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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Der Werelefant (Eine Erzählung von Peter Shekow)



M-P
18.07.2006, 13:11
Ich schreibe dies mit dem Einverständnis der schottischen Regierung und der Gewissheit, dass meine Erlebnisse für wahr und richtig erachtet werden. Ich möchte, dass die Menschheit weiß, dass sie da draussen existieren. Die großen Alten. Ich möchte, dass die Menschheit weiß, dass sie noch viel bedrohlicher sind, als wir alle anfangs angenommen hatten. Sie töten Menschen, sie bringen Unheil und Verderben. Es ist wahr, und eben diese Wahrheit musste mein langjähriger Studienfreund Fred Kingsley mit dem Leben bezahlen.
Doch ich möchte von vorne erzählen. Alles fing an an einem düsteren Tag, der, schon als er begann, nichts als Chaos versprach.
Es war einer von diesen Tagen in Schottland. Ja, in Schottland. Und was ich über Schottland weiß? Nicht viel. Der Motor Schottlands ist der Alkohol und das widerwärtige Essen. Und was weiß ich über die Leute? Geizig sind sie, jawohl. Und feige. Schotten machen nur mit, wenn's ihnen in den Kram passt, wenn sie dabei nur gewinnen können. Und dann wollen sie auch noch Unabhängigkeit und Verständnis für ihre Eigenarten. Kennt ihr die schottische Kriegstaktik? Schießen und wegrennen, so sind die Schotten. Leute, ich kann euch sagen, ich bin nicht gerne in Schottland. Doch ich war zu jener Zeit eben dort. Und was sich dort begab, war an Schrecken und unmenschlichem Grauen kaum zu überbieten. Nun, ich will nicht abschweifen. Also. Es war bereits Herbst und der Sommerregen war längst dem Herbstwind gewichen, es war nachts und ein Mann lief durch ein kleines Dörfchen mitten in diesem Land. Das heißt... lief er wirklich? Jemand sagte mir, er wäre gelaufen. Totaler Schwachsinn. Leute, wenn ihr gesehen hättet, was ich gesehen habe- Der Typ ist nicht gelaufen, nein, nie im Leben ist der gelaufen, schön wär's. Der Mann schlenderte einfach nur. Ja, es mag wahnsinnig und unglaubwürdig klingen, doch es war genau so, wie ich es sage. Er bewegte sich eigenartig, ohne richtige Struktur. Die Arme nach hinten gewinkelt, die Beine kräuselten sich wie im Wind wehende Fahnen des Untergangs.
Wir, das heißt ich und Fred Kingsley, waren gerade angekommen. Ungeachtet der Tatsache, dass die Sonne schon untergegangen war, konnten wir das Ortsschild immernoch erkennen. 'Willkommen in Gov't Mule'. Erschöpft von der langen Wanderung wollten wir einfach nur in das nächste Gasthaus, hier Pub, und bei einem Gläschen besten Ethanols entspannen. Schottland hatte nicht viel weswegen es sich lohnt dorthin zu reisen, das war klar. Aber der Schnaps war gut. Die Landschaft mochte auch noch den Ausblick wert sein, aber ich interessierte mich damals noch nicht für derlei Dinge. Ich kam auch lediglich meinem Freund zum Gefallen mit. Ich lief nicht gern, aber schaden konnte es auch nicht. Wir betrachteten das kleine, verschlafene Nest und wollten schon den Schritt vom aufgeweichten Matsch zum angenehmen Asphalt wagen, als er an uns vorbeikam. Zuerst sah ich ihn nicht richtig, doch Kingsley tippte mir auf die Schulter. Sein Gesicht gelähmt vor Faszination. Sich bewegend wie ein zappelnder Fisch am Ufer schoss der Mann an uns vorbei. Einen schäbigen, alten und schrecklich großen Hut tief ins Gesicht gezogen. Sein Reiseumhang war zerrissen und die Fetzen schlangen sich wie hungrige Tentakel in die Nacht. So schnell er gekommen war, war er auch wieder verschwunden. Ich nahm zuerst voller Ensetzen an, er hätte sich in Luft aufgelöst. Doch er hatte den Pub betreten, es musste so sein, die Tür schwankte noch. Wir gingen also auf den Pub zu. Der Pub war neu und schön angestrichen. Doch als wir näher kamen, sah er auf einmal alt und modrig aus. Raushängende Fensterläden, Risse im Holz und lärmende Ratten und Fledermäuse drumherum. Ich konnte nicht begreifen, wie diese Sinnestäuschung zustande kam. Ich ging nochmal zurück und betrachtete das Haus von weitem. Und es sah auch hier alt und modrig aus. Ich schüttelte also den Kopf und führte diese Halluzination auf die Strapazen des Fußmarsches zurück. Schließlich waren wir im Pub. Wir sahen den Tresen, ein fleischiger Mann mit Glatze und Bart stand dahinter und polierte ein Glas. Das Glas musste vorher sauber gewesen sein, denn ich sah wie das Tuch den Staub und den Schmutz nur auf dem Glas verteilte, anstatt ihn wegzuwischen. Der unheimliche Fremde saß mit Reiseumhang und seinem abnormal riesigem Hut auf einem Barhocker und stierte den Barmann an. Wir selbst mussten ausgesehen haben wie unheimliche Fremde, da alle Blicke vom Fremden auf uns gegangen waren. Ich zählte 59 Augen. Einer von diesen Männern hatte ein vernarbtes Gesicht und es zog sich eine riesige Wunde quer über dieses. Ich fragte mich bei was für einem verdammt brutalem Kampf er sein Auge eingebüßt haben musste, verwarf diese Frage jedoch und setzte mich mit meinem Begleiter an einen leeren, einsamen und vor allem winzigen Tisch.
Wir wollten die Karte durchgehen, doch es gab keine. Ich drehte mich um und wollte einen der Männer fragen, was denn gut sei. Doch die Männer beachteten uns schon längst nicht mehr. Sie alle hingen an den Lippen des mysteriösen Mannes und verfolgten das Gespräch zwischen ihm und dem Barmann.

»Hey, Barkeeper.« Er atmete tief ein. So unbarmherzig tief, dass seine Stimme nur noch einem fast geräuschlosem Flüstern gleichkam. »Barkeeper, Barkeeper, Barkeeper...« Doch Der Barmann fiel ihm sogleich ins Wort.
»Also erstmal heißt das hier Bartender. Und zweitens, was willst du?«
»Hmm...« Der Fremde machte ein gespielt nachdenkliches Gesicht bis er schließlich Antwort gab. »Nun, ich möchte Milch in einem verdreckten Glas. Das Glas muss kaputt und schmutzig sein. Ungeziefer soll daran haften. Und ich möchte auch keine richtige Milch. Nein, ich möchte abgelaufene, verschimmelte Milch in Klumpen. Anders ausgedrückt, ich möchte Quark.« Der Barmann- Bartender hörte gebannt auf die Worte des Gastes und erwiederte vollkommen verdattert, dass es keine Milch gab.
»Milch ham' wir hier nich'.« Er streckte den Arm aus. »Schmutzige und vor allem kaputte Gläser dafür genug.«
»Nagut, dann gib mir irgendwas anderes.« Ein herausforderndes Lächeln im Gesicht machte der Unheimliche eine lässige Handbewegung. Da lachte der Bartender in sich hinein.
»Dir werd ich was anderes geben.« Er drehte sich um und stieß einen schallenden Ruf aus. »Hey Mickey, einmal unser'n Headshotdrink!« 2 Sekunden später kam ein verkrüppelter Greis durch die Tür hinterm Tresen. Er hatte nur noch ein Bein, sein Gesicht war eingefallen wie ein Souflet, dass man zu stark erschüttert hatte. Er balancierte ein Tablett vor sich her. Darauf ein dampfendes Glas. Er stellte das Glas erleichtert auf den Tresen, vor den Mann, und dann entfernte er sich rasch, ganz so als ob was explodieren würde. Nun war es vollkommen still im Raum. Jeder, wirklich jeder, hatte das Gesicht vor Spannung verzogen. Das heißt sie blickten drein, als ob ihr Haus gerade von der Hölle verschluckt wurde und rissen dabei die wie zum Schreien auf. Dann geschah es, innerhalb von Sekunden leerte der dunkle Mann das Glas. Er schüttete die quellende, dampfende Flüssigkeit wie Nichts seine Kehle hinunter, rülpste laut und dann war es auch schon vorbei.
Die Menge im Pub erstarrte zu Eis. Hinten im Raum fiel ein kleiner, untersetzter Mann vom Stuhl und blieb tot liegen. Vor Entsetzen.
Der Bartender riss sich die letzten Haare aus. Die einzelnen Häärchen flogen und tanzten durch den Raum.
»Oh beim großen Schnauzbart des Allmächtigen! Du hast es tatsächlich getan. Mann, das war der härteste Drink der Welt. 150 Prozent Alkohol, 150 Prozent Tabasco und weitere 150 Prozent heiße, schwarze Kohlen! Sag mir deinen Namen, damit ich ihn mir in den Arm ritzen kann. Auf dass ich ihn nie vergesse!«
»Hunter Campden. Man nennt mich auch Crescent.« Der Barmann zog daraufhin ein mörderisch langes Jagdmesser und begann mit ausgestreckten Armen den Namen einzuritzen. Beim T von Crescent hielt er kurz inne.
»Moment, Crescent. Das kenn ich irgendwo her- Crescent hast du gesagt? Oh mein- Doch nicht der berühmte Crescent- Der berühmte Elefantenjäger Crescent?!«
»Genau der. Ich habe Elefanten gejagt in Ungarn, Neufundland und in der Antarktis.«
»Aber da gibts doch gar keine Elefanten!«
»Nicht mehr, nein.« Er lächelte überlegen.
»Ach du-! Es ist ein Glück, dass du hier bist. Denn-!«
»Ein Werelefant treibt hier sein Unwesen.« vollendete Crescent immernoch lächelnd den Satz.
»...Richtig! Woher weißt du das?«
»Die Frage sollte eher lauten wie man das nicht wissen kann. Die Legende des Werelefanten ist doch allseits bekannt. Ich bin hier um den Elefanten zu jagen, ihn zu töten, anschließend zu filetieren und im See zu versenken.«
»Du bist ein mutiger Mann.«
»Das ist mein Beruf.«
»Hör zu, wenn ich dir irgendwie behilflich-.«
»Da gäbe es etwas, in der Tat!« Er schaute auf seine Taschenuhr. »Laut meinen Informationen taucht der Werelefant spätestens in Zwölf Stunden auf, ich bräuchte also ein freies Zimmer für die Nacht. Kostenlos, versteht sich.«
»Sollst du haben.« Er überreichte dem Unheimlichen den Schlüssel.
»Danke vielmals.« Wie ein Reptil auf Beutezug machte sich Crescent auf den Weg nach oben, wo er von Mickey angehalten wurde.
»Warten sie, junger Herr!« Der alte Mann humpelte auf dem ihm verbliebenen Bein unbeholfen in Crescents Richtung, dieser drehte sich um und starrte ihm mit seinen feuerroten Augen an.
»Was gibt es noch?«
»Sie- sie- sie- sie sagten, sie wollen den- den Elefanten töten, ja- ja- ja? Nun, ich könnte- ich könnte ihnen dabei helfen und gute- sehr gute Dienste lala- leisten.«
»Warum willst du mir helfen?« Die Miene des Alten verfinsterte sich.
»Er hat meine Tochter ermordert. Er hat sie zerstampft, so dass mir von ihr nichts weiter blieb als eine Suppe gekocht aus Mark und Blut...«
»Nun gut, ich nehm dich in den Kader auf.«
»D-Danke, werter Herr. Sie werden es nicht bereuen. Ich- ich habe im Krieg tapfer Naziknochen zertreten.« Crescent wandte sich wieder der Treppe zu. »Ah- Eine Frage hätte ich noch, Crescent. Wie gedenken sie, den- den Werelefanten zu jagen?« Crescent blieb auf dem Treppenabsatz stehen. Und obwohl er uns den Rücken zuwandte konnte ich spüren, dass er diabolisch grinste. Seine Worten hallten durch den gesamten Pub, sie schienen von überall zu kommen.
»Für jede Jagd brauch man den richtigen Köder, nicht wahr?« Er holte geschwind eine Erdnuss hervor und streckte den Arm aus, so dass alle die Nuss sehen konnten. Murmelnd ging Anerkennung und Erstaunen durch die Männer. Crescent ging wieder zu Bett.
Ein Schock überrannte mich plötzlich, als ich realisierte was sich hier soeben abgespielt hatte. Ich blickte in das schweißgebadete Gesicht meines Kameraden, und auch er schien dies nicht verkraften zu können. Überhaupt alle Männer in diesem Raum würden diesen Augenblick nie vergessen können. Und so endete dieser Abend hier in einem Schweigen, niemand traute sich das Schweigen zu brechen, bis alle Männer langsam verschwanden. Auch wir gingen bald zu Bett und redeten kein Wort.

Am nächsten Morgen saß Crescent im Foyet des Pubs und trank einen Kaffee. Ein grünes Gesellschaftszeichen war auf der Tasse abgedruckt, aber ich vermochte nicht dieses fremdartige Symbol zu entziffern. Ich und Kingsley saßen zwei Tische weiter und unser Kaffee schmeckte grauenhaft. Ich will mich auf nichts einlassen, doch es schmeckte als ob sich der alte Mickey direkt über der Kaffeekanne ergossen hatte. Crescent hingegen machte ein zufriedenes Gesicht. Ihm schien der Kaffee besonders gut zu schmecken. Unsere Tassen waren normal, ohne Symbol. Ich weiß nicht, ob es Magie war, doch es musste an diesem Symbol gelegen haben.
Mickey und der Bartender kamen herbeigeeilt. Das heißt der Bartender kam herbeigeeilt und Mickey humpelte wie ein nasser Sack schwach hinterher. Der Bartender erhob die Hand und drückte damit aus, dass er was anzukündigen hatte.
»Hey Crescent, da steht ein Mann vor der Tür, er sagte er will bei der Elefantenjagd helfen.«
»Soll reinkommen.« Und er kam rein. Es war ein farbiger Hühne in einem gepflegten Anzug.
»Guten Morgen, mein Name ist Earl. Mehr müssen sie nicht wissen.«
»Und du willst uns helfen ein Monster aus vergangenen Tagen zu jagen?«
»Allerdings.«
»Wieso?«
»Nun, ich wurde aus einer Nervenklinik entlassen und musste feststellen, dass der Krieg vorbei ist. Ich brauch einfach ein wenig- nun- Nervenkitzel.«
»Das soll mir genügen.« Er trank den letzten Schluck aus seiner Tasse und erhob sich. »So, Leute, aufgepasst. Der Werelefant wird in knapp einer Stunde am Markt eintreffen und wir werden dort auf ihn lauern. Doch bevor es losgeht, werde ich die Ausrüstung verteilen.« Er holte eine schwarze Tasche hervor. »Also, Mickey. Du nimmst die Erdnuss und lockst das Monstrum damit. Hier, Bartender, wenn der Werelefant Mickey verspeist hat, schlägst du ihn nieder mit dieser Keule.« Er warf mir, Kingsley und dem Farbigen ein Fischernetz in die Arme. Es war schwer wie Blei. Ich fragte mich noch, wie er so ein schweres Netz nur mit dem linken Arm werfen konnte, als er schon weiterredete. »Ihr drei werdet den Elefanten dann einfangen.« Und noch bevor ich oder mein Freund Einwände gegen unser Hinzuziehen erheben konnten, vollendete er seine Ansprache, als er einen weiteren Knüppel hervorholte. »Die letzte Keule hier ist für mich, ich gebe ihm dann den Rest. Kann's losgehen? Dann los.« Wir gingen alle nach draussen, wo uns peitschend und kalt der Wind willkommenhieß. Wir alle standen auf der Straße und ich wollte fragen, wo genau es hingeht. Doch da bemerkte ich, dass wir nicht vollzählig waren. Durch das Fenster konnte ich Crescent sehen, welcher uns hämisch auslachte. Er schlug die Tür zu und sagte irgendetwas, doch wir konnten es nicht verstehen. Mit vor Schreck geweiteten Augen verfolgten wir alle das Schauspiel, welches sich uns durch das Fenster bot. Crescent leerte die Kasse aus in seine Tasche. Ich konnte es kaum glauben. Er nahm sich auch sämtliche Wertsachen, Porzellan, Silber, wirklich alles nahm er mit. Und die Sachen, die nicht mehr in die Tasche passten, presste er mit bloßen Händen zu kleinen, runden Bällen. Mit seinem Knüppel brach er das Schloss zur Hintertür, wo ein verlassenes Motorrad Baujahr 22 stand. Er schloss es mit seinem Knüppel kurz und brauste davon in den Nebel Schottlands.
Das alles war zuviel gewesen für uns, alle bis auf ich fielen einfach tot um. Leichen säumten den Weg vor dem Lokal und ich verfiel dem Wahnsinn. Unfassbar wie leichtfertig er uns ausgetrickst hatte.
So starb die Legende des Tsathoggua. Das Dörfchen 'Gov't Mule' hörte danach weder vom Werelefanten noch vom ruhmreichen Elefantenjäger Crescent wieder etwas. Und man sagt noch heute, Schottland wäre bewohnt von lauter Idioten.

toho
18.07.2006, 15:09
habs nur überflogen, aber hast du das nicht schon mal gepostet?

M-P
18.07.2006, 15:58
das ist ne andere version derserlben grundlage, vollkommen neu geschrieben. viel spannender und so.