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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sechs Augenblicke



Turkish
22.06.2006, 20:46
Eine Kurzgeschichte von mir:

Sechs Augenblicke

Der Junge liegt flach auf dem Bauch und stiert in das nahende Moor.
Die wärmende Abendsonne des Vortages scheint ihm so weit weg;
er sehnt sie herbei, doch der Himmel bleibt grau.
Es wird Schnee geben. Der Pole mustert den Himmel wissend.
Er sitzt an einen Baum gelehnt, vor ihm auf dem Boden liegen ein paar Briefe.
Der Deutsche mit der reich dekorierten Jacke schreibt in ein kleines Büchlein.
Eigentlich sollten er und der Pole jetzt schlafen.

In der Nähe rauscht ein Bach. In der Stille macht er es unmöglich,
die Bewegungen eines Herannahenden auszumachen.
Je mehr man versucht ihn zu überhören, umso lauter wird er.
Dem Jungen fallen die Augen zu, er schläft; im Moor bleibt es still.
Das Büchlein befindet sich wieder am Herzen des Deutschen,
in der Brusttasche neben ein paar Zigaretten. Er würde gerne rauchen,
doch die Dunkelheit verbietet es ihm. Er liegt jetzt neben dem Schlafenden und lauscht.
Für die nächsten Stunden wird sich dies nicht ändern.

Um Mitternacht wird der Pole geweckt. Er öffnet die Augen zweimal um sicher zu gehen,
dass er wirklich nichts sieht. Die Schwärze birgt Sicherheit. Der Deutsche spricht,
dann legt er sich schlafen. Dem Polen fällt ein Lied aus seiner Kindheit ein,
er summt die ersten Töne und verstummt.
Das Summen war durch das Rauschen des Baches an sein Ohr gedrungen, er sollte still sein.

Als der Junge aufwacht bedeckt ein weißes Tuch das Moor. Es ist noch nicht Tag.
Was hat ihn geweckt. Der Pole öffnet die Augen. Der Schnee schluckt jedes Geräusch, doch,
war es ihm nicht als höre er etwas. Er schaut zum Moor. Seine Augen weiten sich.
Dort laufen dreißig Gestalten, der Junge greift neben sich. Die Gestalten kommen näher.
Der Pole macht eine beruhigende Geste und weckt den Deutschen.

Das Büchlein befindet sich in der Hand des Deutschen, er schreibt hastig.
Der Junge hat die Augen fest zugekniffen. Der Pole durchsucht seine Taschen.
Ein weißes Tuch zieht er hervor, steht auf und hält es hoch über sich.
Der Pole kann russisch, er ruft etwas zu den nahenden Gestalten und schließt die Augen.
Es wird ihm Antwort gegeben. Der Deutsche versteht und hebt beide Hände,
dann richtet er sich auf. Der Junge tut es ihm gleich. Ein Schuss ertönt und verhallt.

Der Junge hat sein Gewehr fallen gelassen. Instiktiv gehen alle in Deckung.
Nur der Pole steht noch, den weißen Stoff über sich haltend.
Mehrere Schüsse werden in Richtung des Tuches abgegeben. Dann ist es still.
Wieder ruft der Pole. Eine Antwort, dann kommen sie.
Der Deutsche schweigt, er vergräbt das kleine Büchlein. Der Junge weint.
Der Pole hält sich den Arm.

"Es ist vorbei." - Das weiße Tuch färbt sich rot.

Daen vom Clan
23.06.2006, 08:26
Wow!
Gefällt mir richtig, richtig gut, diese Geschichte.
Ich habe sie dreimal gelesen und dreimal eine andere Interpretation gefunden, aber ich kann nur vermuten, auf welches Szenario du anspielst und sollte Dem so sein, dann ist es eine wirklich bewegende, gute Kurzgeschichte, weiter so :)

Mira
23.06.2006, 11:13
Ja, sie ist gut, sie ist sogar sehr gut!

Doch weißt Du, was mich stört, die Art des Schreibens, sie ist natürlich zielsicher so gewählt und bietet Einblicke, doch einerseits drückst Du dich so vor essayistische Elementen, welche auch nicht wichtig sind für dieses "Augenblick-Szenario", jedoch ist es relativ simpel so zu schreiben und Bewegungen der Emotionen beim Rezipienten hervorzurufen.

Fazit: Super Sache, liest sich und bewegt, ist aber dennoch ein Schreibstil, mit dem es halt leicht ist zu bewegen, vielleicht weißt Du, was ich damit versuche auszudrücken, scheiter ja gerade nen bissl :)

Gruß, ich

Turkish
25.06.2006, 23:10
erstmal danke. schön das es euch gefällt. :)


Doch weißt Du, was mich stört, die Art des Schreibens, sie ist natürlich zielsicher so gewählt und bietet Einblicke, doch einerseits drückst Du dich so vor essayistische Elementen, welche auch nicht wichtig sind für dieses "Augenblick-Szenario", jedoch ist es relativ simpel so zu schreiben und Bewegungen der Emotionen beim Rezipienten hervorzurufen. [...] ist aber dennoch ein Schreibstil, mit dem es halt leicht ist zu bewegen

du hast recht, aber ist es nicht egal wie schwer oder einfach man es sich macht, solange das ergebnis stimmt?
ich denke schon. ich biete den rahmen und ihr malt das bild.

Jericho
26.06.2006, 17:49
öhm, ich find es verwirrend, dass du von 3 Personen sprichst, aber es afaik nur 2 Gibt. Ich meine, wenn ich es recht verstanden hab, bezeichnest du den Polen, als Jungen? Und der Deutsche ist eben Deutsch. Trotzdem für den Anfang verwirrend, wenn ichs denn überhaupt richtig verstanden hab.
Das Ende ist schon in Ordnung so, aber wenn du mehr als nur 'in Ordnung' haben willst, muss es mehr peng machen am Ende, also ich finde es geht schon in diese trockene und ausschlaggebende Richtung, nur das letzte Dingens hat noch gefehlt, dass der letzte Satz so rüberkommt, wie er wohl gedacht war.

Feena
26.06.2006, 18:22
So habe mir jetzt auch mal die Zeit genommen sie zu lesen,naja ich kann jetzt nicht so mit Fachausdrücken um mich werfen,wie vllt.andere jedoch muss ich sagen,das sie nicht schlecht geschrieben ist.
Ein wenig verworren fand ich es am anfang,doch je weiter man kam,umso mehr hellte sich die Geschichte auf und ich verstand.

Hm,sicherlich ist sie nicht Perfekt,aber ich denke umso mehr du schreiben wirst umso besser wird es dann.

Turkish
26.06.2006, 21:18
öhm, ich find es verwirrend, dass du von 3 Personen sprichst, aber es afaik nur 2 Gibt. Ich meine, wenn ich es recht verstanden hab, bezeichnest du den Polen, als Jungen? Und der Deutsche ist eben Deutsch. Trotzdem für den Anfang verwirrend, wenn ichs denn überhaupt richtig verstanden hab.

nö. es gibt drei characktere: den Jungen, den Polen und den Deutschen. wie kommst du drauf?
am anfang vllt.? aber da ist von dem polen die rede der sich gegen einen baum lehnt...
der junge liegt auf dem bauch.


Das Ende ist schon in Ordnung so, aber wenn du mehr als nur 'in Ordnung' haben willst, muss es mehr peng machen am Ende, also ich finde es geht schon in diese trockene und ausschlaggebende Richtung, nur das letzte Dingens hat noch gefehlt, dass der letzte Satz so rüberkommt, wie er wohl gedacht war.

hm, könntest du das 'Dingens' näher spezifizieren?


So habe mir jetzt auch mal die Zeit genommen sie zu lesen,naja ich kann jetzt nicht so mit Fachausdrücken um mich werfen,wie vllt.andere jedoch muss ich sagen,das sie nicht schlecht geschrieben ist.
Ein wenig verworren fand ich es am anfang,doch je weiter man kam,umso mehr hellte sich die Geschichte auf und ich verstand.

Hm,sicherlich ist sie nicht Perfekt,aber ich denke umso mehr du schreiben wirst umso besser wird es dann.

ich hör auch viel lieber persönliche einschätzungen als fachausdrücke. ^^
hab selten was komplett perfektes gelesen... selbst bei erfolgreichen autoren.
man wächst an seinen aufgaben.

Jericho
26.06.2006, 21:55
nö. es gibt drei characktere: den Jungen, den Polen und den Deutschen. wie kommst du drauf?
am anfang vllt.? aber da ist von dem polen die rede der sich gegen einen baum lehnt...
der junge liegt auf dem bauch.
Womit bewiesen wäre, dass der Anfang durchaus verwirrend ist ;D


hm, könntest du das 'Dingens' näher spezifizieren?
Ich nannte es so, weil ich es nicht konnte, aber ich versuchs (ich dachte du weißt was ich meine~)
Vielleicht sowas, in nem kurzen Satz, jemand komplett anderes findet eine Buch, schlägt es auf und liest: "Es ist vorbei". Sowas in der Art, eben noch ein bisschen mehr, diese finale Stimmung, diesen Wow-Effekt. Stephen King macht das toll (jaja, überbewertet und so, ist aber Mist, der ist toll :A)
Ich merk schon, ich kanns nicht besser beschreiben^^

Turkish
26.06.2006, 22:02
ok, das versteh ich.
so ein ende passt meiner meinung nach nicht zur relativ nüchternen erzählweise.
ansichtssache... die idee ist cool. :)


Womit bewiesen wäre, dass der Anfang durchaus verwirrend ist ;D

aber nur für die länge eines satzes, danach wirds klar.

Jericho
27.06.2006, 00:17
Hm, aja, im Nachhinein, merke ich schon dasses 3 Personen sind, allerdings, hätte man es durch nen anderen Satzbau evtl. genauer und deutlicher machen können. Vielleicht bin ich ja auch nur schwer von Begriff~
Das war's was ich aber noch sagen wollte, es passt zwar zur Thematik aber ich finde die Bezeichnung "Pole" und "Deutscher", nicht rassistisch xD, aber dennoch es klingt irgendiwe umgangsprachlich. Natürlich gibts dafür kein hochdeutsches Wort, allerdings ist die Nationalität auch nicht von Bedeutung, nicht so sehr, als das man sie so hervorheben muss.

Turkish
27.06.2006, 07:56
die characktere sind alle sehr unterschiedlich. die untescheidung in nationalitäten soll dies noch ein wenig hervorheben.
die bezeichnungen treten an die stelle des namens, das soll eine distanz zwischen den charachteren
und auch zwischen erzähler und charackteren aufbauen.

mondperlenfall
29.06.2006, 11:44
verworren- ja, aber vielleicht genau deswegen gut, man muss genauer lesen um auch alles mitzubekommen, und richtig zu verstehen. was bei dem thema noch dazu gut ist, es ist eben kein thema bei welchem man geschichten nur überfliegen kann. jemand der es nur flüchtig liest, wird es wahrscheinlich nicht verstehen, was ihn anregt es nochmals zu lesen.
meine meinung. #blush#