in der Hand auf seinen Gegner zu, und erst jetzt sah Luak die Schiene am rechten Bein des Dunkelelfen. Der Zwerg zwang sich ein Lächeln auf das Gesicht.
"Weißt du, Drow, das war gerade das Letzte, einen Kampf durch Gift zu gewinnen. Aber wenn du unfair kämpfen willst, dann warte erstmal, was der alte Luak so alles draufhat!"
Jezz´s Lächeln verschwand augenblicklich, als sich die geworfene Sichel in seiner Gehhilfe verhakte und sie durch die Wucht des Aufpralls zersplittern ließ. Auch der Drow ging zu Boden, wütend über den Wechsel der Umstände.
Die Blicke der beiden bewegungsunfähigen Kämpfer trafen sich, dann wurde der ganze Tempel von einem hellen Licht erfüllt. Luak verstand nicht, was geschah, und Jezz der Lahme war mindestens genauso verwirrt. Als es nach wenigen Momenten wieder weniger grell genug war, um die Augen öffnen zu können, starrten der Drow und der Zwerg zu dem Altar in der Mitte des Tempels. Luaks Kinnlade klappte nach unten. Er war der Erste, der wieder im Stande war, das Wort zu ergreifen.
"Beim Barte des Bruenor, was passiert hier?"
Der Blick des Dunkelelfen hatte seine gewohnte Gleichgültigkeit und Routine verloren, zeigte nur noch eine ungläubige, erschütterte Fratze. Auf dem grauen, verstaubten Altar des Totengottes lag ein bleicher Säugling und weinte. Es war ein Mädchen und neben ihrem Körper lag eine Schwertscheide, mit silbernen Ornamenten und dem Symbol einer Waage. Das darin steckende Bastardschwert war nicht weniger beeindruckend, allein der Griff schien aus purem Silber zu sein und blendete die Augen der Betrachter. Jezz zog sich an dem Altar auf sein bewegungsfähiges Bein und starrte auf das Kind herab. Es war ein Mensch, und vor einigen Augenblicken hatte sie noch nicht dort gelegen. Luak tat es dem Drow gleich und erfasste das Schwert. Sein zwergischer Blick fiel auf seltsame Schriftzeichen, die sich seinen Kenntnissen widersetzten.
"Ist das dein sadistisches Werk, Hexer?"
"Ich wünschte, es wäre so."
Jezz hob das weinende Kind mit seinem Kukri an den Mullbinden, in die es gewickelt war, hoch und beobachtete es.
Das Mädchen hörte mit Weinen auf, als es den misstrauischen Blick des Dunkelelfen traf und begann, erst langsam zu glucksen und dann zu kichern.
"Hey, Schwarzhaut! Wir begraben unseren Kampf vorerst, aber das wird später nachgeholt, verstanden!"
Schrie Luak mit Blick auf sein gelähmtes Bein.
"Sei froh, dass die Götter dieses Zeichen entsendet haben, sonst..."
Nun fiel auch der Blick des Drow auf das Schwert.
"Luak, sagtest du, war dein Name? Du weißt bestimmt nicht, was diese elfischen Runen hier bedeuten, oder?"
"Nein, eure kryptische Zeichensprache ist mir glücklicherweise bis jetzt erspart geblieben!"
"Sie bedeuten Justiziar."
Der fragende Blick des Zwerges bohrte sich in Jezz´s schwarze Augen.
"Justiziar bedeutet soviel wie Richter."
"Ha! So ein blöder Name! Sogar meine Großmutter hatte einen besseren, und sie hieß Wau!"
Jezz beobachtete das Schwert mit analysierendem Blick. Er spürte die Magie, die von ihm ausging, verbunden mit dem Verlangen, die Waffe zu ziehen. Als er seine Hand an den Griff legte, fiel ihm auf, wie Luak einen Sicherheitsabstand nahm.
"Keine Angst, Zwerg, wer einmal einen Kampf mit mir überlebt hat, aus welchen Gründen auch immer, den werde ich nicht mehr hinterrücks erdolchen."
Jezz zog das Schwert langsam aus der geschmückten Hülle. Die Klinge glänzte silbern und verschlungene Runen präsentierten sich auch auf ihr. Der Griff des Schwertes war mit Leder umschlagen und dünn, die Klinge ebenfalls dünn, aber sichtbar scharf und drohend. Als das Schwert die Hülle komplett verlassen hatte, öffnete sich ein Auge am oberen Ende des Griffes und starrte den entsetzten Jezz an, mit grauem, hoffendem Blick, tief wie Dimensionen, bedrohlich und friedlich zugleich. Nachdem der Dunkelelf das Schwert eine weitere Sekunde lang angestarrt hatte, begann seine Hand, zu zittern, und er rammte die Waffe schnell zurück in die Schwertscheide. Sein entsetztes, schweißüberlaufenenes Gesicht erschrak Luak.
"Zwerg. Versprich mir eins. Weder du noch ich werden dieses Schwert jemals wieder ziehen, es ist nicht für uns gedacht, sondern für jemand anderen."
Abermals starrte er das Kind ungläubig an.
"Ich verstehe das nicht. Was ist das für ein Balg?"
"Ich weiß nicht die Bohne! Es ist ein Menschenkind! Jemand muss es hier abgelegt haben!"
Der Zwerg wusste genau so gut wie Jezz, dass niemand außer den Beiden dort gewesen war. Der Drow nahm das Kind in den Arm.
"Jemand legt sein Kind in Myth Drannor ab? Von mir aus. In einer grellen Lichtexplosion? Wieso nicht? Aber verdammt noch mal, wir sind hier im Tempel des Kelemvor, Kelemvor ist der Totengott!"
Beide standen lange überlegend da, begleitet nur von gelegentlichem Vogelgezwitscher und dem Lachen des Kindes.
Dann drückte Jezz dem Zwerg das Kind in die kleinen Arme.
"Nimm du es! Ich kann kein Menschenkind mit ins Unterreich bringen, dort wird es höchstens der Spinnengöttin geopfert."
"Und? Hättest du da so ein Problem mit?"
Jezz verstand die Herausforderung des Zwerges.
"Nein, mir ist das Kind egal! Ich will nur keine Probleme."
"Also nehme ich es mit in unseren Hain?"
"Ja. Vorerst."
"Vorerst?"
Der Blick des Drow lag in weiter Ferne, an fremden, obskuren Orten.
"Wir treffen uns wieder hier, Zwerg. Genau an diesem Ort. In zwei Jahren."
"Wie bitte?!"
"Dann übernehme ich sie für zwei Jahre!"
"Und was ist mit dem Unterreich? Die Drow sind selten glücklich über Menschen!"
Jezz´s Worte waren voller Tücke und ein Grinsen lag auf seinem Gesicht."
"Stell nicht so viele Fragen, Luak, ich habe das Kind genau so gefunden wie du, also versprich es mir!"
Der Zwerg gab nach einem kurzen Wortwechsel nach.
"Danke, Luak! Aber ich erinnere dich, Versprechen sollte man immer halten, sonst könnte es Probleme geben..."
Luak spannte sich das Schwert auf den Rücken und ging zum Ausgang des Tempels, ohne zurück zu blicken.
"Achso!"
Der Zwerg stoppte. Die Worte des Drow lösten Unbehagen in ihm aus.
"Mein Name ist Jezz! Pass gut auf das Kind, und auf das Schwert auf, ich spüre, dass ihr Leben wichtiger ist, als unsere zusammen!"
Ein irrer Gesichtsausdruck lag auf seinem Gesicht und er verließ den Tempel humpelnd und mit einem Lachen, dass durch die ganze Ruine schepperte. Der Zwerg rannte mit dem kleinen Kind in seinen Armen. Die Schmerzen in seinem Bein hatten glücklicherweise nachgelassen, und jetzt wollte der Druide nur noch in seinen Hain.


Luak legte eine Pause ein. Nun wusste er wieder, wo er war und konnte sich das Verschnaufen so leisten. Das kleine Menschenkind in seinen Armen schaute ihn fragend aus seinen großen runden Augen an. Erst jetzt fiel dem Zwerg auf, wie unnatürlich schwarz die Augen des Kindes waren, im krassen Gegensatz zu ihrer schneeweißen Haut. Die kleine, knubbelige Hand des Kindes ergriff den langen, roten Bart des Zwerges und begann, lachend damit herumzuspielen. Luak ächzte und stemmte sich wieder auf seine kurzen Beine. Neben ihm erklang eine vertraute Stimme aus dem Unterholz.
"Guten Morgen, mein kleiner Freund, habt ihr gut geschlafen, in Silvanus heiligen Armen?"
Der Zwerg erkannte seine elfische Tutorin, die fragend auf das Kind herabschaute. Sie trug wie immer wild durcheinander gewirbelte Felle und Federn, was ihrer majestätischen Erscheinung aber keinen Abbruch tat. Eine winzige, faustgroße Eule, ihre ständige Begleitung, linste mit großen, braunen Augen auf den Zwerg hinab. Luak grinste einen wissenden Ausdruck.
"Morgen, Liartra. Shar und ihre dunkle Nacht gaben mir heute keine Ruhe. Und wie ihr sehen könnt, habe ich viel zu erzählen."
"Ich brenne darauf, eure Geschichte zu hören, Luak. Aber vorerst werden wir zum Hain zurückkehren, denn die alte Karne ist eine gute Ziehmutter, was verletzte Tiere angeht, da wird sie mit eurer neuen Freundin hier wohl auch kein Problem haben!"
Die Augen der alten Druidin, die nur aufgrund ihrer Ausbildung noch immer so jung erschien, glühten in einer seichten Flamme, wie sie es immer taten, als Liartra sich mit ihrem Novizen auf den Weg machte. Der Tag war noch jung und Sêlune, die Mondgöttin, hatte ihren Platz erst kurz zuvor verlassen, um sich einen halben Tag später, wenn die Sterne funkelten, wieder mit vollen Kräften in ihren ewigen Kampf mit Shar, der Nacht, zu stürzen.


Luak lag in seinem Baumhaus (mit dieser Vorstellung hatte er sich immer noch nicht richtig angefreundet) und starrte an die Decke. Neben ihm lag das Mädchen, leise vor sich hin glucksend. Dann fiel der Blick des Zwerges auf die reich verzierte Ummantelung des Bastardschwertes. Es war bereits dunkel, und er hatte einen anstrengenden Tag hinter sich, anstrengender, als sie in seiner Mine viele Jahre zuvor jemals gewesen waren. Dennoch hob er sich wieder aus dem Bett und machte die wenigen Schritte zu dem kleinen Schrank. Da lag sie, die Klinge, die ebenso unerwartet wie das Kind erschienen war, und die selbst den Drow erschrocken hatte. Seine Worte hallten leise in Luaks Unterbewusstsein wieder.
"...zieh niemals dieses Schwert, es ist weder für mich noch für dich gedacht..."
Der Zwerg langte neugierig nach dem riesigen Griff des Schwertes und zog an ihm. Eine Sekunde später bereute er es, denn ein graues, erschreckendes Auge starrte ihn an. Die Welt um Luak schien zu verschwimmen, und sein Leben lief vor seinen Augen noch einmal ab. In den wenigen Augenblicken glotzte dieses abgrundtiefe Loch in seine Seele, als würde es alles erblicken, was der Zwerg jemals getan und gedacht hatte. Und das waren weiß Gott nicht nur gute Sachen. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und in seinem Gehirn erschallte immer wieder leise und unverständlich ein Vers.
"...ich bin das Gesetz...
...die Gerechtigkeit...
...ich bin der Richter...
...Richter und Henker..."
Dann schloss sich das Auge, als wäre es auf das Tiefste zufrieden und Luaks Knien sanken auf den Boden. Er atmete schwer, aber dort, wo kurz zuvor noch das Auge geprangt hatte, war nur noch die silberne, gerade Klinge, deren Schärfe die Luft zu schneiden schien. Luak wusste nicht, was passiert war, aber in einer Sache war sich der Zwerg sicher. Jezz hatte Recht gehabt. Das Schwert würde niemals einem der Beiden gehören. Noch in seinen Träumen hallten die lauten Worte in seinem Gedächtnis wieder.
"...ich bin das Gesetz...
...Richter und Henker..."


Jezz schaute skeptisch zu seiner Besucherin. Die Dunkelelfe lächelte ihn schadenfroh an, fuhr dann aber mit ihrer Moralpredigt über Dämonenblut und seine Wirkung als Zauberzutat fort. Jezz folgte ihren Worten gelangweilt und schabte sich mit seinem Kukri Dreck unter den Fingernägeln hervor. Harena, wie die Klerikerin hieß, schien das reichlich wenig zu interessieren.
"So, Jezz! Ich habe extra dich wegen deines Verstandes ausgewählt!"
Fauchte sie ihm ins Gesicht, aber eine gewisse Freude konnte sie unmöglich verheimlichen. Jezz reagierte nicht und hing weiterhin gelassen auf seiner Bank. Dann setzte sich die Dunkelelfe auf sein Knie und begann, in sein Ohr zu flüstern.
"Und weil ich dich besonders mag."
Jezz mochte sie nicht, aber ihm fielen auf Anhieb die Namen mindestens zwanzig anderer Drow ein, die sonst was darum gegeben hätten, diesen Satz aus dem Mund der Priesterin zu hören. Und ihre seichte Stimme erinnerte ihn an ein vergangenes, peinliches Ereignis, das vor einigen Jahren das einzige Gesprächsthema in der kompletten Unterwelt gewesen sein mochte. Aber egal. Nun war er der Vater von zwei Kindern, deren Gesicht er nicht einmal mehr kannte, und Harena war ihre Mutter. Jezz mochte die göttlichen Zauber noch nie besonders, aber die Bezauberungen der hübschen Klerikerin waren eine Klasse für sich.
"Hau ab, Harena, ich hab dein verdammtes Teufelsblut nicht und kann es auch nicht herbeizaubern!"
"Immer noch nicht?"
Ihr Gesicht war mit bösartigem Sarkasmus unterlegt. Jezz stand auf und stampfte wütend aus dem Raum.
"Nein. Immer noch nicht!"
Die Tür knallte hinter seinem Rücken, aber Harena lächelte nur. Jezz interessierte sie nun mehr als zuvor, hatte er doch noch nie in einem Auftrag versagt. Es gab ihr tiefe Befriedigung, zu erfahren, dass auch jemand wie er fehlbar war. Eigentlich wusste sie das schon länger, um genau zu sein schon seit der Nacht, als er dem Zauber ihrer dunklen Göttin erlegen war. Sie musste bei dem Gedanken daran in sich hinein grinsen.



...der Tag steht für Sonne, für das Gute...
...die Nacht für Dunkelheit und Böses...
...doch für was steht es, das Licht....
...das im Dunkeln die einzige Hoffnung gibt...
...in seinem Meer aus Sternen...
...in seinem Mantel aus Silber...








Kapitel 2
Licht am Horizont
- Sonnenaufgang -


Die Sonne knallte auf die Häupter der Sklaven und raubte ihnen die letzten Kräfte. Ein kleiner Junge lief in seiner Reihe, eher getrieben vom Schmerz, als von der Angst vor den Peitschen der Meister. Seine dunkle Haut stand im Kontrast zu seinen hellblauen Augen und seine schwarzen, dreckigen Haare lagen auf dem Kopf, als hätte sie jemand dort hingeworfen. Die dicke Kette an seinem Hals machte ihm schwer zu schaffen, aber er schleppte sich weiter. Nicht ein Funken Freude hielt ihn am Leben, geschweige denn irgendwelche Verpflichtungen. Alle anderen in seinem Alter waren bereits tot, dahingerafft von Hitze und Anstrengung, oder auch nur durch den Hunger. Siddartha war fünf Jahre alt. Fünf Jahre waren ein schlechtes Alter für einen Sklaven, nämlich kurz nach der Zeit, als sie noch nicht arbeiten mussten und kurz vor der Zeit, als sie die Arbeit mehr oder weniger gut überstanden. Aber der kleine Siddartha wollte leben. Denn er hatte Hoffnung, irgendwo in seinem Körper hielten ihn wenige Funken Hoffnung an seinem schwachen Lebensfaden, der von Tag zu Tag kürzer wurde. Der Junge starrte noch oben in die glühende Sonne und bemerkte die Peitschenhiebe des Aufsehers kaum mehr, die ihm beinah die Beine weg rissen und ihn zu Boden schleuderten. Es war schon abends, und obwohl es bald dunkel werden würde, war es noch immer glühend heiß. Dann bog die Reihe ab und ein erleichtertes Seufzen ging durch die Menschen, die Siddartha durchschnittlich um zwei Köpfe überragten. Das rettende Quartier war in Sichtweite, auch wenn es vor den Augen des Jungen seltsam verschwommen wirkte. Kurz, bevor sie das Gebäude erreichten, kippte ein Mann aus der Menge und wurde daraufhin mit Schlägen und Tritten seitens der Aufseher malträtiert. Die Reihe wurde einfach weiter geschoben, auch, als der Mann am Boden sich nicht mehr bewegte. Siddartha versuchte, nicht in die leeren Augen der Leiche zu schauen. Es war für ihn ein Tag gewesen, wie sie sich seit Monaten wiederholten, immer und immer wieder. Doch seine Hoffnung lebte wieder einmal auf, als er das Sklavenquartier erreichte und ohnmächtig in die Arme seines Vaters fiel, der an anderer Stelle gearbeitet hatte. Träume von Freiheit und einem Leben in Saus und Braus beflügelten seine Gedanken.


Siddartha erwachte und musste sich anstrengen, um die schweren Schmerzen am ganzen Körper zu ignorieren. Die erwachsenen Sklaven schliefen noch, aber die geplagten Geräusche, die sie von sich gaben, ließen nicht auf gute Träume schließen. Der Junge lockerte den Arm seines Vaters, der ihn warm gehalten hatte, denn wenn es etwas gab, das noch schlimmer war als die glühende Tageshitze, dann war es die klirrende Kälte der Nacht. Die Wachen schienen ebenfalls nicht mehr unter den Lebenden zu weilen, denn diese rücksichtslose Art der Sklaverei bot den "Vorteil", dass die Arbeiter nachts viel zu müde waren, um bewacht werden zu müssen. Das Mondlicht führte den kleinen Siddartha heraus zu den Arbeitsplätzen, auf denen es bei Nacht nur gespenstische, traumatisierende Ruhe gab. Der nackte Fuß des Kindes traf eine Flüssigkeit auf dem Boden und er schreckte zurück, als er den toten Körper sah, aus dem der Lebenssaft gewichen war. Das Blut war lange geronnen, aber der Aufschrei des Kindes schien das Lager aus dem Trauma zu reißen. Lichter gingen an und die empörten Stimmen der Aufseher erklangen aus den flachen Lehmbauten. Siddartha war noch immer geschockt, realisierte nun aber, was er getan hatte. Panisch schaute er sich um und rannte, als er sicher war, dass ihn niemand gesehen hatte, zurück in die Hütte seiner Gruppe. Auch die anderen Sklaven waren nun wach und glotzten entsetzt zu dem Jungen, gewiss der Folgen, die seine Störung hinter sich ziehen würde. Ihre Blicke zeigten neben der gebeutelten Angst, die man in jedem Sklavenauge erkennen konnte, auch ein Misstrauen und einen Hass, der diesen sonst fremd war. Siddarthas Vater nahm seinen Sohn schützend in die Arme, als die schlaftrunkene, bullige Figur des Sklavenmeisters im Türrahmen erschien.
"Wer war das?!"
Stille lag über der Menschenmenge, aber die Blicke der Anwesenden lagen auf Siddartha. Der Körper des Jungen zuckte vor Angst, und Schweiß lief über seine dunkle Stirn. Der Aufseher grinste ihn wissend an, sprach dann aber wieder zu allen.
"Ich frage euch noch einmal, ihr Sackratten! Wer hat hier geschrieen?!"
Der bullige Mann lachte bösartig, als sich wie erwartet niemand meldete.
"Nun gut! Da sich der Übeltäter nicht freiwillig stellen will, werde ich wohl die ganze lustige Mannschaft hier bestrafen..."
"Ich war es!"
Siddartha hatte sich zu seiner vollen Größe aufgestellt und schaute dem verblüfften Sklavenmeister in die Augen.
"Du kleiner Mistjunge hast mir den Schlaf geraubt?!"
"Ja, das habe ich, aus Entsetzen über die ganze verdammte Sklaverei!"
Die Anwesenden gafften mit einer Mischung aus Schrecken und Anerkennung zu dem 5-Jährigen, der nicht einmal die halbe Größe des Meisters einnahm, welcher nun wieder grinste.
"Das ist schön, kleiner... Du weißt sicher auch, dass wir dich nun bestrafen müssen, wenn du dich hier so gut auskennst, oder?"
Der harte Blick des schlotternden Jungen änderte sich nicht, als sein Gegenüber eine große Peitsche vom Gürtel schnallte.
"Wer hier ist verantwortlich für das Kind?!"
Siddarthas Vater stand emotionslos auf und blickte hoffnungsvoll zu seinem geschockten Sohn. Dieser kreischte abermals auf, als der Lederstrang auf dem Rücken seines schreienden Vaters niederprasselte, immer und immer wieder. Siddarthas Hoffnungsfunke schrumpfte zusammen wie ein kleiner Eiswürfel in einem aktiven Vulkan.


Die dunklen, roten Streifen auf dem Rücken seines schlafenden Vaters erinnerten Siddartha an die vergangene Nacht. Nun stand Selûne, der Mond, wieder über der Erde und schaute auf seine Kinder herab. Siddartha wollte nicht schlafen. Die Wut kochte in seinem kleinen Körper, aber er hielt sich zurück. Seit nahezu einer Stunde saß er nun regungslos in seinem Zelt und zweifelte. Siddartha wusste, dass es nicht so bleiben konnte, wie es ist, aber er hatte am letzten Tage mitbekommen müssen, wie schmerzhaft es sein kann, etwas verändern zu wollen. Das war wohl auch der Grund, warum es überhaupt Sklaven gab. Der Junge stand lautlos auf und ballte die Hand zur Faust. Leise schlich er sich abermals aus dem Raum, der für so lange sein unfreiwilliges Zuhause gewesen war, hinaus auf die Arbeitsfläche und zu dem riesigen Zaun, der ihn seit Beginn seines Lebens von der Freiheit fernhielt. Seine Beine zitterten schon wieder und ihm wurde schmerzhaft bewusst, wie klein und unbedeutend er abermals war. Der Zaun war um vieles größer. Siddartha zog an dem Gerüst, aber zu seinem Entsetzen verursachte es mehr Lärm, als ihm lieb gewesen wäre. Abermals gingen die Lichter an und schwere Schritte zogen sich über den Boden. Siddartha hämmerte nun wie ein Irrer gegen den Metallzaun, aber der Wall gab natürlich keinen Wink nach. Nicht die Vernunft ließ ihn gegen das Metall treten und schlagen, nein, einzig und allein die Hoffnung. Von hinten näherte sich langsam der grinsende Sklavenmeister, dessen Sadismus in seinen Augen glühte. Siddartha drehte sich um und wollte wutentbrannt auf ihn zu rennen, als der bullige Körper plötzlich leblos vor ihm in den Sand fiel. Der Vater des Jungen zog einen blutigen, im Mondlicht glänzenden Dolch aus der Leiche und lächelte zu seinem Sohn.
"Nun, Siddartha. Ich habe bis hierher auf dich aufgepasst. Nun ist es Zeit für dich, auf dich selbst aufzupassen."
Siddartha verstand nicht, was sein Vater sagte, auch nicht, als er ihm den Dolch in die Hand drückte und ihn mit seinen kräftigen Armen in die Luft hob.
"Was tust du, Vater? Bist du verrückt?! Sie werden dich umbringen!!"
"Mein Leben ist aus, mein Sohn. Ich hatte nie deinen Mut und deine Stärke. Mein Leben gegen deins. Erscheint mir ein fairer Tausch!"
Nun lachte der ältere Mann und Tränen liefen über seine Wangen. Nun kamen weitere Aufseher aus den Häusern und rannten auf die Beiden zu. Siddartha war mit Panik erfüllt.
"Lebe wohl, mein Sohn. Sorge dafür, dass so was hier nie wieder nötig wird!"
"Was meinst du, Vater?"
Dann nahm Siddarthas Vater seinen Sohn, drückte ihm den alten Schlapphut, den er immer selbst getragen hatte, auf den Kopf und warf ihn mit einem lauten Schrei über den Zaun. Der Junge kam weich auf, in einem Haufen Stroh. Das war ihm allerdings egal. Er rannte tränenüberlaufen zu dem Zaun zurück und drückte sich daran.
"Nein!! Vater!!"
Er sah nur noch, wie die Sklavenmeister die nächtliche Silhouette seines Vaters im Mondschein zerpflückten. Der Hut fiel in den Dreck und Siddartha warf sich heulend auf den Boden. Niemand in dem Sklavenhaus interessierte sich noch für den Jungen, der da einsam und allein im Dreck lag. Doch seine Hoffnung war aufgeflammt. Er rammte sich mit wütendem Blick den Hut seines Vaters auf den Kopf, und schrie in die Nacht herein. Dann rannte Siddartha los und fluchte und schwor mehr, als es ein gewöhnlicher Mensch in seinem ganzen Leben tun würde. Wut ließ seinen Körper aufflammen und trieb ihn weiter durch die Stadt, die er nicht einmal mehr kannte. In dieser Nacht gab es mehr Schatten als Licht, doch der Mond schien hell.


"Die Hoffnung stirbt zuletzt? Ein menschliches, naives, kindisches Sprichwort, welches für das helle Volk keinerlei Bedeutung hat."


- Elaith "Die Schlange", elfischer Magier






Kapitel 3
Der Junge mit der Sense
- Sonnenuntergang -


An anderer Stelle hielt sich ein anderes Kind die Hand vor Augen, um die hellen Strahlen der Sonne abzufangen. Dieser Junge mochte die Sonne nicht. Wenn es nach ihm ginge, würde sie schon lange für immer untergegangen sein.
"Hey! Gremne!"
Er drehte sich um und sah die anderen Kinder, die mit Ackerbaugerätschaft in den Armen auf ihn zuliefen. Nun konnte man auch die tiefschwarzen Augenringe erkennen, die Gremnes Gesicht seltsam entstellten. Ein etwas beleibter Junge trat vor und grinste das Kind an.
"Komm, Gremne! Drück dich nicht, alle müssen bei der Arbeit helfen!"
Gremne ergriff die Sense, die man ihm reichte, und wirbelte sie so rücksichtslos auf seine Schultern, das der Dicke einen panischen Sprung rückwärts machen musste, um nicht gezweiteilt zu werden. Geschockt schauten er und die anderen Kinder zu dem Jungen mit der Sense. Es war allgemein bekannt, dass Gremne besser mit der Bauernsense umgehen konnte, als so mancher Ritter mit seinem Schwert, und so hatte sich nie jemand über den schweigsamen Jungen mit den wuscheligen schwarzen Haaren beschwert. Nun grinste er wieder heimtückisch, wie er es oft tat. Keiner der Anwesenden konnte die Gedanken des Kindes erraten, das sich nun umdrehte und langsamen Schrittes zu dem Haferfeld lief, das heute sein Opfer sein sollte. Die Menge hörte auch, als Gremne schon aus ihrer Sichtweite verschwunden war, das regelmäßige Schaben des Holzes auf dem Schulterfleisch des Kindes, und ein Mädchen drehte sich angewidert um. Niemand von ihnen redete über Gremne, so wie man nie den Namen eines bösen Gottes erwähnen sollte.


Die scharfe Klinge schnitt durch das trockene Gras wie ein Messer durch Butter und Gremne arbeitete sich mit einer unnatürlich hohen Geschwindigkeit durch das Feld. Die Halme barsten von dem Jungen weg, als fürchteten sie sich vor seinem Grinsen und der gnadenlosen Sense. Dann aber stoppte er und sein fröhlich - makaberes Gesicht verschwand. Nun schaute Gremne auf einen Körper herab, der im Gras lag, leblos und bleich. Es war einmal ein Mensch gewesen, aber nun schien er nicht mehr unter den Lebenden zu weilen. Der Junge mit der Sense zerrte die Leiche an ihrem Haarschopf in die Höhe und starrte sie fasziniert an. Die Person musste schon länger tot sein, denn die Haut war bereits eingefallen und totenbleich, aber dennoch erkannte Gremne ein Mädchen aus seinem Dorf wieder. Er nahm den Korpus in den Arm und machte sich leise vor sich hin summend auf den Weg, eine Begräbnisstätte für die Tote zu suchen. Sein Weg führte ihn durch einige andere Felder, wo ihn Bauern und Kinder gleichermaßen entgeistert anstarrten, aber niemand sprach ihn an. Gremne erreichte einen großen Wald, in dem er vor längerer Zeit einmal einen Tempel gesehen hatte. Der Junge schritt durch das Geäst, und die Sonne verschwand langsam aber sicher hinter den Bergen von Cormyr. Nach ein oder zwei Meilen erblickte Gremne das Steingebäude, aber entgegen seiner Erinnerung war es eingefallen und zerstört. Nun prangte inmitten der Ruinen ein neuer Altar, aus schwarzem Obsidian geschlagen, mit Totenköpfen und anderen Verzierungen dekoriert. Der faszinierte Junge legte seine Sense ab und trug das tote Mädchen zu dem Altar, dessen bösartige magische Aura ihn fesselte. Gremne kannte den Gott, dem dieses Monument gehörte, nicht, aber der Stein mitten in einem kleinen, gottverlassenen Wald erschien ihm eine wunderschöne, letzte Ruhestätte. Als er die Leiche dort ablegte, schien das Material plötzlich zu verschwimmen und das Mädchen mit glibberigen, dicken Tentakeln zu bedecken. Kein Anzeichen von Schrecken zeigte sich in Gremnes Gesicht, nur fassungslose Faszination. Dann erschien eine zischende Stimme hinter ihm.
"Vielen Dank für dein Opfer, Gremne..."
Der Junge schaute sich um, sah aber niemanden. Plötzlich huschte ein Schatten an ihm vorbei und setzte sich lässig auf den Altar.
"Guten Abend, mein kleiner Freund. Was ist dein Begehr, dass du meinem Herren Velsharoon ein Opfer erbringst?"
Der Sprecher schien tatsächlich ein einziger Schatten zu sein, und seine tiefen, schwarzen Augen glotzten zu dem Jungen.
"Woher weißt du meinen Namen?"
Wer Gremnes Stimme hörte, konnte sich perfekt vorstellen, warum das Kind so selten redete. Seine Stimme war traumatisierend und zischend, dass man Angst bekam.
"Das spielt keine Rolle, mein guter Junge. Nenn mir deinen Wunsch!"
Gremne realisierte, was geschah und es gefiel ihm.
"Einen Wunsch?"
"Ja, einen Wunsch. Die Motive meines Herrn sind unergründlich."
"Gebt mir... Gebt mir einen Freund oder eine gute Freundin, die immer zu mir halten!"
Der Schatten schien verdutzt, grinste dann aber wieder.
"So sei es... Gremne! Und wenn du mal wieder Probleme hast, komm nur zu mir, ich kann dir helfen!"
Mit diesen Worten verschwand der Schatten wieder in dem Altar, welcher nun auch die Leiche freigab, von der nicht mehr als Knochen und Knorpel übrig waren. Gremne schaute sich um, konnte aber niemanden sehen. Als er gerade wieder enttäuscht gehen wollte, vernahm er ein klapperndes Geräusch hinter und wirbelte herum. Das Skelett des Mädchens hatte sich erhoben und lief auf ihn zu. Doch der Junge hatte keine Angst. Nein. Gremne grinste wissend und ergriff die klapprige Hand des toten Mädchens.
"Linda? So war doch dein Name, oder?"
Der Korpus nickte und eine liebliche Stimme erschien hinter Gremnes Stirn.
"So ist es, mein Freund. Ich war Linda. Ich bin Linda."
Der Junge lachte laut durch den ganzen Wald und schaute dann begeistert zu dem Skelett.
"Genau, Linda! Lass uns für immer Freunde sein!"
Die Mädchenstimme bejahte die Frage und lief hinter dem Jungen hinterher, als dieser sich erhob, um sich mit der Sense in der Hand und einem lauten Lachen im Mund auf den Rückweg zu machen.


Linda war wie üblich nur ein Knochenhaufen, den Gremne in einem Beutel mit sich herumtrug, da der Junge gemerkt hatte, dass seine sturen Mitmenschen laut schreiend vor seiner Freundin flüchteten, wenn sie "zusammengebaut" war. Die Knochen klapperten leise, aber die meisten Bewohner, an denen Gremne vorbeikam, wollten gar nicht wissen, was sich in dem unauffälligen schwarzen Beutel befand. Allgemein zeigten sie in letzter Zeit noch weniger Beachtung für das Kind, da bekannt geworden war, dass es nun auch noch Selbstgespräche zu führen schien, die in einem kreischenden, irren Kichern endeten. Gremne durchschritt das Tor des Chauntea-Tempels in dem kleinen Dorf. Die Göttin der Äcker hatte ihre Häuser überall, wo man Bauern sah, und das waren im Lande Cormyr verdammt viele Orte. Der Priester wurde leicht nervös, als das Kind mit der Sense in den Händen den Tempel betrat, zwang sich aber ein Lächeln auf das Gesicht.
"Guten Morgen, Gremne! Was bedrückt dich?"
"Hallo."
Der Kleriker Chaunteas schluckte, als die Stimme des Kindes vibrierend in seinen Ohren erklang. Dieser Junge konnte nicht normal sein. Nun gut, als Priester der Chauntea sollte er nichts gegen Leute haben, die sich darin verstehen, eine Sense zu schwingen, aber das Herumtragen einer solchen ohne Unterbrechung ist etwas ganz Anderes.
"Ich bin hier, weil ich mit euch über den Sinn des Lebens reden möchte."
Es war nicht das erste Mal, dass Gremne für sein Alter über seltsame oder makabere Themen reden wollte, aber der Sinn des Lebens war sogar für normale Menschen äußerst schwer erklärbar.
"Nun gut, mein Junge, setz dich doch. Wie kommst du immer auf solche Themen?"
"Nun ja, weißt du, Onkel, es liegt daran: Ich verstehe es nicht. Warum sind wir hier, wenn wir eh wieder sterben?"
Plötzlich hatte der Kleriker ein ungutes Gefühl. Das musste wohl an den Augen des Jungen liegen, die ihn fragend und fokussierend anstarrten.
"Nun...äh... hach! Weißt du, Junge, darüber haben sich schon so viele Leute... Gedanken gemacht."
Die Augen des Jungen schauten nicht sonderlich zufrieden.
"Und zu welchen Ergebnissen sind diese Leute gekommen?"
"Uh. Äh. Naja..."
"Du weißt es nicht, habe ich Recht?"
Er gab nach und atmete unbewusst aus.
"Ich hätte nämlich eine Idee."
"Aha! Dann erzähl doch mal, Gremne."
Nun war der Gottesmann wieder in seinem Element, Kinder in Gremnes Alter sollten definitiv nicht so viele Fragen stellen. Und Gremne erzählte seine Vorstellung mit einem freundlichen Grinsen auf dem Gesicht. Das Selbige wich schon nach wenigen Sekunden von den Zügen des Priesters und wurde durch einen glotzenden, erschrockenen Ausdruck ersetzt. Nachdem der Junge seinen Vortrag mit einem lauten, kreischenden Lachen abgeschlossen hatte, starrte ihn sein Gesprächspartner noch immer total entgeistert an.
"Junge. Wer um alles in der Welt hat dir das erzählt?"
"Ach, das hab ich mir selbst ausgedacht!"
Verkündete er, bevor er nach seiner Sense griff und sie dem überraschten Kleriker mit unglaublicher Wucht und dem gewohnten irren Grinsen entgegen schleuderte. Die Klinge trennte den Kopf des Gottesmannes sauber von seinen Schultern und Gremne leckte sich das Blut vom Mund. Der Ährenkranz der Chauntea war mit demselben Hieb zerteilt worden. Der Junge leckte das Sensenblatt ab.
"Hey, Linda, meinst du nicht, meine Idee ist gut?"
"Doch, Gremne, mir gefällt sie."
Erklärte die Mädchenstimme hinter seiner Stirn und kicherte leise, woraufhin auch der blutbespritzte Junge mit Lachen begann. Seine Geräusche schmetterten laut durch das ganze Dorf und einige Kinder begannen mit Weinen, als der Sensenjunge den Kopf des Klerikers mitten auf die Straße kullern ließ. Dann öffnete er den Beutel an seinem Gürtel und Linda setzte sich wie von Zauberhand zu einem vollständigen Skelett zusammen. Die Menschen schrieen umher und rannten wild durcheinander, aber einige Stunden später sollte keiner von ihnen noch am Leben sein. Gremne brachte das Töten wirklich keinen Spaß. In der kleinen, isolierten Welt seines Kopfes war es notwendig. Notwendig für seine Vision. Notwendig für die Menschheit. Notwendig für Velsharoon, seinen neuen Gott.






Kapitel 4
Zwischenspiel

2 Jahre später


Die kleine Jaleeka, wie Luak das Kind genannt hatte, starrte ihn aus ihren großen, lachenden Augen an und brabbelte einige für den Zwerg unverständliche Phrasen. Dieser dachte nach. Er hatte in den letzten Tagen verdammt viel nachgedacht, wahrscheinlich mehr, als es ein gewöhnlicher Zwerg in seinem ganzen Leben nötig hatte. Der nächste Tag sollte nämlich kein gewöhnlicher Tag werden, denn genau am nächsten Tage wurde Jaleeka zwei Jahre alt, und Luak überlegte noch immer krampfhaft, wie er seinem total in das Kind verliebten Hainesbrüdern und vor allem -schwestern erklären sollte, dass es für die nächsten zwei Jahre im Unterreich leben sollte, bei eben jenen Drow, gegen welche die Druiden schon so lange kämpften. Das Gehirn des Zwerges kochte, als Liartra, seine Tutorin, den Raum betrat.
"Hey, Luak, was bedrückt dich?"
Der Zwerg mochte seine Lehrerin eigentlich, aber es bestärkt seine angeborenen Vorurteile gegen Elfen, dass sie alles sahen, was man dachte.
"Hey, Liartra!"
Luak legte eine gespielte Freudenmaske auf.
"Ich habe letzte Woche ein Gerücht gehört, und jetzt wollte ich dich mal fragen, kennst du einen Dunkelelfen namens Jezz?"
Zu seinem Entsetzen zuckte Liartra bei dem Klang des Namens zusammen und starrte Luak nun verwirrt an.
"Ja, weißt du denn nicht, wen dieser unheilvolle Name beschreibt? Jezz der Lahme - Er ist nicht nur einer der wenigen Drow, die trotz einer Verstümmelung im Unterreich überlebt haben, nein, er führt sogar sämtliche Truppen an, welche die Täler um unseren heiligen Wald attackieren! Jezz muss ein wahrer Dämon sein, denn, wie man sich erzählt, sind seine Gegner bereits im Nirwana, bevor sie ihn überhaupt bemerkt haben! Er ist sicher niemand, dem man im Dunkeln begegnen möchte!"
Luak saß ganz still da, und versuchte, seine Gedanken mit einem Metallband zu verschließen.
"Aha. Gut zu wissen. Ähm. Ja. Jemand, dem man..."
Luak machte eine schockierte Pause.
"...nicht im Dunkeln begegnen möchte."
Und in Gedanken fügte der Zwerg hinzu:
"...und dem man sicher kein Menschenkind anvertrauen würde...."


Harena hielt sich die Hand vor ihren matten Augen und blinzelte. Die Sonne war zwar von dunklen Wollen verdeckt, blendete die Dunkelelfe aber trotzdem wie das Feuer der Hölle. Jezz humpelte aus der Höhle und seine Prothese gab wie immer das monotone Knarksgeräusch von sich. Seine Augen hatten sich bereits seit vielen Jahren an das für Maßstäbe der Unterwelt grelle Licht gewöhnt und ließen sich nicht mehr schocken, im Gegensatz zu der Klerikerin, die sogar ein kurzes Stoßgebet an ihre dunkle Göttin entfesselte, als die ersten Strahlen Lathanders, des Sonnengottes, auf ihrer grauen Haut auftrafen.
"Jezz!"
zischte sie mit einer verärgerten, aber nicht reizlosen Stimme.
"Ich hasse diesen Ort. Das Licht ist schlimmer als jeder Fluch der Spinnengöttin!"
"Pah! Pass nur auf, dass deine gute Lolth dich nicht so sprechen hört, meine Gute, sonst bist du längste Zeit ihre Priesterin gewesen. Und du weißt, dass ich nicht der Einzige, aber sicherlich der Erste wäre, der seine Waffe in deinen Leib rammen würde, wenn du den Segen der dunklen Göttin verlieren würdest..."
Harena schwieg und spuckte neben den Höhleneingang. Ihre Augen konnten die hellen Strahlen langsam ertragen, aber sie wagte noch nicht, sie zu öffnen.
"Meinst du wirklich, du könntest das?"
Ihre durchdringenden, roten Augen starrten den Hexer auch durch die Haut hindurch an und brannten auf seiner Seele, aber er lächelte nur.
"Aber natürlich, Kleine. Jederzeit und ohne jeglichen Zweifel!"
Harena war nicht überrascht, aber die Sicherheit ihres Beschützers versetzte sie in leichte Angst. Als sich ihre Lider langsam öffneten, sah die Klerikerin das erste Mal in ihrem Leben das Sonnenlicht. Jezz dagegen starrte gelangweilt in den Himmel. Er wusste genau, welcher Tag war, aber es war erst früh am Morgen, und seine lästige Begleiterin würde er bis zum Nachmittag bestimmt noch abschütteln können. Ein Grinsen legte sich auf seine dunklen Lippen und ein wohltuender Schauer zuckte über seine Haut, als er an das Duell zwei Jahre zuvor denken musste. An diesem Tage würde sich etwas Grundlegendes ändern, er hatte nur noch nicht geringste Ahnung, was es sein würde. Hätte er es gewusst, wäre ihm das Lachen vergangen, mit dem er Harena abermals verdutzte, die ihn nur rätselnd anstarren konnte.


Luak schlich durch den Wald. Nicht, dass er das geplant hätte, aber die Füße eines Druiden wurden mit den Jahren seiner Ausbildung immer leiser, wenn sie sich durch das Unterholz bewegten, auch bei einem leicht übergewichtigen Zwerg. In seinen Armen schlief das Kind, dessen Haare ihre pechschwarze Farbe noch immer nicht verloren hatten, auch wenn Jaleeka schon seit einigen Monaten laufen konnte. Auf dem Rücken des Zwerges war das riesige Bastardschwert gebunden, dessen Erinnerung noch immer in Luaks Seele brannte. Nun fiel ihm überhaupt erstmal auf, wie weit er von seinem Hain weg gewesen war, als er Jezz in Myth Drannor begegnet war, und wie schrecklich verschlungen und geheimnisvoll dieser Weg war. Doch ein guter Druide verlief sich niemals in seinem eigenen Wald, und so dauerte ihm der Marsch sogar ein wenig zu lang. Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gebracht, verformten sich seine Körperteile auch schon. Die knubbeligen Zwergenhände wurden zu kraftvollen Tatzen mit beeindruckenden Klauen, Luaks Gesicht wurde langsam, aber sicher zu einer Bärenschnauze. Einige Sekunden später sah der aufmerksame Beobachter nur noch das Bild eines sprintenden Braunbären mit einem Kind in den Armen vor sich, der durch den Wald schnellte, als wäre er nicht mehr als Luft. Wenige Augenblicke später erreichte er wieder das große, steinerne Stadttor, welches ihm schon einmal die Sprache verschlagen hatte.


Harena lief vor Jezz, der langsam nervös wurde. Die Dunkelelfe bewegte sich nun schon fast wie paralysiert durch die für sie unbekannte Welt, als wäre sie ein kleines Kind, das einen neuen Raum entdeckt und ihn nun für sich in Besitz nehmen möchte.
"Diese Welt hier oben ist wunderschön, Jezz."
Ihre Worte klangen unsicher und wurden mit einem Tonfall ausgesprochen, den Jezz noch nie zuvor bei der Klerikerin gehört hatte. Ein Lächeln entstand auf seinem Gesicht.
"Ja, das denke ich auch, Harena."
Er machte eine kurze Atempause und starrte tief in den Wald hinein.
"Aber denkst du, deine liebe Göttin Lolth ist der gleichen Meinung?"
Wieder waren die Geräusche von einigen Waldtieren das Einzige, was man hören konnte und eine Falte bildete sich auf der Stirn der Drow-Priesterin.
"Nein. Sie hasst die Oberwelt. Sie hasst das Licht. Sie ist wie wir. Daher ist Lolth unsere Göttin."
"Deine Göttin."
Harenas Worte klangen wie ein Bibelvortrag und an Überzeugung fehlte es ihnen komplett, aber die sichere Antwort, die Jezz in den Wald sprach, war klar wie die Nacht. Er setzte sich auf einen umgefallenen Baumstamm und verschränkte seine Beinstütze unter dem Holz. Eine Handbewegung deutete Harena, sich ebenfalls zu setzen. Sie blickte in die kalten, grauen Augen ihres Beschützers.
"Warum zerstörst du diese Welt, wenn sie doch so schön ist?"
"Deine Worte sollten fest verschlossen hinter deiner Stirn ruhen, Harena. Manche Gedanken bleiben nicht ohne Grund unausgesprochen."
"Nein. Hier oben ist kein Tor verschlossen, Jezz. Hier sage ich, was ich denke."
Einige Spatzen führten ein kleines Duett in den Baumwipfeln durch. Jezz drehte sich nicht einmal zu Harena um, als er auf ihre Frage antwortete.
"Weißt du, meine Liebe. Ich will diese wunderschöne Welt nicht zerstören. Ich will sie befreien."
"Befreien?"
Jezz fiel auf, dass dieses Gespräch das Erste war, in dem Harena nicht von Anfang an auf der Gewinnerseite stand. Er musste bei diesem Gedanken schmunzeln, denn er bestätigte die These des Drow, im Licht der Sonne würden sich alle Sachen verändern, wie es auch mit ihm geschehen war.
"Ich rede von den Elfen. Und den Menschen. Und den Gnomen und Halblingen. Und den verdammten Zwergen."
Die ruhige Atmosphäre war zerstört, denn nun begab sich die Konversation wieder auf gewohntes Drow-Terrain. Als Harena lachend aufgestanden war und schon einige Schritte Richtung Wald getätigt hatte, erhob sich auch Jezz. Ein leiser Fluch ging unhörbar über seine dunklen Lippen, als er sich in eine völlig andere Richtung davonschlich.
"Und zu aller Erst von den Drow..."


Liartra schlenderte mit einem mulmigen Gefühl im Bauch durch den Wald. Selbst die klare Oberfläche des kleinen Waldsees, an dem sie aufgewachsen war, hatte ihr nach ein wenig magischer Behandlung nicht den Aufenthaltsort des Zwerges verraten, der urplötzlich verschwunden war. Ihre Eule gluckste panische, nur für die Druidin verständliche Worte in deren Ohren und schlug aufgeregt mit ihren kleinen Flügelchen.
"Ganz ruhig, meine Kleine, wir finden Onkel Luak schon wieder."
Dann stoppte die Wildelfe und ihre wirren, goldbraunen Haare schienen sich leicht aufzustellen, wie bei einer Katze. Die Eule zitterte und drückte sich angstvoll an den Hals ihrer Meisterin, als auch sie die ebenso verdutzte Dunkelelfe erkannte, die im Gebüsch lief, sichtbar mitgenommen von den Dornen und Ästen der Bäume. Die Beiden Elfen schauten sich verwirrt an, unfähig, zu reagieren. Dann sprach Liartra in den feinen Vokalen der elfischen Sprache und ihr Gesicht blieb vorsichtig, aber bestimmt.
"Was tust du hier, Drow-Weib? Nenne mir einen Grund, warum ich dich nicht sofort umbringen sollte!"
Harena starrte verächtlich in die großen Augen der Wildelfe.
"Das geht dich nichts an, du verdammte Druidin!"
Liartras Augen leuchteten kurz auf, dann lächelte sie.
"Dein Beschützer hat dich verlassen, hm?"
Die Priesterin fuhr wütend herum und legte ihre dunkle Kapuze zurück, woraufhin sich ihr wunderschönes, weißes Haar über ihrem grauen Körper entfaltete.
"Du hast es nicht anders gewollt, Abschaum des Waldes! Aber behaupte später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!"
Die Priesterin begann, mit ihren Händen einen Zauber zu wirken und die Pflanzen um sie herum gingen unter ihrer schwarzen Magie langsam ein.


Jezz musste laut lachen. Für einige Momente waren alle Gebote der schurkischen Heimlichkeit gebrochen und die Komik, die der Elf in seinen letzten, reichlich unüberlegten Taten sah, übernahm die Überhand. Es war ulkig, fast schon obskur. Er hatte vor wenigen Minuten seine Schutzbefohlene alleine im Wald zurückgelassen, darauf stand im Unterreich zweifelsfreier Tod auf lustigen Wegen. Aber Jezz hatte keine Angst, denn erst jetzt fiel ihm auf, wie gut er leben könnte, ohne die Zwänge seines Volkes. Ja, Jezz war ab diesem Tage alleine. Eigentlich war er es schon immer gewesen, denn nirgendwo, nicht in seiner Heimatstadt, nicht in den Spinnenhöhlen unter Tage oder gar im Walde Cormanthor hatte er sich je zu Hause gefühlt. Das einzige Problem war das Kopfgeld, das man zweifelsfrei bei den Drow auf ihn aussetzen würde, aber Jezz wusste, wie man unentdeckt blieb, darin war er der Beste. Mit einem Schlag waren seine Probleme in Luft aufgegangen, und nun betrat der grinsende Dunkelelf den verfallenen Tempel des Kelemvor, dem er schon genau zwei Jahre zuvor beigewohnt hatte. Würde der Zwerg, Luak war sein Name, an diesem Tage nicht erscheinen, würde er den Nächsten nicht mehr erleben, das war für Jezz eine Gewissheit, keine Möglichkeit. Fast breitete sich ein Tropfen Enttäuschung in seinem Kopf aus, als er den Druiden wenige Augenblicke später erblickte, der nun auch die ehemals heilige Stätte betrat.
"Seid mir gegrüßt, mein Freund!"
Das Kind lag schlafend in den kurzen Armen und das seltsame Bastardschwert hing auf seinem Rücken, aber seine Augen strahlten noch immer Misstrauen aus.
"Ich habe eine gute Nachricht für euch, Zwerg!"
"Pah! Da bin ich ja mal gespannt, wollt ihr mir sagen, dass ich Jaleeka behalten kann, Drow?"
Neben der offensichtlichen Provokation lag auch eine unterdrückte Menge Hoffnung in seiner rauen Stimme, was Jezz wiederum zu einem Lachanfall brachte.
"Nein, mach dir nur keine falschen Hoffnungen, unsere Abmachung gilt!"
"Das will ich auch hoffen!"
"Übrigens, hübscher Name, Jaleeka, aber glaub nicht, ich sei dumm genug, als dass mir sein elfischer Klang nicht auffallen würde! Und, keine Angst, ich habe mich wenige Momente zuvor von meinem Volk verabschiedet."
Der verdutzte Blick des Zwerges ersetzte ein ganzes Buch mit Fragen.
"Du musst es mit nicht glauben, aber ich bin nun ein abtrünniger Drow, mein kleiner Freund!"
Sprach Jezz, während er das Mädchen in die Arme nahm. Jaleeka erwachte daraufhin und starrte in die hellen Augen ihres neuen "Vaters". Dieser war leicht verwirrt, als sie mit kichern begann und mit seinem grauen Daumen herum spielte.
"Naja, dann mal bis später, Luak, oder um genauer zu sein, bis in zwei Jahren!"
"Vergiss es nur nicht vor lauter revolutionärer Ideen, Unterweltler!"
"Ja, aber sicher nicht, mein Freund!"
"In zwei Jahren hier!"
Jezz hörte die Stimme kaum noch, als er das lachende Menschenkind auf seine Schultern setzte und im Wald verschwand. Das Lachen war ihm vergangen, in dem Moment, als ihn das Mädchen angekichert hatte. Der Assassine war es nicht gewöhnt, dass man ihm mit Freude entgegentrat, daher war er verwirrt, fast schon ein wenig betrübt.


Harena schrie ein schrilles Geräusch, als der Feuerball ihren Schutzschild durchbrach und ihre Haut bis auf die Knochen versengte, ihr auch die Muskeln nahm, die sie zum aufrecht Stehen benötigte. Sie klappte zusammen und die Druidin blickte in ihre Augen, als die Sinne der Priesterin schwanden und sich in endloses Schwarz verwandelten. Das Letzte, was sie bemerkte, war der feste Griff Liartras, die ihren halbverbrannten Körper hinter sich her schleifte. Die Dunkelelfe verfluchte in ihren Träumen Jezz, verbrannte ihn und zerstückelte ihn immer und immer wieder, in ihrem endlosen Hass.



...






Tja. Schade drum, ich hoffe, ich lerne irgendwann einen Zeitstopp verbunden mti einem Motivationszauber. :A Hoffe, ihr habt euren Spaß gehabt. ^^''

Shadow Snake
20.11.2006, 22:25
Nein, ich habe den Thread nicht vergessen. Hab den alten Post gelöscht, hier mein Review:

Was soll ich sagen? Ich liebe deine Geschichten. :)
Die Welt, die du designed hast, ist wunderbar, ich weiß nicht, was für Vorlagen du hattest, ob du eine bereits vorhandenen Welt genommen hast, es ist letztendlich egal. Sie wunderbar beschrieben, ich hatte jeden Schauplatz vor meinem inneren Auge. Auch jede Kultur, bzw. jede Gottheit passt einfach hinein, ich habe mich in einer ganzen Welt befunden. Toll, das mag ich.
Die Charaktere sind schön gemacht, natürlich mit ein paar typischen Klischees überzogen hier und da (was ja bestimmt nicht unbeabsichtigt war... ^_-), aber dennoch immer sehr eigenständig und sie haben alle etwas Markantes. Bei dem Sensenjungen hatte ich zuerst am Anfang an deinen Chara aus dem kaum gespielten Tir na Lea gedacht und musste schmuzeln. :p
What else? Als Vorlage für ein Abenteuer ist es nicht geeignet. Viel zu komplex, da reicht ein Abenteuer nicht aus, das kann ewig gehen. :p

Es würde mich sehr freuen, wenn noch etwas kommen würde. Großes Kompliment. :)

La Cipolla
21.11.2006, 23:27
Die Welt sind einfach die Forgotten Realms, sozusagen die D&D Welt schlechthin. ^^'' Und wie gesagt, eh ich da weiterschreibe, muss noch viel passieren. (Bspw müsste der Feder und Schwert Verlag in meine Hände fallen :rolleyes: )