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M-P
23.07.2006, 01:59
ABWÄRTS (2006)

(Eine Kurzgeschichte, basierend auf der Fantasie des Moments)

Die beiden Männer, welche unterschiedlicher nicht hätten sein können, standen vor dem Fahrstuhl und warteten darauf, dass er unten ankam, um sie beide dann nach oben in den letzten Stock - ins Dachgeschoss - zu bringen. Einer von ihnen war sehr groß und sehr dünn, man hätte ihn früher wahrscheinlich schlaksig genannt, er hatte ein eingefallenes Gesicht und seine grauen Haare hingen im ungekämmt ins Gesicht, ausserdem trug er einen abgehalfterten Anzug und einen dürftig gebundenen Schlips. Der zweite Mann war dagegen sehr gepflegt, dafür war er fett. Er hatte ein offenes, pummliges Rundgesicht und sah ein bisschen aus wie ein Schwein, aber wie ein reinliches Schwein. Sein Anzug würde zwar bald die Nähte sprengen, aber er war immerhin gebügelt. Sein schütteres Haar stand ab wie die Borsten eines Schweins. Beide hatten sie ihre Gründe nach oben zu gelangen. Es ging natürlich um Geschäftsgespräche und Termine.
Nach schier endlosen Minuten wich die Tür auf. Die Kammer war leer, also betraten sie den Aufzug. Erst standen sie eine Weile unsicher rum, in der Annahme der jeweils andere würde eine Taste betätigen. Schließlich raffte sich der Dicke auf.
»Auch nach oben?« Der Dünne nickte nur grimmig. Der Dicke drückte den Knopf, wobei er sehr vorsichtig vorging, damit er mit seinen Fettfingern nicht zuviele Tasten auf einmal erwischte.
Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. Ein beruhigendes Summgeräusch war zu vernehmen, welches verdeutlichte, dass alles seinen gewohnten Gang nachging. Der Dicke tippte ein Bisschen mit seinen klumpigen Füßen hin und her und fing schließlich ein Gespräch an, in der Hoffnung die Zeit überbrücken zu können.
»Ich hasse Montage, sie auch?«
»Heute ist aber Freitag.«
»Nicht für mich.« Der Dicke holte eine Visitenkarte hervor. »Gewerbevertretung, für uns ist immer Montag.«
»Verstehe.«
»Rauchen sie was?« Jetzt holte der Dicke eine Schachtel Zigaretten hervor, steckte sich eine in den Mund und zündete sie an.
»Darf man denn hier drin rauchen?«
»Scheisse, keine Ahnung. Aber es wird schon nichts passieren.« Er kniff die Augen zusammen und lachte fett.
»Na was soll's. Danke, ich nehm eine.« Der Dünne griff nach der Zigarettenschachtel, doch der Dicke hielt ihm schon seine Angerauchte hin.
»Nehmen sie die. Ich steck mir eine Neue an.« Was er dann auch tat. Er drehte dem Dünnen den Rücken zu und hielt die Hand vor das Ende der Zigarette um sie anzuzünden, er drehte sich wieder um und blickte dem Dünnen freudig ins Gesicht.
Rauchend standen die zwei Männer eine Weile lang in dem Fahrstuhl und warteten darauf, dass die Tür endlich aufgehen würde. Der Dünne fing an zu murmlen.
»... Der brauch heute aber lange. Komisch...«
»Ja, wir hätten eigentlich schon längst angekommen sein müssen.«
»Wirklich sehr merkwürdig.« Der Dünne trat einmal kräftig mit seinem Fuß auf, in der Annahme, dass dies etwas nützen würde. Natürlich nützte es nichts. Doch jetzt stutzte der Dicke.
»Machen sie das nochmal, bitte.« Also trat der Dünne noch einmal mit dem Fuß auf.
»Ja, und?«
»Merken sie das denn nicht?« Jetzt legte sich eine dunkle Vorahnung in die Stimme des Dicken. Etwa so wie Schwein von der Farm, was an der Körpersprache des Bauern bemerkte, dass heute Schlachttag ist. »Oh mein... wir fahren nach unten!«
»Wie jetzt...?«
»Fühlen sie doch mal.« Der Dicke betatsche mit seiner klobigen Hand die Wand. »Na los, machen sie schon.« Der Dünne tat es dem Dicken gleich.
»Jesus, sie haben recht!« Der Dicke zuckte kurz zusammen und sein Gesicht strahlte jetzt etwas von Angst aus, Angst gefangen in den Massen eines Fleischbergs, welcher in der heutigen Gesellschaft als Gesicht durchgeht.
»Was soll das alles?« Der Dicke jammerte jetzt.
»Ich weiß es auch nicht.« Der Dünne lehnte sich jetzt an die Wand, steckte die Hände in die Taschen, drückte seine Zigarette an der Wand aus und atmete tief durch. »Abwarten, schätze ich. Irgendwann werden wir schon irgendwo ankommen.«
Doch auch nach mehreren Momenten des Wartens kamen sie nirgendwo an. Der Fahrstuhl fuhr einfach weiterhin stetig nach unten. Der Dicke wurde langsam nervös und schnalzte die Zunge mehrmals hörbar. Der Dünne hatte seine Theorie mittlerweile aufgegeben und saß, das Gesicht auf die gekreuzten Arme gelehnt, auf dem Boden. Schweigen herrschte. Doch der Dicke brach dieses Schweigen.
»Vielleicht ein technisches Problem?« Der Dünne stöhnte nur noch auf.
»Der Teufel soll mich holen, wenn das hier ein technisches Problem ist.« Der Dicke zeigte auf einmal Entschlossenheit und ging auf das Schaltpult zu.
»Da muss doch was zu machen sein.« Der Dicke drückte jetzt mehrmals mit dem ausgestreckten Zeigefinger, welcher wie eine Keule aus einem Braten herausragte, auf den Nachobenknopf. Doch es half nichts. Der Fahrstuhl fuhr weiterhin nach unten. Und mittlerweile fing er an zu beschleunigen. Erst langsam, dann schnell. Jetzt raste die Zelle in einem unvorstellbaren Tempo, mit den Männern als ungefragte Insassen, nach unten. Keiner von beiden hatte die Beschleunigung wahrgenommen. Sie war langsam gekommen, doch ihnen war das erst jetzt aufgefallen und es kam zu plötzlich, als dass einer von beiden irgendwie hätte reagieren können. Aber was hätten sie schon dagegen tun können? Beide hielten sich an einander fest und schrien wie Kinder, die man aus dem Fenster geworfen hatte. Bis der Fahrstuhl schließlich anhielt. Dunkelheit.

***

Ein hoher Ton war zu hören, als der Fahrstuhl im Dachgeschoss anhielt. Ein Mann kam heraus. Nur einer. Das diabolische Grinsen des Satans in seinem Fettgesicht.

Dolem
23.07.2006, 02:15
Die ersten Sätze lesen sich so als würdest du versuchen den Leser absichtlich mit der verschachtelten Satzkonstruktion nerven zu wollen. Keine Ahnung ob absichtlich, oder nicht, liest sich auf jeden Fall echt nicht gut. Sonst gibt es sprachlich nichts zu mäkeln, liest sich flüssig bis zum Ende.
Wirkt alles irgendwie komprimierter als deine sonstigen Sachen, wahrscheinlich weil du auf dein übliches Ideenfeuerwerk verzichtest. Ist aber eigendlich ganz gut gelöst, in ner Kurzgeschichte lässt sich sowas auch kaum in der Form unterbringen.
Wie dem auch sei:
Die ersten Sätze sind etwas nervig aber sonst machts Spaß zu lesen.

Stanley
24.07.2006, 01:39
Ist 'ne coole Geschichte. Anders als Dolem finde ich nicht, dass die Satzkonstruktionen am Anfang nerven. Lesen sich meiner Meinung nach genau so flüssig und gut wie der Rest der Geschichte.

Solacy
24.07.2006, 17:00
Das Ende macht mich fertig. Bin warscheinlich zu doofig das zu verstehn. ^^"
Trozdem wie die andere gut geschrieben und wieder so genialst irreal. Anfang lies sich auch gut.

Feena
24.07.2006, 17:49
Also ich kann nicht sagen sie ist gut, aber auch nicht sie ist schlecht.
Sie ist eher mittelmässig, es sind irgendwie zwei verschiedene schreibstile, das Gefällt mir nicht wirklich, ab Mitte wird aber wieder gut, bis zum schluss hin dann, da passt es dann halt, so ist besser.
Irgendwie konnte ich mir, in der mitte, schon vorstellen, das der dicke irgendwas macht, vorhat, wie auch immer, frag mich nicht warum, ich wusste es einfach.