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Stanley
26.07.2006, 02:48
Odyssee durch den Dreck

Er stand auf dem Klappstuhl, den er sich von zuhause mitgebracht hatte. Komischer Weise hielt dieser seinem Gewicht stand, was bei seinem Körper durchaus verwunderlich war, da er nicht das war, was man als „pummelig“ oder „füllig“ bezeichnen würde, nein. Man konnte wirklich sagen, dass er ein Fettsack war. Eine dicke Sau, so fett, dass jeder, der ihn sah, sofort Witze über ihn machte. Aber es machte seit Jahren kaum noch jemand Witze über ihn, ganz einfach, weil er sich nur noch in seiner 25m² großen Mietwohnung aufhielt – und da gab es abgesehen von ihm keine Menschen. Höchstens beim Einkaufen konnte es ihm noch passieren, dass ein paar Jugendliche ihm ein paar Beleidigungen an den Kopf schmissen, aber das nahm er ohnehin nicht mehr wahr. Für ihn gab es andere Dinge im Leben. Zum Beispiel seinen Klappstuhl, der ihm dabei half, auch in Fenster einen Blick zu werfen, an die er aufgrund seiner geringen Körpergröße normalerweise nicht herangekommen wäre.
An dieses Fenster war er in letzter Zeit öfter gekommen. Er mochte einfach, was er sah, wenn er hindurch sah – sie. Sie war im Grunde genommen nichts besonderes – zwar ziemlich gut aussehend, aber keine Frau, die mal eben so Model geworden wäre oder die jeder zweite Kerl nach ihrer Nummer fragen würde. Mal ganz abgesehen davon wählte der Fettsack die Fenster nicht danach aus, wie gut die Frauen tatsächlich aussahen, sondern eher danach, wie gut er unbemerkt auftauchen konnte, um einige Fotos von ihnen zu schießen und danach wieder zu verschwinden. Er hatte es schon unzählige male bei unzählig vielen Frauen gemacht, nie hat eine etwas davon gemerkt. Denn er war Profi in dem, was er tat. Frauen fotografieren, um sich danach mit den Fotos die Wände zu füllen.
Doch heute nicht. Heute hatte sie Besuch von einem Mann, mit dem sie einige Zeit vor ihrem Bett stand (wie die klügeren meiner Leser wahrscheinlich schon bemerkt haben, handelt es sich bei dem Fettsack um einen so genannten „Stalker“, der selbstverständlich durch ein Schlafzimmerfenster sieht, um die Frau mit einer größeren Wahrscheinlichkeit nackt sehen zu können). Diesen Mann kannte unser – sicher schon von allen Lesern lieb gewonnener – Fettsack nicht, obwohl er während der letzen Wochen und Monate sicher rund 20 mal durch dieses Fenster gesehen hatte. Also hoffte er darauf, dass die beiden im Schlafzimmer sich auszogen, um „Liebe zu machen“ – na ja, im Grunde wollte er nicht dieses „miteinander Liebe machen“ sehen, sondern eher das, was umgangssprachlich als „Ficken“ bezeichnet wird, um davon Fotos zu machen, die danach seine Zimmerwände bereichern und seine Hoden entleeren sollten.

Sie saß in der Küche. Einfach so am Küchentisch. In einer gewissen Weise sah sie nachdenklich aus, wer sie jedoch kannte, wusste, dass sie einfach nur dumm wie Stroh war. Sie dachte nicht nach, sie saß einfach da und guckte Löcher in die Luft. Die meisten Menschen hassen es zu warten, egal auf was, einfach das Warten an sich kotzt sie an. Aber nicht so sie. Auf was sie wartete? Darauf, dass die Tür klingelt. Sie erwartete jemanden. Kennen gelernt hatte sie den Kerl erst heute Nachmittag in einer alten Cafeteria in der Stadtmitte. Und da hat sie ihn erstmal auf ein Abendessen bei sich zu hause eingeladen, um ihn abzufüllen und mal wieder ein bisschen Spaß zu haben - wenn Sie verstehen, was ich meine.
Zwar hatte sie nicht besonders oft sexuelle Bekanntschaften mit Männern, jedoch ergriff sie nahezu jede Möglichkeit beim Schopf. So auch heute. Da sie nie viel nachdachte, kam ihr natürlich auch nie der Gedanke, dass sie eine dumme •••••••• ist, die ihrem Leben mal einen tieferen Sinn geben sollte, damit ihr einziger Lebensinhalt nicht Schuhe und Pimmel sind, die sie vom Erbe ihres stinkreichen Vaters kauft. Ich rede von den Schuhen, nicht von den Pimmeln, um Missverständnisse direkt aus dem Weg zu räumen.
Die Zeit verging, und nach einiger Zeit klingelte es an der Tür. Sie erhob sich von ihrem warmen, flauschigen Küchenstuhl und begab sich zur Haustür, um diese zu öffnen. Vor ihr stand der Typ aus der Cafeteria. Da sie als Frau multi-tasking-fähig ist, konnte sie „Hi, komm doch rein!“ sagen und „Gleich endlich wieder ficken!“ denken gleichzeitig. Das muss man ihr als Mann erstmal nachmachen.

Wieso er von ihr eingeladen worden war, war ihm mehr als scheiß egal. Von dem Moment an, in dem er sie in der Cafeteria kennen gelernt hatte, bis zu dem Moment, in dem er vor ihrem Haus parkte, ausstieg und auf die Haustür zuging, war es ihm scheiß egal. Er hatte seinen Plan. Und so wie er sich das alles ausgemalt hatte, sollte es gleich auch geschehen. Er zögerte noch einen kurzen Moment, als er die Klingel betätigen wollte, weil er ein Rascheln hörte. Es kam von einem Busch hinterm Haus. Das Rascheln war für ein Tier zu laut und er bekam Angst, dass die Tussie vielleicht doch einen Freund hat. Also beschloss der Typ mach nachzuschauen. Hinterm Haus gab es allerdings nichts. Der riesige Garten war leer. Fast. Da lag ein Klappstuhl zwischen den Büschen, bei denen sich der Typ aus der Cafeteria jedoch nichts dachte. Er ging zurück zur Tür und klingelte.

„Worüber die da wohl reden?“ dachte sich der Fettsack, seine Kamera fest von seinen dicken Wurstfingern umschlungen, bereit den Abzug zu betätigen, um das Stalker-Foto seines Lebens zu schießen. Doch wie bereits erwähnt, sollte er alles andere als gute Fotos bekommen.
Die Frau und der Kerl im Schlafzimmer redeten seit einigen Sekunden nicht mehr. Sie sahen sich nur an. Plötzlich zog der Typ eine Desert Eagle .50 und schoss ihr mitten ins Gesicht. Wer sich zufällig mit Waffen auskennt oder den Film „Snatch“ gesehen hat, weiß, wie überaus gefährlich so eine Waffe ist. Der Fettsack konnte seinen Augen nicht trauen. Hatte er wirklich gerade einen Mord mit angesehen? Ja. Und da er an dem besagten Tag sowieso nichts mehr zu tun hatte, entschied er mit seinem perversen Geist (und aus purer Neugier), sich das ganze weiter anzusehen. Der Typ fing damit an, die Frau auszuweiden und all so perverses Zeug, wäre ekelhaft das genauer zu beschreiben, dem Fettsack gefiel’s aber. Er stand auch auf Cannibal Corpse und andere harte Death Metal Bands, weswegen er sich immer mal gewünscht hat, bei so was dabei zu sein. Als der Metzger im Haus fertig war und das Haus verlassen und der Fettsack dabei unzählige Bilder von ihm geschossen hatte, verließen sie beide das Grundstück. Der Metzger fuhr nach hause zum schlafen, der Fettsack entwickelte zuhause schnell noch die Bilder, um sie an seine Wand zu hängen. Er hatte nun seine Liebe zu einer neuen Art von Motiv entdeckt. Kannibalen, die Frauen essen. Mjam.

Broken Chords Can Sing A Little
26.07.2006, 08:53
Lol. :D Amüsant ist gegen Ende hin, aber eine Sache habe ich bezüglich der ganzen Story zu bemängeln:
Diese Stellungnahmen, die den Leser direkt ansprechen passen nicht so wirklich. Kann sein, dass mir das einfach nicht gefällt, aber dennoch würde ich sagen, dass sie in diesem Fall eher unnötig waren. Ebenso der Hinweis auf Snatch, irgendwie stört das. Aber ansonsten gefällt's mir, hat Spannung und Humor.

.dragonRune
26.07.2006, 12:13
Diese Stellungnahmen, die den Leser direkt ansprechen passen nicht so wirklich. Kann sein, dass mir das einfach nicht gefällt, aber dennoch würde ich sagen, dass sie in diesem Fall eher unnötig waren.


dito. ansonsten gefällt's mir wirklich gut. :p

M-P
26.07.2006, 15:07
nicht schlecht als idee, aber die umsetzung und vor allem der erzählstil sind mager und ich fands nicht gerade spannend. du hast leider viel zu wenig worte verbraucht, ganz so als ob es nicht mehr worte geben würde. das ist müll-niveau, das tolle am schreiben ist jedoch dass du eine unerschöpftliche quelle an worten und situation hast, du die aufschreiben kannst. mh ja, nicht so meing von daher. aber schreib einfach noch mehr geschichten.

Square
26.07.2006, 17:43
Ich fands gar nicht schlecht, auch wenn mir der Fettsack so recht nicht ans Herz gewachsen ist. Aber solche Leute gibts bestimmt. ;) Das Einzige, was mir fehlte, war eine richtige Botschaft dahinter, ein AHA-Effekt - so liest man das Ganze herunter und zu interpretieren gibts praktisch nichts. Aber hat eine persönliche Note und einen gewagten gelungenen Sprachstil.;)

La Cipolla
26.07.2006, 19:18
Hm...
Naja. Also erstmal wirklich krass. Den Erzählstil find ich genial, teilweise wirklich ein wenig überzogen, du pendelst vor allem bei den Meinungsäußerungen zwischen einer tollen Art von Humor und einer Übertreibung. Ich denk mal, die Übung macht das.

aber schreib einfach noch mehr geschichten.
:eek:

Da sie nie viel nachdachte, kam ihr natürlich auch nie der Gedanke, dass sie eine dumme •••••••• ist, die ihrem Leben mal einen tieferen Sinn geben sollte, damit ihr einziger Lebensinhalt nicht Schuhe und Pimmel sind, die sie vom Erbe ihres stinkreichen Vaters kauft. Ich rede von den Schuhen, nicht von den Pimmeln, um Missverständnisse direkt aus dem Weg zu räumen.
:D Der war verdammt gut. xD

Was die Geschichte als solche angeht, würde es vielleicht reichen, wenn die Pointe über ein "Mjam" hinausgeht. :rolleyes: Ich denke, das kann man schon mit einem einfachen Endsatz wie "Er hatte nun ein neues Hobby." umgehen. Wenn der Humor stimmt, brauchts ja keine Story, aber ne Pointe ist dann immer gut.

Merlin
27.07.2006, 00:35
Jo hat mir auch soweit gut gefallen, aber Cipola hat mit dme Ende schon recht. Ist einfach für einen selbst halt irgendwie witziger wenn man es nicht so eindeutig erklärt bekommt.
'n bisschen weniger hätt's da halt auch getan. Sonst aber wie gesagt ganz cool. Noch ein paar Wortspiele usw. mit rein und so...joa.

Stanley
27.07.2006, 11:44
Also erstmal wirklich krass.

Du meinst die Handlung, oder? :p
Ursprünglich hatte ich geplant, im letzten Abschnitt eine richtige Metzelorgie zu feiern, habe das ganze dann allerdings viel zu schnell abgehandelt, das hat der Geschichte dieses absolute Angewidersein des Lesers genommen, denke ich. Hab's aber zu schnell abgehandelt, weil ich dachte, dass die Geschichte möglicherweise sonst gelöscht worden wäre (was aber rückblicken weniger schlimm gewesen wäre, als ihr Ende zu vermasseln, naja).

Mir selber gefällt der erste Abschnitt noch am besten, in dieser Qualität hätte ich gerne die ganze Geschichte geschrieben. Der Fettsack hat von den drei Charakteren das meiste Profil. Ich hätte gerne alle drei besser beschrieben, aber das hat nicht geklappt. Sie sollten alle drei auf einer Ebene stehen, aber so wirkt es irgendwie so, als ob der Fettsack der Hauptcharakter sein soll.
Ich hatte nach dem ersten Abschnitt schon eigentlich keine Lust mehr, die anderen drei Abschnitte wurden dann ganz schleppend geschrieben. An meine nächste Geschichte werde ich dann etwas anders drangehen. Durchdachter. Und die Kritik hier im Thread nehm' ich mir mal zu Herzen.

Es freut mich jedenfalls, dass die Geschichte insgesamt ganz gut angekommen ist. Danke also für das Lob.

Meine nächste Geschichte ist - ganz nebenbei erwähnt - bereits in Arbeit. :D

Viddy Classic
28.07.2006, 02:18
Das Ende ist für den langen, IMO guten Aufbau doch irgendwie zu abgehackt. Es ist so plötzlich, es ist so nebenbei und es ist vorbei. Mein einziger Kritikpunkt, der wirklich negativ behaftet ist.

Dieses überdeutliche Ansprechen des Lesers, nujo, vielleicht nicht mein Ding, aber doch mal eine interessante Erzählweise.

Ansonsten, der Aufbau wie gesagt, hat mir recht gut gefallen. Vielleicht nichts für eine Kurzgeschichte 3/4 der Geschichte einen Aufbau zu haben, für eine längere Geschichte wäre es definitiv richtig gut gewesen.

Yay, und damit habe ich auch mal einen Beitrag im Atelier ;)

tuzLidad
06.08.2006, 17:59
An sich ganz gut, aber die Anspielung auf "Snatch" fand ich etwas übertrieben. SOnst hätte etwas mehr typische Krankheit von dir hineingehört. Aber das wäre dann kein Stoff fürs Atelier geworden, was? :P