PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Leseprobe



YoshiGreen
29.09.2006, 17:49
Habe gerade eine ältere Geschichte von mir gefunden. Das ganze ist als Fan-Fic zu " 2367 - Experiment Hex" gedacht - falls überhaupt jemand das Buch kennt ;)
Das ganze soll den Rahmen einer Kurzgeschichte haben und hier ist mal der Anfang als Leseprobe.

Jennifer stieß einen erleichterten Seufzer aus, als die Tür ihres Hotelzimmers hinter ihr zufiel. Endlich Ruhe, keine Menschen mehr. Sie reagierte allergisch auf große Menschenansammlungen, und noch mehr auf nervende Individuen wie sie der Portier unten in der Empfangshalle darstellte. Warum konnte der Kerl denn nicht einfach akzeptieren, dass Frau Schuhmann nun einmal die Suite mit Ausblick zum Park für sich reserviert hatte, auch wenn er sich noch daran erinnern konnte, am Vortag etwas ganz anderes gelesen zu haben.
Ein weiterer Seufzer und sie löste sich von der Tür, betrat vollständig das Zimmer, schleuderte ihren Rucksack schwungvoll aufs Bett und trat ans Fenster um die Parkbäume zu betrachten, die im Licht des Mondes ein unwirkliches Aussehen erhielten. So als wären sie nicht ein Teil der realen sondern der digitalen Welt, die, auch wenn sie nur aus elektronischen Impulsen bestand, um so vieles schönes und abwechslungsreicher war, als die „wirkliche“ Welt.
Grinsend wandte die junge Frau ihren Blick ab, was sie auch tat oder dachte, immer wieder schweiften ihre Gedanken ab und fanden sich in der Realität der Computer wieder. Dabei hatte sich Jennifer noch vor ein paar Jahren gar nichts aus den elektronischen Gehirnen gemacht, das heißt, soweit das in heutiger Zeit möglich war, denn so gut wie jeder Lebensbereich ist mittlerweile von ihnen infiltriert worden und die Menschen verließen sich ganz selbstverständlich auf die Informationen, die von den Bildschirmen ausgespuckt wurden. Ein Fehler – unmöglich.
Das Lächeln auf ihrem Gesicht wurde ein Stück breiter. Tatsächlich waren Computer fehlerfrei. Wenn irgendetwas schief läuft, dann sind immer Mensch damit verwickelt. Nur war die Gesellschaft meistens zu blind, dies auch an zu erkennen.
Auch Jennifer war eine lange Zeit eine dieser Blinden, aber als sie entdeckte, was sie wirklich war – ihre Fähigkeiten zum ersten Mal bewusst wahrnahm - erkannte sie auf einmal, was sich hinter dem Vorhang aus Lügen verbarg, dem die Politiker und Pressesprecher den Menschen immer wieder aufzwangen.
Andererseits war die Position der Regierungen auch nur allzu verständlich, denn welche Macht gab schon gerne zu, dass ihr gesamtes Sicherheitssystem eigentlich nutzlos war.
Es gab zwar nicht viele Menschen auf der Welt, die diese besondere Begabung aufwiesen, die auch Jennifer inne hatte, aber es waren immerhin genug, dass sie eine potentielle Bedrohung darstellten, die vorherrschende Ordnung gehörig durcheinander zu bringen.
Wenn nicht aus eigenem Antrieb heraus, dann als Exekutive für terroristische Organisationen, wie es die Politiker so gerne titulierten. Wobei sie einfach nicht erkannten, dass sie erst durch ihr Verhalten, der unablässigen Verfolgung und Vernichtung von Menschen wie Jennifer, diese erst für solche Gruppierungen öffneten.
Denn ist es nicht so, dass jemand, dessen Leben im Grunde keinen Dreck mehr wert ist, alles dafür tun wird, seinen Feinden zu schädigen wo immer er kann, vor allem, wenn er selber im Grunde genommen nichts dafür kann. Ein Geburtsfehler, ein defektes Gen und Ruck Zuck bist du tot, bevor du überhaupt angefangen hast zu leben.
Traurig ließ Jennifer noch einmal ihren Blick über das luxuriös eingerichtet Zimmer schweifen. Gerade eben hatte sie sich noch darüber gefreut, jetzt kam es ihr wie ein goldener Käfig vor.
Langsam kamen wieder die Gedanken an ihre Mutter und ihre Schwangerschaft zurück. Sie musste diese Bilder in ihrem Kopf beinahe gewaltsam unterdrücken, denn sie machten sie traurig und wenn Jennifer eines hasste, dann: melancholisch zu sein. Warum sind Gefühle verdammt noch mal nicht berechenbar? Alles kann mit Zahlen beschrieben werden, aber Emotionen?
„Eigentlich sollte ich mich ja darüber glücklich schätzen, dass ich in der Lage bin etwas zu fühlen“, dachte sie, „Es gibt nicht viele Computer, die etwas empfinden, aber eben diese blöde Biomasse mit ihren unvorhersehbaren Impulsen macht die ganze Sache so kompliziert.“
Es war nicht das erste Mal, dass Jennifer daran dachte ihre Gedanken in den Cyberspace einzuschleusen um danach ihrem Körper für immer verlassen zu können, aber die Intensität mit der diese Vorstellung kam, nahm mit jedem mal zu. Der Verlust dessen, was sie in der realen Welt ausmachte, würde auch jegliche Gefühle verschwinden lassen, damit war sie auch nicht mehr gefährlich. Denn eine Maschine, die nicht spürte, kannte keinen Hass, keine Wut, keinen Zorn. Sie war gefügig und tat das, was man ihr auftrug.
Langsam näherte sie sich dem Terminal, dass fest in der Wand eingebaut war. Beinahe zärtlich legte sich ihre schmale Hand auf den Monitor, der kalt und dunkel war. Jedenfalls sah es so aus, für Jennifer jedoch war es, als würde sie sich an einen geliebten Menschen kuscheln.
Vorsichtig begann sie das Glas zu streicheln und tauchte dabei immer weiter ein, in die Welt der digitalen Realität. Wie immer bei einem Übergang ging ihr Atem schneller, geradezu stoßweise. Es kostete eine ungeheure Kraft, die Grenze zwischen den Welten zu überwinden, selbst für Begabte wie sie. Normalen Menschen war es im Grunde nicht vergönnt, die wirkliche Welt, die der Computer, zu betreten. Selbst wenn sie es schaffen sollten, die Barriere zu überwinden, ihr Verstand würde zerbrechen, beim Anblick der Geschwindigkeit in der sich hier die Informationen bewegten, sich kleinen Knoten zusammenfanden und so schnell wieder auflösten, dass man sie eigentlich gar nicht richtig wahrnehmen konnte. Nein, der Mensch hatte diese Realität vielleicht erschaffen, aber nicht verstanden. Natürlich gab es einige, denen es geglückt war, die andere Seite zu sehen aber von den wenigen, die zurückgekehrt waren, gab es nicht einen, der in der realen Welt nicht in einer Nervenheilanstalt saß und trotzdem – dieser gewisse Fehler im Erbgut des Menschen, der einigen Auserwählten ermöglicht, die digitale Welt nicht nur zu betreten wie es ihnen gefällt, sondern ihnen auch die Gabe des Verstehens mitgab, diese Mutation wäre nie entstanden, wenn nicht ein Zurückgekehrter ein Kind gezeugt hätte.