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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Crimson Sweet



Stanley
10.08.2006, 16:18
Crimson Sweet
dunkelgrün-hellgrün gestreift, oval.

Hätte man mich noch vor ein paar Minuten gefragt, hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass ich gleich tot sein würde. Klar, der Abend verlief beschissen und meine Laune war miserabel, aber wer rechnet schon mit so etwas?
Wenn man stirbt, ist kurze Zeit davor noch alles wie immer. Man kommt aus einer beschissenen Kneipe, in der man sich mit seinen Kollegen von der Arbeit einige Biere reingekippt hat, weil schließlich Wochenende ist und man ja sonst nichts zu tun hat. Keine Hobbys, keine Freundin, nichtmal einen Hund oder so was, also ist die letzte Alternative um nicht geistig zu vergammeln, einen trinken zu gehen. Gut, darüber lässt sich streiten, vielleicht vergammelte mein Geist in letzter Zeit auch grade durch das Saufen, aber was soll’s.
Ich ging diese scheinbar endlose Straße hinunter, sie schien einfach kein Ende nehmen zu wollen. Und zu allem Überfluss regnete es auch noch. Ich rede hier aber nicht von diesem melancholisch-nachdenklichen Regen, der lieb die einzelnen Tröpfchen auf deinem Kopf tanzen lässt, sondern eher von einer Art Sintflut. Fast so, als wenn Gott persönlich durch ein Sieb oder so direkt auf einen hinabpinkelt. Trotzdem bewegte ich mich nicht schneller, nur weil es regnete. Pitschnass war ich sowieso, wieso sollte ich mich also noch abhetzen, nur um ein paar Minuten früher zu hause zu sein?
Mit total durchnässten und schwer gewordenen Klamotten erreichte ich glücklicherweise eine Autobahnbrücke, bei der ich mich unterstellen konnte. Ich entschied kurze Hand eine zu Rauchen, in der Hoffnung, dass der Regen meine Kippen nicht in einen Haufen ekligen Tabakmatsch verwandelt hatte. Glück gehabt, alle Zigarette noch trocken. Erleichtert lehnte ich mich an die Wand an und steckte mir eine an. Schnell hatte der Rauch meine Lungen gefüllt und ein angenehmes Gefühl stieg in mir auf. Einen Moment lang konnte ich abschalten und vergaß den ganzen Scheiß um mich herum. Den Regen, die Kälte, meinen Job. Einfach alles.
Knappe fünf Minuten später hatte ich die Zigarette aufgeraucht. Der Moment des inneren Friedens war wieder vorbei. Also entschied ich kurze Hand, weiter die Straße hinunter zu gehen.
Plötzlich erschien ein Licht. Richtig hell. So wie es einem immer beschrieben wird, wenn jemand vom Eintritt in den Himmel spricht. Und so wie ein kleines Insekt fühlte ich mich auf eine merkwürdige Weise von diesem Licht angezogen, weswegen ich entschied, auf es zu zugehen.

Das war dann jedenfalls auch der Moment, in dem ich starb. Ich wurde von dem wundervollen Licht – welches nebenbei mit Sicherheit schwerer war als eine Horde wilder Elefanten – erfasst und durch die Luft geschleudert. Für Schmerzen war glücklicherweise keine Zeit, wie auch? Es passierte in Sekundenbruchteilen. Ich wurde meterweit durch die Luft geschleudert und landete mit dem Kopf auf dem Asphalt. Mein Rückrad wurde wie ein Akkordeon zusammengedrückt und mein Schädel zerplatzte wie eine überreife Wassermelone. Die Suppe, die entstand, war ein Mix aus zermatschten Augen, Knochenpulver und Gehirnbrocken. Muss echt ekelhaft ausgesehen haben, aber ich musste mir den Dreck ja ohnehin nicht mehr ansehen.

Ich musste mir nun generell keinen Dreck mehr ansehen, wenn Sie verstehen, was ich meine.

Square
10.08.2006, 16:26
Deutlich besser als die letzte Geschichte, zumal das Ganze einen Zusammenhang hat! Sprachlich auch geschickter, wenn auch nicht immer glänzend. Der Stil gefällt mir, da fällt mir ein, dass ich mir immer noch nicht Pulp Fiction bestellt hab.:rolleyes:

Vetkin
10.08.2006, 16:31
Gut gut. Dein Schreibstil gefällt mir und es ist ein interessanter inhaltlicher Ansatz für eine Kurzgeschichte. Es gibt ja nicht allzu viele die einfach von den letzten Minuten aus einem Leben berichten und praktisch zusammen mit diesem enden. Und auch deine Schlussszene, in der es an gut beschriebener Gewalt nicht mangelt, ist nicht zu übertrieben. Mir gefällt die Geschichte. Ich finde sie auch besser als deine erste. Weiter so!

tuzLidad
10.08.2006, 16:45
Mhh. Komisches Ende. Trotzdem finde ich die Geschichte auf eine eigenartige Weise komisch. :D Allein schon wegen Crimson Sweet. Und die Melone am Schluss ^^
Aber der Charakter hätte Björn heißen können. 8) (Nimms nicht persönlich, Björn)

Broken Chords Can Sing A Little
10.08.2006, 20:08
Hm, leicht seltsam, hat aber wiederum auch was Cooles. Wobei's zu kurz ist, finde ich. Ich weiß nicht, aber irgendwie fehlt mir da der Spannungsbogen. Auch wenn die Sache mit dem Licht schon gute Ansätze gezeigt hat, aber das Besondere fehlt dennoch, irgendwie. Sowas war schonmal da, kommt mir vor, wenn auch nicht in dieser Form, die mir, wie gesagt, auch wiederum gefällt.

Ziek
11.08.2006, 10:13
Mir hat die Geschichte gefallen und dein Schreibstil ist auch sehr gut lesbar. Ich hab jedoch die ganze Zeit Edward Norton vor meinem inneren Auge gehabt, wie er mir diese Geschichte erzählt >.>

Merlin
11.08.2006, 17:48
Mir hat die Geschichte gefallen und dein Schreibstil ist auch sehr gut lesbar. Ich hab jedoch die ganze Zeit Edward Norton vor meinem inneren Auge gehabt, wie er mir diese Geschichte erzählt >.>

Jap. Habe ich auch gedacht.
Gilt übrigens für alle deine Geschichten. Ist aber nun absolut nichts schlechtes.
Allerdings wäre 'ne ausschweifende Stelle hier und ein paar Details mehr da auch nichts schlechtes gewesen.

.dragonRune
11.08.2006, 19:40
Good one!

Zu mehr bin ich grad nicht fähig.

Chrischplak
11.08.2006, 21:28
Hm, ja Finch,

tolle Arbeit erstmal. Es ist schön zu sehen, dass es dir gelingt, deine eigenen Probleme zu verarbeiten und umzusetzen. Viele Jugendliche deines Alters sind nicht in der Lage ihre Probleme zu bewältigen und fressen sie in sich hinein, doch du gehst reif damit um und schaffst dir so rum, beeindruckend.

Die Geschichte zeugt von viel poethischem Können und durchedachten Strukturen, die du beherrscht und dir dadurch einen sauberen Schreibstil bescheren, kurzum, ich bin begeistert.

Aja, hau rein Marc o_O

Fenryl
13.08.2006, 01:15
Mir hast du das hier alles verschwiegen... http://www.multimediaxis.de/images/smilies/old/3/nonono.gif

Also diese Kurzgeschichte ist wesentlich besser als die andere. Hier ist dir der Humor gut gelungen, wie das mit Sieb, haha.

Ich find's nur wie die anderen zu kurz. Mehr Details wären gut gewesen, lässt das alles so platt wirken. Schnelle Kost so.

Bist aber definitiv auf dem richtigen Weg, fjdn. :A

Pursy
13.08.2006, 01:31
Muss mich meinen Vorpostern anschließen, eine kurzweilige, wenn auch wirklich sehr kurze Unterhaltung.
Den Humor fand ich jetzt zwar nicht SO berauschend, aber er hat mich doch ein wenig zum Schmunzeln gebracht. Das Problem mit den Details hab ich garnicht, die sind eigentlich gut gewählt und nicht zu ausschweifend.
Das Problem ist einfach, es passiert zu wenig. Du hättest vielleicht den Abend ein wenig eher Anfangen können und so das ganze noch ein bisschen füllen können, wenn sowieso am Anfang feststeht, dass er schon Tod ist!
Aber wie gesagt, finde ich persönlich sehr gut und freue mich auf mehr!;)

Stanley
24.08.2006, 21:46
Also erstmal sei gesagt, dass ich mich wirklich über die positiven Kommentare freue. So wirklich was auszusetzen hatte ja eigentlich niemand etwas an der Geschichte, was ich schon toll finde.


Ich find's nur wie die anderen zu kurz. Mehr Details wären gut gewesen, lässt das alles so platt wirken. Schnelle Kost so.

Naja, klingt vielleicht blöde, aber genau so wollte ich die Geschichte haben. Sie ist parallel zu einer anderen, längeren Geschichte entstanden, die ich auch nach "Odyssee durch den Dreck" geschrieben habe (und die ich jetzt gerade vervollständige). Brauchte halt 'ne Geschichte zum Entspannen.

Achja, die Idee zu der Geschichte kam mir übrigens, als ich in einer regnerischen Nacht auf dem Heimweg unter einer Brücke eine Zigarette geraucht habe. 8)

Viddy Classic
24.08.2006, 22:02
Hat was, definitiv. Unglücklich finde ich nur zweimal das Wort "beschissen" gleich hintereinander, aber ansonsten sprachlich gut, inhaltlich zwar kurz, aber gut. Man bekommt keine emotionale Bindung zum Protagonisten, weil er sofort tot ist.

Gefällt mir.

Und diesmal musstest du mich nicht einmal drauf hinweisen ;)