Jon Snow
06.09.2006, 19:42
Ich habe mich jetzt also auch mal daran gewagt, eine eigene Geschichte zu verfassen. Bis jetzt sind knapp über drei Seiten zusammen und ich will sie deswegen einmal vorstellen, um ersteinmal zu wissen, ob der Schreibstil in Ordnung ist, ein gewisser "Fluss" ensteht und nicht alles so gestelzt wirkt.
So viel passiert nocht nicht, das sollte gesagt sein, aber mir geht es wie gesagt erst einmal darum, wie das Ganze in...sagen wir technischer Hinsicht aussieht.
Gebt mir also bitte Tipps, was man verbessern kann.
So langsam aber sicher kam ich zu mir.
Ich blinzelte noch ein paar Mal, bis mir endlich bewusst wurde, wo ich war.
Ich musste gähnen. Reflexartig bewegten sich dabei meine Hände zu den Augen und rieben den Schlaf aus. Ich guckte auf die Uhr.
Es war 8:30 durch. Schon längst. Beinahe 9:30 Uhr.
Im ersten Moment begriff ich gar nicht, weshalb mich das stören sollte.
Nur langsam wollte mein Gehirn begreifen.
Fast 9:30 Uhr.
9:30 Uhr.
Meine Augen öffneten sich nun ganz, als mir klar wurde, was das bedeutete.
Ich würde das Interview verpassen.
Verdammt.
Ruckartig schnellte ich nach oben, riss die Decke zur Seite und marschierte mit schnellen Schritten Richtung Bad. Sofort ging es unter die Dusche und noch während das kalte Wasser die letzte Müdigkeit aus meinem Körper verbannte, wurden meine Zähne schon von der Zahnbürste regelrecht malträtiert.
So ein Mist.
Ausgerechnet heute.
Eile war angesagt, keine Frage.
Nach fünf Minuten stieg ich wieder aus der Dusche und griff nach meinem Handtuch. Beim Abtrocknen verließ ich das Bad und machte mich auf Richtung Küche.
Dort angekommen, fing ich sogleich an, einen Kaffee aufzusetzen und Milch und Cornflakes bereitzustellen.
Nun ging es zurück ins Schlafzimmer, wo ich das Handtuch einfach aufs Bett schmiss und meine Klamotten heraussuchte. Ich versuchte mich zu konzentrieren, um auch ja die richtigen auszuwählen.
Wenn ich schon zu spät komme, dann doch wenigstens in einem vernünftigen und vor allem seriösen Eindruck.
Fertig angezogen machte ich mich erneut auf zur Küche. Der Kaffee war noch nicht fertig, also aß ich erst einmal meine Cornflakes.
Wie konntest du nur verschlafen.
Da bekommst du so eine Gelegenheit und verschläfst.
Na hoffentlich hat der Typ Geduld.
Als ich fertig gegessen hatte, nahm ich mir den Kaffee und goss mir eine Tasse voll. Davon trank ich allerdings nicht einmal die halbe; den Rest kippte ich einfach in den Abfluss.
Auf dem Küchentisch lagen noch meine Brieftasche und meine Uhr, die ich mir kurzerhand in die Tasche stopfte. Ich guckte mich noch mal kurz um, bevor ich zur Tür ging , meine Jacke nahm und auch schon aus dem Haus war. Unüblich für mich, aber in der Hektik unbeachtet, schloss ich die Tür hinter mir nicht ab.
Die Straße erreicht, wanderte mein Blick sofort zur Uhr, nur um festzustellen, dass es bereits kurz vor zehn war.
Um zehn war die ausgemachte Zeit.
Ich ließ ein Stöhnen von mir, klemmte meine Tasche unter den Arm und setzte mich in Bewegung.
Während ich mich also zum Interview aufmachte, ging ich im Kopf noch einmal den Ablauf durch. Besser gesagt, ich ging noch einmal durch, wie es am besten laufen könnte. Wer konnte denn schon wissen, was alles passieren wird ?
Das Interview sollte in einem kleinen Café stattfinden, welches ca. 15 Minuten von meiner Wohnung entfernt lag. Die Wahl des Ortes wurde von der Zeitung, festgelegt.
Die Person die ich interviewen würde, war der zur Zeit schwer angesagte Autor Kurt Blask. Er hatte in den letzten fünf Jahren beachtliche 6 Bücher geschrieben und veröffentlicht und jedes einzelne schaffte es in den Bestsellerlisten auf Platz 1. Das erstaunlichste daran war aber, das jedes Buch ein anderes Genre vertrat. Handelte es sich bei seinem ersten Buch noch um einen Kriminalroman, überraschte er Kritiker wie Fans mit seinem zweiten Roman, der die Abenteuer eines Piloten im 29. Jahrhundert schilderten. Es folgten ein Horror-Roman, die Biografie über einen (mir völlig unbekannten) Fernsehmoderator und ein Band gesammelter Erzählungen. In seinem letzten Buch analysierte er einen fiktiven Brief von einem KZ-Häftling. Durch seine letzten beiden Veröffentlichungen hatte er es geschafft, auch die letzten Kritiker zu überzeugen. So wollte auch der Chefredakteur der Zeitung ein Interview mit Kurt Blask.
Ich selbst hatte noch kein Buch von ihm gelesen, hielt es aber für besser, mir wenigstens eins anzuschauen, um bei dem Interview eventuell ein oder zwei Fragen darüber zu stellen. Da mir der Band seiner gesammelten Erzählungen überraschend gut gefiel, besorgte ich mir von dem Chefredakteur auch noch den Horrorroman und die Analyse des fiktiven Briefes. Beide waren nicht minder spannend bzw. geistreich und ich begann mich sogar regelrecht auf das Interview zu freuen.
Um genau 10:12 Uhr erreichte ich schließlich das Café.
Es gehörte zu einem schmalen Altbau, der zwischen zwei Neubauten geradezu versank. In großen Lettern stand schlicht und einfach “Café” über dem Eingang. Ein Fenster gewährte den Außenstehenden einen Blick hinein. Auf mich wirkte das Ganze wie der perfekte Ort für einen regnerischen Tag, wenn man einfach mal in Ruhe einen Kaffee trinken und dazu ein Buch lesen möchte, ohne dabei nur einsam in der Wohnung zu hocken. Ganz gemütlich sitzend, den heißen Kaffe in der einen, die Zigarette in der anderen Hand und auf dem Tisch liegend das vor gut einem halben Jahr gekaufte Buch, wofür man nun endlich die Zeit und die nötige Geduld hat, es in Angriff zu nehmen.
Schöner Gedanke.
Gäste gab es jedenfalls kaum welche.
Dementsprechend schnell erblickte ich Kurt Blask an einem der hinteren Tische.
Er lehnte sich leicht über den Tisch, seine Nase Zentimeter von dem Schreibblock entfernt, auf den er irgendetwas notierte.
“Herr Blask?”
Ruckartig schnellte sein Kopf nach oben. Seine Augen fixierten mich mit strengem Blick. Ich hatte ihn gestört.
“Ja?”
“Herr Blask, guten Tag. Ich bin Theodor Navarra von der Tageszeitung. Wir hatten uns für ein Interview verabredet.”
Sein Gesicht hellte sich auf.
Er erhob sich und streckte mir seine Hand entgegen.
Mir fielen sofort die dünnen Arme auf, die so überhaupt nicht zu seinen breiten Schultern passen wollten. Von der Kleidung war er eher unscheinbar.
Er trug eine einfache blaue Jeans und ein braunes T-Shirt.
Nichts Außergewöhnliches.
Das gefiel mir.
“Guten Tag, Herr Navarra.” Wir setzten uns.
“Entschuldigung für die Verspätung. Ich hatte Probleme beim Finden des Cafés.”
“Kein Problem.”
Eine dickliche Frau kam an unseren Tisch und fragte, ob wir irgendwas bestellen möchten.
“Für mich einen Kaffe und für Herrn Blask -”
“- für mich bitte zwei Croissants und ein Glas Wasser.”
Als die Frau hinter der Theke verschwand, beugte er sich zu mir rüber und verlangte von mir, dass ich ihn mit Kurt ansprechen solle.
“Da es bestimmt nicht in fünf Minuten getan sein wird, sollten wir wenigstens etwas Vertrauen entwickeln, meinen sie nicht?”
Ich stimmte zu.
“Also dann, wie haben sie sich denn die ganze Sache mit dem Interview vorgestellt”, fragte er mich und sah mich mit forschendem Blick an.
“Nun, ich dachte mir das so, dass sie damit beginnen, etwas über ihre Kindheit zu erzählen und ich ihnen dazu Fragen stelle. Später können wir uns ein bisschen über ihre bisherigen Werke und gegebenenfalls neue Ideen unterhalten. Weiter brauch man glaube ich erstmal nicht denken, da schon so genug Material zusammenkommen wird.
Ich würde dann mit einer einfachen Frage beginnen, wenn sie denn bereit wären?
Er nickte.
“Wann und wo wurden sie geboren?”
“Geboren wurde ich in Leipzig, wo ich aber nur die ersten sechs Wochen verbrachte. Meine Eltern mochten die Hektik und die Unruhe der Stadt nicht, weiß der Teufel warum, und zogen in ein kleines Dorf etwa 40km von Leipzig entfernt.”
“Wir lebten in einem Haus, wovon uns die eine Hälfte gehörte; die andere gehörte schon einem älterem Ehepaar. Die Zeit dort habe ich insgesamt gesehen in guter Erinnerung. Meine Eltern arbeiteten beide bei einer Lokalzeitung, die sich, dank mangelnder Konkurrenz, gut verkaufte. Daher stimmte auch das Geld und wir hatten kaum finanzielle Probleme.
Natürlich war trotzdem das Konto leicht in den Miesen, aber ich glaube das ist sowieso normal, meinen sie nicht?”
Ich setzte zur Antwort an, aber er sprach einfach weiter.
“Also wie gesagt, die finanzielle Seite war nicht das Problem. Auch meine Eltern selbst waren kein Problem, wenn ich das mal so ausdrücken darf. Es gab immer mal wieder ein paar kleinere Streitereien, wie sie in jeder Ehe bzw. Familie einmal vorkommen.
Nein, vielmehr ein Problem war die Verwandtschaft. In gesundheitlicher Hinsicht. Mein Großvater hatte mit 56 einen schweren Herzinfarkt, der ihm beinahe das Leben kostete.
Da war ich 8. Es blieb auch nic-…”
Die dickliche Frau kam wieder an unseren Tisch, diesmal mit einem Tablett, worauf mein Kaffee, sowie die zwei Croissants und das Wasser für Blask standen. Sie stellte alles mit äußerster Sorgfalt ab, wobei sie uns jeweils anlächelte, und verschwand dann wieder hinter der Theke.
Sofort nahm ich ein kräftigen Schluck des Kaffees. Mein gegenüber griff sich eines seiner Croissants und Biss mit sichtlichem Vergnügen hinein.
Während er noch kaute, begann er weiterzuerzählen.
“Es blieb auch nicht bei diesem Einen, sondern es folgten noch zwei, wodurch man sich entschied, eine Herztransplantation durchzuführen. Alles klappte bestens, aber ich konnte spüren, wie sehr diese Strapazen meines Großvaters meinen Vater mitnahmen. Er wirkte vollkommen am Boden zerstört, an manchen Tagen aß er kaum etwas oder blieb die ganze Nacht über wach in der Küche und rauchte eine Zigarette nach der anderen.
Ich hatte Angst um ihn und konnte nun selber nicht mehr schlafen, sondern musste nur noch an meinen Vater denken und weshalb er sich so komisch benahm. Die aberwitzigsten Dinge gingen mir durch den Kopf und mit jedem Gedanken wurde die Vorstellung düsterer.
Meine Fantasien gingen sogar so weit, dass ich glaubte, mein Vater würde sterben.
Ein Achtjähriger, der über den Tod seines Vaters grübelt.”
Er schüttelte resigniert mit seinen Kopf und nahm einen Schluck Wasser aus seinem Glas.
“Bereits in solch einem Alter, solch schlimme Gedanken zu haben.”
Erneuter Griff zum Wasserglas.
“Die Herztransplantation sollte jedenfalls kurz nach meinem neunten Geburtstag durchgeführt werden und ich hoffte innerlich, dass alles gut gehen würde. Im ersten Moment weniger wegen meinem Großvater, denn meinem Vater.”
So viel passiert nocht nicht, das sollte gesagt sein, aber mir geht es wie gesagt erst einmal darum, wie das Ganze in...sagen wir technischer Hinsicht aussieht.
Gebt mir also bitte Tipps, was man verbessern kann.
So langsam aber sicher kam ich zu mir.
Ich blinzelte noch ein paar Mal, bis mir endlich bewusst wurde, wo ich war.
Ich musste gähnen. Reflexartig bewegten sich dabei meine Hände zu den Augen und rieben den Schlaf aus. Ich guckte auf die Uhr.
Es war 8:30 durch. Schon längst. Beinahe 9:30 Uhr.
Im ersten Moment begriff ich gar nicht, weshalb mich das stören sollte.
Nur langsam wollte mein Gehirn begreifen.
Fast 9:30 Uhr.
9:30 Uhr.
Meine Augen öffneten sich nun ganz, als mir klar wurde, was das bedeutete.
Ich würde das Interview verpassen.
Verdammt.
Ruckartig schnellte ich nach oben, riss die Decke zur Seite und marschierte mit schnellen Schritten Richtung Bad. Sofort ging es unter die Dusche und noch während das kalte Wasser die letzte Müdigkeit aus meinem Körper verbannte, wurden meine Zähne schon von der Zahnbürste regelrecht malträtiert.
So ein Mist.
Ausgerechnet heute.
Eile war angesagt, keine Frage.
Nach fünf Minuten stieg ich wieder aus der Dusche und griff nach meinem Handtuch. Beim Abtrocknen verließ ich das Bad und machte mich auf Richtung Küche.
Dort angekommen, fing ich sogleich an, einen Kaffee aufzusetzen und Milch und Cornflakes bereitzustellen.
Nun ging es zurück ins Schlafzimmer, wo ich das Handtuch einfach aufs Bett schmiss und meine Klamotten heraussuchte. Ich versuchte mich zu konzentrieren, um auch ja die richtigen auszuwählen.
Wenn ich schon zu spät komme, dann doch wenigstens in einem vernünftigen und vor allem seriösen Eindruck.
Fertig angezogen machte ich mich erneut auf zur Küche. Der Kaffee war noch nicht fertig, also aß ich erst einmal meine Cornflakes.
Wie konntest du nur verschlafen.
Da bekommst du so eine Gelegenheit und verschläfst.
Na hoffentlich hat der Typ Geduld.
Als ich fertig gegessen hatte, nahm ich mir den Kaffee und goss mir eine Tasse voll. Davon trank ich allerdings nicht einmal die halbe; den Rest kippte ich einfach in den Abfluss.
Auf dem Küchentisch lagen noch meine Brieftasche und meine Uhr, die ich mir kurzerhand in die Tasche stopfte. Ich guckte mich noch mal kurz um, bevor ich zur Tür ging , meine Jacke nahm und auch schon aus dem Haus war. Unüblich für mich, aber in der Hektik unbeachtet, schloss ich die Tür hinter mir nicht ab.
Die Straße erreicht, wanderte mein Blick sofort zur Uhr, nur um festzustellen, dass es bereits kurz vor zehn war.
Um zehn war die ausgemachte Zeit.
Ich ließ ein Stöhnen von mir, klemmte meine Tasche unter den Arm und setzte mich in Bewegung.
Während ich mich also zum Interview aufmachte, ging ich im Kopf noch einmal den Ablauf durch. Besser gesagt, ich ging noch einmal durch, wie es am besten laufen könnte. Wer konnte denn schon wissen, was alles passieren wird ?
Das Interview sollte in einem kleinen Café stattfinden, welches ca. 15 Minuten von meiner Wohnung entfernt lag. Die Wahl des Ortes wurde von der Zeitung, festgelegt.
Die Person die ich interviewen würde, war der zur Zeit schwer angesagte Autor Kurt Blask. Er hatte in den letzten fünf Jahren beachtliche 6 Bücher geschrieben und veröffentlicht und jedes einzelne schaffte es in den Bestsellerlisten auf Platz 1. Das erstaunlichste daran war aber, das jedes Buch ein anderes Genre vertrat. Handelte es sich bei seinem ersten Buch noch um einen Kriminalroman, überraschte er Kritiker wie Fans mit seinem zweiten Roman, der die Abenteuer eines Piloten im 29. Jahrhundert schilderten. Es folgten ein Horror-Roman, die Biografie über einen (mir völlig unbekannten) Fernsehmoderator und ein Band gesammelter Erzählungen. In seinem letzten Buch analysierte er einen fiktiven Brief von einem KZ-Häftling. Durch seine letzten beiden Veröffentlichungen hatte er es geschafft, auch die letzten Kritiker zu überzeugen. So wollte auch der Chefredakteur der Zeitung ein Interview mit Kurt Blask.
Ich selbst hatte noch kein Buch von ihm gelesen, hielt es aber für besser, mir wenigstens eins anzuschauen, um bei dem Interview eventuell ein oder zwei Fragen darüber zu stellen. Da mir der Band seiner gesammelten Erzählungen überraschend gut gefiel, besorgte ich mir von dem Chefredakteur auch noch den Horrorroman und die Analyse des fiktiven Briefes. Beide waren nicht minder spannend bzw. geistreich und ich begann mich sogar regelrecht auf das Interview zu freuen.
Um genau 10:12 Uhr erreichte ich schließlich das Café.
Es gehörte zu einem schmalen Altbau, der zwischen zwei Neubauten geradezu versank. In großen Lettern stand schlicht und einfach “Café” über dem Eingang. Ein Fenster gewährte den Außenstehenden einen Blick hinein. Auf mich wirkte das Ganze wie der perfekte Ort für einen regnerischen Tag, wenn man einfach mal in Ruhe einen Kaffee trinken und dazu ein Buch lesen möchte, ohne dabei nur einsam in der Wohnung zu hocken. Ganz gemütlich sitzend, den heißen Kaffe in der einen, die Zigarette in der anderen Hand und auf dem Tisch liegend das vor gut einem halben Jahr gekaufte Buch, wofür man nun endlich die Zeit und die nötige Geduld hat, es in Angriff zu nehmen.
Schöner Gedanke.
Gäste gab es jedenfalls kaum welche.
Dementsprechend schnell erblickte ich Kurt Blask an einem der hinteren Tische.
Er lehnte sich leicht über den Tisch, seine Nase Zentimeter von dem Schreibblock entfernt, auf den er irgendetwas notierte.
“Herr Blask?”
Ruckartig schnellte sein Kopf nach oben. Seine Augen fixierten mich mit strengem Blick. Ich hatte ihn gestört.
“Ja?”
“Herr Blask, guten Tag. Ich bin Theodor Navarra von der Tageszeitung. Wir hatten uns für ein Interview verabredet.”
Sein Gesicht hellte sich auf.
Er erhob sich und streckte mir seine Hand entgegen.
Mir fielen sofort die dünnen Arme auf, die so überhaupt nicht zu seinen breiten Schultern passen wollten. Von der Kleidung war er eher unscheinbar.
Er trug eine einfache blaue Jeans und ein braunes T-Shirt.
Nichts Außergewöhnliches.
Das gefiel mir.
“Guten Tag, Herr Navarra.” Wir setzten uns.
“Entschuldigung für die Verspätung. Ich hatte Probleme beim Finden des Cafés.”
“Kein Problem.”
Eine dickliche Frau kam an unseren Tisch und fragte, ob wir irgendwas bestellen möchten.
“Für mich einen Kaffe und für Herrn Blask -”
“- für mich bitte zwei Croissants und ein Glas Wasser.”
Als die Frau hinter der Theke verschwand, beugte er sich zu mir rüber und verlangte von mir, dass ich ihn mit Kurt ansprechen solle.
“Da es bestimmt nicht in fünf Minuten getan sein wird, sollten wir wenigstens etwas Vertrauen entwickeln, meinen sie nicht?”
Ich stimmte zu.
“Also dann, wie haben sie sich denn die ganze Sache mit dem Interview vorgestellt”, fragte er mich und sah mich mit forschendem Blick an.
“Nun, ich dachte mir das so, dass sie damit beginnen, etwas über ihre Kindheit zu erzählen und ich ihnen dazu Fragen stelle. Später können wir uns ein bisschen über ihre bisherigen Werke und gegebenenfalls neue Ideen unterhalten. Weiter brauch man glaube ich erstmal nicht denken, da schon so genug Material zusammenkommen wird.
Ich würde dann mit einer einfachen Frage beginnen, wenn sie denn bereit wären?
Er nickte.
“Wann und wo wurden sie geboren?”
“Geboren wurde ich in Leipzig, wo ich aber nur die ersten sechs Wochen verbrachte. Meine Eltern mochten die Hektik und die Unruhe der Stadt nicht, weiß der Teufel warum, und zogen in ein kleines Dorf etwa 40km von Leipzig entfernt.”
“Wir lebten in einem Haus, wovon uns die eine Hälfte gehörte; die andere gehörte schon einem älterem Ehepaar. Die Zeit dort habe ich insgesamt gesehen in guter Erinnerung. Meine Eltern arbeiteten beide bei einer Lokalzeitung, die sich, dank mangelnder Konkurrenz, gut verkaufte. Daher stimmte auch das Geld und wir hatten kaum finanzielle Probleme.
Natürlich war trotzdem das Konto leicht in den Miesen, aber ich glaube das ist sowieso normal, meinen sie nicht?”
Ich setzte zur Antwort an, aber er sprach einfach weiter.
“Also wie gesagt, die finanzielle Seite war nicht das Problem. Auch meine Eltern selbst waren kein Problem, wenn ich das mal so ausdrücken darf. Es gab immer mal wieder ein paar kleinere Streitereien, wie sie in jeder Ehe bzw. Familie einmal vorkommen.
Nein, vielmehr ein Problem war die Verwandtschaft. In gesundheitlicher Hinsicht. Mein Großvater hatte mit 56 einen schweren Herzinfarkt, der ihm beinahe das Leben kostete.
Da war ich 8. Es blieb auch nic-…”
Die dickliche Frau kam wieder an unseren Tisch, diesmal mit einem Tablett, worauf mein Kaffee, sowie die zwei Croissants und das Wasser für Blask standen. Sie stellte alles mit äußerster Sorgfalt ab, wobei sie uns jeweils anlächelte, und verschwand dann wieder hinter der Theke.
Sofort nahm ich ein kräftigen Schluck des Kaffees. Mein gegenüber griff sich eines seiner Croissants und Biss mit sichtlichem Vergnügen hinein.
Während er noch kaute, begann er weiterzuerzählen.
“Es blieb auch nicht bei diesem Einen, sondern es folgten noch zwei, wodurch man sich entschied, eine Herztransplantation durchzuführen. Alles klappte bestens, aber ich konnte spüren, wie sehr diese Strapazen meines Großvaters meinen Vater mitnahmen. Er wirkte vollkommen am Boden zerstört, an manchen Tagen aß er kaum etwas oder blieb die ganze Nacht über wach in der Küche und rauchte eine Zigarette nach der anderen.
Ich hatte Angst um ihn und konnte nun selber nicht mehr schlafen, sondern musste nur noch an meinen Vater denken und weshalb er sich so komisch benahm. Die aberwitzigsten Dinge gingen mir durch den Kopf und mit jedem Gedanken wurde die Vorstellung düsterer.
Meine Fantasien gingen sogar so weit, dass ich glaubte, mein Vater würde sterben.
Ein Achtjähriger, der über den Tod seines Vaters grübelt.”
Er schüttelte resigniert mit seinen Kopf und nahm einen Schluck Wasser aus seinem Glas.
“Bereits in solch einem Alter, solch schlimme Gedanken zu haben.”
Erneuter Griff zum Wasserglas.
“Die Herztransplantation sollte jedenfalls kurz nach meinem neunten Geburtstag durchgeführt werden und ich hoffte innerlich, dass alles gut gehen würde. Im ersten Moment weniger wegen meinem Großvater, denn meinem Vater.”