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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wir leben nicht wirklich



Scarecrow
16.01.2006, 21:15
Wir leben nicht wirklich.
Es ist ein Antäuschen von Gefühlen, ein gegenseitiges Belügen ohne Ende.
Wir lügen, weil wir Angst vor der Wahrheit haben und dann graben wir. Denn wir wollen sie nicht sehen, diese schreckliche Wahrheit, es nicht spüren, dieses Gefühl, dass alles, wofür wir je gekämpft haben, mehr als nur falsch war.
Wir leben nicht wirklich.
Und du weißt das. Lass uns gemeinsam den Weg zurückgehen. Zu den Anfängen; wie alles begann, nur, um zu sehen, was davon eigentlich noch übrig ist. Was wir sehen werden, vorausgesetzt, du kommst mit, weißt du, dass werden nur Ruinen sein. Und die Gräber unsrer selbst, die wir in weiser Voraussicht geschaufelt haben.
Komm mit mir, ich bitte dich. Auch wenn ich dir nicht garantieren kann, dass wir je wieder mit heiler Haut herauskommen werden. Oder ob wir überhaupt entkommen können. Du weißt doch, dass der Sog der Vergangenheit stark ist.
Fast so stark, wie meine Angst vor der Zukunft. Stärker als wir vielleicht, aber alleine hätten wir gar keine Chance.
Die Ruinen, du erinnerst dich, sie können wieder zu etwas Schönem werden und die Vergangenheit kann uns zeigen, wie wertvoll die Gegenwart ist, verstehst du?
Schau auf die Gräber und lies die Inschrift, lies sie laut:

Ich und Du.
Rechts und Links.
Was ist schon falsch und was wohl richtig?
Gelogene Sünden, verstreute Gemüter und was auch immer geschieht.
Hier sind wir sicher.
Verstehst du denn nicht? Hier ist unser Platz. Nicht dort vorn, an der Front.
Nicht bei den Stacheldrähten und den Schützengräben, die unser Leben durchziehen.
Nicht bei den brennenden Panzern und schreienden Menschen. Gekleidet in Grün. Gefertigt aus Angst. Beschmiert mit Blut. Du siehst?
Unser Platz ist hier. Neben unseren Träumen, oder das, was sie einmal waren.
Nimm du den Stein dort und leg ihn auf den dort drüben. Ich helfe dir.
Gemeinsam bauen wir unser Schloss wieder auf. In der alten Pracht.
Mit den alten Idealen und neuen Ideen. Wir sind stark, wenn wir nur zu zweit sind.
Ich bitte dich, geh nicht.
Lass mich nicht hier allein, zwischen den Steinen und was sie waren und ohne der Hoffnung, sie je wieder zu dem zu machen, was sie sein könnten.
Bitte. Du weißt, dass der Nebel nicht die Angst ist und Liebe nur ein trügerisches Gefühl. Aber bitte bleib hier und hilf mir, die alten Götter wiederzuerwecken, unser altes ICH wieder zu beleben.
Auferstehung.
Wir können es schaffen. Lauf nicht weg!
Der Weg ist steinig und alt. Die Kanten der Trümmer sind elendig scharf aber das Blut wird nicht umsonst vergossen. Es vermischt sich nicht vergebens mit dem alten Staub und den Steinen.
Bitte glaube mir...

Mopry
18.01.2006, 12:16
Hm... eigentlich kann man (ich) zu dem Text kaum etwas sagen. o,o
Nichtmal ob ich ihn gut oder schlecht finde. Nur das der Text an einem (mir) rührt.

Was hast du mit diesem kleinen Ausflug bezweckt? Was wolltest du damit darstellen?
Verzweiflung? Das ist so ziemlich das deutlichste Gefühl das daraus spricht.

La Cipolla
18.01.2006, 19:00
Es hat allerdings auch einen ordentlichen Funken Hoffnung mit drin. :rolleyes:
Im Großen und Ganzen aber nicht erwähnenswert, hört sich ein wenig nach einer Leseprobe für ein Buch an. Oder noch mehr nach einem Rückentext (Dafür wär es richtig gut.).

Pyrus
20.01.2006, 13:38
Wir leben nicht wirklich. Diesen Satz finde ich für den Text bezeichnend. Es fehlt mir irgendwie der Bezug zum Leben, dein Text bleibt für mich abstrakt. Ich glaube schon, dass dich etwas mit dem Geschriebenen verbindet, aber mich spricht es nicht an.
Es gefällt mir besser, wenn du erzählende Texte schreibst, was du verdammt nochmal einfach wieder tun sollst, das kannst du nämlich wirklich!

Scarecrow
21.01.2006, 18:44
Ahoi an alle!

Was ich damit ausdrücken wollte?
Ich glaube, irgendwie, dass Hoffnung und Verzweiflung ganz nah beieinander liegen.

Und danke für Eure ehrlichen Meinungen.

Cheers

NeoInferno
22.01.2006, 22:56
"Es gefällt mir besser, wenn du erzählende Texte schreibst"
- Im Gegenteil. Diesem Text fehlt nicht viel zu einem kleinen Glanzstück, wie ich finde. Natürlich liegt das wohl an mir, der eben nicht so auf Story-Erzähl-Bla steht, sondern auf die Richtung, in die deine Geschichte geht. Sehr gute Bildsprache, die ganze Geschichte ist an sich ein großes Bild, irgendwo zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Und sie liegen wirklich oft so nah beieinander, dass man es nur malen kann, nicht erzählen.

Kritik: Ich erkenne den Titel kaum in der Geschichte wieder. Und an sich fehlt etwas Handlung. Meiner Meinung nach ist viel Handlung für eine Geschichte auch gar nicht zwingend notwendig, wenn die Sprache das kompensieren kann. In dem Fall klappt das noch nicht ganz. Noch.. ;)

Grüße aus dem eisigen Osten,
Neo

Stan
23.01.2006, 20:17
Wozu Handlung bei etwas so schönem? Braucht ein Baum Handlung? Braucht ein Sonnenuntergang einen Zweck?

toho
24.01.2006, 14:58
Wozu Handlung bei etwas so schönem? Braucht ein Baum Handlung? Braucht ein Sonnenuntergang einen Zweck?
ist die art wie der sonnenuntergang das meer oder den wald färbt, verschiedene facetten hervorhebt und schließlich im dunkeln zurücklässt nicht auch eine art von handlung?


zu dem text kann ich nichts sagen....find den gesamten gedankengang von hoffnung und verzweiflung zu weit weg von mir selbst, als das ich ihn im moment nachvollziehen könnte.

La Cipolla
24.01.2006, 16:06
Ich denke mal, man kann das nicht verallgemeinern. Und die Tatsache, dass alle immer überall einen Sinn suchen, kommt doch nur daher, dass beinahe alle Schreiber krampfhaft einen Sinn in ihre Werke packen wollen. http://www.multimediaxis.de/images/smilies/old/s_010.gif Oft ist das ja sinnvoll, aber wir sollten letztens im Deutschunterricht "Die Dampfwalze" von Thaddäus Troll interpretieren. Ich mein, ich find das Ding geil, aber wenn man da groß mit Interpretieren anfängt, ist der Reiz doch raus. Das ist bei eingen Sachen so, oft gibts auch Interpretationen an Stellen, wo sich der autor gar keine gedacht hat... :rolleyes:

toho
24.01.2006, 16:17
Ich denke mal, man kann das nicht verallgemeinern. Und die Tatsache, dass alle immer überall einen Sinn suchen, kommt doch nur daher, dass beinahe alle Schreiber krampfhaft einen Sinn in ihre Werke packen wollen. http://www.multimediaxis.de/images/smilies/old/s_010.gif Oft ist das ja sinnvoll, aber wir sollten letztens im Deutschunterricht "Die Dampfwalze" von Thaddäus Troll interpretieren. Ich mein, ich find das Ding geil, aber wenn man da groß mit Interpretieren anfängt, ist der Reiz doch raus. Das ist bei eingen Sachen so, oft gibts auch Interpretationen an Stellen, wo sich der autor gar keine gedacht hat... :rolleyes:
naja, warum sollte man sich auch von der geistigen leere eines autors beeinflussen lassen? ist doch viel toller wenn man darin etwas findet, waseinem etwas sagt, auch wenn derautor sich gar nichts dabei gedacht hat...ALLES ist interpretationssache...

La Cipolla
24.01.2006, 16:25
Stimmt schon, ist außerdem nicht nur interpretations- sondern auch Ansichtssache. In dem Sinne ist es ja auch dumm, wenn bspw. ein Lehrer nur die allgemein gebräuchliche Interpretation zulässt. Aber bei manchen Sachen find ich Interpretieren unangebracht, weil man es entweder besser unterbewusst macht (Thadäus Troll) oder aber weil das Lesen an sich einfach Spaß macht und nicht noch mit einem Sinn gespickt werden muss. (Scarecrow :rolleyes: ) Aber hier könnte man sich wirklich streiten und es würde zu nichts führen.

Scarecrow
24.01.2006, 20:56
(Scarecrow)

?


Ansonsten danke ich allen fürs lesen und interpretieren, eben jeder auf seine Weise.
Ich kann dir aber garantieren, es, dass auch ich mir etwas bei einem Text denke und nicht nur leeres Nichts ist. Auch wenn es nur Bilder oder abfolgen von Szenen sind.

Greets

toho
24.01.2006, 22:26
?


Ansonsten danke ich allen fürs lesen und interpretieren, eben jeder auf seine Weise.
Ich kann dir aber garantieren, es, dass auch ich mir etwas bei einem Text denke und nicht nur leeres Nichts ist. Auch wenn es nur Bilder oder abfolgen von Szenen sind.

Greets
ich hab mich auf cip bezogen, nicht auf deine story, da hab ich ja weiter oben schon was zu geschrieben ;)

La Cipolla
25.01.2006, 06:53
@Scare: Nee, ich glaub dir das schon, war nur allgemein gesagt. Und deine Geschichten haben nunmal genug Atmosphäre, um auch ohne Sinn gut dazustehen. Und ich denke auch, dass wir hier kaum jemanden haben, der versucht, Sinn in seine Geschichten zu quetschen, was ich auch gut finde ... ._.
Letztendlich also schöne Sache, ob mit oder ohne Sinn. ;) Und letztendlich ist es ja nicht die Intention des Autors, sondern das Verständnis des Lesers, was einen beeinflusst.

Amaurosis fugax
25.01.2006, 11:59
Scarecrow: Ich finde den Text sehr gelungen. Vor allem der zweite Teil, nach der Inschrift, berührt. :)

Ich denke mal, man kann das nicht verallgemeinern. Und die Tatsache, dass alle immer überall einen Sinn suchen, kommt doch nur daher, dass beinahe alle Schreiber krampfhaft einen Sinn in ihre Werke packen wollen. http://www.multimediaxis.de/images/smilies/old/s_010.gif
Das liegt tiefer, es kann keine Texte ohne Sinn geben, nicht, solange sie von Menschen verfasst werden. Der Mensch ist in seinen Grundzügen nach dem Sinn hinter den Dingen orientiert, dies lässt sich nicht ablegen. Ob er nun schreibt oder liest, konstruiert sich hinter dem Text immer ein Sinn.
Natürlich winkt der Sinn nicht immer wie bei Brecht oder so mit dem Zaunpfahl, das kann auch ganz subtil sein. Es macht gerade die Faszination von einem Autor wie Hemingway aus, dass sich der Sinn kaum ausdrücken, bloss erfühlen lässt.

naja, warum sollte man sich auch von der geistigen leere eines autors beeinflussen lassen? ist doch viel toller wenn man darin etwas findet, waseinem etwas sagt, auch wenn derautor sich gar nichts dabei gedacht hat...ALLES ist interpretationssache...
Natürlich gebe ich dir insofern recht, dass jeder Leser dem Text bis zu einem gewissen Grad einen eigenen Sinn gibt und geben sollte, aber damit kann ich mich nicht zufrieden geben. Meiner Meinung nach sollte man sich bemühen, zu verstehen, was der tatsächlich beabsichtigte Sinn eines Textes ist; denn der Autor schreibt ja nicht nur für sich selbst, sondern versucht auch, dir als Leser etwas zu vermitteln. Sich darauf nicht einzulassen, hiesse, um sich selbst zu kreisen.
Dieses Vorgehen hat natürlich die Schattenseite, dass mir ein Text keine Ruhe lässt, bevor ich mir sicher bin, den tatsächlichen Sinn verstanden zu haben. Irgendwie entreisst man ihm so auch die Seele. ;)

La Cipolla
25.01.2006, 20:19
Ich meine nicht den subtilen Sinn, natürlich will man mit Geschichten etwas erreichen, und sei es nur Aufmerksamkeit oder Dampf ablassen, ich meine halt, wenn jemand wirklich versucht, in eine leere Geschichte einen Sinn zu stopfen, damit es so aussieht, als sei es eine Geschichte zum Interpretieren. (Was aber nichts mit Scarecrow zu tun hat, sorry für die Schlammschlacht) Ich interpretiere lieber unterbewusst und merke dann immer schon, wie ich automatisch vergleiche, wie ich darüber denke und so weiter. Aber überbewusstes Interpretieren wie im Unterricht, vor allem mit Lehrmeinung sucks. :rolleyes:

Amaurosis fugax
25.01.2006, 22:26
Das verstehe ich schon, übertriebenes Interpretieren im Unterricht hat auch mir schon manchen Text entzaubert. ;)

Scarecrow
26.01.2006, 21:17
Danke nochmal an alle, die dieses Szenen gelesen haben.
Auch wenns mich freut, dass über dieses Gekritzel diskutiert wird, doch bitte ned zuviel über Sinn und Unsinn von Interpretation ;)

Gruß

Froschvampir
28.01.2006, 16:50
Wir leben nicht wirklich.
The Matrix has you. Ansonsten verstehe ich nicht wirklich viel ;__;

Scarecrow
07.02.2006, 21:57
Nix Matrix.

Ja, verstehen ist nicht immer leicht ;)

Gruß