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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Die Welt überwinden. Ein Lehrstück



hinrlego
04.02.2006, 01:26
JÜNGLING. Einsam laufe ich durch die nächtlichen Straßen. An der Häuserwand links von mir eilt mein Schatten voraus. Plötzlich stinkt es nach Rauch. Ich sehe mich um, nirgends glimmt eine Zigarette im Dunkel. Ich sehe hinauf, keine Wolke am Himmel, die Brand verheißt. Ich sehe an mir herunter, rußiger Dampf entfleucht hie und da. Ich bleibe stehen und erkenne, meine Seele brennt.
Meine Seele brennt. Was erwartet man auch von einem, der nachts einsam durch die Schatten der Straßen läuft? Was mache ich nun. Ich werd’ wohl mal dort vorne das Häuschen betreten.

Betritt das Häuschen.

JÜNGLING. He Mann! Sie wedeln mit einem Revolver umher? Zu sich selbt. Hier scheine ich an den Richtigen geraten. Laut. Wie kommt’s?
MANN. Ich werde eine Kugel in den Leib meiner Frau treiben.
JÜNGLING indem er sich im Zimmer umsieht. Da schaut jemand unter der Bettdecke hervor.
MANN. Das ist sie.
JÜNGLING geht hin und lüftet die Decke. Ihre Frau ist ja nackt, Sie!
MANN. Verständlich ist sie nackt. Es lag eben noch der Spanier bei ihr, der sich leerte.
JÜNGLING. Der Spanier?
MANN. Das Fenster steht noch offen.
JÜNGLING. Das Fenster steht noch offen. Tatsächlich! Schaut hinaus. He Sie, da winkt eine!
MANN. Elfriede die Nachbarsfrau. Meine Liebhaberin.
JÜNGLING. Ihre – Ja und die erschießt keiner?
MANN. Doch, sehr wohl. Ich hab ihrem Mann Karl bereits Munition geliehen. Fünf Kugeln, er ist eine grobe Natur.
JÜNGLING. Fünf Kugeln, immerhin. Hören Sie, erschießen Sie mal lieber mich als Ihre nackte Frau, deren Busen zu prächtig ist. Ich habe es nötiger.
MANN hält ihm den Revolver hin. Nur eine Kugel, und die gilt der •••• dort.
JÜNGLING. Ich sehe, ich sehe. Sechs Kammern hat der Revolver, fünf Kugeln sind beim Nachbarn. Von irgendwoher krachen fünf Schüsse – in der Nachbarin.
MANN. Arme Frieder.
JÜNGLING. Bleibt eine Kugel für mich.
MANN. Nun hören Sie mal, ich erschieße meine Frau und sonst niemanden! Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder jeden erschießt?
JÜNGLING sich unverhofft ans Publikum wendend. Diese Frage beantworten Sie uns, werte Zuschauer. Zum Mann. Entweder ich sterbe früher oder später an mir selbst oder hier und jetzt durch Ihre Kugel. Warum hinauszögern, was ohnehin eintreten muss? Ein unglücklicher Mensch tut der Welt nicht gut. Ihr einen solchen zu nehmen, ist Verdienst. Der Welt dagegen eine Frau zu nehmen, die – ohne Ihrer Ehe Abbruch tun zu wollen – am Tag mehr Männer glücklich macht als die Erfindung der Nockenwelle, hieße Schindluder an ihr treiben. Es ist Ihre Pflicht vor der Menschheit, mich zu töten an Stelle ihrer.
FRAU fährt auf, ihre blanken Brüste wallen umher. Da hörst du, Henry!
MANN unwirsch. Genug jetzt, genug! Fuchtelt vage mit der Waffe. Entfernt leuchtet mir ein, was Sie sagen. Nichtsdestotrotz bleibe ich dabei, die Alte muss weg.
JÜNGLING. Halt! Ich habe eine Idee. Hat Ihr Revolver Durchschlagskraft?
MANN. Ausreichend. Wieso?
JÜNGLING. Nun, wie wäre es denn, würde ich mich zu Ihrer Frau ins Bett begeben, so wie ich es gerade tue, auf sie herauf, halt fein still, meine Nackte, vielleicht auch noch mich meiner Kleider entledige, so, ich werfe sie mal ganz beiläufig dort auf den Stuhl, zu den Puffen des Spaniers, die er in der Eile der Flucht hat liegen lassen, damit die Kugel meinen Körper besser durchdringen kann, und, wie wir hier so aufeinander liegen, den Ihrer Frau gleich mit. Liegt nackt auf ihr, dreht den Kopf zum Mann. Zwei Fliegen mit einer Klappe!
MANN fast zu sich selbst. Das klingt vernünftig. Ich habe ja auch eingesehen, was Sie sprachen, von der Welt und den glücklichen Menschen, und. Aber ich weiß nicht, wird die Kugel tatsächlich – Und ist es vielleicht nicht doch besser – He! Was tun Sie da? Was haben denn diese Bewegungen zu bedeuten?
FRAU stöhnt. Oh Henry halt's Maul!
JÜNGLING. Sie, ich gratuliere zu einer erstklassigen Gattin. Stößt mit dem Becken zu.
MANN. Ja ist denn das!!

Er bewegt sich heftig aufs Bett zu und hält den Revolver. Ein Schuss kracht.

SPANIER von links die Bühne betretend. Aber, aber. Er pustet in den Lauf seines Colts. Wer wird denn?
MANN. Bin getroffen – blute wie Sau – kann mich – nicht – mehr auf den Beinen halten – breche zusammen – sterbe. Bricht zusammen. Stirbt.
FRAU. Grüß dich, Francesco.
SPANIER. He Frau! Ich hab meine Puffen vergessen. Holt sie sich.
JÜNGLING. He Spanier! Lass die Puffen und leg dich zu uns! Gemeinsam wollen wir die Welt überwinden.

schreiberling
05.02.2006, 17:58
hmm...
sehr schöne Idee, auch teilweise gut umgesetzt, aber größtenteils eben nicht.
Furchtbar finde ich dieses hin und her zwischen der auf alt-getrimmten Sprache und Moderner.
Dabei kommen dann solche Konstrukte raus:


FRAU fährt auf, ihre blanken Brüste wallen umher.

es wirkt künstlich und ist im höchsten Maße lächerlich, aber nicht schrill genug um für sich selbst lustig zu sein- sondern macht nur den Eindruck dass der Autor nicht ganz taufrisch ist.

Eben mit den Regieanweisungen solltest du aufpassen, die kippen ab und an ins Fatale, lieber weniger und deutlichere,nicht so vage.

der brecht'sche Einschlag, die Stelle an der sich der Ehemann ans Publikum wendet, gefällt mir gut,sollte aber weniger offensichtlich sein
-vielleicht tritt er einfach bei Seite und redet mehr zu sich selbst...

mit den vielen frivolen Szenen bist du auch jeden Fall im Trend- heute muss jeder Schauspieler ein mal nackt sein...

die Bösartigkeit und Bitterkeit gefällt mir wahnsinnig gut,vor allem der zynisch- sarkastische Unterton ist genial, aber auch hier nocht nicht ganz ausgefeilt.

und das Brennen am Anfang finde ich etwas zu übertrieben,vielleicht umändern? oder wenigstens umformulieren- so ist es doch zu plump.

und achte darauf, Rollen mit Charakter zu schaffen,
der Jüngling ist zynsich, die Ehefrau entweder ein Luder oder total verschreckt,
der Ehemann als einzigster zweigeteilt- mehr facettenreichere Rollen verträgt das Stück aufgrund seiner Kürze und Intensität meiner Meinung nach nicht.

so weit