M-P
24.07.2006, 03:11
DAS EIERHANDY
(Eine Kurzgeschichte, basierend auf wahren Ereignissen in meinem Kopf)
Ich hatte das dämliche Ding erst letzte Woche Dienstag gekauft. Das Handy mein ich. Das war in so einem Telekommunikationsladen in King's Cross gewesen. Naja, es war nicht ganz King's Cross. Mehr Soho. Victoria Street. Na ihr wisst schon wo ich meine. Jedenfalls, ich bin da rein und sagte dem Typen er solle mich in Sachen Mobiltelefon beraten. Okay, das hab ich nicht gesagt. Als ich drin war, hab ich erstmal 5 Minuten mit Nichtstun verschwendet. Ich hab mir die paar Figuren angesehen und mich gefragt, was hier wohl für Menschen einkaufen. Da war zum einen dieser alte Kauz. Mit seinen ganzen Falten, den langen, weißen Haaren zu dieser merkwürdig abstehenden Hochfrisur und dem Anzug aus wasweißich welchem Jahrhundert sah er aus wie der verschissene Isaac Newton. Aber dem schien's ähnlich zu gehen wie mir. Der stand auch einfach nur so rum und sah sich den Laden an. Dann war da noch so'n kleines Mädchen. Kann nicht älter gewesen sein als 12 oder 13. Ansonsten war der Laden leer. Bis auf den Verkäufer. Irgend so'n schmalziger Junge mit Brille, der hier für einen Hungerlohn einen scheiss Job machte. Nun, wieviel er verdiente wusste ich nicht, aber ich konnt's mir denken. Das Gebäude sah schon von aussen baufällig aus, die spleenigen Sticker und ausgestellten Elektroniksachen konnten die Bruchbude auch nicht wirklich verschönern. Und drinnen war's noch schlimmer. Was soll man auch erwarten? Dreck's Gegend. Auf jeden Fall hatte ich wahrscheinlich zuviel geglotzt; und da kam auch schon der Schmalzjunge angeschlurft, die Hände in den Taschen.
»Suchen's was bestimmtes?«
»Ich schau nur.« hab ich ihm wie aus Reflex geantwortet, aber dann hab ich noch angehängt: »Obwohl, ja. Ich wollt eins von diesen Handies kaufen.«
»Ja, das wollen's alle.« Er lächelte nicht oder sowas. Er blickte nur gelangweilt in mein Gesicht und buxierte mich mit noch gelangweilteren Handbewegungen nach links, wo ein paar Handies auf so Kissen lagen, die auch mal wieder abgestaubt gehörten. Mein Blick fiel sofort auf das in der Mitte. Es war klein und schwarz. Ich griff danach und klappte es auf. Es war an einem Kabel angeschlossen, wahrscheinlich damit's keiner klaut. Mir fiel mein Butterfly in meiner Tasche ein und ich musste grinsen. Das Handy lag gut in der Hand und ich fragte ihn, wie teuer es war. Der Preis passte mir und der Vertrag, den der Schmalzjunge offenbar auswendig gelernt hatte und mir jetzt in Rekordzeit runterlaberte, passte mir auch. Ich sagte ich nehm's und wollte ihm die Hand schütteln. Er ergriff meine Hand aber nicht, also zog ich sie wieder weg und folgte ihm zur Kasse. Ich bezahlte, unterschrieb und bekam ein Päckchen in die Hände gedrückt. Mit dem Päckchen unterm Arm verließ ich das Geschäft und ging weiter zum Bahnhof, mit der Bahn fuhr ich dann nach Hause.
Zuhause stellte ich das Päckchen auf den Couchtisch und setzte mich davor. Endlich gehörst du auch zur modernen Welt, alter Junge. Ich schnitt das Päckchen mit meinem Butterfly auf und holte das Handy hervor, doch es war nicht das kleine, schwarze Handy, welches gut in der Hand lag. Was ich jetzt hier vor mir hatte war mehr so etwas wie ein grobes, klumpiges, rotes Ei. Und es lag überhaupt nicht gut in der Hand. Ich war erst verwundert und dann sofort zorning. »Scheisse, was soll das?« hab ich gesagt, obwohl Niemand da war, der es hätte hören können. Ich schüttelte es mehrmals in meinen Händen, doch entgegen meiner Hoffnung verwandelte es sich nicht in das kleine, schwarze Handy, welches gut in der Hand lag. Es blieb das grobe, klumpige, rote Eierhandy. Es war zu schwer und zu groß, als dass man hätte es locker in die Hosentasche gleiten lassen können. Und ja, es war wirklich beschissen hässlich. Ich hasste es vom ersten Augenblick an. Ich wollte mein kleines, schwarzes Handy, welches gut in der Hand lag. Aber was hatte ich bekommen? Einen Haufen Scheisse, sonst nichts. Ich griff wieder sofort nach dem Päckchen und kramte in dem Meer aus Pappe und Styropor nach dem Vertrag, doch da war kein scheiss beschissener Vertrag. Da war gar nichts. Nur Pappe und Styropor. Wieder sprach ich zu mir selbst. »Denen muss doch ein Fehler unterlaufen sein.« Ich hob den Karton an und betrachtete ihn von allen Seiten. Da war ein Bild von meinem kleinen, schwarzen Handy, welches gut in der Hand lag, neben dem Firmenlogo. BELRIZON. Toll. Ich lies den Karton fallen. Er purzelte auf den Boden, woraufhin sich das ganze scheiss Styropor auf meinem Teppich verteilte. Verdammt, auch das noch, dachte ich nur. Ich bückte mich, hob den Karton auf und wollte das Styropor einsammeln, wobei mir die Unterseite des Kartons auffiel. Dort war ein Zettel aufgeklebt mit einer Telefonnummer. Ich nahm an, das würde der Kundendienst sein und nahm den leeren Pappwürfel mit zu meinem richtigen Telefon. Ich wählte die Nummer. 19-1-20-1-14. Doch nichts. Stille. Es kam nichtmal so eine Verwehlnachricht oder irgendwas in der Art. Es war als ob die Nummer noch nicht zuende gewählt war. Ich kontrollierte, ob ich die Nummer richtig abgetippt hatte, aber ja das hatte ich. Seufzend legte ich also den Hörer auf und setzte mich wieder auf die Couch.
Ich weiß auch nicht warum, doch nach einiger Zeit kam ich auf einen merkwürdigen Gedanken. Ich griff mir den Karton, das scheiss Eierhandy und gab die Nummer noch einmal ein, aber diesmal im Eierhandy. Zu meiner Verwunderung kam jetzt auch ein Freizeichen. Und noch bevor ich darüber nachdenken konnte, hatte auch schon Jemand abgenommen.
»Ja?« Es war eine junge Frauenstimme. Ich war total verdattert. Ich hatte nicht erwartet, dass Jemand rangehen würde, also hatte ich mir auch nicht überlegt, was ich genau sagen würde. Also sagte ich erstmal gar nichts und horchte nur. »Ja, hallo? Wer spricht denn da?«
»...« Ich atmete lediglich
»Moment, bist du das schon wieder, du Scheisskerl?! Hör zu, Arschloch, hör auf hier anzurufen oder ich hetz dir die Bullen auf den Hals!« Klack. Sie legte auf. Das war's. Ich runzelte die Stirn und lies das dicke Eierhandy zuklappen, wobei es ein Geräusch machte, als ob man irgendwas Glitschiges überfährt. Prrritschsch. Ich sah das Handy in meiner Hand, welches größer als meine Hand war, einen Augenblick lang an, hob unverständlich die Brauen, als ob es das sehen konnte, und legte es neben mich auf die Couch.
Scheisse, dachte ich nur, mittlerweile war es zu spät. Der Laden, wo ich's herhatte, hat sicher schon geschlossen. Verdammt. Aber ich würde halt am nächsten Tag wieder nach Soho gehen und das Teil umtauschen.
***
Doch am nächsten Tag irrte ich nur dümmlich durch Soho. Das Eierhandy in der Hand. Doch Vergeblich. Ich fand den Telekommunikationsladen nicht mehr. Ich fragte umherschwirrende Passanten, ob sie ein Geschäft in der Art hier in Soho kennen würden. Ich bekam nur Gelächter als Antwort. Alles sagten sie das Gleiche.
»'N Handyladen hier in Soho? Junge, der wär schneller leergeräumt als 'n Raum, der leer ist, wenn du verstehst.« Alles •••••••. Sollen sie mich doch am Arsch lecken. Ich weiß, dass er hier an der Ecke war. Oder nicht? Denn da standen nur eine Mülltonne und ein Stopschild, an dem sich offenbar keiner hielt. Ich lief die ganze scheiss Victoria Street auf und ab. Ich fand's einfach nicht wieder. Enttäuscht und beschissen gelaunt fuhr ich mit der Bahn wieder nach Hause.
Daheim angekommen saß ich wieder auf der Couch und dachte über meine Situation nach. Was stimmte hier nicht? Es war klar, dass irgendwas ganz gewaltig nicht stimmte. Ich glaube nicht an diesen paranormalen Quatsch oder an Geister oder so. Ich betrachtete das Eierhandy nochmal und überlegte. Kein Mensch hat so ein Handy. Sieh doch mal das Gute daran. Ich beschloss also vorläufig das Beste daraus zu machen, irgendwann würde mir die Lösung schon einfallen. Also klappte ich das Ei auf und ging ein bisschen die Funktionen durch. Spiele hatte es nicht, ein Addressbuch auch nicht, scheisse, es hatte nichtmal eine Zeitanzeige. Schöne Scheisse, ging es mir durch den Kopf. Aber was soll's, im Moment schien ich sowieso Nichts daran ändern zu können. Darum schlug ich mein eigenes Addressbuch auf und wählte die Nummern von ein paar Verwandten und Freunden durch. Doch nie war irgendwas zu hören. Es war genauso, wie ich versucht hatte mit meinem Festnetz die Nummer auf dem Karton anzurufen. Nichts. Ich rief die Auskunft an, das Gleiche Resultat. Polizei, dito. Krankenhaus, dito. Verdammte Scheisse.
Darum tippte ich nochmal die Nummer auf dem Karton ein, was blieb mir anderes übrig? Vorher hatte ich mir überlegt, was ich der Frau sagen würde. Dass ich gestern schonmal angerufen hätte. Ich würde mich entschuldigen, Nichts gesagt zu haben und sie fragen, warum ihre Nummer scheinbar die Einzige ist, die man mit diesem Handy anrufen konnte und wieso ihre Nummer vom Festnetz aus nicht erreichbar ist und was sie mit dem Karton zu tun hatte. Doch all diese Überlegungen waren umsonst, denn es meldete sich eine panische Männerstimme.
»Kacke- Frank- bist du das? Hör zu- Frank- Wir lassen den Scheiss ab jetzt lieber- Ich glaub- Ich glaub die Bullen haben schon ein Auge- Oder zwei- auf uns geworfen.«
»Ähm... hier ist nicht Frank. Hier ist-«
»Verfluchte Kacke, bist du'n Bulle? Fuck- Mann- Ich- Ich- Ich- Scheisse, vergiss das, Mann. Ich wollte eigentlich- Eigentlich wollte ich meine Großmutter sprechen- Und dann sowas. Sagen sie doch wer dran ist, wenn sie telefonieren. Ich- Ich leg jetzt auf.« Klack. Dieses Gespräch verlief ebenfalls nicht sonderlich informativ. Was war los mit dem Scheissding? Ein Defekt? Ich atmete tief ein, trauerte meinem Geld nach und warf das Handy einfach aus dem Fenster auf die Straße. Irgendwer wirds schon mitnehmen, wenn's nicht sowieso grad kaputtgegangen ist. Tja, was soll's? Eine Erfahrung mehr. Wenn auch keine Gute. Ich hatte keinen Bock mehr und ging zu Bett, obwohl's erst früher Nachmittag war.
***
Als ich aufwachte, war's dunkel. Irgendein lautes Geräusch hatte mich geweckt. Doch jetzt war's weg.
Da! Da war's doch wieder! Es klang wie eine Ente oder ein anderes Tier und schien aus dem Wohnzimmer zu kommen. Ich packte meinen Schuh und hob ihn drohend über meinem Kopf, während ich auf die Tür zum Wohnzimmer zuschlich. In unregelmäßigen Intervallen klang das fürchterlich entfremdete Geräusch an meine Ohren. Gott, hat das genervt. Doch ich war vorsichtig. Ich konnte den Ton nicht richtig zuordnen. Es hätte alles Mögliche sein können.
Wie zum Kampf bereit stürmte ich mit einem lauten »HIYA!« in die Stube und stolperte dabei über den Couchtisch. Ich kniff die Augen fest zusammen.
Ich machte sie wieder auf und sah mich um. Das Geräusch war immernoch zu hören, aber kein Angreifer in Sicht. Ein Gefühl von Angst beschlich mich und ich eilte rasch zum Lichtschalter und erhellte den Raum. Ich sah mich um und mich traf fast der Schlag. Das blöde Eierhandy lag auf dem Couchtisch, die Lampe an der Seite blinkte immer wieder rot auf und es war dieses Handy, welches die Entengeräusche abgab. Es klingelte offenbar. Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Ich hatte es aus dem Fenster geworfen, wie kam es also auf den Couchtisch? Keine Ahnung, aber es war hier. Ich dachte kurz darüber nach und duckte mich auf einmal vor Schreck, als ob Jemand hinter mir stehen würde. Aber da war Niemand. Aber Jemand musste das Handy hierher geschafft haben, darum machte ich in der ganzen Wohnung Licht und durchsuchte alle Zimmer. Keiner da. War er schon wieder abgehauen? Meine Gedanken rasten und ich bekam Kopfschmerzen, was nicht zuletzt an dem nervenden Klingelton lag. Der Scheiss macht einen wahnsinnig. Und das auf kurze Zeitspanne.
Ich rieb mir die Schläfen, setzte mich und ergriff das Handy. Scheiss drauf.
»Ja, wer spricht da?«
»Bist du es? Bist du es nicht?«
»Scheisse wer ist da?«
»Oh das kann ich nicht sagen, Rob. Doch ich weiß alles.« Klack. Aufgelegt. Schon wieder so'n Mist. Ausserdem war mein Name nicht Rob. Ich heiße Henry, gottverdammte Kacke. Ich klappte das Ei nicht zu, sondern warf es auf den Boden. Ich hatte jetzt echt die Schnauze voll. Ich trampelte darauf herum, bis nichts weiter als ein paar Eierschalen davon übrig blieben. Ihr könnt mich doch alle mal. Zufrieden ging ich zu Bett.
Doch damit ging der Stress erst richtig los. Denn am nächsten Morgen lag das Handy schon wieder frisch und wie poliert auf meinem scheiss Couchtisch, ich schrie einfach nur und trat nach dem Couchtisch. Dieser kippte um, das Handy rollte auf den Boden, gegen die Wand. Ich sprang in die Richtung des Eis, griff es mir mit beiden Händen, klappte es wutentbrannt auf und zerriss es. Ich schmiss beide Hälften aus verschiedenen Fenstern. Doch es half nichts, denn etwas später lag es wieder auf meinem Couchtisch. Ich vernichtete es abermals und blieb diesmal für einen ganzen scheiss Tag auf meiner Couch sitzen und sah mich immer verstohlen um. Mitternacht verstrich und ich dachte mir, ich hätte diesen Fluch, oder was auch immer, gebannt. Doch jetzt lag das Handy klingelnd auf meinem Bett.
So vergingen die nächsten Tage. Immer wieder zerstörte ich es; und es tauchte irgendwo anders in der Wohnung wieder in einem Stück auf. es klingelte und nervte. Und die Leute, die rangehen, waren immer andere. Ich brüllte diese Ärsche an, bis ich schließlich nur noch jammernd darum bittete es aufhören zu lassen. Doch es waren immer andere Leute dran, die aber alle für mich kein Verständnis aufbringen konnten. Sie alle sprachen entweder wirr oder vollkommen am Thema vorbei. Sie hörten mir nie zu, es ging immer um Bullen oder Geheimnisse und sie legten immer nach zwei oder drei Sätzen auf.
***
Heute ist wieder Dienstag. Seit Tagen hab ich nicht geschlafen. Seit Tagen hab ich nicht geduscht. Seit Tagen hab ich nicht gegessen. Seit Tagen hab ich nicht getrunken.
Doch der Tod will mich nicht erlösen, dabei halt ich diese Scheisse nicht mehr aus.
Ich sitze auf meiner Couch, das Butterfly diagonal vom Kinn angesetzt. Ich starre auf das Handy. Es ist immernoch so hässlich, wie am ersten Tag. Groß wie'n Ball, kantig und trotzdem oval. Und so unnatürlich rot. Mittlerweile hab ich nur noch verrücktes Gelächter für das Ei übrig.
Ich blicke genau auf das Display.
Es klingelt. Bei Gott es klingelt. Es klingelt in diesem scheiss Ententon.
(Eine Kurzgeschichte, basierend auf wahren Ereignissen in meinem Kopf)
Ich hatte das dämliche Ding erst letzte Woche Dienstag gekauft. Das Handy mein ich. Das war in so einem Telekommunikationsladen in King's Cross gewesen. Naja, es war nicht ganz King's Cross. Mehr Soho. Victoria Street. Na ihr wisst schon wo ich meine. Jedenfalls, ich bin da rein und sagte dem Typen er solle mich in Sachen Mobiltelefon beraten. Okay, das hab ich nicht gesagt. Als ich drin war, hab ich erstmal 5 Minuten mit Nichtstun verschwendet. Ich hab mir die paar Figuren angesehen und mich gefragt, was hier wohl für Menschen einkaufen. Da war zum einen dieser alte Kauz. Mit seinen ganzen Falten, den langen, weißen Haaren zu dieser merkwürdig abstehenden Hochfrisur und dem Anzug aus wasweißich welchem Jahrhundert sah er aus wie der verschissene Isaac Newton. Aber dem schien's ähnlich zu gehen wie mir. Der stand auch einfach nur so rum und sah sich den Laden an. Dann war da noch so'n kleines Mädchen. Kann nicht älter gewesen sein als 12 oder 13. Ansonsten war der Laden leer. Bis auf den Verkäufer. Irgend so'n schmalziger Junge mit Brille, der hier für einen Hungerlohn einen scheiss Job machte. Nun, wieviel er verdiente wusste ich nicht, aber ich konnt's mir denken. Das Gebäude sah schon von aussen baufällig aus, die spleenigen Sticker und ausgestellten Elektroniksachen konnten die Bruchbude auch nicht wirklich verschönern. Und drinnen war's noch schlimmer. Was soll man auch erwarten? Dreck's Gegend. Auf jeden Fall hatte ich wahrscheinlich zuviel geglotzt; und da kam auch schon der Schmalzjunge angeschlurft, die Hände in den Taschen.
»Suchen's was bestimmtes?«
»Ich schau nur.« hab ich ihm wie aus Reflex geantwortet, aber dann hab ich noch angehängt: »Obwohl, ja. Ich wollt eins von diesen Handies kaufen.«
»Ja, das wollen's alle.« Er lächelte nicht oder sowas. Er blickte nur gelangweilt in mein Gesicht und buxierte mich mit noch gelangweilteren Handbewegungen nach links, wo ein paar Handies auf so Kissen lagen, die auch mal wieder abgestaubt gehörten. Mein Blick fiel sofort auf das in der Mitte. Es war klein und schwarz. Ich griff danach und klappte es auf. Es war an einem Kabel angeschlossen, wahrscheinlich damit's keiner klaut. Mir fiel mein Butterfly in meiner Tasche ein und ich musste grinsen. Das Handy lag gut in der Hand und ich fragte ihn, wie teuer es war. Der Preis passte mir und der Vertrag, den der Schmalzjunge offenbar auswendig gelernt hatte und mir jetzt in Rekordzeit runterlaberte, passte mir auch. Ich sagte ich nehm's und wollte ihm die Hand schütteln. Er ergriff meine Hand aber nicht, also zog ich sie wieder weg und folgte ihm zur Kasse. Ich bezahlte, unterschrieb und bekam ein Päckchen in die Hände gedrückt. Mit dem Päckchen unterm Arm verließ ich das Geschäft und ging weiter zum Bahnhof, mit der Bahn fuhr ich dann nach Hause.
Zuhause stellte ich das Päckchen auf den Couchtisch und setzte mich davor. Endlich gehörst du auch zur modernen Welt, alter Junge. Ich schnitt das Päckchen mit meinem Butterfly auf und holte das Handy hervor, doch es war nicht das kleine, schwarze Handy, welches gut in der Hand lag. Was ich jetzt hier vor mir hatte war mehr so etwas wie ein grobes, klumpiges, rotes Ei. Und es lag überhaupt nicht gut in der Hand. Ich war erst verwundert und dann sofort zorning. »Scheisse, was soll das?« hab ich gesagt, obwohl Niemand da war, der es hätte hören können. Ich schüttelte es mehrmals in meinen Händen, doch entgegen meiner Hoffnung verwandelte es sich nicht in das kleine, schwarze Handy, welches gut in der Hand lag. Es blieb das grobe, klumpige, rote Eierhandy. Es war zu schwer und zu groß, als dass man hätte es locker in die Hosentasche gleiten lassen können. Und ja, es war wirklich beschissen hässlich. Ich hasste es vom ersten Augenblick an. Ich wollte mein kleines, schwarzes Handy, welches gut in der Hand lag. Aber was hatte ich bekommen? Einen Haufen Scheisse, sonst nichts. Ich griff wieder sofort nach dem Päckchen und kramte in dem Meer aus Pappe und Styropor nach dem Vertrag, doch da war kein scheiss beschissener Vertrag. Da war gar nichts. Nur Pappe und Styropor. Wieder sprach ich zu mir selbst. »Denen muss doch ein Fehler unterlaufen sein.« Ich hob den Karton an und betrachtete ihn von allen Seiten. Da war ein Bild von meinem kleinen, schwarzen Handy, welches gut in der Hand lag, neben dem Firmenlogo. BELRIZON. Toll. Ich lies den Karton fallen. Er purzelte auf den Boden, woraufhin sich das ganze scheiss Styropor auf meinem Teppich verteilte. Verdammt, auch das noch, dachte ich nur. Ich bückte mich, hob den Karton auf und wollte das Styropor einsammeln, wobei mir die Unterseite des Kartons auffiel. Dort war ein Zettel aufgeklebt mit einer Telefonnummer. Ich nahm an, das würde der Kundendienst sein und nahm den leeren Pappwürfel mit zu meinem richtigen Telefon. Ich wählte die Nummer. 19-1-20-1-14. Doch nichts. Stille. Es kam nichtmal so eine Verwehlnachricht oder irgendwas in der Art. Es war als ob die Nummer noch nicht zuende gewählt war. Ich kontrollierte, ob ich die Nummer richtig abgetippt hatte, aber ja das hatte ich. Seufzend legte ich also den Hörer auf und setzte mich wieder auf die Couch.
Ich weiß auch nicht warum, doch nach einiger Zeit kam ich auf einen merkwürdigen Gedanken. Ich griff mir den Karton, das scheiss Eierhandy und gab die Nummer noch einmal ein, aber diesmal im Eierhandy. Zu meiner Verwunderung kam jetzt auch ein Freizeichen. Und noch bevor ich darüber nachdenken konnte, hatte auch schon Jemand abgenommen.
»Ja?« Es war eine junge Frauenstimme. Ich war total verdattert. Ich hatte nicht erwartet, dass Jemand rangehen würde, also hatte ich mir auch nicht überlegt, was ich genau sagen würde. Also sagte ich erstmal gar nichts und horchte nur. »Ja, hallo? Wer spricht denn da?«
»...« Ich atmete lediglich
»Moment, bist du das schon wieder, du Scheisskerl?! Hör zu, Arschloch, hör auf hier anzurufen oder ich hetz dir die Bullen auf den Hals!« Klack. Sie legte auf. Das war's. Ich runzelte die Stirn und lies das dicke Eierhandy zuklappen, wobei es ein Geräusch machte, als ob man irgendwas Glitschiges überfährt. Prrritschsch. Ich sah das Handy in meiner Hand, welches größer als meine Hand war, einen Augenblick lang an, hob unverständlich die Brauen, als ob es das sehen konnte, und legte es neben mich auf die Couch.
Scheisse, dachte ich nur, mittlerweile war es zu spät. Der Laden, wo ich's herhatte, hat sicher schon geschlossen. Verdammt. Aber ich würde halt am nächsten Tag wieder nach Soho gehen und das Teil umtauschen.
***
Doch am nächsten Tag irrte ich nur dümmlich durch Soho. Das Eierhandy in der Hand. Doch Vergeblich. Ich fand den Telekommunikationsladen nicht mehr. Ich fragte umherschwirrende Passanten, ob sie ein Geschäft in der Art hier in Soho kennen würden. Ich bekam nur Gelächter als Antwort. Alles sagten sie das Gleiche.
»'N Handyladen hier in Soho? Junge, der wär schneller leergeräumt als 'n Raum, der leer ist, wenn du verstehst.« Alles •••••••. Sollen sie mich doch am Arsch lecken. Ich weiß, dass er hier an der Ecke war. Oder nicht? Denn da standen nur eine Mülltonne und ein Stopschild, an dem sich offenbar keiner hielt. Ich lief die ganze scheiss Victoria Street auf und ab. Ich fand's einfach nicht wieder. Enttäuscht und beschissen gelaunt fuhr ich mit der Bahn wieder nach Hause.
Daheim angekommen saß ich wieder auf der Couch und dachte über meine Situation nach. Was stimmte hier nicht? Es war klar, dass irgendwas ganz gewaltig nicht stimmte. Ich glaube nicht an diesen paranormalen Quatsch oder an Geister oder so. Ich betrachtete das Eierhandy nochmal und überlegte. Kein Mensch hat so ein Handy. Sieh doch mal das Gute daran. Ich beschloss also vorläufig das Beste daraus zu machen, irgendwann würde mir die Lösung schon einfallen. Also klappte ich das Ei auf und ging ein bisschen die Funktionen durch. Spiele hatte es nicht, ein Addressbuch auch nicht, scheisse, es hatte nichtmal eine Zeitanzeige. Schöne Scheisse, ging es mir durch den Kopf. Aber was soll's, im Moment schien ich sowieso Nichts daran ändern zu können. Darum schlug ich mein eigenes Addressbuch auf und wählte die Nummern von ein paar Verwandten und Freunden durch. Doch nie war irgendwas zu hören. Es war genauso, wie ich versucht hatte mit meinem Festnetz die Nummer auf dem Karton anzurufen. Nichts. Ich rief die Auskunft an, das Gleiche Resultat. Polizei, dito. Krankenhaus, dito. Verdammte Scheisse.
Darum tippte ich nochmal die Nummer auf dem Karton ein, was blieb mir anderes übrig? Vorher hatte ich mir überlegt, was ich der Frau sagen würde. Dass ich gestern schonmal angerufen hätte. Ich würde mich entschuldigen, Nichts gesagt zu haben und sie fragen, warum ihre Nummer scheinbar die Einzige ist, die man mit diesem Handy anrufen konnte und wieso ihre Nummer vom Festnetz aus nicht erreichbar ist und was sie mit dem Karton zu tun hatte. Doch all diese Überlegungen waren umsonst, denn es meldete sich eine panische Männerstimme.
»Kacke- Frank- bist du das? Hör zu- Frank- Wir lassen den Scheiss ab jetzt lieber- Ich glaub- Ich glaub die Bullen haben schon ein Auge- Oder zwei- auf uns geworfen.«
»Ähm... hier ist nicht Frank. Hier ist-«
»Verfluchte Kacke, bist du'n Bulle? Fuck- Mann- Ich- Ich- Ich- Scheisse, vergiss das, Mann. Ich wollte eigentlich- Eigentlich wollte ich meine Großmutter sprechen- Und dann sowas. Sagen sie doch wer dran ist, wenn sie telefonieren. Ich- Ich leg jetzt auf.« Klack. Dieses Gespräch verlief ebenfalls nicht sonderlich informativ. Was war los mit dem Scheissding? Ein Defekt? Ich atmete tief ein, trauerte meinem Geld nach und warf das Handy einfach aus dem Fenster auf die Straße. Irgendwer wirds schon mitnehmen, wenn's nicht sowieso grad kaputtgegangen ist. Tja, was soll's? Eine Erfahrung mehr. Wenn auch keine Gute. Ich hatte keinen Bock mehr und ging zu Bett, obwohl's erst früher Nachmittag war.
***
Als ich aufwachte, war's dunkel. Irgendein lautes Geräusch hatte mich geweckt. Doch jetzt war's weg.
Da! Da war's doch wieder! Es klang wie eine Ente oder ein anderes Tier und schien aus dem Wohnzimmer zu kommen. Ich packte meinen Schuh und hob ihn drohend über meinem Kopf, während ich auf die Tür zum Wohnzimmer zuschlich. In unregelmäßigen Intervallen klang das fürchterlich entfremdete Geräusch an meine Ohren. Gott, hat das genervt. Doch ich war vorsichtig. Ich konnte den Ton nicht richtig zuordnen. Es hätte alles Mögliche sein können.
Wie zum Kampf bereit stürmte ich mit einem lauten »HIYA!« in die Stube und stolperte dabei über den Couchtisch. Ich kniff die Augen fest zusammen.
Ich machte sie wieder auf und sah mich um. Das Geräusch war immernoch zu hören, aber kein Angreifer in Sicht. Ein Gefühl von Angst beschlich mich und ich eilte rasch zum Lichtschalter und erhellte den Raum. Ich sah mich um und mich traf fast der Schlag. Das blöde Eierhandy lag auf dem Couchtisch, die Lampe an der Seite blinkte immer wieder rot auf und es war dieses Handy, welches die Entengeräusche abgab. Es klingelte offenbar. Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Ich hatte es aus dem Fenster geworfen, wie kam es also auf den Couchtisch? Keine Ahnung, aber es war hier. Ich dachte kurz darüber nach und duckte mich auf einmal vor Schreck, als ob Jemand hinter mir stehen würde. Aber da war Niemand. Aber Jemand musste das Handy hierher geschafft haben, darum machte ich in der ganzen Wohnung Licht und durchsuchte alle Zimmer. Keiner da. War er schon wieder abgehauen? Meine Gedanken rasten und ich bekam Kopfschmerzen, was nicht zuletzt an dem nervenden Klingelton lag. Der Scheiss macht einen wahnsinnig. Und das auf kurze Zeitspanne.
Ich rieb mir die Schläfen, setzte mich und ergriff das Handy. Scheiss drauf.
»Ja, wer spricht da?«
»Bist du es? Bist du es nicht?«
»Scheisse wer ist da?«
»Oh das kann ich nicht sagen, Rob. Doch ich weiß alles.« Klack. Aufgelegt. Schon wieder so'n Mist. Ausserdem war mein Name nicht Rob. Ich heiße Henry, gottverdammte Kacke. Ich klappte das Ei nicht zu, sondern warf es auf den Boden. Ich hatte jetzt echt die Schnauze voll. Ich trampelte darauf herum, bis nichts weiter als ein paar Eierschalen davon übrig blieben. Ihr könnt mich doch alle mal. Zufrieden ging ich zu Bett.
Doch damit ging der Stress erst richtig los. Denn am nächsten Morgen lag das Handy schon wieder frisch und wie poliert auf meinem scheiss Couchtisch, ich schrie einfach nur und trat nach dem Couchtisch. Dieser kippte um, das Handy rollte auf den Boden, gegen die Wand. Ich sprang in die Richtung des Eis, griff es mir mit beiden Händen, klappte es wutentbrannt auf und zerriss es. Ich schmiss beide Hälften aus verschiedenen Fenstern. Doch es half nichts, denn etwas später lag es wieder auf meinem Couchtisch. Ich vernichtete es abermals und blieb diesmal für einen ganzen scheiss Tag auf meiner Couch sitzen und sah mich immer verstohlen um. Mitternacht verstrich und ich dachte mir, ich hätte diesen Fluch, oder was auch immer, gebannt. Doch jetzt lag das Handy klingelnd auf meinem Bett.
So vergingen die nächsten Tage. Immer wieder zerstörte ich es; und es tauchte irgendwo anders in der Wohnung wieder in einem Stück auf. es klingelte und nervte. Und die Leute, die rangehen, waren immer andere. Ich brüllte diese Ärsche an, bis ich schließlich nur noch jammernd darum bittete es aufhören zu lassen. Doch es waren immer andere Leute dran, die aber alle für mich kein Verständnis aufbringen konnten. Sie alle sprachen entweder wirr oder vollkommen am Thema vorbei. Sie hörten mir nie zu, es ging immer um Bullen oder Geheimnisse und sie legten immer nach zwei oder drei Sätzen auf.
***
Heute ist wieder Dienstag. Seit Tagen hab ich nicht geschlafen. Seit Tagen hab ich nicht geduscht. Seit Tagen hab ich nicht gegessen. Seit Tagen hab ich nicht getrunken.
Doch der Tod will mich nicht erlösen, dabei halt ich diese Scheisse nicht mehr aus.
Ich sitze auf meiner Couch, das Butterfly diagonal vom Kinn angesetzt. Ich starre auf das Handy. Es ist immernoch so hässlich, wie am ersten Tag. Groß wie'n Ball, kantig und trotzdem oval. Und so unnatürlich rot. Mittlerweile hab ich nur noch verrücktes Gelächter für das Ei übrig.
Ich blicke genau auf das Display.
Es klingelt. Bei Gott es klingelt. Es klingelt in diesem scheiss Ententon.