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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Mitleid und Misthaufen



bg2408
10.03.2005, 22:25
Ich muß mir mal ein bißchen Luft machen, in dem ich Wut niederschreibe. Warum? Weil mich etwas aufregt, und ich meinem Ärger Luft machen möchte, ihn nicht immer schlucken will.

Für viele Miseren bringe ich Mitleid auf. Sei es, weil der Zufall (oder wie immer man den modernen Gott nennen möchte) unverschuldet zuschlägt, oder weil die jeweils betroffenen selbst zu ihrem Unglück beigetragen haben. Wir Menschen sind nicht ohne Makel, und jeder begeht Fehler - wir alle. Tatsächlich gibt es Tage, wo ich soviel Unglück sehe, daß ich am liebsten meine geistigen Türen und Fensterläden schließen würde. Vielleicht helfe ich deshalb gerne in Foren - ein kleiner, schnell geschriebener Post, und das Gegenüber ist ein wenig glücklicher. Ein winziger Tropfen auf einem Stein, heiß wie die Oberfläche der Sonne, ich weiß. Allerdings komme ich vom Thema ab.

Ich stoße nun schon zum wiederholten Male an die Grenzen dieses Mitleids, wo ich einfach nicht mehr weiterkann. Wo ich mich wie ein Misthaufen fühle, vollgemüllt mit seelischem Abfall. Warum? Aus einer emotionalen Sicht kann ich immer noch sagen: "Ja, wir sind immer alle nur Menschen, Gefühle sind stark, eventuell würde ich dieselben Fehler machen..." und genau an diesem Punkt, mit dem Fehler, schaltet sich ein gefährlicher Faktor Namens Verstand ein: "Verdammt, soll er/sie sich doch tausendmal verbrennen, was geht mich das an?"
Was meine ich damit? Nun, stellt euch vor, jemand faßt unwissentlich auf eine rotglühende Herdplatte. Ich denke, wir alle sind uns darüber einig, daß dieser Mensch unser Mitleid verdient hat.
Stellt euch nun vor, er faßt wissentlich darauf.
Und stellt euch jetzt vor, er faßt immer und immer und immer wieder wissentlich darauf. Anschließend klagt er euch sein Leid... um keine fünf Minuten später wieder die Hand darauf zu legen. Woraufhin ihr wiederum die volle Ladung Seelenleid geklagt bekommt. In dieser Situation stecke ich.

Und ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, wie ich damit umgehen soll. Jemand (nein, nicht die Kotzensache, siehe unten) macht mit mir genau das, seit nunmehr einem Jahr. Einen Jahr, in dem er mich mehrfach bitterlich enttäuscht hat. Jemand mit ein bißchen mehr Konsquenz als ich hätte ihm wohl längst jede Bekanntschaft gekündigt. Trotzdem höre ich immer und immer und immer wieder dieselben Klagen. Tröstende Worte, kaum mehr denn leere Phrasen, kann ich meinen Fingern längst nicht mehr abringen. Ich muß mich sehr beherrschen, nicht extrem zynisch zu werden. Das macht mit Angst.

Inzwischen habe ich gegen gewisse, man möge mir den Sarkasmus verzeihen, "Klischeesituationen" einen gewissen Schild errichtet, wo ich auf bestimmte Ereignisse mit einer fast schon menschenverachtend kalte Schulter reagiere. Welche werde ich hier nicht ausführen (fassen wir es mit "wo kotzen, nicht essen" zusammen, OK?). Nur stelle ich fest, daß sich das ausbreitet, ich längst immer häufiger versuchst bin sehr unnett zu werden. Einfach loszuschreien: "Schalt endlich das aufgeweichte Brötchen zwischen deinen Ohren ein!"
Und ich frage ich mich: Sollte ich das nicht tun? Die Zugänge von Aufmerksamkeit, Zeit und Mitleid dichten für alle, die sich willentlich verbrennen? Ich weiß es nicht. Nur tat es mir gut, dazu ein paar Worte niederzuschreiben. Danke.

Arrax
10.03.2005, 22:35
Naja vielleicht solltest du einfach deinem Ventil mal Druck ablassen und es der Person mal klar (und ich meinte nicht es ihr ins Gesicht zu schreien) machen. Wenn du dauernd mit dir rumschleppst es der Person zu sagen und nicht tust und sich das dann so auswirkt/auswirken sollte das du das Ventil auf andere öffnest indem du ihnen fast schon zynisch und Sarkastisch kommst dann solltest du das mit dir IMO ins reine Bringen bevor du dein Umfeld (sei´s RL, VL wie auch immer) aufgrund dieser Reaktion die du aus Höflichkeit o.Ä. nicht rausbringst belastest.

Das wäre meine Meinung

imported_DWS
11.03.2005, 07:54
Inzwischen habe ich gegen gewisse, man möge mir den Sarkasmus verzeihen, "Klischeesituationen" einen gewissen Schild errichtet, wo ich auf bestimmte Ereignisse mit einer fast schon menschenverachtend kalte Schulter reagiere.

Diese Entwicklung ist leider sehr menschlich, aber nicht unbedingt gut. Wir haben das mögliche Problem, daß in unserem Hirn Verbindungen entstehen, die uns die unvoreingenommene Urteilsfähigkeit rauben, z.B. wir gehen auf jemanden völlig Fremden zu, und sehen in ihm/in seinem Gesicht/seiner Kleidung Ähnlichkeiten (oder sogar manchmal nur der gleiche Vorname) mit jemandem, mit dem wir negative Gefühle verbinden und verhalten uns schon nicht mehr wertfrei.

Folgende Einstellung, die ich im Aikido gelernt habe, bzw. weiterhin lerne (denn dieser Prozess hört eigentlich nie auf), hilft dagegen:
Wenn ein Mensch über eine Angelegenheit oberflächliches Wissen gewinnt (es gibt nur wenige Menschen, die über oberflächliches Wissen hinausgehen können), baut sein Geist automatisch Schranken auf, denn er formt Meinungen, Schlussfolgerungen und Vorurteile, welche wirkliches Lernen verhindern. Fast alles, was auf der Welt geschieht, ist ein Abbild davon. Den Anfängergeist (Shoshin) zu besitzen bedeutet, sich frei zu machen von den aufdrängenden Gedanken des Wissens und des Zweifelns und wahres Lernen zuzulassen.

Das kann man auf alles im Leben anwenden, neue Lerninhalte (Uni/Schule), im Straßenverkehr, beim telefonieren mit Kunden...
In diesem Fall bedeutet es, zu versuchen auf andere Menschen zuzugehen unter völliger Ausblendung vergangener Erfahrungen, eigentlich wie ein Kind (unerfahrener n00B), ohne Argwohn auf jemanden zugehen - was natürlich aber auch nicht bedeutet, ins offene Messer zu rennen. Jeder Mensch, jedes Leben und mag es uns durch Erfahrungen/Gelerntes/verknüpftes auch noch so mitleiderregend erscheinen, ist wertvoll.

bg2408
13.03.2005, 20:43
DWS: Weißt du, warum Daumenregeln meist funktionieren? Weil sie meist zutreffen. Daumenregeln im Sinne von "wenn Regen an die Fensterscheibe prasselt, werde ich ohne Schirm naß, sollte ich herausgehen". Natürlich könnte der Regen genau dann aufhören, wenn man hinausgeht. Jeder hat die Situation schonmal erlebt, daß ausgerechnet dann der Wolkenguß aufhörte. Trotzdem nehmen wir den Schirm mit, oder eine Jacke mit Kapuze, weil diese Erlebnisse die Ausnahmen sind.

Warum schreibe ich das? Weil ich glaube, daß du die "wo kotzen, nicht essen"-Lage nicht erlebt hast (oh wie ich dich beneide :(). Solltest du je in eine geraten, hoffe ich für dich, deine Philosophie möge dir helfen. Den Ausweg sage ich dir vorab: Kein Mitleid, keine Anteilnahme, absoluter Kontaktabbruch. Ansonsten wirst du emotional ausgeblutet, fällst in ein noch tieferes Loch als das auslösende Subjekt. Eine Freundin, die diesen Thread las, sagte nur lapidar: "Kegle solche Typen aus deinem Leben raus, sie werden dir nur schaden." Gleiches gilt für die "wo kotzen, nicht essen"-Situation. Am Ende kann man nur verlieren, wenn man nicht sofort seine Schutzschilde hochfährt.

Arrax: Ich habe es der Person schon so oft gesagt... als Ergebnis gingen dann immer lustige Gerüchte im gemeinsamen Bekanntenkreis um http://www.multimediaxis.de/images/smilies/old/s_010.gif. Und letztendlich wurde ich wieder belästigt. Der Witz ist: Jene Person, von der ich hier spreche, hat die sehr ähnliche "wo kotzen, nicht essen"-Situation selbst bis an den Rand des psychischen Zusammenbruchs als Opfer erlebt. Trotzdem merkt jene Person nicht, daß sie strukturell dasselbe tut. *seufz*

Shiravuel
13.03.2005, 21:09
Jeder Mensch, jedes Leben und mag es uns durch Erfahrungen/Gelerntes/verknüpftes auch noch so mitleiderregend erscheinen, ist wertvoll.

Stimmt, ABER: auch das eigene Leben und die eigene Psyche sind wertvoll und ein Mensch, der emotional bis an die Grenze getrieben wird durch solche Ausnutzerei, wie bg sie geschildert hat, ist irgendwann dann nämlich selbst nicht mehr in der Lage, anderen Menschen etwas zu geben. Jede Kraft geht nur bis an eine bestimmte Grenze. Und wenn ein Mensch diese Grenze wieder und wieder überschreitet und einen ausnutzt, dann hilft wirkich nur: rauskegeln aus dem eigenen Leben. In Deinem eigenen Interesse (und nein, das ist KEIN Egoismus, sondern ein gesunder Selbsterhaltungstrieb) und im Interesse weiterer Menschen, die Dir zukünftig noch begegnen werden. ;)