PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Jenseits des Regals.



M-P
15.06.2006, 18:01
Es regnete. Ihr denkt jetzt bestimmt ihr würdet euch mit Regen auskennen. Aber ich denke nicht, dass ihr jemals einen solchen Regen erlebt habt, wie ich ihn damals erlebt habe. Für euch ist Regen nass. Das war's auch schon. Nun, für mich ist Regen der blanke Horror, blanker als ein geschliffener Arsch. Denn ich bin aus Zucker. Und jetzt werdet ihr euch fragen, wie man aus Zucker sein kann. Ich möchte es erklären.
Alles begann 30 Minuten vor dem großen Regen. Da wurde ich geboren, als eine Packung Raffinadezucker vom Regal fiel und direkt in einen Kochtopf einer Hexe eintauchte. Das Resultat war ich, der Zuckermann. Als die fette, feixende Hexe mich sah, holte sie sofort ihre Starbuckstasse mit einer schwarzen Suppe darin, die ich nicht kannte. Und doch ging von dieser blubbernden Flüssigkeit eine undenkbare Bedrohlichkeit aus. Ich hatte richtig Angst, möchte ich behaupten. So sehr, dass ich Kopfschmerzen bekam und in heißes Fieber geriet. Sofort bildete sich Karamell auf meiner Stirn, was die Hexe nur noch mehr zum fetten Feixen anregte. Sie kicherte und lachte schließlich, bis sie in ein schallendes Gejohle ausbrach. Jedem verdammten Tiroler wäre davon der Kopf geplatzt. Wie in Panik drehte ich mich hilfesuchend um und sah den Milchmann in einer Ecke schwimmen. Er machte er wehleidiges Gesicht und ich wusste, ihm war ein ähnliches Schicksal wie mir vorbestimmt. Was tun?
Genau das sprach ich auch laut aus.
»Was tun!?« In diesem Moment öffnete sich der Vorratsschrank auf der anderen Seite des Zimmers mit einem markerschütterndem Geräusch, bei dem sogar die alte Eiche gefällt werden würde, und heraus sprang in einem mutig eleganten Satz der gute Zimtmann, Kampfeslust und Abenteuer in den Augen. Noch im Sprung setzte er auf die Hexe an und verpasst ihr einen harten Zimtblocktritt, welcher sie eigentlich hätte umwerfen müssen. Jedoch stand sie noch, den Zauberstab in der Hand. Ein paar teuflische Worte vor sich hinmurmelnd errichtete sie einen Kreis aus lebenden Toten, welche sie mit einer unaussprechlichen Huldigung an den großen Ungenannten zu kontrollieren vermochte. Mit dem Entsetzen eines Menschens zwischen den Fangzähnen eines Zehnmeterkrokodils sah ich mit an, wie die feixende Fettheit einer Hexe den Zombies befahl mich abzulecken. Wieder machte sich Panik in mir breit. Der Karamell klebte unter meinen Armen und kleckerte auf den Boden. Den Teppich konnte man getrost vergessen. Als die Hexe das sah, dass ihr schöner von Fabelwesen gemachter Jadeteppich vollends ruiniert schien, erschrak sie und löste sich aus ihrer für den schrecklichen Zauber notwendigen Trance. Sofort hörte der Anführer der leblosen Körper auf Stücke meiner Brust an sein Maultier zu verfüttern. Da die Zombies nach Gehirn gierten, wir Zutatenmänner dies aber nicht besaßen, stürzten sich die unheiligen Kreaturen augenblicklich auf die Hexe, zermalmten ihr die dünnen Ärmchen als gehörten sie zu Mikado, rissen ihr die Augen aus und saugten ihr schließlich den fleischlichen Klumpen aus dem Kopf, für welchen Einstein zu Ruhm gelangte. So lernte ich die Ironie kennen. Die Zombies waren nach 5 unendlichen Minuten fertig mit ihrem grausigen Mahl und wabberten und gierten Richtung Ausgang, um die Stadt und die Menschen darin bis auf Ewig zu plagen.
»Das sieht man auch nicht alle Tage, was?« Zimtmann brach nach einer Weile das klägliche Schweigen und ich war dankbar dafür. Ich wollte irgendetwas erwiedern, doch Milchmann floss an mir vorbei und klatschte gegen einen Reistopf, welcher umkippte. In den Rahmen des Geschehes geriet nun Reismann, welcher erst mich anstrahlte, dann auch noch Zimtmann einen gut gelaunten Blick zuwarf, bis er sich schließlich dankend an den Milchmann wandte.
»Du hast mich befreit. Danke dafür. Du bist nicht wie die anderen. Du bist keine H-Milch.«
»Dafür ist später noch genug Zeit,« blubberte Milchmann. »Wir müssen jetzt hier raus.« Erst verstand ich nicht, wieso. Wir hatten unseren Feind geschlagen, also wieso sollten wir unseren glorreichen Sieg jetzt nicht reichlich feiern dürfen? Doch dann hörte ich ein Brummen und ein Sirenenheulen, als ob soviel Polizei ausgerückt war, um dem Satan in Person einen Deal abzuschlagen.
»Scheisse, die Bullen.« Zimtmann ging über in einen Zimtsturm und stürmte ebenso nach draussen. Wir drei Übrigen natürlich hinterher, wobei Milchmann der Langsamste von uns war, weil er immer wieder in die Löcher am Boden zu fließen drohte. Und dann stand ich schließlich in einer offenen Tür, umgeben von meinen neu gewonnenen Freunden. Wir starrten einfach nur glasig und wie im Delirium hämisch grinsend nach draussen in den Regen.
»Es... es regnet.«
»Das sehen wir auch, danke Milchbubbie.«
»Keinen Streit, wir kommen schon irgendwie weiter.« Ich versuchte die jetzt selbstverständlich aufkommenden Aggressionen umzuleiten in falsche Sicherheit.
»Ja, von wegen. Ich bin aus Zimt, du bist aus Zucker. Wasser löst uns auf. Und Milchmann hier kann hindurchfließen, es verdünnt ihn nur. Das ist wie eine gratis Schlankheitskur. Was Reismann angeht, so wird er nur ein wenig durchgeweicht. Und Zartbeseitete Weichlinge... Mann, darauf stehen die Ladies. Die haben Vorteile, für uns bleibt nur der Tod.« Er stimmte. Es war wahr. Die Euphorie von eben, welche die Panik verdrängt hatte, wurde nun selbst verdrängt durch pure Verzweiflung. Würde wir hier bleiben kämen wir in den nächsten Topf. Und draussen wartet wirklich nur Gevatter Tod.
»Nun kommt schon!« rief Jemand von draussen her. Wir sahen uns um. Ein alter Mann mit Meterbart saß im Schneidersitz im Regen und starrte in unsere Richtung. Augenblick erkannten wir wer es war. Es war natürlich Gevatter Tod.
»Ha, damit du mich und Sugar hier in den Strudel deiner gefangenen Seelen miteinschließen kannst? Vergiss es, Opa.«
»Ihr mögt denken, ich will nur euer schlechtes. Und das stimmt auch. Aber ihr habt die tausendjährige Hexe getötet. Die wollte ich schon immer haben. Ich schulde euch etwas, daher versichere ich euch einen sicheren Gang durch das tödliche Nass.«
»Ha, du willst uns Sicherheit versichern?« Schon wieder bemerkte ich die Ironie. Die Welt schien voll davon zu sein.
»So stehen nun einmal die Dinge.«
»Hm... okay. Aber wir beraten uns vorher.«
»Tut das ruhig, es ist ja nicht so als hätte ich viel zu tun.« War das schon wieder Ironie? Ich konnte es damals nicht genau einordnen. Der gute Zimtmann drehte sich zu uns um.
»War einer von euch schonmal da draussen?« fragte Mister Zimt in die Runde.
»Oh ja.« meldete sich der Reismann.
»Mehr als einmal?«
»Allerdings.«
»Auch mehr als zweimal?«
»Sicherlich.«
»Und auch mehr als viermal?«
»Aber ja.«
»Wie stehts mit mehr als achtmal?«
»Natürlich.«
»Was ist mit mehr als sechtzehnmal?«
»Selbstredend.«
»Aber keine zweiundreißmal, oder?«
»Doch.«
»Vierundsechtzigmal?«
»Ich müsste lügen, wenn ich diese Frage verneinen würde.«
»Aber wie sieht es aus mit hundertachtundzwanzigmal?«
»Mehr noch.«
»Oh, jetzt wird's knifflig.« warf der Milchmann ein.
Ich sagte irgendetwas wie »Wie auch immer, wir müssen jetzt los. Ansonsten erwischen sie uns.« und war erstaunt über die Bestimmtheit meiner Worte. Der Reismann sah mich belustigt an.
»Das erklärt sich so: Du bist aus Zucker und die mit dem Zucker einhergehende Hypoglykämie löst einen oder mehrere Adrenalinschübe aus.«
»Moment, du kannst meine Gedanken lesen?« Er lächelte nur vielsagend und ich verstand. »Achso, der Reis.«
Gevatter Tod hatte nicht gelogen. Wir gingen durch den Regen als hätten wir es schon immer getan. Ein Gefühl von Macht und Unsterblichkeit durchfuhr mich. Aber mit einem Blick auf mein Gesicht schüttelte Reismann nur den Kopf, es musste also wieder nur ein Schub Adrenalin sein.
»Leute, wir sollten besser einen Kleks zulegen,« Milchmann war inzwischen weit vorne. »Die Bullen sind uns schließlich auf den Fersen.« Er strömte in ein dunkles Gebäude. Ich hielt kurz inne, denn irgendwie behagte mir dieses Haus nicht sonderlich, doch als Reis- und auch Zimtmann hineingingen, verwarf ich diesen Gedanken und ging hinterher. Wir waren drin und durch die Weißheit von Milchmann sahen wir auch was sich um uns herum befand. Kisten. Eine Menge Kisten mit merkwürdigen Bemalungen darauf. Damals konnte keiner von uns lesen. Eine der Kisten war umgefallen und einige Becher lagen verstreut auf dem Boden. Offensichtlich sind sie aus der Kiste gekullert. Zimtmann fackelte nicht lange und griff sich einen Becher. Er winkte uns heran und wir standen nun um den Einen herum.
»Na los, mach ihn auf.« Milchmann sprach aus, was wir anderen dachten. Langsam und darauf bedacht nichts kaputtzumachen öffnete Zimtmann den Becher und als wir sahen, was sich darin befand, begann die Welt um uns herum sich zu drehen. Milchmann drehte sich sofort um und erbrach einen dicken Batzen Quark. In dem Becher befanden sich morbide zugerichtete Körperteile. Zerquetscht, zerfleischt und püriert. Und dann merkten wir, wohin uns die Hand des Schicksals geführt hatte - Ich mag heute noch kaum mehr daran denken - In eine Milchreisfabrik. Zimtmann begann zu weinen und verfiel dem Wahnsinn.
»Wirwerdenallesterbenwirwerdenallesterbenwirwerdenallesterbenwirwerdenallesterbenwirwerdenallesterben.«
»Nein, werdet ihr nicht!« Eine quiekende Stimme drang an meine süßen Ohren. Es erfolgte ein klatschendes Geräusch, als ob man einen nassen Lappen fallen lässt. Vor uns lag eine rote Substanz wie im Schleim. Ich wich zurück, doch Reismann trat vorher und begrüßte dieses Etwas.
»Hallo, wir sind Fremde.« Zwei glühende Augen schlüpften durch das Gelee.
»Hallo Fremde. Mein Name ist Sauerkirschmarmeladenmann und das hier ist Frühstücksflockenmann.« Noch während er aussprach, erfolgt ein abgeschwächter Steinschlag. Doch trotzdem war er mächtig. Riesige Knupsercrunchies und mannhafte Cornflakes bröselten nicht, nein, sie kamen einem Meteor gleich neben Sauerkirschmarmeladenmann auf den Boden der Tatsachen.
»Yo.«
»Hallo. Ich bin Reismann. Das dort ist Zuckermann, der Springinsfeld ist Zimtmann und die Soße da hinten ist Milchmann.«
»Seid ihr auf der Flucht vor der Polente?«
»Präzise.«
»Dann seid ihr hier richtig. Wir sind Rebellen gegen das System.«
»Wunderbar, wir schließen uns euch an.«
»Ho, an einem einzigen Tag steigt unsere Mitgliederschaft über 200 Prozent.«
»Seid ihr nur zu zweit?«
»Es gibt noch den Butterjungen, aber hier ist es zu stickig für ihn, er würde schmelzen. Und wir gehen jetzt besser den Fridge aufsuchen, sonst fang ich an zu schimmeln.«
Und so kam es, dass ich ein revolutionärer Sack Zucker wurde, ohne chemische Zusatzstoffe. Noch heute sieht Süßungsmittel in der gesamten Welt zu mir auf.

Froschvampir
15.06.2006, 18:20
Gut, wie immer. Aber dir stehen Geschichten mit Menschen einfach besser. Mir kommt das eher vor wie eine Sendung Ultraman als wie eine echte M-P-Geschichte, dennoch sind die Elemente darin und das ist gut so. Nur der Schluss ist etwas zu abgehackt.

taraia
16.06.2006, 00:58
Wir wollten doch morgen hier Milchreis machen und ich habe heute schon ganz viel Zimt und Zucker gegessen, jetzt habe ich ein ganz böses Gewissen ;_;

Ich finde die alle unglaublich niedlich, aber ich mag sowieso lebende Haushaltsgegenstände und Essen (seit dem Teddy aus I.A. hab ich Mitleid, wenn ich meinen Toaster schlage ^^[was ich natürlich niemals tun würde ._.]).
Es war zwar schon recht früh klar, dass es noch um Milchreis gehen würde, aber trotzdem gefällt mir die Geschichte sehr sehr gut... und ich will auch eine Starbuckstasse haben (oder lebendigen Pfeffer :D)

Leider sind ein paar kleine Fehler drin ('er' und 'es' verwechselt, die ausgeschriebenen Zahlen sind teilweise sehr vermurkst und sowas alles) die stören etwas beim Vorlesen und sind irgendwie nicht so schön...

Naja, find ich auf jeden Fall sehr niedlich und find ich mal hübscher als ständig nur...öhm... das was es sonst eben immer so ist ^^"

Turkish
16.06.2006, 20:15
die antwort ist 41+1. ja. weil...

DerWildeWolf
17.06.2006, 17:29
Hmm...finde ich eine Deiner besseren Geschichten. Die meisten anderen haben mir gar nicht zugesagt.
Es gibt zwar auch hier Stellen, mit denen ich gar nichts anfangen kann (beispielsweise diese Zombiesache...was war das denn?!), aber ich muss zugeben, dass ich den Schreibstil gar nicht mal schlecht fand, und die Darstellung einiger Charaktere auch nicht.

Merlin
17.06.2006, 17:43
(beispielsweise diese Zombiesache...was war das denn?!)

Cool? 8)

DerWildeWolf
18.06.2006, 11:58
Naja, ist wohl eine Auffassungssache. Ich fand das eher wirr und im Vergleich zu anderen Teilen der Geschichte überraschend einfallslos.