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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Endlosgeschichte



Alexiel
24.01.2003, 02:00
Hiermit ist die Endlosgeschichte neu eröffnet! Vor euch sind die letzten 3 Beiträge aus dem alten Forum, mit dem Link kommt ihr zur Download-Version des Rests!

Hier lang nach Lestania (http://mitglied.lycos.de/rjones/castle/eg.php?gin=<?%20echo%20$gin;%20?>)

Happy Posting!
Alec O:)

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Silence
erstellt am: 03.01.2003 um 18:23


Hiob eilte die Treppen herab. Insgeheim ärgerte es ihn, das die Schwester ihn aus seinen Studien gerissen hatte.

Als er schließlich den dämrigen Saal betrat, weiteten sich seine Augen vor Entsetzen.
Sie waren erwacht, viel zu früh erwacht...
Ein Krächzen entronn seinem Hals und plötzlich starrten ihn dutzende von Augenpaaren gleichzeitig an.
Es waren schöne Augen, traurige Augen, fragende Augen, neugierige Augen, harte Augen...
Der Oberpriester wannte sich eine zeitlang ab. Es viel ihm schwer, diesen Anblick zu ertragen, ohne gleich vor den Engeln auf die Knie zu fallen und Vergebung zu erbitten.

Die Augen waren immer noch auf sein Gesicht geheftet. Langsam kehrte die Ruhe in Hiobs Geist ein. Er sah ihre unsicheren Bewegungen, spührte das Verwirren, welches in der Luft geradezu greifbar war.
Sie würden ihn brauchen, wenn sie wieder über diese Ebenen wandeln wollten...

Der junge Engel ohne Namen beobachtete diesen seltsamen Mann, wie er langsam in ihre Mitte kam.
Ein seltsames, unbehagliches Gefühl überkam bemächtigte sich ihrer.
Es war schon seltsam. der Ort und viele der Anwesenden hier strahlten Ruhe und Geborgenheit aus.
Er aber nicht. trotz der festen und ruhigen Schritte die ihn auf eine der Amphoren führten, wirkte er rastlos und ein wenig nervös.

Als er den hochgelegenenen Platz erreicht hatte, legte sich gespanntes Schweigen über das Bauwerk.

Erneut richteten sich alle Augen auf Hiob. und diesmal genoß er es. Denn hier stand sie vor ihm, die Vorhut einer Armee, die Lestania in ihren Grundfesten erzittern lassen konnte.
Auch wenn sie viel zu früh aufgewacht war...


RPG-Süchtling
erstellt am: 09.01.2003 um 22:22



Die Schlacht verlief gut. Die Hobgoblins schienen sich so auf ihre Taktik verlassen zu haben, dass sie niemals damit gerechnet hatten, sie könnte nicht aufgehen. Was Jack allerdings im Eifer des Gefechts auffiel: Sie zogen sich nicht zurück, obwohl ihre Lage offensichtlich aussichtslos war. Vielleicht waren diese Wesen mit noch weniger Intelligenz ausgestattet, als man gemeinhin annahm.
Der Krieger stand mit dem Rücken zu Dalyana und Sith, während er zwei Angreifer abwehrte. Mittlerweile waren die Verteidiger in der Überzahl; kein Feind konnte sich sicher sein, nicht in der nächsten Sekunde ein Schwert in den Rücken zu bekommen. Jack parierte gerade einen Verzweiflungsschlag eines Hobgoblins, bevor er ihm den Hals durchbohrte. In diesem Augenblick schoss ein Gefühl durch seinen Körper. Es war wie ein Feuer, das ihn gänzlich erfüllte und ihn schlucken ließ.
Was war das gewesen?
Aber er hatte nicht lange Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Schon wurde er erneut bedrängt, die Gegner schienen es nun primär auf ihn abgesehen zu haben. Doch auch diesmal hatte er keine Probleme. Fast schien es, als hätte es sein Gegner gar nicht darauf abgesehen, ihn ernsthaft zu verletzen. Als sein Oberkörper ungedeckt war, rammte Jack ihm kurzerhand das Schwert hinein.
Wieder dieses Gefühl. Und diesmal konnte er spüren, woher es kam. Es schien über die Spitze seiner Waffe durch die Klinge und seine Hand direkt in seinen Körper zu fahren. Es war ein großartiges Gefühl. Als wenn eine seltsame Energie seine Lebensgeister stärken würde.
Der Krieger wartete nicht mehr auf einen neuen Angreifer, diesmal suchte er sich einen. Schon hatte dieser seinen letzten Atemzug getan, während Jack tief einatmete und genoss.
Sith ging in die Knie und fegte mit ihrem Kampfstab knapp über dem Boden. Grunzend knickte der Hobgoblin um, nur im nächsten Moment einen genickbrechenden Schlag in den Hals zu erhalten. Sie schaute sich um. Überall lagen verwundete oder tote Körper auf dem Boden, die überwiegend von ihren Angreifern stammten. Sie beobachtete die Söldner, die ziemlich unkoordiniert herumrannten und die letzten verbleibenden Gegner niedermachten. Ohne die Hilfe ihrer Begleiter hätte die Karawane sicher mehr Probleme gehabt. Dafür schuldet ihr uns was, dachte Sith.
Auch Dalyana fand kaum noch Ziele, in die sie ihre Pfeile hätte versenken können. Sie nahm den Bogen herunter und nickte Sith zu.
"Sieht so aus, als wären wir siegreich."
Das Katzenmädchen antwortete nicht. Ihre feinen Sinne hatten in der Ferne etwas bemerkt. "Was ist das?"
Zwischen den letzten Kampfgeräuschen drang etwas hindurch, das wie ein wütenden Jammern klang. Sith folgte ihrer Neugier und machte sich auf den Weg, um nachzusehen. Die Dunkelelfe sah sich noch einmal um, bevor sie ihr folgte.
Unweit vom Kampfplatz konnten die beiden eine Gestalt ausmachen, die über eine andere gebeugt war. Die Hengeyokai erkannte die Statur und die Kleidung sofort wieder.
"Jack!" rief sie freudig.
Erst jetzt bemerkten sie, dass der Angesprochene schwer und unregelmäßig atmete.
"Jack, bist du verletzt?" gab Dalyana ihrer Vermutung Ausdruck.
Keine Antwort. Langsam drehte sich die Gestalt um. Sith bekam einen Schreck und wich einen Schritt zurück. Ja, es war Jack. Aber er bot einen grotesken Anblick. Er war über und über mit grünem Blut bespritzt, das widerlich stank. Aber eine andere Beobachtung machte den freunden mehr zu schaffen. Das Schwert. Obwohl es voller Blut war, konnte man einen rötlichen Schimmer erkennen, der davon ausging. Es schien fast, als würde es glühen. Dieses rote Licht war aber nicht auf die Waffe beschränkt. Es lief über Jack´s Arm, seinen halben Oberkörper, bis zu seinem Gesicht, das einen dämonischen Ausdruck angenommen hatte. Nun konnte man auch den Köper sehen, der auf dem Boden lag. Es musste wohl ein Hobgoblin gewesen sein. Aber es war nicht mehr viel von ihm übrig. Ein grüner Blutsee, auf dem zerstückelte Fleischklumpen lagen.
Die Augen von Dalyana und Sith weiteten sich vor Entsetzen.
"Jack, du... siehst aus wie damals." brachte das Katzenwesen hilflos hervor.
"Dieses verfluchte Schwert..." begann Daylal. Weiter kam sie nicht. Mit einem Brüllen rannte Jack los und hob sein Schwert.


Alexiel
erstellt am: 23.01.2003 um 14:02


Die gewaltige Halle war von einer erdrückenden Stille eingehüllt. Keiner der Engel gab auch nur einen Laut von sich. Sie sahen alle zu Hiob hinauf, diesem Menschen, ein Priester wie er sich bezeichnete. Sie hatten keine Ahnung was früher gewesen war, wer sie waren, doch dieser Priester meinte, dass dieser Zustand nicht mehr lange anhalten würde.
Doch woran sollten sie sich erinnern?
Jeder von ihnen fühlte eine tiefe Leere in seinem Inneren. Irgendetwas schien zu fehlen, irgendetwas war gewaltsam von ihnen genommen worden, vor langer Zeit. Danach hatte der Schlaf begonnen, traumlos, tief und ohne Erinnerung, doch was war vorher gewesen?

Hiob ließ stolz seinen Blick über die Menge gleiten. So klare Augen, unwissend und aufmerksam, kannte er nur von kleinen Kindern, Säuglingen, doch seine Armee war mehr. Bald würde sich die Erinnerung aus ihrem stillen Grab in ihren Seelen befreien und dann war es an ihm ihre Wut und ihren Wunsch nach Vergeltung zu lenken…
Jetzt jedoch waren sie noch nicht soweit. Es galt sie zu versorgen, ihnen angemessene Kleidung zu kommen zu lassen und sie zu speisen. Einige von ihnen hatten hunderte von Jahren lang geschlafen, ein gesunder Hunger war danach nur das natürlichste der Welt.
Hiobs Blick glitt hinunter auf den jungen weiblichen Engel. Mit ihr hatte er besondere Pläne…

Silence
01.02.2003, 19:15
Als das Splittern und Klirren der letzten Kristalle verklungen war, senkte sich die bekannte Stille über das Sanktuarium. Und sanft setzte wieder das Geräsch ein, welches schon seit Jahrhunderten zwischen den Säulengängen hindurchgehallt war: Der Herzschlag von Wesen, die in einem kristallenen Sarkopharg schliefen.
Doch das Schlagen der Herzen war viel leiser geworden:
Unzählige der einstigen Schläfer waren über den gesammten Raum verteilt. Sie tuschelten, stärkten sich, kleideten sich ein.

Hiob näherte sich bedachtsam dem jungen Engel. Sie saß nachdenklich auf einer der Steinbänke und starrte gedankenverloren vor sich hin.
Sie trug nun eine leichte, weiße Tunika und das lange, offene Haar schlängelte sich herab und umrahmte wie ein Fluß die beiden Flügel. Ein sanfter Zug spielte mit ihren Haaren und den Federn ihrer Flügel...

Plötzlich blickte sie sich um und schaute direkt in Hiob's Antlitz.
"Wer bin ich?" fragte sie unvermittelt.
"Das weiß ich nicht mit Bestimmtheit", begann Hiob," aber ich kann Dir und Deinen Freunden das was und warum erklären. Nätürlich nur, wenn es euch interessiert."
Der junge Engel nickte zögerlich.
"Dann komm' mit mir. Ich möchte Dir etwas zeigen."

Hiob führte sie aus dem großen Saal heraus. Sie schienen sehr weit abzusteigen.
"Früher erstreckten sich die Gebäude unseres Ordens nur hier, tief unter der Erde. Es waren raue Zeiten ... als mein Orden die Chroniken dieser Welt begann"
Sie kamen in eine große Kammer, die in Dämmerlicht gehüllt war. Hiob hob seine Hand mit dem Handteller nach oben. Ein kleines Häufchen Staub befand sich darauf. Er bließ den Staub vorsichtig von seiner Hand weg. Er verteilte sich wie ein nebliger Schleier in dem Großen Saal. Langsam wurde es hell.
An der Decke, auf dem Boden und an den Wänden offenbahrten sich riesige Mosaiken.
Die Bilder stellten riesige Landschaften dar, Meere, Städte, pulsierendes Leben.
"Du erkennst es wieder, nicht wahr?"
Sie strich mit geschlossenen Augen über ein Mosaik, auf dem ein Sonnenaufgang zu sehen war. Auf den ersten Strahlen der Morgensonne tummelten sich Greifen...
"Was ist geschehen? Warum kann ich nicht mehr dort sein?"
Stumm lenkte er ihre Aufmerksamkeit auf ein anderes Mosaik. Es war düster, zeigte zeigte viele Rassen, Dämonen und ... Engel mit dunklen Flügeln.
"Sie vertrieben Dich, Deine Freunde und Eure Schutzpatronin aus Eurer Heimat und verdarben all dass auf dieser Welt, was ihr einmal beschützt hattet."
Der Priester wies auf ein dunkles Mosaik, auf dem nur Leid, Hoffnungslosigkeit und Tod zu sehen war.
"Wer sind sie?" fragte der Engel.
"Es sind gefallene Engel mit ihren untoten Dienern - den Nairios. Einst hatten sie einen Pakt mit den Dämonen. Doch so wie sie euch hintergangen hatten, versuchten sie auch, die Dämonen zu hintergehen. Für diesen Versuch mußten sie teuer bezahlen... Die Verbleibenden sind über die ganze Welt verstreut. Eure Heimat und diese Welt jedoch mußten sie genauso wie ihr, den Dämonen überlassen."
In den Augenwinkeln erkannte Hiob ein leichtes Zittern bei dem Engel.
"Warum helft ihr uns, Mensch" fagte der Engel plötzlich sehr scharf.
"Eure Schutzpatronin und unsere Göttin sind ein und dieselbe Existenz. Wir sehen es als Ehre an, unserer Herrin und ihren Helfern zu Diensten sein zu können."
Hiob verbeugte sich leicht.
"Aber wie können wir gegen...?"
"Mein Orden bereitet schon seit Jahrhunderten die Befreiung dieser Welt von den Dämonen und Nairios vor... ihr werdet die besten Waffen..."
Sie unterbrach ihn:
"Kann ich hier unten noch ein wenig bleiben, für mich allein sein und nachdenken?"
"Natürlich", meinte der Priester und zog sich leicht irritiert zurück.



"Es ist nicht verflucht" zischte eine Stimme, die aus der Richtung von Jack kam.
"Was ist dann mit Dir?" wollte Sith wissen.
"Ich weiß auch nicht. Mich hat auf einmal eine unsägliche Wut gepackt, als die Lage hoffnungslos erschien! Und dieser Wut habe ich mich hingegeben."
Siths Ausdruck war skeptisch. Auch Dalyana hatte noch einen zweifelnden Gesichtsausdruck. Hinter ihnen war Drafco erschienen. Er unterhielt sich mit einigen der Wachen.
Die rote Aura schien sich langsam abzuschwächen.
"Aber das ist nicht weiter von Belang, denke ich. Wir haben gesiegt. Lasst uns so schnell wie möglich weiterziehen. Ich mag diesen Ort hier nicht," sprach der Krieger. Er blickte rastlos nach Nordosten.
Dalyana und Sith tauschten fassungslos die Blicke.
Gerade als Sith erneut etwas sagen wollte, gab der Chronist den beiden Frauen mit einem Kopfschütteln zu verstehen, nicht weiter zu fragen.
"Ich bin auch der Meinung, dass wir hier schnell verschwinden sollten. Der Karawanenführer bereitet schon alles vor. Er hält es hier für zu gefährlich."
Als er fertig war, legte er nochmals den Finger auf den Mund und gab der Elfe und der Hengeyokai damit zu verstehen, nichts mehr zu sagen.
"Genau meine Meinung," antwortete Jack nach einer Weile mit normaler Stimme.
Innerhalb von zwei Stunden waren die Verwundeten soweit verpflegt und alles in der Art vorbereitet, dass man aufbrechen konnte.

Je näher die Karawane der Provinzhauptstadt kam, desto freundlicher wurde das Land. Von der Wüste war hier überhaupt nichts mehr zu spühren.
Uralte Bewässerungsanlagen hatten das Land in eine fruchtbare Gegend verwandelt. Die alten Bauten aus längst vergangenen Zeiten ragten majestätisch in die Höhe.
Auch wenn hier kaum jemand lebte, so konnte man dennoch an den ausgestreckten, lichten Wälder und den weiten Gras- und Buschebenen erfreuen.
Die Strasse war nun befestigt und die Karawane kam schneller voran.
Nach weiteren drei Stunden erreichten sie dann bewohntes Gebiet. Zu beiden Seiten zogen sich ausgedehnte Felder und saftige Weiden hin. überall waren kleine Bauernhöfe zu sehen, dann und wann eine kleine Siedlung. Den Bewohnern schien es gut zu gehen.
Dennoch lag der Schleier der Angst in ihren Gesichtern. Überall war geschäftiges Treiben und aufgeregtes Zusamenpacken von Hab und gut zu erkennen...

"Wir haben ein Problem," erklärte Sith atemlos, als sie von einem Erkundungsritt zurückkam.
"Es gibt wohl eine Belagerung von Dulgov. Die Truppen des Statthalters versuchen zwar, einige Verbindungswege zur Stadt offenzuhalten, aber sie sind einfach zu wenige."
"Ich hab' eigentlich wenig Lust, in eine belagerte Stadt zu marschieren," warf Dalyana ein.
"Euer Auftrag ist noch nicht beendet," entgegnete der Karawanenführer. "Wir bringen Waren, die die Stadt braucht. Außerdem sind noch Wege offen. Wir sollten uns also beeilen."

Schweren Herzens stimmte die Gruppe zu. Sie brauchten das Geld und sie brauchten neue Vorräte. In den Dörfern hier war nichts mehr zu holen, da die Bevölkerung alles mitnahm. Abgesehen davon wurde die Karawane von sden ewohnern und den Dorfmilizen mißtrauisch beobachtet. Rasch zogen sie weiter.

Als sie sich den Stadtmauern näherten, sah man Rauch aus dem Norden aufsteigen. Der Wind trug Kampfgeräusche und den Gestank des Todes mit sich.
Von den Mauern ertönte ein Signal und kurz daruaf öffnete sich das Tor, und eine Reiterkolonne preschte heraus.
"Ah, unsere Eskorte zur Stadt," meinte der Karawanenführer.
"Wieso seid ihr euch dessen so sicher," fragte Dalyana.
"Weil wir nicht wie Hobgoblins aussehen" entgegnete Sith.
Die Augen der Gruppe weiteten sich entsetzt. Sie hatten noch nie gehört, dass sich Hobgoblins in solchen Mengen zusammenrotteten, dass sie ganze Städte angreifen konnten.
Mit der Unterstützung der Eskorte gelangten sie wohlbehalten in der Stadt an.

Es war eine recht alte und wehrhafte Stadt mit dicken Mauern und hohen Türmen. Auch machten die Stadttore einen deutlich solideren Eindruck als die Tore von Orbitalia.
Überall sah man in den Strassen, wie Vorräte herbeigeschafft und verstaut wurden. Ihre Karawane war wohl nicht die einzige, die es bis nach Dulgov geschafft hatte. Auf den Mauern wurden Vorräte von Pfeilen und Speeren angelegt. Man brachte Steine und große Kessel über den Toren in Stellung. Einige Soldaten schleppten auch schon die ersten Bleiblöcke herbei.
So gesehen war die Stadt recht gut auf eine Belagerung vorbereitet.

Eilig holte sich die Gruppe ihren Lohn.
Sie mußten sich sputen, um ihre Vorräte aufzustocken. Denn die Zeit drängte...
Draußen ertönten plötzlich die Alarmhörner. Eine kleine Gruppe Provinzsoldaten strömte durch die Tore in die Stadt
"Bei der Göttin, dass ist die Einheit von Hauptmann Justin," sagte einer der Händler. "Dann muß der Belagerungsring um die Stadt geschlossen worden sein."
Die Hoffnungslosigkeit in seiner Stimme war nicht zu überhören...

RPG-Süchtling
05.02.2003, 04:33
Meles saß am Ufer und betrachtete das Meer, auf dem sich die Strahlen der untergehenden Sonne golden brachen. Er schloss die Augen und zog die Beine an. Hinter ihm befanden sich die Überreste eines sehr alten Magierordens, heute nicht mehr als ein Schatten, nicht mehr als eine Unebenheit im Boden, ein Hindernis für die wuchernden Pflanzen. Niemand hätte vermutet, dass auf diesem Grund einst ein beeindruckendes Gebäude stand, das als würdiges Symbol für die Macht der Lay’har in den Himmel ragte. Geblieben war lediglich ein Gefühl, dass wie ein Echo der starken Magie, die hier einst herrschte, dem Körper einen Schauer über den Rücken jagte. Und alles was übrig geblieben war, war Meles und seine Schwester. Als ob die Geschichte etwas übersehen hätte, als sie den Magierorden von Lestania wischte.
Still und tief nahm er jeden Atemzug in sich auf. Die Luft roch noch genauso wie damals. Ein frische Meeresbrise beugte das Gras. Hier hatte er früher oft gesessen, wenn er sich in seine Studien vertieft hatte oder einfach seine Ruhe haben wollte. Seine Schwester hatte nicht einmal versucht, ihn hier aufzuspüren. Es war ihr meistens egal, was er so trieb. Er hat niemals wirklich einen Zugang zu ihr gefunden. Je älter beide wurde, desto weniger verstand er ihre Beweggründe und ihr Streben nach Macht und Einfluss. Dennoch mochte er sie.
Er schaute sich um. Diese Welt war ihm fremd geworden. Was hatte er hier eigentlich verloren? Fünftausend Jahre waren eine unglaublich lange Zeit, selbst für ihn. Er hatte nicht gespürt, wie die Zeit verging. Seine Fähigkeit, sich ihrer Macht zu entziehen, hat ihn davor bewahrt, wahnsinnig zu werden. Er harrte aus, bis zu jenem Tag, als Ceredrie wieder erwachte. Ihr Gefängnis, obschon mit diversen Versiegelungszaubern versehen, war nicht in der Lage gewesen, sie aufzuhalten.
Und dann sah er sie. Meles fragte sich, was er sich von dem ersten Treffen mit ihr versprochen hatte. Vielleicht hatte er insgeheim gehofft, ihre damalige Niederlage gegen die Kämpfer des Lichtes hätten ihr zu Denken gegeben. Als sie ihn traf, hatte sie allerdings nur Verachtung für ihn übrig. Seine Worte konnten nicht zur ihr durchdringen. Sie war schon wieder auf halbem Wege zu ihrem Herrn, zu ihrem dunklen Mentor, Vanard! Sie hatte sich kein bisschen verändert. Ihre Gesichtszüge strahlten immer noch kalte Grausamkeit aus, Stolz und Bitterkeit. Er fasste sie bei der Hand, doch sie entriss sie ihm mit Gewalt und floh.
Er hatte sich geschworen, ihrem Leben nach diesem missglückten Versuch der Kontaktaufnahme ein Ende zu setzen. Niemals wieder sollte sie ihre Kräfte für das Böse einsetzen, selbst, wenn es auch sein Ende bedeuten sollte. Er war fest entschlossen, sich nicht mehr durch seine Gefühle daran hindern zu lassen, das richtige zu tun. Seine Schwester war schon lange fort. Das, was übrig war, war rohe, gnadenlose Macht, die sich auf die hilflosen Geschöpfe dieser Ebene entlud. Er musste sie aufhalten.
Und bis zu dem Zusammentreffen mit dem Phönix hatte er auch keinen Zweifel daran gehabt, dass er dazu in der Lage wäre. Als er jedoch die Orte und Gefühle lang vergangener Zeiten wiedererlebte, erinnerte er sich daran, wie nah er einst zu Ceredrie gestanden hatte. Die Unbarmherzigkeit, die er bisher mit aller Strenge in seinem Herzen genähert hatte, sollte ihn davon abhalten, im entscheidenden Moment zu zögern, zu zweifeln. Die alten Bilder aus jener Zeit hatte er längst begraben. Doch nun hatten sie wieder etwas aufgewühlt. Er fühlte wieder etwas für seine Schwester. Verantwortung. Nicht sie war ihr Feind, sondern die Macht, die ihren Ehrgeiz korrumpiert und sie zu seinem Werkzeug gemacht hatte. Er war nun sein wahrer Feind geworden, wie es eigentlich immer hätte sein sollen. Auch wenn er sich bewusst war, dass er alleine in diesem Kampf völlig chancenlos sein würde.
Doch er konnte sie nicht finden, geschweige denn ihren Peiniger. Es war schon damals fast unmöglich, und heute würde er es ohne fremde Hilfe womöglich niemals schaffen. Damals hatten ihm die Priester des Weißen Weges mit ihrem Wissen über die alten Götter unter die Arme gegriffen. Sie hatten sie mit Magie in einem von Vanard´s Tempel aufgespürt und sie mit Hilfe des magischen Steins, der Träne der Göttin, soweit geschwächt, dass sie in einen tiefen, künstlichen Schlaf versetzt werden konnte. Die Träne der Göttin konnte jedoch mit keiner auf der Erde bekannten Methode vernichtet werden, und so war die Energie Ceredrie´s zwar gebannt, aber nicht beseitigt. Meles wäre als einziger dazu in der Lage gewesen, das Artefakt in Scherben zersplittern zu lassen. Doch er hatte sich geweigert.
Dieser Tempel auf der Insel von Ural´pec war die erste Station, die er aufgesucht hatte. Wie zu erwarten, war dort weder eine Spur von seiner Schwester, noch irgendwelche Hinweise auf ihren jetzigen Aufenthaltsort zu finden. Normalerweise würde es ihm nicht schwerfallen, sie aufzuspüren. Er konnte jederzeit ein anderes Wesen orten und im selben Augenblick an seiner Seite stehen. Aber die Macht, der sie sich verschrieben hatte, machte sie fast unsichtbar für seine geschulten Sinne. Wenn er sie traf, dann nur aus reinem Zufall oder wenn sie es wollte. Manchmal aber erriet er ihr Verhalten, da er ihren verdorbenen Charakter kannte.
Von den Priestern konnte er auch keine Hilfe erwarten. Sie konnten sehr nachtragend sein. Koralis hatte ihm berichtet, dass sie sogar seinen Tod wünschten. Und das bloß, weil er einst nicht der Ermordung eines Familienangehörigen zugestimmt hatte.
Er hatte damals Angst gehabt. Er wollte es sich nicht sofort eingestehen, aber er fürchtete sich. Er wusste nicht genau, ob er jemals wieder auf Erden wandeln würde. Die Vorstellung eines ewigen Schalfes war für ihn fast noch furchteinflößender als der Tod. Doch diese Überzeugung gewann er erst, als es fast zu spät war. Kurz bevor sie ihn in denselben Zustand wie seine Schwester versetzten, schloss er also einen Pakt mit einem Halbengel, einem Wesen, in dessen Macht es stand, den Stein zu entwenden. Athanasia stimmte freudig zu. Schließlich hatte Meles ihr versprochen, ihr im Gegenzug einen Gefallen zu tun. Wie blind und verzweifelt war er doch damals gewesen, dass er nicht ihr verderbtes Herz und ihre wahren Beweggründe erkannt hatte.
Da sie nicht abgesprochen hatten, wann sie den Diebstahl durchzuführen hatte, wartete sie. Und sie wartete lange. Bis sie seine Hilfe brauchte. Und nun hatte sie ihn in der Hand. Mit dem magischen Stein hatte sie jederzeit die Möglichkeit, ihn seiner Kräfte zu berauben, wenn er ihr nicht gehorchte. Er senkte den Kopf. Wie hatte er damals so kurzsichtig sein und ihre wahre Natur nicht erkennen können? Er konnte es sich nicht noch einmal leisten, seine Kräfte einzubüßen. Er musste vorsichtiger vorgehen, wenn er nicht noch einmal ihren Zorn heraufbeschwören wollte. Insgeheim hatte er schon längst den Entschluss gefasst, ihr die Träne der Göttin wieder abzujagen. Er brauchte ihn, um Ceredrie unversehrt zu bändigen. Nur wie sollte er das anstellen? Er musste auf eine gute Gelegenheit waren. Bis dahin musste er so tun, als wäre er ihre willige Marionette.
Die erste Tat auf ihre Anweisung hin hatte er schon ausgeführt. Er hatte Koralis angewiesen, Jack das Schwert Emendantus zurückzugegeben. Offensichtlich benutzte sie diesen Krieger für ihre Pläne, genauso, wie sie vorgehabt hat, Elyana zu benutzen. Es schien, als wolle sie die Götterdämmerung heraufbeschwören, schließlich war das Schwert ein wichtiges Werkzeug dazu.
Und Ceredrie? Welches Interesse hatte sie an Jack? Wollte sie ihn lediglich auf ihre Seite ziehen oder steckte mehr dahinter?
Auf alle Fälle spielte sich viel in dem Umfeld des Kriegers ab, was auch Meles direkt betraf.
Er fasste einen Entschluss, stand auf - und war im nächsten Moment verschwunden.

Alexiel
08.02.2003, 21:07
Die Halle hatte sich verdunkelt. Die magische Decke stellte nun einen klaren Sternenhimmel ohne Mond dar. Am Boden blühten kleine, weiße Blumen und badeten im Licht des nichtvorhandenen Mondes.
Die Sterne am Himmel waren aber nicht die einzigen Lichtquellen in der Halle. Ein sanftes Strahlen ging von der Person, die in der Mitte der Wiese saß, aus. Lira war in Trance, ihre Augen starrten offen in eine andere Dimension und strahlten dabei ein kaltes Licht aus.
Mit einem Mal schlossen sich die Lider, die sichtbare Aura der Frau verschwand und Lira huschte ein Lächeln über das Gesicht.
"Sie sind tatsächlich erwacht, Elion." Ein Junge von sieben Jahren erschien an der Seite der Herrin und reichte ihr einen Kelch gefüllt mit einer dunklen Flüssigkeit. Lira nahm sichtlich durstig einen großen Schluck.
"Ehrenwerte Kentari, ist die Zeit nun gekommen?" fragte der Junge vorsichtig.
"Ja, Elion, die Engelsarmee ist erwacht. Der alte Hiob weiß ja nicht, welche Macht er in den Händen hält." Erneut huschte ein Lächeln über ihre Lippen. "Es wird Zeit meinen Peinigern einen Besuch abzustatten. Ich kann diesen Ort nicht verlassen, ohne dass der Orden es bemerkt, aber du, mein lieber Elion, kannst diese Aufgabe für mich übernehmen und die, die ich sehen will hierher führen."
"Sehr wohl, Herrin…aber, Herrin, wird dieser Priester es nicht bemerken, wenn ihr eure zurück gewonnene Macht benutzt?"
"Sehr aufmerksam von dir, Elion. Du bist wahrlich einer der letzten aus dem Priestergeschlecht der Kentari. Deine Weitsicht ehrt dich."
"Vielen Dank, Mylady."
"Sie werden nichts merken. Sie haben auch nicht gemerkt wie ich wieder zu Kräften gekommen bin, noch dass ich hier die letzten der Eryner versammelt habe. Die Priester haben ja nicht einmal gespürt, dass ich Varnards mögliches Avatar und die letzte der Drow hier bei mir hatte. Es bedarf nicht meiner ganzen Kraft die magische Barriere zum Kloster zu öffnen und keiner dieser Priester – auch nicht alle zusammen – sind meiner Macht ebenbürtig."
"Wisst ihr denn, wo sich das Kloster befindet? Zu den Besucher hab ihr gemeint, ihr könntet es nicht finden."
"Elion, selbst du musst die Schwingungen spüren, die die Wiedergeburt der Engel vom Kloster ausgehen lassen. Selbst ein blinder Mensch könnte zurzeit den Weg zum Kloster ohne Probleme finden – er muss nur seinen Kopf frei machen für das wesentliche."
Der Junge nickte. "Ich verstehe, Herrin."
"Geh und mach dich bereit. Komm in einer Stunde wieder, dann hab ich alles organisiert."
"Wie ihr wünscht, Mylady." Elion drehte sich um und verließ mit schnellen Schritten die Halle, während hinter ihm Lira wieder in Trance verfiel.

Sie wanderte durch die Dimensionen, weg von ihrem Gefängnis, den Schwingungen nach zum Standort des Klosters. Eine bestimmte Person war in der Lage sie aus den Fängen der Priester zu befreien, und diese Person musste sie kontaktieren. Vor Liras innerem Auge erschien eine kleine Halle, die Wände mit Mosaiken geschmückt und der Boden aus grauem, kalten Stein. Dort, ganz allein, saß der junge Engel, dem sie ihre Freiheit verdanken würde.

Das Engelsmädchen war in Gedanken versunken. Immer wieder zuckten Erinnerungen durch ihren Kopf. Zu schnell, um sie sich zu merken, aber trotzdem hinterließen sie eine deutliche Spur je öfter sie auftraten. Ganz deutlich sah der Engel rotes, langes Haar vor sich, aber sie konnte sich nicht erklären warum. Ihr eigenes war dunkel, fast schwarz mit einem rötlichen Schimmer, aber das lange, schöne Haar in ihrem Kopf war leuchtend rot. Irgendetwas verbannt sie mit dieser Farbe, doch sie konnte sich nicht erinnern, was.
Plötzlich riss eine Stimme sie auch den Gedanken.
"Ich heiße dich Willkommen unter den wachen Lebenden, meine Liebe. "
"Wer ist da?" Erschrocken blickte sich das Mädchen um. Wo war die Person, die mit ihr sprach?
" Aresha'arim, so ist dein Name. Hab keine Angst."
"Wo seit ihr? Zeigt Euch!" Der Engel fuhr herum, in der Hoffnung den Standort ihrer Gesprächspartnerin zu entdecken.
"Mir ist es leider noch nicht möglich mich dir zu zeigen. Dazu müsstest du dich schon auf meine Ebene begeben. Aber du kennst meine Stimme. Einst haben wir zusammen gearbeitet, erinnerst du dich?"
"Ich erinnere mich an gar nichts!"
"Die Nachwirkungen des Zaubers und deines langen Schlafes. Es ist wichtig, dass du mir zuhörst." sprach Lira weiter beruhigend auf sie ein. Sie hätte sich zeigen können, zumindest eine Projektion ihrer selbst, aber es war zu gefährlich. So kurz vor dem Ziel würde sie nichts mehr riskieren.
"Nennt mir Euren Namen!" verlangte Aresha.
"Lira'Nacshie Maranda, die letzte Kentari der Eryner. Frischt das deine Erinnerung auf?"
"Ich kenne den Klang Eures Namens…Woher kenne ich Eure Simme?"
"Wir dienten derselben Herrin, der einen Göttin."
"Ihr sprecht von Narea!" Aresha wurde aufgeregt. Der Priester wollte nur in Rätseln sprechen, jetzt aber hatte sie vielleicht die Gelegenheit, mehr herauszufinden.
"Ich kenne deine Vergangenheit, junger Engel. Ich kann dir helfen, deine Erinnerungen zurückzuerlangen. Doch zuerst müssen wir dafür sorgen, dass du dem schädlichen Einfluss dieses Priesters Hiob entkommst. Er will nichts Gutes mit euch, glaube mir!"
"Meine Herrin vertraut ihm." Ein dunkles Licht flackerte in den Augen des Engels auf. "Sie haben uns gehütet, warum sollte ich dem Priester und seinen Dienern misstrauen?"
"Er will euch für seine Pläne benutzen. Vertrau mir. In diesem Stadium ist euer Geist noch formbar. Wenn er euch jetzt unter seine Kontrolle bringt, dann werdet ihr nicht mehr von ihm loskommen! Du musst fliehen! Ohne dich hat er auch keine Macht über die anderen!"
"Gibt mir ein Zeichen dafür, dass ich dir vertrauen kann!"
Lira begann zu überlegen. Sollte sie ihr eines der geheimen Zeichen der Göttin zeigen? Nein, ihr fiel ein viel besserer Beweiß ihrer Loyalität ein.
"Du erinnerst dich an langes, rotes Haar, hab ich recht?" Die Augen des Engels weiteten sich. Das konnte sie unmöglich wissen! "Ich weiß, warum du diese Erinnerungen hast, und wer der junge Mann ist, den du im Zusammenhang mit dem Haar siehst." An Areshas Gesichtsausdruck erkannte Lira, dass sie ins Schwarze getroffen hatte.
„Mag sein, Ihr habt recht, aber deshalb bin ich nun wirklich nicht bereit, Euch zu vertrauen. Ihr müsst mir schon einen stichfesten Beweis liefern.“ Lira begann angestrengt zu überlegen. Was konnte sie dem Engel zeigen, damit er ihr vertraute? Dann kam ihr die Idee.
„Nun gut, ich sehe, du bist nicht sehr leicht zu überzeugen. Ich muss wohl andere Mittel anwenden…Folge meinen Anweisungen, ich führe dich zu den Gemächern eures edlen Hausherrn. Er hat bald eine Besprechung, deshalb sollten wir uns beeilen, damit du hörst, welche Pläne er mir euch hat.“

Unter Liras Führung gelangte der Engel sicher durch das Wirrwarr der Gänge des Klosters, immer weiter drangen sie in das Allerheiligste vor. Je höher sie kamen, desto weniger Schwestern und Priester kamen ihnen in den Weg, als sie die letzte Etage erreichten, sahen sie niemanden mehr. Aresha schritt leise und vorsichtig den langen Gang entlang. Der graue, kalte Stein gab ihr ein Gefühl der Sicherheit, denn mittlerweile war sie sich ganz und gar nicht mehr sicher, ob es klug gewesen war, der Stimme zu folgen. Immer öfter wurde ihr schwindelig, die Erinnerungen an ihr Leben und auch an ihr Sterben als Engel tanzen in ihrem Kopf einen flotten Walzer. Zusätzlich war da noch Liras drängende Simme, die nie still zu sein schien.
„Dort vorne, hinter der Ecke, sind Hiobs Gemächer. Er bespricht derzeit euer Schicksal…“ Liras Worte gingen unter, denn Aresha hörte nicht zu. Ihr war übel, alles drehte sich, und sie konnte sich nicht konzentrieren. Zu allem Überfluss hörte sie hinter sich auch noch näherkommende Schritte, die Lage konnte also nicht mehr schlechter werden.
„Verbirg dich hinter dem Vorhang dort an der Wand! Schnell! Sie dürfen dich nicht sehen!“
„Denkst Ihr wirklich, es fällt nicht auf, wenn ich mich hinter den Vorhang stelle?“ meinte der Engel gereizt.
„Tu was ich dir sage!“ Aresha seufzte. Sie würde viel zu erklären haben, wenn man sie hier erwischte, also war es einen Versuch wird. Mit eiligen Schritten brachte sie sich in Sicherheit. Als sie den schweren Brokatvorhang zur Seite zog, entdeckte sie einen Geheimgang, in den sie schnellstens huschte. Die Schritte gingen an ihrem Versteck vorbei, Aresha sank erleichtert zu Boden.
„Das war knapp. Und wie bitteschön soll ich denn in diesen Raum kommen, in dem die Besprechung abgehalten wird? Habt Ihr euch das auch schon mal überlegt?“
„Wer hat denn etwas davon gesagt, dass du in diesem Raum sein musst. Geh bis zum Ende dieses Ganges und pass auf, dass du keinen Lärm machst. Von hier aus dürftest du alles ganz gut mitverfolgen können.“ Aresha schlich langsam bis ans Ende und horchte dort. Tatsächlich hörte sie den Priester aufgeregt mit jemand reden.
„Wo bin ich hier?“
„Ein alter Teil des Dienstbotentrakts, der früher die Abkürzung für die Diener dargestellt hat. Heute sind diese Wege aber fast schon in Vergessenheit geraten.“
„Und dort ist…“
„Schhhh!“ unterbrach Lira den Engel „Hör zu, was sie reden!“

Hiob saß an seinem Schreibtisch und gestikulierte wird mit den Armen.
„Meint Ihr nicht, Herr, dass sie ein Risiko darstellt. Was, wenn sie sich an den Verrat erinnert und beginnt fragen zu stellen, ich kann nicht jede ihrer Ideen im Keim ersticken.“
„Du wirst es aber müssen. Ohne sie hast du keine Gewalt über die anderen. Sie ist die Heerführerin, ihr allein folgt die Armee und sie muss eben dir folgen, damit du sie alle in der Hand hast.“
„Ihr wisst genauso gut wie ich, dass Aresha’arim nur den einen Zweck verfolgt, ihre Herrin und Göttin Narea zu befreien und erneut an die Macht in dieser Ebene zu bringen. Wie soll ich sie bitte davon abbringen?“
„Hab keine Sorge, Hiob. Bereite sie nur gut vor, am Ende wird auch sie so wie du mir folgen. Nimm die Phiole da und verabreiche ihr dieses Mittel so bald wie möglich. Danach dürftest du keine Probleme haben, ihr alles so zu verdeutlichen, dass sie dich als ihren Herrn ansieht. Ihre Erinnerungen werden dadurch blockiert, sie wird nur das wissen, was du ihr erzählst.“
„Habt Dank, Mylord.“
„Wir werden uns schon bald wieder sehen.“ Die rätselhafte Gestalt schien den Raum zu verlassen, da eine Tür geöffnet und mit Schwung wieder geschlossen wurde. Hiob atmete hörbar aus.

Aresha lehnte an der Wand und traute ihren Ohren nicht mehr. Dieser verfluchte Priester hatte vor sie zu seiner Sklavin zu machen, diese Lira’Nacshie Maranda hatte ihr von Anfang an die Wahrheit gesagt. Wenn sie jetzt hier blieb, musste sie teuflisch auf der Hut sein um nicht doch auf irgendeine Weise dieses Serum abzubekommen.
"Wer...Mit wem hat Hiob gesprochen?" kam es dem Engel zögerlich über die Lippen.
"Tut mir leid, ich weiß es selbst nicht.Vertraust du mir jetzt?" Aresha seufzte und schien kurz zu überlegen. "Wohin soll ich gehen?"
"Zurück den Weg, den wir gekommen sich. Wenn dich am Hof draußen jemand fragt, dann sag ihm, du würdest einen kleinen Spaziergang machen. Überquere den Hof und geh zu den alten Ruinen. Durch einen getarnten Durchgang kommst du zu einer Treppe, die tief nach unten führt. In der kleinen Halle, die dort anschließt, wartet mein Diener Elion auf dich. Beeil dich, das Tor kann ich nur während Sonnenaufgang öffnen. Sage zu niemanden ein Wort was du vorhast, hörst du! Du würdest damit nicht nur dich, sondern auch mich verraten! Ich erwarte dich hier an meiner Seite, in einer Stunde."
"Ich beeile mich." Aresha verließ die Halle.
"Endlich…" Lira lächelte triumphierend. Endlich lief alles so, wie sie es sich wünschte.

Eine Stunde später kehrte Elion in Begleitung des Engels in die Halle zurück. Lira hatte seit Jahrhunderten keinen Engel mehr gesehen und war mehr als begeistert von dem Auftreten Areshas.
"Herzlich Willkommen in meinem bescheidenen Gefängnis. Geh und bring uns etwas zu trinken, Elion, es wird ein langes Gespräch werden."
"Lira'Nacshie Maranda. Ich erinnere mich nun vollends an mein früheres Leben. Und ich erinnere mich auch daran, wer du bist.“
„Tatsächlich?“
„Du warst die Geliebte von Varnards Avatar Argus, nicht?"
"Ich war verliebt, doch ich nie wurde ich geliebt. Das ist ein Unterschied."
"Vorweg möchte ich euch fragen, was die Erinnerungen an mein menschliches Leben für einen Preis haben. Damals habt ihr mir auch nicht ohne eine Gegenleistung die Schwäche Arugus verraten, ich denke nicht, dass euch Jahrhunderte in Gefangenschaft geändert haben." Lira lächelte, doch das Lächeln war nichts als eine Fassade.
"Deine Erinnerung an dein Leben als Aresha'arim sind ja schon fast wieder hergestellt…" bemerkte Lira nebenbei. "Meine Freiheit ist der Preis. Ich kann hier nicht weg und niemand bisher konnte mir den Schlüssel bringen. Du bist jedoch nicht an mich gebunden und kannst dich mit ein bisschen Magie frei bewegen."
Aresha nickte. "Ich verstehe. Der Schlüssel besteht aus Magie, wenn ich richtig liege."
"Genau, und mein Wächter träg ihn in sich. Töte ihn und bring mir den Schlüssel als Gegenleistung für deine Erinnerung!"
"Ein fairer Handel…" stimmte Aresha nickend zu.

Galadriel
19.02.2003, 18:58
Ein Wind trug die Kälte des Nordens über die Stadt. Abergläubische Bauern hielten das für ein schlechtes Zeichen, da in den Bergen des Nordens angeblich dunkle Dämonen hausten. Meles wusste, dass dieser Glaube einen wahren Kern beinhaltete. Wenn er an den schwarzen Palast Vanards dachte...Er blickte hinunter auf Dulgov –und dachte kopfschüttelnd daran, dass er diesem Treiben vielleicht ein Ende setzen könnte, oder es zumindest verkürzen. Aber er verwarf diese Idee gleich wieder. Die Magie eines Phönix mochte stark sein, aber sie war nichts gegen die Kraft, die er in Jahrtausenden gesammelt hatte. Er war immer noch zu schwach für solche Scherze.
Langsam senkte er seinen schwebenden Körper, bis seine Füße wieder den Boden berührten. Es war eine neugeborene, grüne Wiese, nicht die abgebrannte Erde der Gegenwart. Meles stand neben der Zeit: für einen Augenzeugen wäre er nicht mehr als ein Flackern in der Luft gewesen. Er empfand diesen Zustand als sehr angenehm, gerade nachdem er einmal mehr seine Sterblichkeit erfahren musste. Die kurze Zeit als normaler Mensch hatten ihm wirklich zu schaffen gemacht, gestand er sich ein. Vielleicht war das auch der Grund...nun, es war keine Lüge gewesen. Nicht wirklich. Es war eine Tatsache, dass er in der Vergangenheit, als es darauf angekommen war, emotional reagiert hatte, dass er Mitleid mit seiner Schwester gehabt hatte. Tief in seinem Inneren wusste er, dass er sie nicht retten konnte. Ihren Körper nicht, ihren Geist nicht....Aber vielleicht ihre Seele!
Trotzdem hatte er gelogen. Meles hatte so lange gelebt, dass es in seiner Vorstellung nichts anderes mehr gab. Der Gedanke, dass der Tod KEIN entgültiger Abschied war, erschien im suspekt. Dementsprechend lehnte er ihn auch ab.
Er wusste, was er tun musste. Es gab einen Weg, den Knoten zwischen dem Lebensfaden seiner Schwester und dem seinen wieder zu öffnen. Danach –konnte er es beenden. "Es beenden," sagte er sich leise. Die Worte schmeckten bitter.
Schließlich verwarf er diese Gedanken, konzentrierte sich wieder auf sein momentanes Vorhaben, und auf die Stadt Dulgov. Gab es einen Weg mit Jack in Kontakt zu kommen, ohne dabei Athanasias Aufmerksamkeit zu erregen?
Konnte er dafür die Aufregung in der belagerten Stadt nutzen? Oder war es –im Gegenteil –besser, auf einen geeigneteren Zeitpunkt zu warten? Und: Stammten diese zögerlichen Gedanken wirklich von ihm, oder waren sie nur wieder eine Ausgeburt seiner Furcht vor dem Halbengel?
Auf jeden Fall hatte er einen Plan. Er war grausam, zugegeben, aber es musste sein.
Er machte einen Schritt und landete in der Gegenwart.

Galadriel
25.02.2003, 22:18
„Und was jetzt? Wir können nicht ewig hier bleiben....,“ murmelte Dalyana.
„Vielleicht müssen wir das nicht,“ sagte Sith grimmig. „Nur bis wir tot sind.“
„Über so etwas reisst man keine Witze!“
„Wir müssen etwas tun,“ warf Jack ein. „Das ist nicht normal! Hobgoblins ins solchen Massen, die eine Stadt belagern! Wir können nicht einfach herumstehen und Däumchen drehen....“
„...schließlich sind wir keine Touristen auf Sightseeing-Tour,“ bestätigte Sith energisch. Sie ließ eine nachdenkliche Pause verstreichen und fügte dann an Drafco gewandt hinzu:„Nun, jedenfalls bis auf dich.“

Er versuchte, unauffällig zu sein. Wenn er zuviel zauberte, würde er irgendwann müde werden -außerdem hätte er damit sofort Athanasia auf seine Spur gebracht. Seine Kleidung war zwar schon sehr mitgenommen, aber für einen einfachen Reisenden immer noch zu auffällig. Schließlich hatte er schweren Herzens einem toten Krieger (der sich wohl gerade nochin die Stadt hatte schleppen können) einen schwarzen, bereits ziemlich abgetragenen Umhang abgenommen. Er zog die Kapuze tief ins Gesicht, bevor er sich ins Getümmel Dulgovs wagte.

Meles ging durch die ihm unbekannten Straßen, als ob er sie schon oft betreten hätte. Interessant....Er konnte Jacks Präsenz so deutlich spüren, als stünde er direkt neben ihm. Warum war ihm das nicht schon im ersten Moment ihrer Begegnung aufgefallen?
Um ihn herum gerieten Menschen in Panik, machten sich zum Kampf bereit, oder verschanzten sich in ihren Häusern, aber er achtete nicht auf sie. In Gedanken hatte er einen Plan geschmiedet und einige Male umgestaltet, bis Risiko und Nutzen im Einklang zu sein schienen. Natürlich musste er auch funktionieren, das war das Wichtigste.
Schließlich erreichte Meles die Händlerkarawane.
"..... Göttin, dass ist die Einheit von Hauptmann Justin," hörte er einen fremden Mann sagen.. "Dann muß der Belagerungsring um die Stadt geschlossen worden sein."
Ein anderes kurzes Gespräch ging im Lärm der herumeilenden Krieger unter.
Wie immer war Jack nicht alleine unterwegs. Meles kannte das Katzenwesen -wie hieß sie nochmal?- Sith. Und er kannte Dalyana. Einer der Gruppe fehlte, ein andere war hinzugekommen, doch diesen kannte er nicht.
„Was heißt hier ‚Tourist’?“ empörte er sich echauffiert. „Es ist mein Pflicht, mein Lebenswerk, meine...meine Berufung der Nachwelt detaillierte....“
„Halt die Klappe!“ fuhren ihn Sith und Dalyana fast gleichzeitig an.
Meles trat auf sie zu. Insgeheim dachte er, dass es einfacher wäre, wenn er Jack alleine zur Rede stellen könnte, doch er verscheuchte den Gedanken gleich wieder, denn dafür hätte er Magie anwenden müssen. „Es sieht aus, als würde es bald ungemütlich werden. Man möchte meinen, dass ihr auf Probleme aus seid,“ meinte er leise lächelnd. Er fixierte Jack mit seinem Blick. „Aber zum Glück noch am Leben, wie ich sehe.“
„Meles?“ Jack hätte die Stimme des Magiers unter tausenden erkannt. Sie erinnerte ihn an Ceredrie, vor allem wenn er in diesem Tonfalls sprach. Automatisch griff der Krieger nach dem Griff seines Schwertes. „Du gehst immer noch mit zwei Beinen auf dem Boden, anstatt aus dem Nichts aufzutauchen?“
„So sterblich wie beim letzten Mal,“ antwortete Meles auf die unausgesprochene Frage.
Drafco räusperte sich. “Äh…Du bist....“
„….niemand, mit dem wir uns abgeben,” unterbrach ihn Jack mit schneidender Stimme. „Weil ich nicht glaube, dass wir ihm trauen können.“ Er wandte sich an Sith und Dalyana. „Lasst uns gehen.“
Damit hatte Meles gerechnet. Oder besser: Er hatte mit Schlimmerem gerechnet. Er ließ Jack einige Sekunden Zeit, um sich ein paar Schritte von ihm zu entfernen, bevor er ihm etwas nachrief, das Jack sofort zum Umkehren bewegte:
„Es geht um Saris!“
Sowohl Meles als auch Dalyana konnte deutlich sehen, wie sich etwas an dem Krieger veränderte. Er blickte Meles mit einem starren Gesichtsausdruck an. „Was ist mit ihr? Sprich nicht in Rätseln!“
Dieser Teil des Plans fiel Meles am schwersten, aber es musste sein. Er streifte die Kapuze vom Kopf und atmete tief ein, bevor er antwortete: „Ich fürchte, nun,....Saris ist tot. Ich meine -wirklich tot.“
„Was?…Aber du selbst hast mir doch gesagt, sie wäre nicht...Und Athanasia....“ Jack verstummte. Er sah nicht aus wie ein gebrochener Mann, sondern wie einer, der bereit war einen Mord zu begehen. Jetzt musste Meles nur noch dafür sorgen, dass er damit nicht bei ihm anfing. „Genau, Athanasia. Der Halbengel. SIE hat deine Freundin umgebracht, sie hat Saris kaltblütig ermordet, weil diese eine Gefahr für Athanasias Herrn darstellte. Ich habe sie gesehen und es war...es war grausam....“
Plötzlich spürte er Dalyanas Blick auf sich ruhen. „Wann und wo soll das gewesen sein?“
Meles erwiderte ihrem Blick, doch er antwortete nicht. Augenscheinlich zweifelte die Elfe an seinen Worten, doch Jack tat das nicht. Er war viel zu aufgewühlt, um einen klaren Gedanken zu fassen. „Saris....Zum zweiten Mal habe ich dich....“ Er umfasste das Schwert Emendatus, das nun wieder mit einer Intensität glühte, wie Meles es noch nie gesehen hatte. Diesem Ruf MUSSTE Athanasia einfach folgen -schließlich richtete er sich an sie.

Die Belagerung der Stadt schreitete voran. Nun konnte niemand mehr hinaus -und niemand hinein. Die Verteidigung schien noch längere Zeit standzuhalten. Die Menschen waren viel zu verängstigt und zu beschäftigt, um den gleißenden Blitz zu sehen, der auf die Stadt herniederzuckte und verschwand.
Etwas schleuderte die Wagen der Händler wie welkes Laub in die Höhe und dann gegen den harten Boden. Die erschrockenen Männer ergriffen die Flucht. Selbst Drafco schloss sich ihnen an. Dalyana und Sith gingen in Deckung. Nur Meles und Jack rührten sich nicht von der Stelle.

Im ersten Moment war Athanasia verwirrt. Sie war gegen ihren Willen hierher gebracht worden, was ziemlich ungewöhnlich war. Sie fühlte Hass, der sich gegen sie richtete -zumindest das war normal. Und als sie Jack sah, der das glühende Schwert in den Händen hielt, wurde ihr einiges klar. Sie setzte dazu an, ihm etwas Boshaftes zu sagen, als sich der Krieger plötzlich auf sie stürzte. „Was zum….” Doch weiter kam sie nicht.
“Mörderin!” brüllte Jack aus vollem Hals, bevor er das Schwert auf sie niedersausen ließ. Der Halbengel reagierte schnell, aber nicht schnell genug, denn sie wurde am Arm getroffen. Es war ein tiefer, schmerzhafter Schnitt. Wütend packte sie Jack mit der anderen Hand und schleuderte ihn gegen eine Hauswand. „Du kleiner Bastard!“
„Nein!“
„Lass Jack in Ruhe!” Die Elfe und die Hengeyokai stürzten hervor, um Jack zu Hilfe zu eilen, doch Athanasia war weder träge noch dumm. Mit einer schnellen Handbewegung warf sie beiden zu Boden, sodass sie bewusstlos liegenblieben.
„Glaubtest du ernsthaft, dass du gegen mich eine Chance hast, du Wurm?“ zischte sie, bevor sie dem Krieger drohend ihr Schwert an die Kehle setzte. „Wenn ich wollte, wärst du schon längst tot....“
„Du weißt, dass das nicht stimmt!“
Athanasia drehte sich um und erblickte Meles. „DU! Ich hätte es mir denken müssen! Ich habe dich geschwächt, was willst du in diesem Zustand gegen mich ausrichten? Würde ich dich töten, wäre mein Herr mir auf ewige Zeiten dankbar....“ Sie schleuderte Jack von sich. Er war noch bei Bewusstsein, aber die Landung war so heftig gewesen, dass er sich schwere Verwundungen zugezogen hatte. Er würde auf keinen Fall mehr kämpfen können. Meles musste sich seinen Fehler eingestehen: Jack war noch nicht soweit.
Athanasia lachte. „Ja, ich werde dich töten, Magier. Diesmal bist du zu weit gegangen...Ich dachte, ich hätte dich in der Hand, aber da habe ich mich wohl geirrt. Du bist zu unvernünftig, um zu gehorchen.“
Meles Gedanken rasten „Ein Duell,“ brachte er schließlich hervor.
„Was?” Athanasias Lachen wurde lauter. “Du möchtest gegen mich kämpfen? Du hieltest keine Minute stand!“ Sie hob ihr Schwert. „Aber…Ich nehme deinen Bitte als letzten Wunsch eines sterbenden Mannes an. Lass uns kämpfen. Such dir eine Waffe aus.“
Meles schaute sich um. Er entschied sich für einen am Boden liegenden Kampfstab, der wohl einer von Jacks Begleiterinnen gehörte. Bevor er sich wieder Athanasia zuwandte, sah er hinüber zu Jack. „Aber…du….kannst nicht....,“ brachte dieser angestrengt heraus.
„Bei unserer zweiten Begegnung sagte ich dir etwas -wichtiges,“ flüsterte Meles. „Erinnerst du dich?“
Doch bevor Jack antworten konnte, begann Athanasia ungeduldig zu werden. „Beeil dich, Magier, bevor ich es mir anders überlege!“
Meles sah sich um. Diesmal habe ich das Überraschungsmoment auf meiner Seite, dachte er. „Ich bin bereit.“

Athanasia lächelte innerlich. Wie dumm dieser Magier doch war! Er hatte keine Chance, nicht die geringste. Sie könnte ihn mit einem Schlag niederstrecken, wenn sie wollte. Andererseits wollte sie sich amüsieren, also eine Weile mit ihm spielen. Mal sehen, was er ohne seine Magie gegen sie ausrichten konnte.

Der empflindlichste Körperteil eines Halbengels waren seine Flügel, das wusste Meles. Aus diesem Grund stand Athanasia auch noch, obwohl Jack sie schmerzhaft getroffen hatte.
„Ich bin an einen Eid gebunden, der mir verbietet zu töten oder zu verletzen, wenn es sich nicht um ein faires Duell handelt.“ Das waren die Worte, die er Jack bei ihrer zweiten Begegnung gesagt hatte.
Wie blind doch dieser Halbengel war! Wie überheblich! Sie kannte die Regeln der Magie von Lah’yar und unter normalen Umständen hätte sie sich nie auf ein Duell mit Meles eingelassen. Doch sie unterschätzte ihn in ihrer Blindheit.
Meles sah Athanasia an und dann -Feuer!
Heißes, loderndes Feuer, das ihre schönen Flügeln umschloss und verbrannte....Sie stieß wütende Schmerzenschreie aus. Trotz ihrer Schmerzen raste der Halbengel auf den Magier zu, als wäre ihn zu töten das letzte, was sie vor ihrem Tod noch tun wollte (was wohl auch so war). Meles wollte ausweichen, aber er war nicht schnell genug. Er war geschwächt. Es überraschte ihn selbst, obwohl er es hätte wissen müssen. Er war kein Schwarzmagier -und seine Kräfte waren noch lange nicht wiederhergestellt. Dieser Zauber hatte ihn viel Kraft gekostet.
Er konnte die Hitze des Feuers bereits spüren, und die Klinge, die sich in seine Schulter bohrte, als Athanasia selbst plötzlich vor ihm zusammenbrach, das glühende Schwert Emendatus tief in ihrem Bauch. Ob sie tot war, wusste er nicht. Sie verschwand -und mit ihr ihre Waffe. Emendatus fiel klirrend zu Boden. Meles sah zur Seite und blickte in Jacks Gesicht, aber dieser starrte nur wie in Trance auf die leere Stelle, wo der Halbengel gerade noch gelegen hatte.
Meles war nicht sicher, ob er einen Erfolg feiern konnte, denn die Träne der Göttin blieb verschwunden. Auf jeden Fall durfte er nicht länger bleiben. Für einen Moment überlegte er, ob er Jack die Wahrheit über Saris sagen sollte, doch dann entschied er sich dagegen. Vielleicht konnte er seine Wut noch einmal nutzen, selbst wenn er dafür ein schlechtes Gewissen in Kauf nehmen musste. Bevor Jack sich aus seiner Trance reissen konnte, machte sich Meles mit letzter Anstrengung aus dem Staub. Er musste ruhen, bevor er sich an die nächste Aufgabe wagen konnte, die er sich selbst gestellt hatte.

RPG-Süchtling
15.03.2003, 06:31
Wenn ein Halbengel stirbt, dann weint der Himmel.
Der Wind heult und die Bäume beugen sich in tiefem Gram.
Es stirbt ein Stück des Himmels, der sich dunkelrot färbt und zur Erde fällt.
Die Welt hört für einen Pulsschlag auf, zu existieren.
Und die Erde tut einen Seufzer.
Wenn ein Halbengel stirbt.

Entsetzt starrte Drafco aus seinem Versteck auf die Stelle, an der das Wesen mit den Flügeln verschwunden war. Diese lodernde, heulende und blutende Gestalt. Welch ein grausames Schauspiel. Unwillkürlich erinnerte er sich an dieses alte Stück Literatur und er erwartete jeden Moment, dass die beschriebenen Dinge passierten. Doch es tat sich nichts weiter, als dass ein paar Pfeile in einem Häuserdach landeten.
Langsam erhob sich der Gelehrte. Er konnte nicht glauben, dass dieser Kampf keinem aufgefallen war. Doch die meisten Menschen hatten sich in ihren Häusern verkrochen. Nur ein paar Soldaten, mit Ausrüstung über der Schulter, starrten ebenfalls auf die Stelle, bevor sie wie benommen weitertorkelten. Keiner kam den Verletzten zu Hilfe, die auf dem Boden lagen, und niemand schien die Person zu bemerken, die sich vom Platz des Geschehens entfernte.
Zögerlich näherte sich Drafco dem Katzenwesen, das an einer Häuserwand lag. Er streckte seine Hand aus und berührte sie am Arm.
“He, komm zu dir.”, sagte er leise. Seine Worte gingen in dem Treiben um ihn fast unter.
Langsam öffnete Sith ihre Augen.
“Was..?”, begann sie. Sie stützte sich auf und sah sich um. “Wo... wo ist dieser Halbengel? Athanasia? Meles?”
Doch Drafco war schon bei Dalyana und versuchte, sie ebenfalls aufzuwecken. Diese schreckte hoch, als er sie anfasste, und bewegte sich, so schnell sie konnte, zu Jack hinüber, als sie ihn erblickte.
Die Dunkelelfe beugte sich über ihn. Der Krieger war noch bei Sinnen. Allerdings war er sehr schwach und kurz davor, in die Dunkelheit hinüberzugleiten.
“Sa... ris.”, flüsterte er schwach.
Dalyana sah sich um. Selbst, wenn der Magier noch in der Nähe gewesen wäre, hätte sie ihn in dem Getümmel vermutlich nicht ausmachen können. Sie hatte ihm seine Geschichte zu keinem Zeitpunkt abgekauft. Meles hatte Jack offensichtlich gebraucht, um diesen Halbengel anzulocken und zu vernichten.
Sie schüttelte den Kopf. Im Grunde hatte sie nichts gegen das Mitglied des Lah´yar-Ordens. Im Gegenteil. Er hatte ihr schließlich dazu verholfen, ihre wahre Identität zu finden. Doch er benahm sich rücksichtslos bei der Verfolgung seiner Ziele, wie die auch immer aussehen sollten. Bei ihrer nächsten Begegnung würde sie ihn zur Rede stellen.
Eine Hand fasste nach Dalyana´s Schulter.
“Wir sollten von der Straße verschwinden. Es wird langsam brenzlig.”, meinte Sith und sah sich nervös um.
Die Dunkelelfe nickte. “Na los! Helft mir, ihn in den nächsten Gasthof zu schaffen. Oder zumindest aus der Reichweite dieser schießwütigen Hobgoblins!”

“Wir können unsere Mission vergessen.”, sagte Dalyana. “Wenn die Stämme im Norden wirklich wieder in den Krieg gezogen sind, haben wir keine Chance, unbeschadet durch ihr Gebiet zu kommen. Und wenn es keinen Krieg gibt, möchte ich mal wissen, was der Grund für diese Belagerung ist.”
“Ich hatte sowieso Bedenken wegen dieses Unternehmens, Abenteuer hin oder her.”, warf die Hengeyokai ein. “Niemand spielt hier mit offenen Karten. Auch diese Lila nicht.”
“Lira. Aber ich muss dir Recht geben. Wir müssen sehr aufpassen, wem wir trauen. Selbst Meles hat sich sehr seltsam benommen.”
Drafco saß auf einem Stuhl und betrachtete besorgt den Krieger, der auf dem Bett lag und nur seht notdürftig versorgt werden konnte. Die medizinischen Güter waren komplett auf den Marktplatz verlagert worden, wo man bei einem Angriff die Verwundeten hinbrachte. Mehr als ein Fläschchen Gallamextrakt und ein paar Stoffstreifen konnten sie dort nicht entbehren. Damit konnten sie zwar die Blutungen stoppen, aber die Genesung würde eine lange Zeit in Anspruch nehmen.
Dalyana schaute verärgert aus dem Fenster und verschränkte die Arme. “Es gibt noch die Möglichkeit, den Seeweg zu nehmen. Ich wüsste allerdings keine Route, die am Feuergebirge vorbeiführt.” Sie drehte sich um. Ihr Blick fiel auf Jack. “Und soweit ich das sehe, werden wir hier eine lange Zeit ausharren müssen. Wer weiß, was Ceredrie oder die Nairio in dieser Zeit alles anstellen?” Ihr Blick traf den von Sith, die aufmerksam lauschte. “Wir sind jetzt sehr verwundbar. Wenn Lira will, dass wir ihren Auftrag zu Ende führen, muss sie uns helfen.”
Das Katzenwesen lächelte gequält. “Ich fürchte, wir waren zu keiner Zeit mehr als ein Spielball dieser Mächte.”, meinte sie verächtlich.
Dalyana sah aus, als dachte sie gerade an etwas anderes. “Damals, in der Wüste, als wir Jack nach dem Kampf fanden, und er so seltsam ausgesehen hatte, hast du zu ihm gesagt: “Du siehst aus wie damals.””
Sith bestätigte das mit einem Nicken.
“Was hast du damit gemeint?”
“Hm? Ach, stimmt ja, Du warst ja bei dem Kampf gegen Gerry gar nicht dabei...”
“Was ist damals passiert?”
Die Hengeyokai erzählte der Dunkelelfe jedes Detail des faszinierenden Kampfes damals in Orbitalia. Sie schmückte es da und dort etwas übertrieben aus, aber Dalyana hörte mit wachsendem Interesse zu. Auch Drafco lauschte aufmerksam. Als Sith geendet hatte, sah die Drow besorgt zu dem Verletzten hinüber.
“Dann ist es bereits so weit fortgeschritten...”
Sith wurde hellhörig. “Fortgeschritten? Was?”
“Du weißt, dass er damals von einem Dämon verletzt worden ist?”
“Ja.”
Sie strich dem Krieger über den Kopf. “Für jeden Normalsterblichen hätte diese Berührung ausgereicht, ihn verrückt werden zu lassen. Es hätte ihn in den Wahnsinn getrieben - und dann in den Tod. Er wäre zu einem Nairio geworden. Doch Jack ist offensichtlich kein normaler Mensch.”
“Das kannst du laut sagen.”, warf Sith ein.
“Ich hatte leider keine Ahnung, wie sehr diese Verletzung ihn beeinflusst. Aber nach deiner Erzählung ist es schlimmer, als ich befürchtet hatte.”
“Du willst doch hoffentlich nicht andeuten, dass er zu einem dieser willenlosen Monster wird?”, fragte Drafco entsetzt.
“Ich weiß es wirklich nicht. So ein Fall ist mir noch nie untergekommen.”
“Dann müssen wir ihm helfen! Gibt es nicht jemand, der ihm von diesem Dämonengift befreien kann?”, maunzte die Hengeyokai.
“Das Problem ist, dass dieses Gift nicht durch seine Adern pulsiert, sondern seinen Geist und seine Seele vergiftet. Kein normaler Heilkundler könnte...”
“Die Reinigung der Seele.”, sagte der junge Gelehrte plötzlich.
“Wie bitte?”, sagten die Dunkelelfe und Sith wie aus einem Munde.
“Die Reinigung der Seele ist ein altes Ritual, das von einer Sekte zum ersten Mal durchgeführt wurde. Sie hieß glaub ich... Jelador. Eine Elfen-Sekte.”
“Die Jelador?” Dalyana´s Gesicht verfinsterte sich. “Davon will ich nichts hören.”
“Was? Aber...”, begann Sith aufgeregt.
“Nein! Wir werden einen anderen Weg finden, ihm zu helfen!”, sagte die Drow ungewöhnlich laut.

Alexiel
17.03.2003, 23:30
Die Stunden darauf verhielt sich Drafco ungewöhnlich ruhig. Er saß an Jacks Lager und beobachtete dessen Atemzüge ganz genau, so als ob er fürchtete, dass sie ganz abrupt enden könnten. Sith unterdessen hatte sich wieder in die Menge gemischt und suchte Heilkräuter, Tinkturen oder einfach nach irgendetwas, dass sie als Medizin verwenden konnten.
Dalyana ging nervös im Raum auf und ab, angestrengt nach einer Lösung suchend. Kurz bevor sie aus der Tür trat, wies sie Drafco mit knappen Worten an auf Jack aufzupassen, während sie sich ebenfalls draußen umsah.
Die Luft war zum Schneiden dick. Ein Gestank von Blut, Schweiß und Leichen lag über der Stadt, der Kampf ging immer noch unerbittert weiter. Um Dalyana herum lagen Menschen, schwer verwundet oder bereits gestorben, Heiler und Helfer huschten von einem zum anderen. Die Verteidiger wurden immer weniger, während die Hobgoblins die Verluste in ihren Reihen kaum spürten.
Erneut hörte sie das Zischen von Pfeilen durch die Luft, Todesschreie und Rufe um Hilfe hallten durch die Stadt. Wie lange würden diese Menschen noch standhalten können?
Sie blickte sich um und entdeckte eine sichere, stabile Mauer, hinter der sie sich im Schatten niederlassen konnte. Ihr musste dringend etwas einfallen, wie sie Jack wieder auf die Beine brachten, sonst war es um sie alle geschehen.
Wie naiv Drafco doch war. Wie konnte er bloß denken, dass die elfische Magie Jack heilen konnte? Er kannte die Jelador nicht. Einst hatte Dalyana dieses Sektenpack verfolgt, ohne Gnade und ohne Zögern. Ihre Truppe hatte immer ohne Probleme die Verstecke der Elfen aufgespürt – ihrem Schwert war keiner je entkommen. Heute war Dalyana die Letzte der Drow. Und von den Jelador gab es mit Sicherheit auch nur noch sehr wenige, wenn überhaupt einer von ihnen die Kriege überlebt hatte. Drafco konnte nicht wissen, wie hoch der Preis ihrer Hilfe war - er war zu hoch, auch wenn es dabei um Jack ging. Dalyana legte beide Hände auf ihre Ohren und begann sie sanft zu reiben. Normalerweise half ihr diese Art der Massage dabei, einen klaren Kopf zu bekommen. Was übersah sie? Es musste eine Möglichkeit geben, die sie noch nicht bedacht hatte.
"Frag doch einfach mich um Hilfe." Eine dunkle, vertraute Stimme sprach Dalyana an, die aufsprang und sich erschrocken umblickte. "Sag nicht, dass du mich nach unserem kleinen Abenteuer mit dem Halbengel schon vergessen hast?"
"Du…" Dalyanas Eingeweide schienen einzufrieren. An ihn hatte sie ja gar nicht mehr gedacht.
"Wie kommst du auf die Idee, dass ich deine Hilfe in Anspruch nehmen könnte? Ich habe dir Rache geschworen, dir und deinem Handlanger für Saris' Tod!"
"Ich hab dich gehört. Dein Schwur klang wie Musik in meinen Ohren."
"Du bist einfach nur…krank…" Dalyana spukte angewidert aus.
"Ah ah ah, pass lieber auf, mit wem du es dir verscherzt. Willst du wirklich, dass dein kleiner Freund stirbt? Ich könnte da ein bisschen nachhelfen, weißt du…" Dalyana biss sich auf die Unterlippe und schluckte ihre Antwort hinunter. Es brachte nichts, wenn sie ihn jetzt erzürnte. Jack brauchte Hilfe und zwar schnell. "Was willst du von mir?"
"Ich will dir nur eine Lösung für dein Problem bieten."
"Und die wäre?" fragte sie misstrauisch.
"Aber Elyana, hast du vergessen, wo du bist? Erkennst du nicht das Land, welches du einst heimgesucht hast mit deiner Truppe?" Dumme Frage…Natürlich wusste sie genau, wo sie sich befand. Und sie wusste schon jetzt, dass seine weiteren Worte ihr überhaupt nicht gefallen würden.
"Vielleicht wird es Zeit, einem gewissen Ort einen Besuch abzustatten?" Dalyana wurde blass.
"Ich kehre nicht dorthin zurück, das weißt du. Warum unterbreitest du mir so einen Lösungsvorschlag?"
"Entscheide nicht all zu schnell, Elyana. Erinnere dich, was du dort gelassen hast, welche Kraft du nutzen könntest, wenn du wieder dorthin zurückkehrst…Ich kann dich sofort dorthin teleportieren."
"Ich hab geschworen, diesen Ort nicht mehr zu betreten." Ihre Stimme zitterte und offenbarte die große Anspannung, unter der sie stand.
"Willst du wegen eines kleinen Schwures das Leben von Jack auf dem Spiel setzen?" Dalyana blickte schweigend zu Boden. Er hatte Recht und diese Tatsache gefiel ihr nicht. Sie konnte Jack wirklich helfen, sie musste nur diesen einen Schritt wagen…
"Was ist der Preis für deine Hilfe? Was muss ich dir geben?"
"Nichts. Wirklich gar nichts. Es reicht mir durchaus, dich dabei zu beobachten, wenn du mit deiner Vergangenheit konfrontiert wirst, Elyana." Sie begann am ganzen Körper zu zittern. Trotz der brütenden Hitze war Dalyana eiskalt. Sie konnte nicht abschätzen, was passieren würde, wenn sie die Höhle wieder betreten würde. Sie hatte diesen verfluchten Ort damals eigenhändig versiegelt, deshalb war es ausgeschlossen, dass er geplündert worden war.
"Ich würde mich schnell entschließen, an deiner Stelle." Meinte die Stimme mit einem triumphierenden Unterton. "Ein kleiner Tipp von mir: Morgen Abend werden die Hobgoblins endgültig durchbrechen und keiner der Menschen hier wird dann überleben. Auch die Hengeyokai, dieser Jack und der Schriftführer werden dabei umkommen. Du musst dich wirklich beeilen, wenn du ihn soweit zusammenflicken willst, um ihn hier wegschaffen zu können." Dalyana's Atem ging schnell. Sie fühlte sich in die Enge getrieben, gehetzt und der einzige Ausweg glich einer tödlichen Falle. Als eine neuerliche Angriffswelle den Kampflärm unerträglich anschwellen ließ, traf sie ihre Entscheidung.
Auch Saris hätte alles für Jacks Leben getan.
"Öffne das Portal, ich gehe." meinte sie mit gespielter Selbstsicherheit.
"Wie du möchtest."
Hinter der Mauer, geschützt vor Blicken, entstand ein mannshohes, lila schimmerndes Portal.
"Allerdings ist dies ein One-way-Ticket, Rückfahrkarten gibt es nicht."
"Für die Rückfahrt werde ich dich wohl nicht mehr brauchen…" Sie ging auf das Tor zu und wollte nach einem neuerlichen kurzen Zögern hindurch treten.
"Dalyaaana! Dalyaaana!" Sith trat hinter die Mauer. "Ach, da bis…" Der Satz blieb ihr im Hals stecken, als sie das Portal entdeckte und davor Dalyana, die offensichtlich abhauen wollte.
"Was machst du da?"
"Sith, ich erklärs dir wenn ich zurück bin. Ich weiß eine Möglichkeit wie ich Jack helfen kann, aber du musst mir ein bisschen Zeit geben. Geh zu Drafco und kümmert euch zusammen um Jack, ich bin wirklich so schnell wie möglich wieder zurück." Die Augen der Drow spiegelten ihre Entschlossenheit wieder. Sith wusste nicht, was sie antworten sollte. Woher hatte die Elfe plötzlich die Macht, Portale entstehen zu lassen? Dalyana drehte sich währenddessen wieder dem Tor zu und trat in den hell-schimmernden Schein des Portales, doch die Hengeyokai war schneller. Sie sprintete mit ihrer katzenhaften Schnelligkeit los und erwischte Dalyana im letzten Moment am Ellbogen…

Ceredrie lächelte.
In gewisser Hinsicht musste sie Meles für die List, mit der er ihr diesen Halbengel vom Hals geschafft hatte, danken. Sie selbst wäre nie auf die Idee gekommen, die versteckten Mächte dieses Menschen Jack zu nutzen, um Athanasia aus ihrem Versteck zu locken.
Nun, nachdem sie der Letzten der Drow zu ihrem wohlverdienten Tod verhelfen und damit an ungeheure, elfische Magie herankommen würde, schien ihr der Sieg im Konflikt mit ihrem Bruder zum ersten Mal in greifbarer Nähe...

Sith atmete die modrige und feuchte Luft des nachtschwarzen Ortes tief ein. Sie hatte die Drow angefasst, danach war alles so hell gewesen. Wahrscheinlich vermochten ihre Augen sich deshalb nicht auf die Finsternis einzustellen. Wie eine Blinde tastete sie den Boden um sich herum ab.
"Illumine" Dalyana brachte mit einem Zauberspruch die Fackeln an den Wänden des Raumes zum Brennen. Sie befanden sich in einer kleinen Höhle, dass erklärte auch die Kälte, mit der Sith plötzlich konfrontiert wurde. Trotz ihres Felles war ihr erbärmlich kalt.
Die Höhle schien nur eine Art Vorraum zu sein, an den Wänden tropfte das Wasser herab und ließen sie im Schein der Fackeln glitschig schimmern. Was war das nur für ein Ort?
Als ob sie ihre Gedanken gelesen hatte, schenkte Dalyana der Hengeyokai einen eiskalten Blick.
"Willkommen im meinem Grab."

Alexiel
01.04.2003, 05:52
Mit einem letzten Schluck vom reinen und (was am wichtigsten war) kalten Wasser verließen Dalyana und Sith das Ufer.
"Woher kommt es, dass du nicht wieder zu diesem…ähm…na ja…" Sith suchte nach den passenden, nicht beleidigenden Worten.
"…blutdurstigen Dämon?" nahm Dalyana ihr die Antwort ab.
"Genau. Besser hätte ich es nicht ausdrücken können."
"Ich hab darüber die ganze Zeit während du bewusstlos warst nachgedacht. Die einzige Erklärung, die mir als logisch erscheint, wäre die, dass die Rüstung einen ganz anderen Effekt hat, als ich bisher angenommen habe. Scheinbar verstärkt sie mit magischer Kraft die Gefühle und Wünsche in meinem Inneren. Da ich damals blutdurstig und draufgängerisch war, hat sie mir dazu verholfen, ein Dämon zu werden. Mittlerweile sind diese Gefühle aber nicht mehr als eine dumpfe Erinnerung, jetzt wird mein Wunsch zu heilen und helfen magisch verstärkt."
"Da bin ich mal froh. Vor allem das du mich nicht killen wolltest…Und was ist mit den Untoten da drinnen passiert?"
"Kleines Kampftraining…" grinste Dalyana.

"Wir müssen uns jetzt aber beeilen, wenn wir die Stadt noch vor Sonnenaufgang erreichen wollen."
Sith blieb abrupt stehen und blickte Dalyana schief an. "Lestania an Dalyana! Hallo? Wir sind hier mindestens einen Tagesmarsch von der Stadt entfernt. Oder sind wir etwa nicht mehr in der Nähe des Grabes der Roten Furie?"
"Doch, natürlich. Ich konnte dich, während du bewusstlos warst, nicht transportieren. Aber jetzt sehen wir zu, dass wir hier wegkommen."
"Und wie, wenn ich fragen darf?"
Erneut huschte ein verspieltes Lächeln über die sanften Gesichtszüge der Drow. "Diese Rüstung verstärkt nicht nur meine Gefühle, sondern auch meine elfische Magie. Es sollte mir kein Problem sein, von hier zur Stadt ein Portal zu erzeugen, auch wenn ich etwas aus der Übung bin."
Sith gab sich keine Mühe eine Antwort zu finden. Diese Elfe überraschte sie immer wieder im positiven Sinn.

Dalyana hob ihre Arme und schloss die Augen. Sith beobachte die Entstehung eines der schönsten Portale, die sie je gesehen hatte. Sonst war es üblich, dass ein Portal eine gewisse Farbe hatte und als begrenzte Verzerrung auftrat. Dalyanas Portal jedoch wurde von grünen Ranken eingerahmt und strahlte in einem satten Frühlings- Grünton. Es dauerte nicht länger als eine Minute, bis das Portal stabil an seinem Platz blieb und Dalyana die Hände sinken ließ.
"Puh, das hab ich aber schon ganz schön lange nicht mehr gemacht!" meinte sie, hörbar ein- und ausatmend.
"Los geht's, Sith, wir haben keine Zeit zu verlieren." Sie packte die Hengeyokai an ihrem Arm und zog sie zu dem Portal. Kurz bevor die beiden hindurchgingen, glaubte Sith einen hellen, hasserfüllten Schrei aus der Richtung des Grabhügels vernommen zu haben…

RPG-Süchtling
05.04.2003, 08:59
Orbitalia war ein Paradies. Sie war reich, diese Stadt. Die Händler, die hierher kamen, waren keine armen Schlucker, die ihre Siebensachen versetzen mussten, um am Abend etwas zu knabbern zu haben. Es wurde nur mit den besten und seltensten Waren gehandelt, die auf Lestania zu finden waren. Die Stadtverwaltung sorgte für die Einnahmen, die an sie für die Handelsrechte abfielen, gut für ihre Bürger, indem sie ausgezeichnete Gasthöfe und Raststätten bauen ließ, die Wasserversorgung und die Straßen in Schuss hielt. Wenn man sich nicht zu weit vom Stadtzentrum entfernte, konnte man der Illusion aufsitzen, jeder Mensch müsste hier im Überfluss leben. Doch unweit des schönen Glanzes gab es Armut, Hunger, Korruption, Verbrechen. Und eine Diebesgilde, die insgeheim viele Fäden in der Hand hielt, mehr Kontrolle hatte, als so mancher glauben mochte. Es war hart, dort Mitglied zu sein. Aber auch sehr lohnend.
Und nun hatte das alles ein Ende. Die Teleron hätten besser auf ihr Juwel aufpassen sollen.
“Ich seid wohl etwas nachlässig geworden, auf euren Speck aufzupassen, ihr Ratten!”, sagte der Mann, der Vince gegenüberstand. Er erkannte ihn wieder. Es war derselbe Mann, der ihn und Saris damals in der Villa gefangengenommen hatte. Er hatte sich ihm als Anführer der Grau-Gilde vorgestellt.
Der Mann lachte.
“Erkennst du das hier wieder?”
Er warf Vince ein blutiges Etwas mit Haaren vor die Füße. Blut spritzte an seine Hosenbeine. Er musste schlucken. Es war Jaylal´s Kopf!
“Ich muss dir danken, Vince. Wirklich, eine reife Leistung.”, sagte der Mann mit einem zynischen Unterton. “Wenn du Gerry nicht erledigt hättest, der so langsam anfing, seltsam zu werden, hätte ich wohl Probleme bekommen. Und dann dein Verschwinden aus der Stadt! Ein Meisterstück. Jaylal hat dich wirklich vermisst. Er hat ein Drittel seiner Leute ausgeschickt, um sein verlorenes Schaf zurückzuholen.” Er grinste breit. “Du siehst ja, womit er seine Unachtsamkeit bezahlt hat.”
Eine Woche. Nur eine traurige Woche hatte es gedauert, die Gilde zum größten Teil auszulöschen. Vince erreichte am dritten Tag nach dem Angriff die Stadt. Schon zu dieser Zeit waren die Kämpfe in den Straßen voll ausgebrochen. Am Tag verdeckt, in der Nacht offen. Das Schlimmste, was sich der Meuchelmörder bis dahin hatte vorstellen können, war eine ordentliche Abreibung durch Jaylal für sein Verhalten und vielleicht ein, zwei Tage im dunkelsten Loch, das man finden konnte. Doch dazu kam es nicht.
Als Vince gemerkt hatte, was da ablief, suchte er nach Gildenmitgliedern. Er fand Hagro und Kiesel verbarrikadiert in einem Keller. Mit ihnen zusammen suchten sie nach anderen und bekämpften ihre Gegner, so gut sie konnten. Doch es waren zuviele. Es schien, als würden sie nachts aus allen Spalten kriechen. Es war fast unmöglich, einen alleine zu erwischen und unschädlich zu machen. Denn mittlerweile hatten sie keine andere Wahl mehr, als aus dem Hinterhalt anzugreifen, da für einen offenen Kampf die Leute fehlten. Als dann auch noch Jaylal gefangengenommen wurde, sank die Kampfmoral langsam aber sicher auf Null. Die Gilde der Teleron war geschlagen...
Vince spuckte Gift und Galle. Wenn ihn nicht zwei starke Handlanger festgehalten hätten, wäre er diesem Frettchen an die Gurgel gesprungen und hätte dasselbe mit ihm gemacht, was dieser Jaylal angetan hatte. Dieser geleckte Kerl war aalglatt. Seine ganze Art war Vince zuwider. Er wirkte kein bisschen stark. Zumindest körperlich. Doch hinter seiner grinsenden Maske konnte man eine Skrupellosigkeit vermuten, die seinesgleichen suchte.
“Du verdammter Feigling! In einem offenen Kampf gegen uns hättet ihr alt ausgesehen!”
“Möglich. Also warum ein Risiko eingehen?”, meinte der Angesprochene amüsiert. “Es ist nicht unser Stil, mit euch... Gesindel eine öffentliche Keilerei zu veranstalten. Unsere Organisation funktioniert etwas... subtiler."
"Das heißt dann wohl: Ihr scheißt auf die Gaunerehre! Sagt mir Euren Namen, damit ich weiß, auf was ich zu spucken habe! Oder seid Ihr nichtmal dafür Manns genug?", rief Vince erbost.
Der elegant gekleidete Mann machte eine herablassende Geste. "Tz. Gaunerehre? Sich in stinkenden Kneipen die Köpfe einschlagen? Genau diese Gaunerehre hat euch jetzt im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf gekostet. Gibt dir das nicht zu denken, Vince?" Als keine Antwort folgte, fuhr er fort: "Aber keine Angst. Wir werden uns sehr gut um Orbitalia kümmern. Euer Speck ist bei uns in den besten Händen. Leider,” der Mann setzte ein gespielt betroffenes Gesicht auf, “müssen wir noch ein paar Säuberungsaktionen durchführen, bevor wir uns hier wirklich wohl fühlen.”
Er griff an seinen Gürtel und warf Vince seinen Dolch vor die Füße.
“Da du ja jetzt offensichtlich der Chef des Haufens bist, mache ich dir einen Vorschlag: Ich werde euch am Leben lassen. Ich halte nicht viel davon, mir an geschlagenen Gegnern auch noch die Hände schmutzig zu machen. Die Bedingung lautet: Ihr lasst euch nie wieder in Orbitalia oder Umgebung blicken. Ihr könnt euch ja denken, was sonst passiert...”
Vince überkam eine ohnmächtige Wut, doch er erwiderte nichts. Dieser Kerl konnte es sich tatsächlich leisten, den traurigen Rest der Gilde am Leben zu lassen. Nach Vince´ Schätzungen waren vielleicht noch zwanzig Mann am Leben. Und aufgrund der Tatsache, dass der Führer der Grau-Gilde die Bedeutung des Dolches und seinen Namen kannte, mussten noch dazu ein paar Verräter übergelaufen sein.
“Was denn?”, sagte der Mann, als er Vince´ wutverzerrtes Gesicht sah. “Wütend, dass ich euch am Leben lasse? Ein bisschen Dankbarkeit wäre wohl eher angebracht.”
Er grinste diabolisch. Ein harter Schlag auf den Hinterkopf des Mörders ließ ihn zu Boden sacken.

Silence
10.05.2003, 06:57
Ein pochender Schmerz ließ Vince wieder zu sich kommen. Er lag in einer dunklen Seitengasse. In der Gosse.
Im Mund hatte er den Geschmack von Blut und sein linkes Auge war stark angeschwollen.
Langsam und mit schmerzverzerrten Gesicht zog er sich an der Wand nach oben und hielt kurz inne. Schließlich wandte sich wankend auf den Ausgang der Gasse zu, wo das Tageslicht hell in die Dunkelheit hineinstrahlte.

Als er auf der belebten Strasse war, bemerkte er sofort, dass er beobaschtet wurde. Er drehte sich schnell weg, zog die Kapuze seines Umhanges tiefer ins Gesicht und begab sich hastig in die Außenbezirke der Stadt.
Hinter einer Ecke machte erplötzlich halt, fuhr leise die versteckten Klauen in seinen Armschienen aus und wartete auf seinen vermeintlichen Verfolger.
Als dieser um die Ecke kam, sprang Vince hervor und versuchte dem Verfolger die Klingen an den Hals zu setzen.
Trotz seiner Größe erwies dieser sich als sehr behende. Er fing Vince ab und umklammerte seinen Oberkörper, so dass Vince sich nicht mehr rühren konnte.
"Na, na, Du willst mich wohl noch vor den Grauen ins Jenseits befördern, was Kumpel?"
Vince riss die Augen auf und grinste dann erleichtert - sein Verfolger war Kiesel. Er entspannte sich sichtlich.
"Wo sind die anderen? Schon weg?" begann er.
"Nein, sie haben sich im "Seedrachen" versammelt", flüsterte Kiesel.
"Können wir ihnen trauen?"
"Man kann keinem trauen. Wir sind Diebe und Mörder, Kumpel!" Ein leichter Vorwurf lag in der Stimme des Diebes.
Vince verdrehte die Augen und stöhnte. "Du weißt schon was ich meine."
"Jaja, ich denke man kann ihnen trauen, vor allem sind sie ziemlich wütend über die Sache, wie die Graugilde mit uns imgeht."
Ein Gedanke formte sich langsam in Vince. Aber um diesen in die Tat umsetzen zu können würde er die anderen Diebe von Orbitalia benötigen.
"Lass' uns zum "Seedrachen" aufbrechen. Ich will mit den Männern sprechen", flüsterte er daher rasch.

In dem versteckten Hinterraum des Gasthauses hatten sich mit Vince und Kiesel die letzten dreiundzwanzig Mitglieder der Gilde von Teleron versammelt.
"Leute, ich mach es kurz, denn wir haben nicht viel Zeit!"
Er ließ eine erwartungsvolle Pause, dass auch die letzten im Raum ihm ihre Aufmerksamkeit schenkten.
"Wir haben etwa eine Woche, um uns entweder aus dem Staub zu machen, oder den Grauen eine Lektion zu erteilen, die sie nicht so schnell vergessen werden!"
Vince sah den Ärger und die Wut in ihren Augen. Ihm war klar, dass ein Teil davon ihm galten.
"Warum sollen wir auf dich hören? Außerdem haben wir bei weiten nicht mehr genug Männer, um es mit ihnen aufzunehmen..."
Ein boshaftes Lachen spielte um Vince' Mundwinkel. "Glücklicherweise unterschätzen sie uns. Ich habe einen Plan. Auch wir können ... äußerst subtil vorgehen!
Mich interessieren vor allem zwei Fragen:
Haben wir in letzter Zeit einen neuen geheimen Stützpunkt erworben und kennen wir die Verräter?"
Kiesel und die anderen dachten kurz nach.
Danach antwortete er: "Also, das sollte kein Problem darstellen. Ich weiß, wer sie sind!"
Ein sehniger Meuchelmörder meldete sich zu Wort: "Wir haben kürzlich an der Stadtmauer eine alte Schmiede mit Lagerräumen und Keller unter Vertrag genommen..."
Gelächter erscholl.
"...und der Schmied mit seiner Familie lebt auch noch."
Vince entspannte sich leicht. "Sehr gut!
Hagro, Du nimmst die Hälfte der Leute und baust das Gebäude zu einem Stützpunkt aus, der einfach zu verteidigen ist. Kiesel, du nimmst dir die Attentäter und Meuchler, und schaltest alle Verräter aus, die von der Schmiede wissen könnten. Und dreht es so, das der Verdacht nicht auf uns fällt..."
"Aber ich weiß gar nicht, wer davon wissen könnte," entgegnete Kiesel.
"Dann töte sie alle," entgegnete Vince scharf.
Die Männer wirkten skeptisch. Vince seufzte. Er verstand, dass er sie wohl überzeugen musste, ihm zu vertrauen.
"Wir haben vielleicht eine Woche, unseren Standort geheim zu halten und unsere Verbindungen zu nutzen, bevor die Graugilde die Stadt komplett übernimmt. Sie haben vielleicht die Kontrolle auf der Strasse, Verbindungen zu den wirklich M;ächtigen hier in der Stadt haben sie aber noch nicht. Das verschafft uns ein wenig Zeit, um andere zu finden, die die Drecksarbeit für uns erledigen..."
Kiesel unterstützte Vince:
"So unverständlich mir seine Pläne auch sein mögen, die beiden ersten Schritte müssen wir so oder so machen, wenn wir hier in Orbitalia bleiben wollen. Daher ist das in meinen Augen in Ordnung."
Zustimmendes Murmeln machte sich breit.
"Gut, dann an die Arbeit. Seit vorsichtiger als sonst, denn diesmal geht es um mehr als nur um euer Leben..." schloss Vince das Treffen.
Lautlos huschten die Reste der Gilde von Teleron ins Dunkel der Nacht.

Kiesel gab Vince einen kräftigen Schlag auf die Schulter: "Und was machst Du jetzt?"
"Ich gehe zu Eileen..."
Kiesel klappte die Kinnlade herunter: "Meinst du nicht wir haben jetzt besseres zu tun als...?"
"Es ist geschäftlich", beteuerte Vince.
"So kann man es auch nennen...!"
Vince warf Kiesel einen mißmutigen Blick zu. Der zwinkerte ihm nur zu.
"Ach und Vince: Wasch' dich besser. Du stinkst, als kämst Du gerade aus der Gosse!"

Nach Mitternacht erreichte Vince den Salon der Comtessa von Rotschild, einer niederen Adligen, die mit der finanziellen Unterstützung der Gilde von Teleron die feine Gesellschaft von Orbitalia mit Diensten aller Art versorgte.
Die Adlige kam sofort aufgeregt auf ihn zu und bat ihn in ihren persönlichen Salon.
"Ich hörte, Jaylal sei tot und noch andere beunruhigende Gerüchte. Vince, was geht hier eigentlich vor" fragte sie besorgt.
"Was immer ihr gehört habt, Comtessa, es ist schlimmer. Es gibt zur Zeit mächtige Probleme mit einer anderen Gilde. Verhaltet ihr euch am besten unauffällig. Ich werde ein paar Männer zu eurem Schutz schicken. Kann ich Eileen sprechen?"
Die Adlige nickte und hielt die Hand auf. Wortlos gab ihr Vince einige Münzern.
"Ich wußte schon, warum ich euch das Geschäft anvertraute....", murmelte er mit einem schiefen Grinsen.
"Geschäft ist Geschäft und jeder, der hier etwas will, muss zahlen. Ohne Ausnahme", entgegnete die Adlige kurz angebunden.
In der ersten Etage trat Vince in eines der luxuriösen Zimmer ein. Es war in einem angenehmen dunklen rot gehalten. Die Wände waren mit schweren Teppichen behangen und der Boden schien mit feinstem Samt ausgelegt zu sein....

Sofort fiel ein Schatten über ihn her mit einem langen: "Viiiince! " und bedeckte sein Gesicht mit Küssen.
Mühsam hielt sich Vince die junge Frau vom Hals.
"Ich freue mich auch, dich wiederzusehen, Eileen, aber ich wollte mit dir eigentlich nur reden..."
"Vince sag doch einfach, dass..." Als sie sein ernstes Gesicht sah, verstummte sie. "Du bist nicht hier, um eine Nacht zu verbringen, oder?"
Der Assassine schüttelte nur mit dem Kopf.
"Was ist es dann, was Du von mir willst", fragte sie, als sie sich einen Umhang umlegte.
"Besuchst Du noch ab und zu den alten Grafen von Tiefenstein?"
"Ja, fast jede Woche. Für sein Alter ist er..."
"Ja, schon verstanden. Wie geht es ihm, wie lange wird er es noch machen?" Vince neugierige Augen bohrten sich direkt in ihr Gesicht.
Sie wich seinem Blick aus und betrachtete den Boden, als sie sprach.
"Er hat es mit dem Herzen, und ich muß aufpassen, dass ich es bei unseren Besuchen nicht übertreibe... aber auch so wird er nicht mehr lange leben".
"Magst Du ihn?" Die Frage kam unerwartet und Eileen blickte ihn erschrocken an.
"Bei der Göttin, nein, er ist ein alter Lustknochen, behandelt mich wie das letzte und zahlt schlecht..."
"Könntest Du bei deinem nächsten Besuch nicht ein wenig übertreiben?"
Eileen riß die Augen auf. "Du meinst..." Vince nickte nur. Ihr Gesicht wurde hart. "Ich bin nicht so rücksichtslos wie du Vince... 2000, wenn ich es für dich erledige."
Vince grinste:"Du bist noch schlimmer als ich, Eileen, glaub' mir. Aber abgemacht. Ich muß hier noch ein wenig Schreibkram erledigen. Stört dich das?"
"Du hast die ganze Nacht bezahlt. Aber willst Du wirklich nicht? Ich meine, ich habe auch meinen Berufsstolz!" Schmollend verzog sie ihren Mund.
Verblüfft über ihre Direktheit schüttelte Vince nur den Kopf und begann am Eichentisch hastig, Papiere zu bekritzeln.
Im Morgengrauen verlies er das Zimmer und gab Eileen einen Kuss auf die Stirn: "Du bekommst eine Nachricht von mir. Pass' auf dich auf"
Rasch verschwand er aus der Hintertür...

Der Baron Harold von Trotia hatte einen unruhigen Schlaf und wachte bei einem ungewöhnlichen Geräusch auf. Er spähte im Zimmer umher, konnte im dämmrigen Licht seines Gemaches aber kaum etwas erkennen. Doch Moment, der Vorhang am Fenster wurde vom Wind bewegt. Hatte er das Fenster nicht am Vorabend geschlossen? Plötzlich wurde er einem Schatten an der Wand gewahr und zog panisch an der Kordel für seine Leibdiener. Doch die fiel lose von oben herab.
Als er laut nach der Wache rief, begann der Schatten zu sprechen:
"Endlich seit ihr wach, Exzellenz. Spart euch das Geschrei. Eure Männer schlafen tief und fest. Außerdem will ich euch nicht umbringen. Es geht vielmehr um ein Geschäft...!"
Die Gestalt trat langsam aus dem Schatten an der Wand hervor.
Der Baron richtete sich auf und verengte die Augen. "Ihr seid Vince... der Assassine, nicht war?"
Vince verbeugte sich spöttisch. "Zu euren Diensten."
"Was wollt ihr von mir? Ich habe meine Dienste an Jaylal schon abgegolten"
Vince drehte sich zu ihm. "Die Frage ist doch eher: Was wollt ihr?"
"Ich verstehe nicht..." Der Baron verfolgte die Schritte des nächtlichen Eindringlings mit den Augen.
"Wolltet ihr nicht Magistrat in dieser Stadt werden?" begann Vince unerwartet.
"Nun ja, das ist allgemein bekannt. Und ich werde es auch bald..." Ein gewisser Stolz schwang in der Antwort mit.
"Ah, ihr spielt auf das schwache Herz des Barons von Tiefenstein an!" konterte Vince spitz.
Harold biss sich auf die Lippen. Er hätte seinen Mund halten sollen.
"Was wäre, wenn ihr schon nächste Woche Magistrat werden würdet, weil der Graf von Tiefenstein tragischerweise verschieden ist?" stellte Vince nachdenklich in den Raum.
Die Überraschung stand dem Baron ins Gesicht geschrieben. jedoch fing er sich rasch und entspante sich.
"Ich wüßte nicht, warum mich das interesieren sollte. Ich habe es nicht so eilig!" log er.
"Ach so. Ich dachte nur, ihr würdet dem Erzherzog, der in zwei Wochen in Orbitalia eintreffen wird, gern als Magistrat begrüssen. Immerhin wollt ihr doch an den Hof des Königs..."
Vince spührte, wie der Ehrgeiz des jungen Barons hinter dessen Augen glänzte, aber ein letzter Skrupel ihn zurückhielt. Er mußte es ihm also nur noch schmackhaft genug machen.
"Nehmen wir mal an, der Graf stirbt nächste Woch an einem überanstrengten Herzen, ohne vergiftet worden zu sein, ohne eine Bestechung von Dienern und Leibärzten, völlig natürlich. Wer würde euch verdächtigen? Und nehmen wir mal an, ihr könntet den Erzherzog als der Mann gegenüber auftreten, der Orbitalia von der Korruption und dem Verbrechen befreit hat. Würde das nicht eurem Ansinnen einen Schub geben? Ach ja: und angenommen, ihr würdet wieder in Besitz eures Familienerbstückes kommen, das die Gilde von Teleron euren Ahnen vor dreihundert Jahren gestohlen haben... Meint ihr nicht, ihr würdet mit all diesen Begebenheiten besser dastehen, als wenn ihr noch jahre darauf wartet, dass der Graf verstirbt?"
Harold von Trotia überlegte. Es war ein wahrhaft verlockendes Angfebot und er wäre töricht, wenn er diese Chance nicht beim Schopfe packen würde. Dennoch blioeb er auf der Hut.
"Es heißt, niemand kommt auch nur in die Nähe des Grafen..."
"Ihr könnt mir glauben, dass ich über die Mittel und Wege dafür verfüge..." versicherte Vince.
"Und der andere Punkt... gehe ich recht in der Annahme, dass ihr euch mit Jaylal überworfen habt?" Misstrauische Blicke trafen Vince.
"Ihr begreift schnell. So könnte man es auch sagen..."meinte Vince gedehnt.
"Und ihr lasst dafür die ganze Gilde von Teleron büßen?" Der Baron pfiff leise.
Vince nickte nur stumm. Innerlich frohlockte er. Der Baron hatte angebissen.
"Wie kommt das eigentlich, nur so aus Neugier", fragte von Trotía fast beiläufig.
"Jaylal hat neue Leute in die Gilde gebracht und hat vieler meiner getreuen Männer ausgelöscht. Das geht jetzt schon seit Tagen so und auch heute Nacht dürften wieder einige der letzten sterben..."
"Das erklärt die vielen Tote in letzter Zeit," senierte der Baron.
"Rache also. Aber was erwartet ihr von mir?"
"200 000 Goldstücke in Edelsteinen und freies Geleit für mich!"
"Ihr seit ein wenig unverfroren in eurer Forderung, Vince!"
"Nicht, wenn ihr die Namen der korrupten Adligen, Stadtdiener, Stadtwachen, sämtliche Verstecke der Gilde von Teleron und den Standort des Liliendolches erfahrt..." entgegnete Vince genüsslich.
Der Baron hob eine Augenbraue:
"Warum macht ihr mir dieses Angebot?"
"Ich weiß, dass ihr Ambitionen habt und Gelegenheiten beim Schopfe packt. Euer Ehrgefühl ist weithin bekannt, ebenso, wie euer Gerechtigkeitssinn. Außerdem," fügte Vince hinzu," ist Eure Garde die verläßlichste in der Stadt. Wir konnten keinen von ihnen bestechen..."
Man sah förmlich den Stolz in der Haltung des Barons.
"Was die Bezahlung betrifft, so hab ich leider..."
"... nur die Hälfte davon in der Schatulle unter Eurem Bett. Ich nehme das gern als Anzahlung."
Der Baron knirschte mit den Zähnen, dann schlug er jedoch ein und übergab dem Assassinen aus der Schatulle einen kleinen Beutel mit den kostbarsten Edelsteinen. Als er sich umdrehte, nachdem er die Schatulle unter dem Bett versteckt hatte, war Vince verschwunden. Nur der Vorhang am Fenster bewegte sich mit dem Morgenwind.
Auf dem Tisch lagen, mit dem Siegelring des Barons beschwert, viele Zettel, auf denen Namen und Skizzen von Gebäuden zu erkennen waren. Aufmerksam arbeitete der Baron die Dokumente durch und sein Gesicht verdunkelte sich immer mehr, als er erkannte, wie tief Orbitalia eigentlich mit den Machenschaften der Gilde verstrickt war. Als die Sonne aufging, war der Baron schon beim Kommandanten seiner Garde...

Am Morgen traf Vince in der Schmiede an der Stadtmauer ein.
Der Schmied arbeitete schon fleißig und nickte Vince nur zu, als dieser eintrat.
Hagro hatte schon hervorragende Arbeit geleistet. Die Fluchtwege waren fertig: einer über die Stadtmauer und einer durch die Kanalisation. Sie waren gerade damit beschäfdtigt, falsche Wände und Böden in den Räumen der Schmiede einzuziehen.
Im Keller ruhte sich Kiesel mit seinen Meuchlern vom nächtlichen Zug aus.
Er berichtete, dass alles soweit glatt gelaufewn war und man die Verräter entweder erwürgt oder aus Fenstern geworfen hatte. Auch bei einer Tavernenschlägerei sei unglücklicherweise ein Verräter umngekommen. Allerdings würden sie noch eine weitere Nacht brauchen, um die restlichen Opfer aufzuspühren.
Vince fühlte sich unglaublich müde und schwer.
"Eileen?" fragte Kiesel mit einem wissenden Grinsen.
"Von Trotia...", gab Vince mühsam zurück.
"Der Baron? Warum" Kiesel war mehr als überrascht.
"Der Feind deines Feindes ist oftmals recht nützlich." Vince sah, dass Kiesel ihm nicht so recht folgen konnte. Daher fügte er hinzu:" Er macht die Drecksarbeit für uns!. Ach ja, schick ein paar Männer zur Comtessa von Rotschild und lass sie sie beschützen. Die Dame und ihr Salon sind zur Zeit sehr nützlich. Und gib einen von ihnen hier dass für Eileen mit." Er drückte ihm einen kleinen Sack in die Hand.
Kiesel und die Männer murrten. Um die gedrückte Stimmung aufzuhellen, warf Vince den Beutel mit Edelsteien in die Runde. Sie und seine Leute waren der Neuanfang der Gilde von Teleron.

Hagro, Kiesel und Vince vereinbarten, dass die Männer erst mal ruhig blieben, die Schmiede ausbauten und den Salon überwachten. Vince konnte nicht sagen, wann der Baron von Trotia zuschlagen würde, nur das es schnell und hart gehen würde. Vince hatte dem Baron fast alles aufgeschrieben. Nur die allerwichtigsten Beziehungen offenbarte er nicht. Denn die würden der Gilde in Zukunft sicher noch gute Dienste leisten.
Die nächste Nacht verlief, bis auf das Ableben einiger zwielichtiger Gestalten, sehr ruhig. Offensichtlich hatte die Graugilde noch nichts von den Schmiede erfahren.
Vince hatte angefangen, mit einigen Leuten die Vorgänge in der Stadt zu überwachen. Er hatte sehr schnell begriffen, dass das jetztige Überleben nur gesichert werden konnte, wenn man über die Vorgänge in der Stadt Bescheid wußte. So entging es ihm nicht, dass der Baron von Trotia heimlich Truppen in die Stadt geschmuggelt hatte.
Drei Tage später fingen dann die großen Säuberungsaktionen der Garde des Barones an. Er hatte anscheinend alles genau geplant und so wurden nicht nur Verdächtige, sondern auch Beweise sichergestellt. Am nächsten Tag waren fast alle Gildenverstecke ausgeräuchert und die verbleibenden wurden in schweren Strassenschlachten von den Truppen des Barons belagert. Außerdem machte das lang erwartete Ableben des Grafen von Tiefenstein die Runde. Er war wohl über Nacht an einer Überanstrengung des Herzens gestorben.

Harold von Trotia sah gerade die Dokumente des tagsüber abgelaufenen Kampfes durch, als er plötzlich aufschreckte.
"Guten Abend, eure Exzellenz. Ich beglückwünsche euch zu eurem Erfolg," tönte eine Stimme aus der Dunkelheit.
Baron von Trotia drehte sich mit säuerlichem Gesicht um.
"Ihr habt mich betrogen, Vince! Ihr habt mich und meine Männer in einen Gildenkrieg hineingezogen."
"Ich denke nicht. Ihr habt alles das bekommen, was ich euch versprochen habe. Jaylal ist tot, die Diebesgilde... nun gut, die Graugilde, aber das kümmert keinen, ist zerschlagen und fast vertrieben, ihr habt den Liliendolch und seid Magistrat..."
"Ich haben 157 Männer verloren und der restliche Magistrat fordert eine Erklärung über all die festgenommenen Adligen..."
"Ich sehe, Magistrat, ihr habt alles im Griff," entgegnete Vince kalt. "Habt ihr den Führer der Graugilde festsetzen können?"
"Ich vermute ja, er ist im Verließ!"
"Um ganz sicher zu gehen, darf ich ihn sehen?" fragte Vince nur kurz.
Der Baron führte Vince stumm über einen geheimen Gang hinunter in das Verließ seiner Residenz.
Der Mann, der sich Vince als Anführer der Graugilde vorgestellt hatte, saß blutüberströmt und gefesselt auf einem Stuhl. Um ihn herum standen Folterbänke, Feuerkessel und andere Vorrichtungen, die Vince nie gesehen hatte. Der Raum war stickig und heiß, erfüllt von den Schreien und Stöhnen der gequälten Gefangenen. Die Füsse des Anführers steckten in einer Vorrichtung, die Vince unter dem Namen "Spanische Stiefel" bekannt waren. Der Mann würde nie wieder laufen können...
"Nun ja das ist er, Magistrat. Der Anführer der Gilde", meinte Vince nach kurzer Betrachtung des Gefangenen.
"Was sollte mich eigentlich abhalten, euch neben ihn zu setzen, Vince" fragte der berechnende Baron. Vince blieb ruhig und drehte sich langsam um.
"Um ehrlich zu sein, habe ich damit eigentlich gerechnet, Baron", sagte er mit eisiger Stime.
"Aber es gibt da einige Fakten, die euch davon abhalten, nicht wahr?"
"Welche mögen das wohl sein", fragte der Baron selbstsicher.
"Zu allererst euer Wort in unserer Abmachung, dann das Angebot, dass ich euch in Ruhe lasse wenn ihr mich in Ruhe lasst..."
"Ich lasse mir nicht drohen!" gab Harold erbost zurück.
"...und zuletzt der Punkt, dass es sicher sehr schade wäre, wenn man dem eintreffenenden Erzherzog zwar von euch als Volkshelden und Retter der Stadt berichten könnte, er euch aber in der Kirche an eurem Grab besuchen müßte. Ich lass mich auch nicht bedrohen, Baron, denn ich habe auch noch meine Möglichkeiten. Und unglücklicherweise wisst ihr nicht, wie sie aussehen, da ihr sie mir selbst mit euren Edelsteinen ermöglicht habt. Und nun steht zu eurem Wort!"
Wutschnaubend führte der Baron Vince zurück in sein Arbeitszimmer, wo er ihm den Rest der Edelsteine aushändigte.
So schnell wie möglich verließ Vince das Anwesen des frischgebackenen Magistrat und verschwand in den Mengen auf den Strassen. Der Spion des Barons, welcher ihm heimlich folgen wollte, mußte so unverrichteter Dinge wieder zurückkehren.

Silence
13.06.2003, 04:00
Vince streifte noch eine Weile durch Orbitalia.
Als er sich ganz sicher war, jeglichen Verfolger abgehängt zu haben, schlug er den direkten Weg in Richtung des neuen Gildenverstecks ein.
Als er angekommen war, huschte er ungesehen in die versteckten Räume.
Wortlos gab er Kiesel die Beute und zog sich in eine ruhige, dunkle Ecke zurück, wo er eindöste. Die letzten Tage hatten sehr viel von ihm abverlangt. Oder wurde er einfach nur alt?
Er hatte die Abschiedsworte an Sith nicht vergessen. Doch auch er hatte lange bis Orbitalia gebraucht. Ganz zu schweigen von den Ereignissen der letzten Tage. Er würde nicht rechtzeitig in Dulgov sein, um Sith und die anderen zu treffen, selbst wenn er direkt durch die Nurnenwüste reisen würde...
Jack seufzte bevor er endgültig im dämmrigen Licht einschlummerte.

Er wurde sacht an der Schulter wachgerüttelt. Es war Hagro, der ihn breit angrinste.
"Hoch mit Dir! Ich denke, einer unserer Leute hat interessante Neuigkeiten. Das dürfte auch Dich interessieren."

Die Gilde von Teleron war in letzter Zeit sehr vorsichtig geworden und hatte sich daher aus vielen Geschäften nach der großen Razzia zurückgezogen, um nicht weiter ins Blickfeld der patroullierenden Ordnungshüter zu geraten. Man beschränkte sich lediglich auf das Sammeln von Informationen und halblegalen Geschäften mit den Kaufleuten in der Stadt. Daher gab es jeden Tag eine Art Besprechung, in der die Gilde über die jüngsten Ereignisse in Orbitalia beriet.
So verbreitete sich zur Zeit unter den Händlern in Orbitalia auch das Gerücht, dass etwas in der westlichen Provinzhauptstadt nicht mit rechten Dingen zuging. Es war von Überfällen, nichtmenschlichen Wesen und Belagerung die Rede.
"Der Händler, der gestern aus Dulgov zurückkam, berichtete, dass sich in der Umgebung dort immer mehr Hobgoblins sammeln und gemeinsam Karawanen, ja ganze Dörfer überfielen. Seiner Meinung nach wäre es nur eine Zeit, bis sie zahlenmäßig genug sind, um auch größere Städte anzugreifen", berichtete einer der Diebe.
"Und er hat nicht zu dick aufgetragen", fragte Kiesel skeptisch.
"Nein, er sei auf den Rückweg nach Orbitalia zweimal überfallen worden. Und hätte seine Karawane keine Späher gehabt, wären sie einer Hundertschaft Hobgoblins in die Arme gelaufen."
Hagro pfiff zwischen den Zähnen durch. "Und weiter?"
"Viele Händler sind besorgt, da Dulgov ein wichtiger Zwischenposten für den Handel mit dem westlichen Teil des Kontinents darstellt. Sie fürchten um die Sicherheit der Handelsrouten und üben mittlerweile Druck auf den Magistrat der Stadt aus. Sie wollen eine baldige Entscheidung erzwingen..."
"Ich weiß nicht, ob sich der Magistrat das gefallen lässt", gab ein dunkel gekleideter Meuchler zu bedenken.
"Nicht unbedingt", meinte Hagro nachdenklich, während er sich mit Daumen und Zeigfinger über die Bartstoppeln an seinem Kinn strich. "Ein Drittel des Magistrats besteht selbst aus einflußreichen Händlern."
"Genau", fuhr der Dieb fort "außerdem sind die Adligen in Aufregeng. Über den gesamten Kontinent gibt es versprengte Stämme von allen Arten nichtmenschlicher Wesen. Sie machen sich sorgen, ob sich so etwas wie in Dulgov nicht auch hier in der Umgebung zusdammenbrauen könnte..."
"Und was planen sie nun?" Kiesel rutschte auf seinem Platz unruhig hin und her.
"Sie wollen einige Späher hinschicken, die Informationen sammeln. Nur leider sind nicht genug erfahrene Söldner in der Stadt, die dafür bereit sind."
Hagro und Kiesel schauten direkt zu Vince. "Gut, danke für die Information."
Mit einer Kopfbewegung deutete Vince den beiden an, mit ihm ins Nebenzimmer zu gehen.
"Du willst dort hin, nicht wahr", bagann Hagro, als sie die Tür schlossen.
"Ich denke, wir sollten aus erster Hand erfahren, ob sich dort nicht auch Probleme für uns ergeben", entgegnete Vince.
Kiesel grinste nur. "Warum sagst Du nicht gleich, dass Du wieder mit diesen Verrückten weiterziehen willst."
Der Assassine runzelte die Stirn. "Ich gebe zu, dass dies einer der Gründe ist. Aber wir haben eine Menge Geld in Händler gesteckt, die über Dulgov Handel treiben. Diese Gelder will ich nicht verlieren, weil wir nicht schnell genug Informationen über die Vorgänge in Dulgov haben. Außerdem will ich mich dort noch ein wenig umhorchen, ob nicht weitere Leute aus der Graugilde von Dulgov aus hier erneut versuchen, Fuß bei uns zu fassen. Und Baron von Trotia ist ebenfalls ein Grund, eine Weile hier aus Orbitalia zu verschwinden."
Kiesel und Hagro schwiegen. Ein weiteres Problem war, dass viele der Männer immer noch ihre Zweifel an Vince hatten. Und der Verrat eines Großteils der alten Verstecke und der Graugilde selbst an die Obrigkeit hatte nicht gerade dazu beigetragen, dass sich ihre Meinung über Vince verbesserte. Sicher, dadurch hatten sie den Gildenkrieg gewonnen. Aber Vince hatte Gleichgesinnte verraten und damit ins Gefängnis oder in den Tod getrieben. Es gab Diebe, die so etwas als Hochverrat an der Gaunerehre verstanden. Von daher hatte es auch seine Vorteile, dass er erst einmal von der Bildfläche verschwand.
Vince überlegte einen Augenblick.
"Ich werde mich als Späher anheuern lassen und reise nach Dulgov. Nachrichten werde ich über Händler an euch weiterleiten. Bleibt dennoch auf der Hut", sagte er zu Kiesel und Hagro.
"Ach ja, und verhaltet Euch in nächster Zeit auch hier weiterhin so unauffällig. Nehmt bloß keine Meuchelaufträge an Händlern und schon gar nicht an Adligen an. Egal, wie hoch der Preis ist. Nachdem von Trotia hier die Stadt mit seiner Garde umgekrempelt hat, haben alle anderen wichtigen Häuser der Stadt ebenfalls ihre Truppen in die Stadt beordert. Die Stimmung ist am Sieden. Mag sein, dass einige ihre Macht auf Kosten von anderen vergrößern wollen. Das muß uns zunächst egal sein. Sollten wir uns hier einmischen, lenken wir nur Aufmerksamkeit auf uns. Unser großer Vorteil ist zur Zeit, das von Trotia den anderen versichert hat, es gäbe keine Diebesgilden mehr in der Stadt. Verspielt also diesen Vorteil nicht zu schnell."
"Ist schon klar Vince, wir werden das irgendwie schaukeln", zwinkerte ihm Hagro zu.
Vince wußte, dass er sich auf Hagro verlassen konnte. Der war viel zu gerissen und zu berechnend. Trotzdem flüsterte Vince Hagro noch etwas ins Ohr. Entsetzt weiteten sich seine Augen. "Wir sollen einen Magier für die Gilde anheuern?"
"Man weiß nie, wozu wir ihn noch brauchen können. Außerdem dürfte es nicht zu teuer werden. Immerhin können wir einen Großteil der Gegenstände für ihn stehlen", Vince zuckte mit den Schultern.
"Soviel zum Thema keine Aufmerksamkeit zu erregen", entgegnete Hagro säuerlich. "Überlass' das mir. Irgendwie kriegen wir das schon hin. Immerhin eilt es ja nicht, oder?"
"Das weiß ich leider nicht genau... ist nur ein unangenehmes Gefühl, das ich habe", gab Vince düster zurück.

Vince meldete sich mit leichtem Gepäck am nächsten Tag bei einem der Kaufleute, welcher die Expedition nach Dulgov zusammenstellte. Die Hälfte des großzügigen Soldes gabe es im voraus. Trotzdem meldete sich nur eine Handvoll Männer und Frauen für den Spähtrupp. Die Gerüchte waren wohl doch schneller und erschreckender verbreitet worden, als Vince vermutet hatte.
Die Zeit bis zum Aufbruch nutzte er, um seine Vorräte aufzufrischen und die Ausrüstung auszubessern.
Zwei Tage später verliessen sie Orbitalia direkt in Richtung der Nurnenwüste. Die Händler hatten mit Reittieren und Ausstattung nicht gegeizt und so war Vince guter Dinge, als sie in den Sonnenuntergang hinaus ritten.
Er kam mit den anderen Spähern ins schnell ins Gespräch. Sie schienen fähig und verläßlich zu sein. Und da sich jeder von ihnen der Gefahren der Reise bewußt war, stellte sich recht schnell eine Art Kameradschaft ein...

RPG-Süchtling
27.06.2003, 20:39
Jack ging es schon wieder deutlich besser, als Dalyana und Sith zurückkehrten. Dalyana trug eine seltsame Rüstung. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Ich konnte zunächst nicht glauben, was sie uns über ihren Verbleib berichtete. Doch dann öffnete sie zu meiner Verblüffung eins dieser Portale vor unseren Augen. Jack schien nicht minder erstaunt. Beherzt traten wir durch das Tor und befanden uns wie durch Zauberhand recht weit entfernt nördlich von Dulgov, unweit des Meeres. Wie wären beinahe mit einer Hobgoblin-Patrouille aneinandergeraten, konnten uns aber in dem nahegelegenen Wald verstecken.
Drafco hielt kurz inne, als er einem leisen Brummen gewahr wurde. Er erschrak sich fast, als er die Hengeyokai bemerkte, die schnurrend über seine Schulter sah. Etwas hastig und nervös drehte er sich um. Sith wich geschmeidig einen Schritt zurück.
„Was... was tust du da?“
Sith grinste. „Ich lese mit.“
„Das lenkt mich aber ab.“
„Oh, tut mir leid. Willst du meine Meinung hören?“
Der junge Gelehrte verzog das Gesicht.
„Ich sage sie dir trotzdem. Dein Geschreibsel ist totaaal langweilig.“
„Es handelt sich ja hier auch nicht um eine Geschichte zur Belustigung der Massen, sondern um eine hochwissenschaftliche, präzise Aufzeichnung der Geschehnisse.“, meinte Drafco empört.
Er drehte sich um und griff wieder zu seinem Federkiel. Sith beugte sich erneut leise über seine Schulter, was er genervt registrierte. Er drehte sich erneut um.
„Wenn du es nicht ein bisschen ausschmückst, wird dein Bericht in irgendeiner Bibliothek verrotten und nie wirkliche Beachtung finden.“
„Nimms mir nicht übel, aber ich glaube nicht, dass du weißt, wie Wissenschaft funktioniert. Da ist kein Platz für subjektive Eindrücke und reißerische Auswüchse, die die Sicht auf das Wesentliche verstellen.“
„Du willst nur nicht beschreiben, wie du dich auf der Flucht vor den Hobgoblins der Länge nach in den Dreck gelegt hast, gibs zu!“, grinste das Katzenwesen.
Drafco seufzte. Er hatte schon genug Probleme damit, bei dem spärlichen Licht, das eine fast abgebrannte Kerze spendete, seine Aufzeichnungen ordentlich zu beenden. Er wandte sich wieder seinem Schriftstück zu und tunkte den Federkiel in die schwarze Flüssigkeit.
Dalyana berichtete uns von einer kleinen Hafenstadt unweit unseres Standortes und wir beschlossen, sie aufzusuchen, um von dort mit einem Schiff ans nördliche Ende des Kontinentes zu segeln. Leider mussten wir feststellen, dass auch dieser Ort, Krill genannt, schon von Hobgoblins besetzt war. Nachdem wir die Lage sondiert hatten
„Wir? Das kannst du so nicht stehen lassen. Ich bin ganz alleine unter Lebensgefahr in dieses Kaff geschlichen und habe uns einen sicheren Weg hinein gesucht.“, protestierte eine maunzige Stimme neben seinem Ohr.
Kommentarlos, aber mit einem zusammengekniffenen Gesichtsausdruck, strich Drafco den letzten Satz und fuhr fort:
Nachdem Sith die Lage sondiert hatte
„Schreib Sith, die heldenhafte Katenfrau!“
Nachdem sie den Blick des Gelehrten auf sich ruhen spürte, fügte sie „OK, muss nicht sein.“ hinzu und grinste.
Nachdem Sith die Lage sondiert hatte, schlichen wir uns in das Dorf und fanden in einem verlassenen Haus unweit des kleinen Hafens Unterschlupf. Wir werden hier ausharren, bis wir auf ein Schiff gelangen können, dass uns zu unserem Ziel führt. Und das wird nicht einfach, mit den ganzen verdammten Hobgoblins, die hier rumhängen.
Sith schaute Drafco verwundert an, der schief grinste. Dann lächelte sie, wirbelte herum und huschte die Treppe hinauf, die aus dem Keller führte.
Der Gelehrte blies leicht auf das Pergament. Als er es gerade aufrollte, hörte er ein Seufzen aus der Dunkelheit.
„Es funktioniert einfach nicht.“
„Du musst dich stärker konzentrieren, Jack.“
Die Dunkelelfe saß neben dem Krieger und hielt seine Hand.
„Glaubst du wirklich, dass ich diese Fähigkeit habe?“
Dalyana schüttelte den Kopf. „Ich habe leider keine Ahnung. Aber du hast mir erzählt, dass dieser Junge, den du in einer Vision gesehen hast, dir erzählt hast, du hättest den Blick.“
„Ja, richtig. Aber wieweit soll man einer Illusion glauben?“
„Es wäre wirklich wichtig. Durch den Blick kannst du herausfinden, was andere Nairio gerade tun. Du könntest sogar mit ihnen Kontakt aufnehmen. Wir könnten in Erfahrung bringen, was Gerry vorhat.“
„Ja, das weiß ich alles. Aber ich bin kein Nairio.“
Dalyana nickte langsam und ließ seine Hand los. „Machen wir eine Pause.“
Schweigen füllte das fast stockdunkle Zimmer.
„Wir brauchen ein paar neue Kerzen.“, meinte Drafco nach einer Weile. Aber er bekam keine Antwort.
Plötzlich öffnete sich die Luke zum Keller und Sith glitt durch die Öffnung. Der Luftzug hätte beinahe die Kerze zum erlöschen gebracht. Die Hengeyokai rannte leichtfüßig die Treppe hinunter. Man konnte ihren Atem hören.
„Leute, es gibt Ärger!“, raunte sie.

Silence
24.07.2003, 22:10
Aresha'arim musterte Lira'Nacshie Maranda nochmals. "Geht es Euch eigentlich nur um den Schlüssel, oder ist der Tod Eures Wächters ebenfalls eine Eurer Bedingungen?"
"Meine Liebe, es liegt mir eigentlich mehr am Schlüssel. Nur bedenkt doch, dass der Wächter Euch wiedererkennen könnte... Oder plagt Euch Euer Gewissen, jemanden zu töten? Ich bitte Euch! Es wäre nicht das erste mal, das Ihr einem Menschen das Leben nehmt!"
Diese Worte klangen hart. Und irgendetwas in Areshas Innern widerstrebte diesem Handel... Sie würde sich mit dem Blut eines Unschuldigen beflecken müssen.
"Oh, und das hier ist mein Wächter."
Langsam entstand in der Luft das Bild eines Mannes, dessen Züge sich Aresha einprägte.
"Er ist nicht immer hier im Tempel, daher solltest du es bei der nächsten Gelegenheit versuchen."
Aresha nickte zaghaft. "Bringt mich zurück", sagte sie entschlossen.
Mit einem Kopfnicken rief sie Elion herbei, welcher Aresha zurück in den Tempel des Ordens begleitete.
Als er verschwunden war, spührte sie einen dumpfen Schmerz in ihrem Kopf und eine ihr bis zu diesem Zeitpunkt unbekannte Traurigkeit bemächtigte sich ihres Geistes. Etwas, ausserhalb dieser Mauern, war geschehen. Und sie konnte es fühlen.
Langsam erhob sie sich und verließ den mosaikgeschmückten Raum. Als sie den obersten Absatz der Treppen erreicht hatte, wurde der Engel von einer Priesterin empfangen. Diese führte sie wieder in das Saktuarium zurück.
"Geht es Euch gut?" fragte die junge Frau vorsichtig und sichtlich besorgt. "Ihr seht genau so blass und verstört aus wie die anderen..."
Aresha blickte sie fragend an.
"Nun, auch die anderen Engel scheinen plötzlich von etwas bedrückt zu sein."
Aresha schüttelte nur den Kopf. "Es ist nichts. Mir geht es gut!"
"Wie ihr meint."
Im Sanktuarium angekommen bedankte sie sich kurz bei der Priesterin und eilte schnell zu ihresgleichen. Sie und die übrigen Engel versuchten sich den kurzen Schmerz und die Traurigkeit zu erklären.
Ein hochgewachsener Engel erinnerte sich schließlich. Es war ein ihm nur allzu vertrautes Gefühl: Der Schmerz, wenn ein Halbengel starb.
Aber von ihnen ist doch keiner gestorben, wandte ein anderer Engel ein. Dann muss es eben ausserhalb dieser Mauern noch weitere Engel und Halbengel geben, entgegnete ein Dritter.
"Ist doch seltsam", meinte der hochgewachsene Engel, "wenn es noch weitere Engel gibt, wieso haben sie uns dann nicht hier begrüßt? Wieso sind sie nicht hier und warum hat der Orden sie bisher noch nicht erwähnt?"
Für Aresha war dies ein Beweis, das hier etwas nicht stimmte. Somit schien Lira'Nacshie Maranda zumindest bezüglich der unklaren Beweggründe des Ordens die Wahrheit gesagt zu haben.
Unsicherheit und Zweifel machten sich unter den Engeln breit. Aresha jedoch überzeugte sie, sich ruhig zu verhalten, aber auf der Hut zu sein.
"Und was wirst DU indes tun, kleine Schwester?" fragte der hochgewachsene Engel.
"Ich werde sehen, was ich erfahren kann. Ich will sicher gehen, dass wir nur unserer Göttin dienen, und nicht irgend einer anderen Macht, egal welche Gründe sie hat."
Zwei Tage waren seit ihrem Treffen mit Lira vergangen. Dank der Hinweise von Lira wurde immer offensichtlicher, dass Hiob und einige seiner Mitpriester versuchten, Einfluss auf die Engel zu nehmen, indem sie immer wieder die gleichen Geschichte wiederholten: Die Engel und Narea seien von ihren Verbündeten an die Dämonen verraten worden und dass es Zeit wird, sich an den Schuldigen zu rächen. Zu Aresha waren die Schuldigen aber weniger alte Dämonen, sondern mehr die Bewohner in den reichsten Gebieten der hiesigen Ebene sowie viele alte und angesehene Tempelanlagen.
Eines nachts vernahm Aresha im Schlaf ein ein zartes Wispern:"Er ist hier...Koralis ist hier im Tempel...Folge dem Nebel...Er wird Dich führen und verbergen..."
Um ihre Lagerstatt waberten die ersten Nebelschwaden auf, denen Aresha folgte, während sie vollständig vom Nebel eingehüllt wurde. Barfus schlich sie im wispernden Nebel durch die dunklen Hallen des Tempels. Schließlich gelangte sie in einen riesigen Saal. Die runde, halbkugelfürmige Decke sah aus wie der Sternenhimmel. Überall spärliches Glitzern kalten Lichtes. Wände und Boden waren mit dunklen Steintafeln ausgelegt, so dass man nicht genau sagen konnte, wo die Decke anfing und wo sie endete.
In der Mitte sass gedankenversunken Koralis und starrte nach oben.
"Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr gekommen seid, mich zu töten?"
Erzürnt säuselte der Nebel als er sich zerteilte und Aresha sichtbar wurde.
"Alle Achtung, Priester!"
"Nur bin ich ein wenig gespannt, wie Ihr es mit leeren Händen schaffen wollt, mich zu töten", senierte der Priester nachdenklich, die Augen immer noch an die Decke geheftet.
Mit einen Lächeln formte Aresha ihre Hand zu einer Faust, als darin ein Ball astraler Energie zu leuchten begann.
"Nun bin ich beeindruckt, kleiner Engel", sagte Koralis, als er sich langsam erhob.
"Machen wir es schnell. Sie ist an Eurem Tod interessiert und ich werde es jetzt zu Ende bringen", flüsterte Aresha leise. Für jemanden, der gleich sterben sollte, war dieser Priester außerordentlich ruhig.
Koralis hob seine linke Hand und bewegte seinen Zeigefinger.
"Hm, hm, hm, nicht sie, er befiehlt meinen Tod!"
"Wovon sprecht Ihr?" fragte Aresha sichtlich verwirrt.
"Nun, nicht Narea befiehlt meinen Tod. Ich denke, er, Hiob wird Euch davon überzeugt haben, dass ich ein Verräter an ihm, unserer Göttin und somit auch an Euch bin. Und als Beweis Eurer Loyalität sollt ihr mich nun aus dem Weg schaffen, damit nicht noch mehr "Verrat und Rebellion" hier im Orden stattfindet. Stimmt das soweit?"
"Er erwähnte so etwas in der Art", gab Aresha schlagfertig zurück und biss sich auf die Unterlippe. Eigentlich war der Auftrag doch recht einfach. Wieso zögerte sie jetzt? Welche Intrigen liefen hier sonst noch ab? Vielleicht wäre es doch nützlich, mit diesem Priester ein wenig zu plaudern, bevor er starb... Wenn er überhaupt starb. Denn irgendwie kam er ihr seltsam vertraut vor... Und seine Ruhe war auch nicht unbedingt ermutigend.

RPG-Süchtling
18.09.2003, 08:09
Koralis hatte sie sofort wiedererkannt. Das kleine, unscheinbare Mädchen von damals schien mit ihren schneeweißen Flügeln einiges an Größe gewonnen zu haben. Er hatte immer noch das Bild vor Augen, von ihrem zerschundenen, blutüberströmten Körper, wie er auf dem Dach des Gasthauses vor seinen Füßen lag. Er hatte ihr damals im Auftrag des Ordens das Leben wiedergeschenkt. Nun war sie im Auftrag des Ordens gekommen, ihn zu töten. Welch eine Ironie.
„Erinnerst du dich gar nicht an mich?“, fragte Koralis, als er merkte, dass Aresha zögerte.
Der Engel antwortete nicht. In ihrem Kopf hatte ein Kampf begonnen. Ihre Loyalität gegenüber Lira ging sehr tief. Und wenn sie es nicht tat, würde sie ohne ihre Erinnerungen vermutlich ein Spielball für die Mächte sein, die sie ausnutzen wollten. Wem konnte sie schon trauen? Selbst Lira war nur ein Mensch, auch wenn sie einst einen Pakt mit dem Engelsheer geschlossen hatte.
Zögere nicht! Er versucht nur, dich abzulenken! zischte Lira´s Stimme durch ihren Geist.
Wenn er sich gegen Hiob gestellt hatte, konnte er möglicherweise auf ihrer Seite stehen...
Er gehört zu dem Orden, der euch als ihre Handlanger ausnutzen möchte. Mit meiner Hilfe werdet ihr frei sein. Wir werden die Dämonen vertreiben und Narea aus ihrem Gefängnis befreien!
Aresha machte eine ärgerliche Geste, als sie ihre Zweifel zur Seite fegte und die Energiekugel auf den Priester schleuderte.
Koralis senkte den Kopf seines Stabes nach unten. Die astrale Energie kam aus der Bahn, huschte einige Male um den Priester herum, bevor sie zischend in Richtung Decke schoss. Wieder Erwarten schlug sie dort nicht ein, sondern wurde immer kleiner, als wenn sie tatsächlich in den Nachthimmel flog.
Nach einer Schrecksekunde hatte Aresha sich wieder gefangen. „Warum versucht Ihr, das Unvermeidliche hinauszuschieben? Ihr wisst, ich bin die Heeresführerin Aresha'arim. Ihr werdet meinen Kräften nicht standhalten!“
„Erinnerst du dich nicht? Du und deinesgleichen seid Wesen des Friedens. Ihr seid nicht zum Kampf geboren. Eure Stärken liegen in anderen Bereichen.“
„Das denkt aber auch nur Ihr, Priester!“, rief Aresha.
Blitzschnell feuerte sie aus beiden Händen neue Kugeln auf den Priester. Koralis verfuhr mit ihnen ebenso wie mit der ersten. Als er gerade wieder etwas sagen wollte, fing der Engel an, mit seinen Flügeln zu schlagen. Er erhob sich wenige Zentimeter über den Boden. Ihre Haare wirbelten in die Lüfte, während sie etwas murmelte. Wie in Zeitlupe bewegten sich ihre Flügel nach hinten, nur um im nächsten Augenblick blitzschnell nach vorne zu schlagen und eine Druckwelle auszulösen, die den sichtlich überraschten Priester stolpern und über den Boden rutschen ließ. Stöhnend blieb er einige Meter weiter liegen.
Hustend und leicht schwankend erhob er sich. Er hatte niemals zuvor mit einem Engel gekämpft und ganz offensichtlich hatte er ihre Fähigkeiten unterschätzt. Verwundert schaute er in die Richtung des Engels. Er fragte sich, warum sie die Gelegenheit seiner Hilflosigkeit nicht genutzt und ihn getötet hatte. Ihr Gesicht hatte wieder diesen seltsamen Ausdruck des Zweifels angenommen. Er schöpfte Hoffnung.
Ihr Gesichtsausdruck hatte etwas Trauriges an sich, als sie in seine Richtung schaute.
„Koralis..?“, flüsterte sie.
Der Mann in dem hellgrünen Umhang atmete erleichtert aus. Sie erinnerte sich! Doch schon im nächsten Augenblick war ihr barmherziger Blick schon wieder verschwunden. Sie breitete die Arme aus, während ihre Flügel anfingen, leicht zu glühen. Lichtspuren huschten über ihren ganzen Körper und ein leichtes Summen durchzog die Luft. Koralis schaute sich nervös um. Er wusste nicht genau, was sie vorhatte, aber sie schien Energie für einen wirklich starken Angriff zu sammeln. Diesmal würde er wahrscheinlich nicht so viel Glück haben.
Für Narea! Für die Engel! Und für alle guten Menschen!
Gleißende Blitze zuckten durch Aresha´s Arme und schüttelten sie. Sie konnte diese Energie kaum kontrollieren. Und sie hatte das Gefühl, dass diese Macht nicht aus ihr selbst kam. Das einzige, was von diesem seltsamen Raum trotz des Lichterspiels klar und deutlich zu sehen war, war der gepflasterte Boden, als die geballte Energie über ihn hinweg auf die Stelle huschte, wo der Priester stand. Sekundenlang hielt dieser Beschuss an, bevor Aresha ihre Arme wieder unter Kontrolle bekam und nach unten nahm. Ihr Brustkorb hob und senkte sich schnell. Welch eine Kraft. Sie hätte am liebsten geweint.
Was ist? Ist er tot? fragte Lira.
„Nein... Er ist verschwunden.“, verkündete der Engel dem leeren Raum. In ihrer Stimme schwang weder Erleichterung noch Ärger mit.

Langsam öffnete Koralis die Augen. Er war offenbar nicht mehr in seinem Meditationsraum. Über ihm schien die Sonne. Dann beugte sich ein Schatten über ihn. Der Priester blinzelte.
„Meles?“
„Ja, alter Mann. Das war ziemlich knapp, möchte ich meinen.“
Mühsam erhob sich Koralis. Sie befanden sich auf einer grünen Insel, die nicht besonders groß war und auf der ein paar zerfallene Gebäude standen. „Wie habt Ihr...“
„Das ist nicht wichtig. Tatsache ist: Ich habe Euch das Leben gerettet und Ihr schuldest mir etwas.“
„Sicher.“ Koralis verzog verärgert das Gesicht. „Nicht nur, dass Ihr Euch in Dinge einmischt, die Euch nichts angehen. Ihr würdest auch niemals in Betracht ziehen, jemand aus reiner Herzensgüte zu helfen, oder?“
„Wenn Ihr Euch beschweren wollt, werde ich Euch wieder dorthin zurückbringen, wo Ihr bei lebendigem Leib gebraten worden wärt. Ach ja, hier ist Euer Stab.“
Der Priester nahm den Stecken an sich. „Ihr denkt wohl, ich hätte mich nicht selbst retten können?“
„Wenn Ihr das gekonnt hättet, wieso habt Ihr es dann nicht getan? Ihr wollt mir doch nicht erzählen, dass Ihr sterben wolltet?“
Koralis entgegnete nichts mehr.
„Ich möchte, dass Ihr mir dabei helft, Ceredrie zu finden und die Träne der Göttin.“ Er blickte hinaus auf das Meer. „Ich denke, es liegt auch im Interesse des Ordens, meine Schwester unter Kontrolle zu bekommen, habe ich nicht Recht?“

Silence
11.11.2003, 19:36
Koralis' Gedanken kreisten.
Der Orden. Hatte der überhaupt noch andere Intressen als jene von Hiob? Macht?
Sicher es würde dem Orden gewiss Vorteile bringen, wenn Ceredrie keinen Einfluss mehr ausüben konnte.
Doch bei näherer Überlegung gestand er sich ein, dass eher Hiob der eigentlich Nutzniesser davon gewesen wäre. Und Meles, natürlich.
Andererseits hatte diese Zauberin vor und nach ihrerer Bestrafung schon genug Unheil angerichtet. Für die Welt wäre es eigentlich ein Segen, wenn sie von der Bildfläche verschwände. Aber war es denn rechtens, ein Übel zu tilgen und ein anderes frei gewähren zu lassen? Immerhin war die Aussicht auf die Träne der Göttin wiederum eine Überlegung wert. Aber nur so lange, wie sie sich in den rechten Händen befand. Und Meles' wankelmütige Art der letzten Jahrhunderte stimmten ihn nicht unbedingt zuversichtlich.

"Nun Koralis, wie sieht Eure Antwort aus?" wollte Meles wissen.
"Ich helfe Euch unter der Bedingung, dass..."
"Oh, so nicht, mein Lieber. Auch wenn wir beide ... alte Bekannte sind, akzeptiere ich solange keine Bedingungen von Euch, wie Ihr in meiner Schuld steht. Wir können natürlich über Bedingungen verhandeln, aber dafür müsste ich Euch wieder zurückschicken, Ihr müsste die Auseinandersetzung mit dem Engel überleben, mich erneut treffen und so weiter und so weiter. Ihr seht, es ist von Vorteil, wenn ihr hierbleibt, Eure Schuld begleicht und wir uns dann mit Euren Bedingungen beschäftigen...sofern sie in meinem Intresse liegen. Aber wenn ihr wollt, bringe ich Euch selbstverständlich zurück. Der Zauber des Engels sollte mittlerweile vorbei sein... aber sie dürfte auch wieder soweit erholt sein, um ihn erneut zu wirken. Ihr seht, bei Eurer Rückkehr hättet Ihr nicht wirklich etwas verpasst!"

Koralis bis sich auf die Unterlippe und schluckte ein Verwünschung hinunter.
"Sieht so aus, als hättet Ihr mich in der Hand," presste er heraus.
"Ganz so schlimm wird es schon nicht werden mein Bester. Wir arbeiten schließlich zusammen," erwiederte Meles mit einem Ginsen.
Koralis düstere Miene sprach Bände als Antwort.

"Wie konnte er nur einfach verschwinden," Liras Stimme war äußerst ungehalten.
"Er hatte Hilfe, vermute ich. Schließlich war er zu angeschlagen für einen derartigen Zauber...".
"Nun, das ist möglich. Kehre wieder zu den anderen zurück. Ich muss nachdenken. Und halte dich bereit. Zumindest ich würde gern an unserem Handel festhalten"
Ihre Stimme klang nun wieder beherscht.

"Ich verstehe, Lira," antwortete Aresha'arim tonlos.
Sie ekelte sich... vor sich selbst. Liras Handel hatte eine Art Attentäterin aus ihr gemacht. Eine Marionette, die auf den nächsten Befehl ihres Meisters wartete. War es das, was sie sich erhofft hatte? Unterwerfung als Preis der Freiheit? Konnte sie nach dem Mord an Koralis eigentlich überhaupt noch in Freiheit leben?
Zumindest nicht deine Seele, schien es in ihr zu flüstern...