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Ringlord
20.07.2006, 23:11
Eigentlich lag diese Kurzgeschichte schon ewig auf meiner Festplatte rum.
Bisher hat sie sich nur nicht getraut, sich euch zu präsentieren^^

Der Uhrmacher

Der Laden war voll mit Uhren. In den Ecken standen Uhren, an den Wänden hingen Kuckucksuhren, die alle durcheinander kuckuten, und auf der Theke lagen Armbanduhren, Schweizer Taschenmesser mit Uhren und Regale mit tausenden von verschiedenen Uhrtypen.
Der Mann an der Theke drehte sich gelangweilt auf seinem alten Hocker und starrte trübsinnig durch die zwei großen Fensterscheiben, wo es als Auslage die Uhren im Angebot zu sehen gab.
Die Straßen draußen waren für diese Zeit ungewöhnlich leer. Vielleicht lag das auch nur an dem Lastwagen, der eine Straße weiter verunglückt und anschließend in einer Explosion aufgegangen war. Diese hielt die Feuerwehr vom Löschen ab, weshalb sie zu einem Pub an der nächsten Ecke gegangen waren, und die Autofahrer vom Weiterfahren, weshalb sie in ein Hupkonzert verfielen, dass viele Anwohner damit quittierten, dass sie Polizei riefen, und diese ›ganz doll bösen‹ Autofahrer, wie eine Frau höheren Alters sie definierte, als die Polizei nach den Tätern fragte, verklagten, und da die Polizei nichts tat, bewarfen die Hausbewohner die Autofahrer einfach mit den Inhalten ihrer Mülltonnen.
Doch von alldem bekam der Uhrmacher nichts mit.
Stattdessen starrte er weiter nach draußen, in der Hoffnung, dass ihn endlich mal ein Kunde besuche, was in den letzten Jahren lediglich dreizehnmal passiert ist. Und zwölf von diesen Kunden hielten den Laden zuerst für einen Pub, und wandten sich nach der beschämenden Feststellung wieder ab und störten stattdessen die Nachbarn beim Grillfest, was damit endete, dass das Grillfest zu einem Feuerwerk wurde.
Eine dunkle Gestalt kam auf die Eingangstür zu. Sanft wurde die Türklinke nach unten gedrückt und die Tür schwenkte nach Innen auf, wobei sie die Klingel läutete, und dem Kunde sofort klarmachte ›Verdammt, jetzt kommt bestimmt so ein dämlicher Verkäufer, der mir irgendwas andrehen will, dass ich niemals haben wollte, nach Meinung des Verkäufers aber schon immer gebraucht habe‹.
Der Kunde strich sich durch sein schwarzes Haar und sah sich durch seine Brille die Angebote an, wobei er nicht zu viel erwartete.
Langsam wachte der kurz eingenickte Uhrmacher auf, stützte seinen Kopf auf das Handgelenk und sah dem Kunden neugierig beim Ansehen seiner Uhren zu.
Dieser blickte sich um, sah mehrmals auf seine eigene Armbanduhr und wandte sich schließlich an den Uhrmacher.
»Ich möchte eine Uhr kaufen.«
»Das freut mich«, sagte der Uhrmacher lächelnd und stand von seinem Hocker auf. »An was für ein Modell haben sie denn dabei gedacht?«
»Nun ja, es geht mir um eine normale Armbanduhr. Ohne irgendwelchen Schnickschnack natürlich, sie wissen, was ich meine?«
Der Uhrmacher zeigte dem Kunden sein Angebot an Uhren zum Aufziehen, und, nach einigem hin und her, auch die Digitaluhren.
»Ich habe festgestellt, dass jede Uhr in diesem Geschäft anders ›tickt‹. Welche läuft denn hier richtig?«, fragte der Kunde mit verwirrtem Gesicht.
Der Uhrmacher sah seine Uhren an, machte ein Gesicht, wobei ihm der Unterkiefer ziemlich tief klappte und dann wie ein Verrückter lachte.
»Das kann ich ganz leicht erklären: Ich hab keine Ahnung. Ich hoffe immer noch, dass irgendwann mal eine der Uhren stehen bleibt und mir damit sagt: ›Ich bin falsch gelaufen, aber jetzt habe ich den Betrieb eingestellt, weil ich keine Lust mehr habe, die Leute mit der falschen Uhrzeit zu verwirren‹. Und damit meine ich alle.«
»Oh. In Ordnung, ich nehme die hier«, sagte der Kunde und zeigte auf eine Uhr mit eingebauter Trittschalldämmung und integriertem Megafon. Allerdings standen manche der Zahlen auf dem Kopf, andere tanzten kurz aufflimmernd über die Anzeige.
Der Uhrmacher nahm die Uhr, ging um seine verstaubte Theke herum, setzte sich auf seinen Stuhl und tippte den Preis in seine Kasse ein. Diese gab ihn als grüne Digitalzahlen auf einem schwarzen, und ziemlich zerkratztem Display aus.
»Das macht dann zwölf Pfund dreiundneunzig. Soll ich es einpacken?«, fragte der Uhrmacher freundlich und suchte schon vorsorglich eine kleine Plastiktüte heraus, worauf er demonstrativ die Uhr legte.
Der Kunde verneinte, bezahlte die geforderte Summe, band sich seine neue Uhr um und trat lächelnd durch die Ladentür auf die Straße.
Der Uhrmacher blickte ihm nach und sagte sich: »Der Tag hat gut angefangen. Vielleicht wird das heute doch noch etwas.«

La Cipolla
21.07.2006, 01:20
Cool. Das ist einfach schön, hättest du ruhig schon eher posten können, denn mehr als dass du geflamt wirst, kann eh nicht passieren. ;)

Im Ernst, die Geschichte ist angenehm zu lesen und der Stil erinnert mich (im positiven Sinne) an die Gedankengänge eines Thaddäus Troll. Willst du mit dem Ende andeuten, dass der Uhrmacher inmitten seiner Uhren einfach die Zeit vergessen hat, oder geht es höher, also in Richtung 'Menschen und Zeit'? ^^'' Ich mag lieber Zweiteres darin sehen. :rolleyes:

Ich hab ein großes Problem, und das sind die unnötig seltsamen Gedanken und Zitate.
Genau handelt es sich um folgende zwei

›ganz doll bösen‹
›Verdammt, jetzt kommt bestimmt so ein dämlicher Verkäufer, der mir irgendwas andrehen will, dass ich niemals haben wollte, nach Meinung des Verkäufers aber schon immer gebraucht habe‹.
Das klingt unnötig und das erste auch unglaubwürdig, ich würds einfach weglassen.
Sonst ist der Satzbau teilweise arg kompliziert und man kann sich streiten, ob es dem Stil noch zuträglich ist. Aber im Großen und Ganzen geht der Text äußerst in Ordnung.

Ringlord
24.07.2006, 19:44
Im Ernst, die Geschichte ist angenehm zu lesen und der Stil erinnert mich (im positiven Sinne) an die Gedankengänge eines Thaddäus Troll. Willst du mit dem Ende andeuten, dass der Uhrmacher inmitten seiner Uhren einfach die Zeit vergessen hat, oder geht es höher, also in Richtung 'Menschen und Zeit'? ^^'' Ich mag lieber Zweiteres darin sehen. :rolleyes:
Ich muss ganz ehrlich zugeben: ich habe noch nie etwas von Thaddäus Troll gelesen *rot-werd*
Was deine Interpretation angeht: Interpretationen sind dazu da, dass sich jeder seine eigenen Gedanken dazu macht, also trifft es insofern sicherlich den Kern.

IDas klingt unnötig und das erste auch unglaubwürdig, ich würds einfach weglassen.
Sonst ist der Satzbau teilweise arg kompliziert und man kann sich streiten, ob es dem Stil noch zuträglich ist. Aber im Großen und Ganzen geht der Text äußerst in Ordnung.
Gut, die 2 Textzitate hätte man tatsächlich weglassen können, was ich letztens beim erneuten Lesen selbst bemerkt habe, aber ich wollte es numal in "Original" vorstellen.
Die Sätze waren an manchen Stellen so kompliziert, weil sie ihre Wirkung, hätte ich sie in mehrer verteilt, verloren hätten.
Danke für die Bewertung :)

Will mich noch jemand plattmachen? ...