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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Interactive Storytelling



Kelven
14.01.2006, 15:17
Ich möchte in diesem Thread mal eine in der Theorie der Spieleentwicklung aktuelle Thematik vorstellen, die sich interactive storytelling nennt ( ich kürze die mal öfters als IS ab ). Da ich mich in meiner Diplomarbeit mit dem Thema beschäftige, würde mich mal interessieren, was ihr von diesem Konzept haltet.

Was ist interactive storytelling?
Nun ja, das ist leider gar nicht mal so leicht zu sagen, da die Verfechter dieses Konzepts oft ganz unterschiedliche Vorstellungen davon haben. Vereinfacht gesagt, geht es darum, dass der Spieler in einem Spiel an der Story aktiv teilnimmt, also mehr entscheiden und beeinflussen kann. Normalerweise hat man in Spielen eine lineare, filmmässige Handlung, also eine Storyline. Beim IS soll es stattdessen eine vom Autor bestimmte Storyworld geben, die zwar schon einem Regelsystem folgt und ein festgelegtes Szenario hat, aber anstelle von einer Linie eher einem verästelten Baum gleicht. Dieser Baum kann aber durchaus einen gemeinsamen Endknoten haben ( viele IS-Vertreter fordern sogar ein gemeinsames Ende der Stränge ). Die Kritik der IS-Vertreter an den aktuellen Spielen ist, dass sich diese Spiele zu sehr auf das Gameplay konzentrieren und nur sehr oberflächlich eine Geschichte erzählen.

Man darf nun aber IS nicht mit Offenheit in Spielen verwechseln. Es gibt ja einige westliche Spiele, die sehr offen sind, aber diese Offenheit bezieht sich mMn eher auf das Gameplay, als auf die Story. Janet Murray, die sich in ihrem Buch "Hamlet on the holodeck" mit IS beschäftigt ( sie nennt es selber aber nicht so, sondern spricht dort u.a. von Cyberdrama ), hat dort folgenden Vergleich aufgestellt. Auf der einen Seite hat man eine Attraktion in einem Vergnügungspark - z.B. eine "Jurrasic Park"-Fahrt - bei der ständig irgendwelche spektakulären Aktionen passieren, aber der Zuschauer keine Einflussmöglichkeit hat und deswegen nur Betrachter ist. Auf der anderen Seite hat man eine Simulation der Enterprise ( von Star Trek ), bei der man jeden Winkel des Schiffes betreten und mit allem interagieren kann, aber rein gar nichts passiert. Sie sieht ihre Vorstellung von einem unterhaltsamen Spiel ungefähr zwischen diesen beiden Extremen.

Meiner Meinung nach lassen sich östliche und westliche Spiele auch gut in diese beiden Kategorien einteilen. Ratet mal welchen Spieltyp ich in welche Kategorie packen würde. ^^

Ich denke, ich hab mit meiner Erklärung zwar nur an der Oberfläcke gekratzt, aber als grobe Vorstellung vom Prinzip sollte es trotzdem reichen. Wer sich damit näher beschäftigen will, kann sich ja das Buch von Murray durchlesen und zusätzlich dazu "On interactive storytelling" von Chris Crawford, das sich auch mit der praktischen Umsetzung von IS beschäftigt.

Ist das nun toll oder nicht?
Ja, das ist die Frage. Normalerweise bin ich ja Fan von den cineastischen Handlungen der östlichen Spiele, die von den üblichen Gameplaypassagen unterbrochen werden und brauch deswegen eigentlich gar nicht die Möglichkeit, mit der Story zu interagieren. Da für mich aber auch die Stories ein elementarer Bestandteil von (Rollen)Spielen sind, überlege ich schon, wie Spiele nach dem IS-Konzept aussehen würden. Die entscheidende Frage ist, ob Spiele nach dem IS eine Geschichte besser erzählen, als lineare Geschichten - ob also ein tieferes Eintauchen möglich ist. Ich selber bin da zwar skeptisch, aber ich bin trotzdem schon ein wenig neugierig geworden, denn es gibt durchaus Beispiele, wo ich als Spieler gerne mehr an der Story teilnehmen würde. Ich zeig das mal am Beispiel von VD 2.


Vorsicht, der Text enthält Spoiler, also nicht weiterlesen, wenn ihr das Spiel noch spielen wollt.


In VD 2 hat man ja die Möglichkeit Valnar gut oder böse zu spielen. Diese Entscheidung hat aber keine grosse Auswirkung auf die Story ( ausser die Enden ), sondern vor allem auf das Gameplay. Ich hab mich entschieden, Valnar als einen guten, menschenfreundlichen Vampir zu spielen. Nun gibt es aber das Problem, dass handlungsbedingt ein paar Inkonsistenzen auftreten. So ermordet Valnar eine Prostituierte auf eine Weise, die ziemlich im Widerspruch zu einem guten Charakter steht, genauso wie die 3 Vampire generell viele Menschen töten, bei denen sie mit ein wenig Verhandlungsgeschick vielleicht auch ohne Gewalt weitergekommen wären. Auch das Foltern in Asgars Schloss ist nicht unbedingt dem Charakter entsprechend. In diesen Fällen hätte ich mir gewünscht, wenn ich als Spieler auch konsequent die gute Spielweise weiterführen könnte. Natürlich hätte Marlex dann einen viel höheren Aufwand durch alternative Handlungsstränge gehabt, weswegen er wohl auch darauf verzichtet hat. Dennoch ist das hier für mich eines der Beispiele, wo mehr Einflussnahme des Spielers durchaus gut gewesen wäre.

Eure Meinung
Wie seht ihr das? Haltet ihr das Konzept vom IS für den heiligen Gral der Spieleentwicklung ( oder sogar für die Zukunft vom Geschichtenerzählen, wie z.B. Murray es sieht ), oder glaubt ihr, dass es sich eher negativ auf Spiele auswirken würde? Mich würde sehr interessieren, was ihr davon denkt.

Aurae
14.01.2006, 15:40
Im Prinzip kann man dieses Prinzip mit P&P-Rollenspielen vergleichen: Der Spielleiter besitzt einen Teil der Kontrolle über die Spielwelt, er führt die Geschichte voran, interagiert jedoch auch mit den Spielern, die die Geschichte im Grunde mit vorantreiben, durch ihre Taten und Entscheidungen etc.
Diese "Spielart" auf Spiele auszuweiten ist durchaus ein sehr interessanter Ansatz. Sie würde nicht nur den Spielen einen sehr großen Wiederspielwert verleihen (indem der Spieler z.B. beim zweiten Durchgang andere Entscheidungen trifft, und sich das damit nicht nur auf die Charaktere in der eigenen Partie auswirkt, sondern auf die komplette Spielwelt), sondern jene Spielwelt damit sehr viel dichter und glaubwürdiger machen.
Apropros glaubwürdiger.
Das ist neben dem erhöhten Aufwand der einzigste Punkt, dem ich negativ gegenüber stehe. Durch die Vernetzung durch die Interaktionen des Spielers muss das ganze Geschehen trotzdem glaubwürdig sein, und nicht aufgesetzt und unrealistisch wirken. Ein Beispiel: Held xy steht unter Befehl des Kaisers yx und muss einen Auftrag erfüllen: Zehn grüne Schleimklumpen (Monster1.png, yeah!) töten, das Artefakt mitnehmen und es ihm bringen. Nun wäre ein möglicher Ansatz für IS, dem Spieler frei in die Hand zu legen, wie er diese Aufgabe lösen will. Zusätzlich würde bei IS der Faktor hinzukommen, was nach Erfüllung der Aufgabe passieren würde. Der Held könnte z.B. das Artefakt gehorsam seinem Befehlshaber überreichen und (evtl. im späteren Spielverlauf) zum Ehrengardisten, General o.ä. aufsteigen. Alternativ könnte er das Artefakt auch einfach behalten. In diesem Fall wäre es allerdings sehr unrealistisch, wenn er dann kurze Zeit später glücklich und sorgenfrei durch das Kaiserreich schlendern könnte, und evtl. sogar beim Kaiser einen weiteren Auftrag abholen könnte. In diesem Fall muss sich das Spiel (und damit der Ersteller) fragen, wie er nun die Geschichte fortführen kann. Das Spannende dabei ist auch, sollte es keine alternative Enden geben, wie er nun die von grundauf verschiedenen Stränge wieder zusammenführen soll. Der "gute" Held könnte bspw. weitere Aufträge bekommen und schlussletztlich vor dem bösen Oberdämon (Monster4.png, yeah!) und seinem Gehilfen stehen, welcher jedoch unerkannt bleibt. Würde der Spieler jetzt ein zweites Mal spielen, und den "bösen" Weg wählen, könnte es ja letztendlich passieren, dass er jener Gehilfe ist.
Dies ist nur ein Beispielszenario, und nicht für ein Spiel zu gebrauchen, da es zu einfach gestrickt ist (also bitte keine Spielvorstellung mit dieser Story, ich sags lieber vorher ;p).
Diese Vernetzung fänd' ich persönlich super spannend. Jedoch ist es (neben dem Realismus, den ich eben schon erwähnte) ein enorm gesteigerter Aufwand für die Ersteller, sämtliche möglichen Handlungswege zum Einen zu kreieren und zum Zweiten geschickt wieder zusammenzuführen. Man könnte hier als Beispiel-Maker-Game, welches eine Art von IS verwendet, Sternenkind-Saga angeben, jedoch bin ich zu uninformiert, ob man nur anfangs die Wahl zwischen den Strängen hat, oder auch im Spiel geschichtliche Entscheidungen treffen kann.
Ich bin, zusammenfassend gesagt, dafür.

GSandSDS
14.01.2006, 15:44
Interactive Storytelling ist denke ich etwas was mit Vorsicht zu genießen ist. Es ist ein sehr interessanter Aspekt, kann dem Spielmacher aber sehr schnell über den Kopf wachsen. Im schlimmsten Fall nimmt die Anzahl der Alternativereignisse nämlich exponential zu (bei einer perfekten Baumstruktur), so dass es dann irgendwann peng! macht und der Spielmacher frustriert aufgibt oder erst im Jahr 3745 fertig wird. Auf der anderen Seite ist es natürlich möglich zu versuchen einen Kompromiss zwischen festgefahrener Storyline und IS zu finden. Die primitivste Art findet man sicher in Spielen wie Vampires Dawn 1 und 2. Dort hat das Handeln einen Einfluss auf das Ende des Spiels. Nennen wir solch ein Ereignis mal "Knoten". Dann könnte man sich theoretisch auch weitere "Knoten" im Spiel vorstellen, wo die Haupthandlung je nach spielweise anders abläuft. Es kann aber auch grazieler gehen. So kann man sich z.B. statt auf die Haupthandlung eher auf die Nebenhandlungen konzentrieren. Ein System wo der Charakter einen gewissen Ruf hat könnte ihn je nach Ruf dazu bringen andere Leute zu treffen oder Aufgaben zu erhalten. In UiD ist IS auch stellenweise rudimentär vorhanden. Jedoch wirkt sich das auch hier nur sehr schwach aus. Manche Handlungen haben dort halt zur Folge, dass bestimmte Personen später wieder auftreten oder dass man es später halt leichter oder schwerer hat. Wie gesagt nur sehr sehr rudimentär in einer ansonsten recht festgefahrenen Handlung.

Ein weiteres Problem ist die Erkennbarkeit der Wirkung eigener Handlungen. Ich finde die Wirkung einer Handlung sollte schon nachvollziehbar sein, denn sonst geht schnell der Spielspaß flöten. Hilft man Person A am Ende des Spiels, sollte man schon irgendwie nachvollziehen können, warum sich am Ende des Spiels auf einmal Person B einem entgegenstellt.

Daos-Mandrak
14.01.2006, 16:38
Man kann es so sehen:
Es ist nett, aber den Aufwand nicht wert. Man steckt einfach zu viel Arbeit in die Geschichte und die Handlungsstränge und im Endeffekt wird der Spieler nicht alle/meist sehr wenige davon im Spiel sehen.
Zwar kann man im Endeffekt dann daraufhin weisen, dass das Spiel IS enthält, aber imo sollte man seine Energie lieber in andere Bereiche stecken. DIe Spieleindustrie verfährt doch genauso, lieber bei altbewärtem bleiben als ZU VIEL Innovation auf einmal.

Ich würde jedenfalls auch ein Spiel akzeptieren, das über kein IS verfügt und "nur" einen Handlungsstrang hat. Das muss immerhin nicht heißen, dass das Spiel dann schlecht ist. Genausowenig wie ein Spiel mit IS nicht automatisch gut sein muss, auch wenn es eine gute Story hat.

netwarrior
14.01.2006, 16:38
Mit IS ist es so eine Sache.
Einerseits will man ein gutes Gameplay haben, auf der anderen Seite jedoch eine gut erzählten Geschichte.
Zu der Geschichte denke ich, gibt es da 2 Typen:
- Man schafft eine Welt und kreiert dazu die passenden Protoganisten (was mir besonders bei westlichen Spielen auffällt)
Oder
- Man schafft einen Helden und schafft für ihn die passende Umgebung (was IMO typisch für östlichen Spiele sind)

Da ich in einer interaktiven Welt auch gerne Ereignisse beeinflussen möchte, möchte ich aber zugleich auch auf eine gut erzählte Geschichte nicht verzichten.
Die richtige Mischung aus beiden zu finden ist nicht immer einfach, denn die 2 Grundformen sind:
- Mehr Rätsel und Entscheidungsmöglichkeiten für ein alternatives Ende, dafür aber weniger Story.
Oder
- Eine gut erzählte Geschichte, die dem Spieler aber keinerlei Freiheiten für seine Entscheidungsmöglichkeiten lässt und somit gezwungen wird von A-> B und B->C usw. zu laufen.

Die Kombination aus beiden Grundspieltypen gelingt aber nur wenigen Spielen, wie z.B. Chrono Trigger, Quest of Glory und Indiana Jones 3&4.

Ein anderes Konzept der Geschichtenerzählung ist der sog. Sammeleffeckt.
So muss der Spieler z.B. bestimmte Gegenstände sammeln um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, verbunden mit einer Grundstory.
(z.B. 08/15 Story, finde die 5 Kristalle um einen Dämon zu besiegen)
Um die verschiedenen Gegestände zu finden muss man verschiedene Abenteuer bestehen, die dann auch mit einer Nebenstory erzählt werden kann.
(Z.B. der König eines Reiches gibt den Helden den begehrten Kristall, wenn er dafür seine Tochter aus den Klauen eines Drachen befreit)

Ich denke man sieht, dass es schwer ist IS unter einem Hut zu packen.

Fazit:
Ich sehe ein interligentes IS als ein sehr erfolgsversprechendes Konzept an, dass dem Spiel nicht nur einen Wiederspielwert gibt, sondern den Spieler die Möglichkeit gibt, ganze Welten zu erkunden.
Allerdings glaube ich nicht, dass dieses Konzept zukunftsweisend sein wird, da nach meiner Beobachtung besonders kommerzielle Spiele auf gutes Gameplay mit vielen Special Effects und einer linearen Story setzt.
Ausnahmen bestätigen die Regel, aber die sind IMO doch eher selten.

Phryx
14.01.2006, 17:03
Imo keine schlechte Idee... es gab so was desöfteren in den Lustigen Taschenbüchern von Walt Disney... in Spielen wäre rein von der Idee her das ganze nicht schlecht aber imo einfach zu aufwendig was die Umsetzung angeht.. das ganze ist letztenedes so wie dus am Beispiel VD2 bechreibst nur ein weiterer Punkt Realismus aber wenn man versucht dem Spieler wirklich nahezu unedlcih Möglichkeiten zu geben dann müsste man das ganze schon mal so aufbauen: es gibt keine "weg" wo die monster z.B. immer stärker werden sondern a'la FFX-2 eine welt wo man so ziemlich überall hinreisen könnte aber es halt doch stellen gibt wo man nicht hinkommt weil das is ja auch im realen Leben normal. naja und dann gibts halt nicht wirklich hinweise sondern der spieler muss sich alles selber erarbeiten udn so selber draufkommen wie er halt das szenario löst.. bzw... er könnte durch verscheidene weisen erstmal in dieses szenario gelangen weil wenns ohne irgendwelche gründe vorgegeben wäre wäre es ja auch schlecht...
ausserdem kann er jegliche waffentechniken erlernen weil warum sollte jemadn keinen bogen schießen können... man könnte halt nur machen dass der ein oder andere bogen schieriger als schwert erlernen kann usw.
letztendlich geht es imo draum dem spieler ALLE möglichkeiten offen zu lassen das spiel zu beenden..

Phryx

Aurae
14.01.2006, 17:10
letztendlich geht es imo draum dem spieler ALLE möglichkeiten offen zu lassen das spiel zu beenden..
Wobei ich finde, dass das Spiel einen schon mit der Nase auf einige Schlüsselpunkte drücken sollte, damit man (zumindest grob) ein Ziel besitzt. Es kann nicht die Rede von Storytelling sein, wenn es nicht mal eine Story gibt. Das Spiel sollte dir schon sagen, was zu tun ist, dann sollte es jedoch Konsequenzen ziehen, und zwar danach festgelegt, wie du agierst.

Raiden
14.01.2006, 17:29
Ich gehe lieber den Weg einer Storyline. Besonders im 2D Sektor kann man nicht mit überdynamischen Effekten rechnen, einer bombastischen Grafik die zum Spielen animiert, auch wenn das Spiel im Grunde schlecht ist oder durch Features, die selbst Hollywood in den Schatten stellt - beispielsweise mit cineastischer Präsentation: CGI, Synchronisation, ect. - und das Projekt auftrumpfen lässt.

Der Baum, wie du ihn beschreibst, hat Mängel. Es mag spaßig sein, besonders wenn man nach der Vorlage von einem Spiel geht, welches auf vielen Quests basiert, aber im Grunde nicht dazu da ist, eine Spannung aufzubauen.

Ich halte ergo vom Interactive Storytelling wenig, weder beeindrucken mich die westlichen RPG's damit, noch tun es die RPG's aus der RPG-Maker-Szene, die keine vernünftige Story aufgebrummt bekommen. Entscheidungen sollten nur fallen, um den Charakter nach seinen Vorlieben beispielsweise in Gesprächen als einen Vorreiter dastehen zu lassen. Was habe ich davon, wenn ich das eine Mädel in einem RPG putzig finde, aber den Held den ich unvermeidlich spielen muss, immer genau das falsche zu den Charakteren sagt. Solche Charaktere hasst man, Entscheidungen wären hier schön, sollten sich auch teils auf den Werdegang in Gesprächen auszeichnen - man möcht schließlich belohnt oder entlohnt werden. Die ganze Story dadurch zu ändern finde ich schwachsinnig, denn mehrere Storyenden basieren meist nur auf Ahnungslosigkeit und fehlendem Wissen, wie man die Szenen spannend und mit einem Knall abschließen kann. Offene Fragen am Ende sind ebenso dr Schlüssel zum Erfolg - wenn man jenes gut anstellt.

Wer anderer Meinung ist als ich, wird mit meinem jetzigen Projekt rein gar nichts anfangen können. :)

Moki
14.01.2006, 17:35
es gab so was desöfteren in den Lustigen Taschenbüchern von Walt Disney
In den Lustigen Taschenbüchern gabs interactive Storytelling? O_o
Das wäre ja mal interessant. ^^
Was mich in der Welt der Bücher auch an i.S. erinnert sind diese Fantasy-Abenteuer-Spielebücher die ich früher mal ganz gerne gelesen hab. Kennt die noch jemand?^^ Dort lief das ganze Buch so ab, dass man quasi in ein Abenteuer geworfen wurde und immer wählen konnte was man machen will. Je nachdem was man gewählt hat, hat man auf einer anderen Seite weitergelesen. Es gab sogar eine Art Kampfsystem bei dem man irgendwie ausgewürfelt hat wie hoch der Schaden ist und so.^^ Die Bücher waren toll, nur hab ich's damals nie geschafft bei einem bis zum Ende zu kommen weil ich immer irgendwo draufgegangen bin.^^"

@ Topic:
Hm... grundsätzlich interessantes Konzept, das aber natürlich leicht schief gehen kann. Als Privatentwickler würd ich nur begrenzt drauf zurückgreifen, es wird sonst einfach schnell viel zu viel Arbeit, die sich im Endeffekt auch nicht wirklich lohnt, da der Spieler eben nur einen Teil der möglichen Wege gehen wird und die wenigstens ein Makerspiel mehrmals spielen, auch wenn es dieses Feature haben mag. Den Reiz an der Sache sehe ich darin, dass es einzig richtige Komplettlösungen quasi nicht gibt und jeder Spieler einen anderen Spielverlauf spielt.
Der größte Nachteil ist imo der Aufwand und die Tatsache dass dieses System schwer mit einer komplexen Story vereinbar ist. Wer die Story derart dem Spieler überlässt, kann kaum eine Riesenstory à la Xenogears umsetzen weil es einfach irgendwann zu tausend möglichen Stories wird. Trotzdem kann auch ein freies Spiel interessant sein, nur eben auf eine andere Weise.
Als Spieler fänd ich i.S jedoch deshalb interessant weil es dadurch möglich wird, die Spielfigur seinem eigenen Willen anzupassen. Wie oft hab ich mich schon bei Spielen geärgert warum der Idiot von Hauptcharakter die Stadt XYZ jetzt noch nicht verlassen will weil er erst noch seine Oma besuchen will, Pilze im benachbarten Wald sammeln und dann noch die Wäsche waschen muss. >_> Wobei sich das natürlich erledigt wenn der Entwickler geschickt vorgeht und das Spiel so anlegt dass man sich nicht ärgern muss. ;)

netwarrior
14.01.2006, 17:47
In den Lustigen Taschenbüchern gabs interactive Storytelling? O_o
Das wäre ja mal interessant. ^^
Was mich in der Welt der Bücher auch an i.S. erinnert sind diese Fantasy-Abenteuer-Spielebücher die ich früher mal ganz gerne gelesen hab. Kennt die noch jemand?^^ Dort lief das ganze Buch so ab, dass man quasi in ein Abenteuer geworfen wurde und immer wählen konnte was man machen will. Je nachdem was man gewählt hat, hat man auf einer anderen Seite weitergelesen. Es gab sogar eine Art Kampfsystem bei dem man irgendwie ausgewürfelt hat wie hoch der Schaden ist und so.^^ Die Bücher waren toll, nur hab ich's damals nie geschafft bei einem bis zum Ende zu kommen weil ich immer irgendwo draufgegangen bin.^^"

Ich gabe da nur die Soloabentuer von DSA gekannt^^

Aber du bringst da ein interessantes Thema, worin sich Spiele mit Büchern/Filme unterscheiden sollten.
Nämlich die Freiheit selbst die Art und Weise ein Problem lösen zu können, selbst wenn es nur 2 Lösungswege gibt.
Eine gute lineare Story, vom Spieler nicht beeinflussende Welt, kann man ebensogut auch in Büchern und Filmen haben.

MagicMagor
14.01.2006, 17:54
Ein sehr interessanter Ansatz.
Der Vorteil ist eindeutig die stärkere Einbeziehung des Spielers als aktiven Teilnehmer. Der Spieler hat direkten Einfluss auf das Spielgeschehen, wobei der Spieler das natürlich auch mitkriegen muss. Desweiteren erlangt das Spiel dadurch auch einen storytechnischen Wiederspielbarkeitswert, insbesondere wenn es mehrere Enden gibt.

Der große und eigentlich einzige Nachteil ist natürlich der unglaubliche Aufwand. Wie SDS gesagt hat, muss man aufpassen, daß der Baum nicht ins unermessliche wächst. Das Problem dabei ist, wenn der Baum zu dünn ist, wird dem Spieler vielleicht nicht bewußt, daß es auch gänzlich andere Stränge gibt, oder er sieht den Anreiz des Neuspielens für zu gering an.
Läßt man den Baum in die Breite wachsen, muss man zwangsläufig seine Höhe und damit die Gesamtlänge des Spiels beschneiden. Irgendwo sollte man einen Kompromiss aus Breite und Höhe des Baumes finden. Natürlich sind dann keine 50 bis 100 Spielzeit Megaepen mehr möglich, aber das muss jeder Entwickler selber wissen was er für ein Spiel machen will.
Mit geschickter Programmierung kann man sich einen Teil dieses Mehraufwandes, der durch IS entsteht, auch sparen. Ein einfaches Ruf-System kann dazu benutzt werden bestimmte Quests und damit eigene Handlungsstränge zu blockieren und andere zu öffnen. Natürlich bleibt die Arbeit die vielen einzelnen Stränge zu gestalten, aber man kann dafür zB die Anzahl der wirklich optionalen Sidequests kürzen, oder (wie ich es plane) eine Art "Random-Quest-Generator" für Sidequests einbauen. Dadurch kriegt man Arbeitskapazität, die man dann in die Ausarbeitung der weiteren Stränge schieben kann.
Eine weitere Idee wäre es vielleicht gar nicht so sehr die Anzahl der Knoten zu erhöhen sondern nur den Grad der Verästelung. Man erhält eine überschaubare Menge von Ästen, die man dann einzeln abarbeiten kann. Das erfordert allerdings ein wenig mehr Grips bei der Gestaltung der Knoten, weil wenn man einen Knoten von 5 verschiedenen anderen Knoten erreichen kann, kann es schnell zu Inkonsistenzen in der Story kommen, die man natürlich vermeiden sollte.

Insgesamt ein toller Ansatz, der hoffentlich in der kommerziellen Sparte Fuß fassen kann. Für Makergames sehe ich da wenig Möglichkeiten. Viele sind ja schon mit einem normalen linearen RPG überlastet und die Offenheit im Gameplay, die mMn eine Bedingung für gutes IS ist, gibt es auch in sehr wenigen Spielen.
Ich persönlich werde mir das Konzept für mein eigenes Spiel aber mal durch den Kopf gehen lassen (ich wollte eh keine besonders lange Story einbaueen).

Ineluki
14.01.2006, 18:36
Es gibt bereits einen vertreter des Makergenres, der mMn IS sehr geschickt gepaart mit einer faszinierenden und komplexen Story umsetzt: A Blurred Line

Der Kunstgriff, der gemacht wird, besteht aus zwei Teilen

a) In Regelmaessigen Abstaenden werden fixierte Knotenpunkte in der Story vorgegeben. Diese Knotenpunkte sind mit voneinander unabhaengigen Wegen zu erreichen. Dadurch ist zwar mehr oder weniger egal, welchen Weg man geht, da die Story synchronisiert wird, allerdings sind die Orte, die man besucht, oder die Dinge, die man benoetigt, auf den einzelnen Wegen ganz unterschiedlich. Die Story ist mit einem Strick zu vergleichen. Grob betrachtet ist sie linear, aber bei genauerer Betrachtung sieht man, dass sie aus vielen Parallelstraengen besteht, die alle den selben Anfang und das selbe Ende haben, jedoch vollkommen verschiedene Wege benutzen.

b) Das Kampfsystem ist auf die gleiche Art und Weise ausgelegt, da man durch die Wahl, welche Gegner man Analysiert, auswaehlen kann, welche speziellen Faehigkeiten man letztlich bekommt.

Alles in allem ist ABL wohl das Spiel, in dem ich im Makerbereich IS am besten bisher umgesetzt sehe.

IS ist eine grosse Herausforderung der Spieleindustrie und wird wahrscheinlich erst dann wirkliche Relevanz wentwickeln, wenn NPCs mit richtigen Neuronalen Netzen und einem gewissen Mass an KI ausgestattet sind, um wirklich IS im Sinne von Cyberdrama alla Holoroman zu gestatten. In unserer heutigen Welt ist IS ein zweischneidiges Schwert, da uns die moeglichkeiten der freien Extrapolation fehlen und man alle Szenarien vordenken muss. Soetwas laesst sich zwar ueber zustandsgesteuerte Systeme, wie z.B. durch Ruf und aehnliches, realisieren, erfordert doch allerdings ein hohes Mass an aufwand. Der einzig momentan brauchbare Weg ist wohl der, dass man IS nur im Detailramen verwendet, um nicht storyrelevante Aspekte zu beeinflussen, wie z.B. wie einige NPCs auf einen reagieren, oder welche Nebenquests man bekommt, oder auch, wie die Dynamik in der Gruppe ablaeuft, ob z.B. ein Charakter einen Verlaesst, man einen anderen dafuer dazu bekommt, oder welches Maedchen am Ende der Held absahnt. Das Spiel an sich muss aber von einer praktisch unbeeinflussbaren Handlung vorangetrieben werden, da alles andere in einen nahezu unueberschaubaren Aufwand ausartet.

Liferipper
14.01.2006, 18:38
In den Lustigen Taschenbüchern gabs interactive Storytelling? O_o

Kannst im Grunde vergessen. Die paar betroffenen Geschichten sind nicht wirklich interessant (ich zumindest kenne nur eine, die mir gefallen hat, und da hatten die Bände noch ne 1 vor den zwei anderen Ziffern...)


Was mich in der Welt der Bücher auch an i.S. erinnert sind diese Fantasy-Abenteuer-Spielebücher die ich früher mal ganz gerne gelesen hab. Kennt die noch jemand?^^ Dort lief das ganze Buch so ab, dass man quasi in ein Abenteuer geworfen wurde und immer wählen konnte was man machen will. Je nachdem was man gewählt hat, hat man auf einer anderen Seite weitergelesen. Es gab sogar eine Art Kampfsystem bei dem man irgendwie ausgewürfelt hat wie hoch der Schaden ist und so.^^ Die Bücher waren toll, nur hab ich's damals nie geschafft bei einem bis zum Ende zu kommen weil ich immer irgendwo draufgegangen bin.^^"

Steve Jackson, Ian Livingstone?
Zu schade, dass man die Analand-Saga heute nicht mehr kriegt (ich hab nur Band 3).

Wegen den Handlungsstängen:
Dass es sich immer weiter verästelt, muss ja nicht heißen, dass es am Ende zigmillionen Möglichkeiten gibt. Sehen wir uns dazu ein Beispiel an (ist schnell mit Paint zusammengeklickt, also spart euch eure Kritik):

http://www.directupload.net/images/060114/temp/ATn6UpjJ.jpg (http://www.directupload.net/show/d/577/ATn6UpjJ.jpg)

Links das Beispiel, wenn sich die Handlung immer weiter verzweigt, je länger man spielt. Das mag zwar interessant sein (viele Möglichkeiten), aber erstens besteht dabei leicht die Gefahr, dass man aufgrund einer einzigen Entscheidung in einer Schiene ist, in die man gar nicht will, und zweitens: Es ist ein immenser Aufwand. Nicht nur für die Programmierer, sondern auch für die Spieler (ich weiß ja nicht, wie's bei euch ist, aber ich hab keine Lust, ein Spiel zig-mal durchzuspielen, nur um alle Enden gesehen zu haben).
Links hingegen könnte durchaus interessant sein: Man hat zwar mehrere Möglichkeiten, das Spiel durchzuspielen, aber am Ende kommt immer das selbe heraus (na gut, gegen zwei - drei Enden spricht auch nichts). Hier kommt auch ein Gefühl der Handlungsfreiheit auf, jedoch nicht auf Kosten einer einzelnen durchgängigen Storyline. Man hat zwar die Freiheit, zu spielen wie man will, erlebt im Grunde jedoch das selbe Spiel (ok, wer kennt Gothic? Ich sage nur: Lager), so dass zwar ein gewisser wiederspielwert besteht, man aber nicht unbedingt dazu gezwungen ist, um das komplette Spiel zu erleben.

Edit: Blöder Luki. Muss schneller schreiben lernen.

Maisaffe
14.01.2006, 19:45
Ich labber mal rein, aber ein gutes Beispiel für so ein Spiel ist "Fahrenheit". <- Unbedingt kaufen. ;)

Super Story, super Sounds und Stimmen, nerviges Tastendrücken in Äktschnszenen, aber trotzdem verdammt cool durch, schon geschrieben: Super Story (die man z.T. sehr beeinflussen kann, da man auch noch seinen Gegenspieler steuert, so dass man am Ende sich gegenseitig trifft) und geniale Athmosphäre.

Ups, jetzt habe ich nur für das Spiel geworben. :rolleyes:

Dennis

Kelven
14.01.2006, 19:54
Es gibt bis jetzt noch kein kommerzielles Spiel, das IS umgesetzt hat, zumindest soweit ich weiss, da in der Literatur zu IS immer darauf hingewiesen wird, dass es so was noch nicht gibt. Bei den meisten Spielen interagiert man mit dem Gameplay und nicht mit der Story. Wie gesagt, Offenheit und viele Möglichkeiten irgendwo hinzugehen, oder eine große Menge Sidequests sind nicht das, was die Wegbereiter dieses Konzepts unter IS verstehen. So basiert z.B. die Vorstellung von Chris Crawford vor allem auf "human interaction", sprich Dialogen und Entscheidungen des Spielers. Rätsel, Kämpfe gegen Gegner, oder Actionelemente sind für ihn nicht unbedingt Bestandteil solcher Spiele; zumindest nicht in der Form wie wir sie kennen.

@Ineluki
Viele Vertreter von IS, nehmen von KI Abstand, da sie für das storytelling gar nicht nötig ist. Für ein Holodeck ja, aber nicht um Figuren glaubhaft rüberzubringen. Selbst solche simplen, regelbasierten Systeme wie Eliza schaffen es schon, Intelligenz vorzutäuschen. Die Figuren aus Büchern und Filmen wirken, wenn sie gut gemacht sind, ja auch schon glaubhaft, von daher ist eine wirkliche KI gar nicht nötig, sondern die Charakter müssen nur gut ausgearbeitet sein. Wobei aber schon bei der IS betont wird, dass die Charakter durchaus in ihrem Verhalten ein wenig variabel sein können, z.B. durch ein sogenanntes "affinity system".

Zu dem was du wegen "A blurred line" geschrieben hast: Die Vorstellung von den IS-Vertretern weicht glaub ich ein wenig von dem ab, was du dort beschrieben hast. Zumindest kam es mir weniger so vor, als ob besuchte Orte oder Gegenstände so eine große Rolle spielen, sondern vor allem die Interaktion mit NPC's im Vordergrund steht. Bei Chris Crawford geht es dann auch wie gesagt noch sehr stark um Entscheidungen, die der Spieler treffen muss, wodurch das Spiel dann in unterschiedliche Richtungen gelenkt werden kann.

Insgesamt gesehen stimmt es aber, dass man in Details schon in vielen Spielen Möglichkeiten findet, selber etwas zu entscheiden, aber bei IS geht es wirklich um Spiele, die nur aus so was bestehen. Außerdem ist vor allem bei Murray das Hauptanliegen nicht, dem Spieler mehr Möglichkeiten zu geben ( zumindest nicht vordergründig ), sonder es geht ihr um die Kunst des Geschichtenerzählens und die "Immersion" ( sprich das Eintauchen ) in die Story.

netwarrior
14.01.2006, 20:41
Vollkommende IS.
Versuchen nicht eine Firmen mit Online-Spielen wie WOW (korrigiert mich, ich habe selbst nie soetwas gespielt) so eine ähnliche Welt zu schaffen.
Die Spieler agieren untereinander, was den Vorteil hat, dass bestimmte Situationen/Dialoge/usw. nicht immer vorhersehbar sind.
Auch ist es so, dass der Spieler oder ganze Heldengruppe Quests oder einer Story folgen können/müssen.

Das Problem, dass NPC's noch immer genauso blöd sind wie Brot ist zwar noch nicht gelöst, aber es ist schon mal ein Anfang.

Kelven
14.01.2006, 21:00
Nein, da MMORPG's nicht wirklich eine Geschichte erzählen. Man interagiert zwar viel mit den anderen Spielern, aber nicht mit einer Geschichte. Nun kann zwar jemand sich zum Spielleiter aufschwingen und wie ein Dungeon Master bei P&P-Spielen das Spiel leiten. Wenn dann alle Spieler ihre Rollen charaktergerecht spielen, hätte man zumindest etwas, das in die Richtung geht. So was kann man aber, wenn man will ,auch bei fast allen anderen Spielen mit mehreren Spielern haben ( s. RPG-Anteil bei Browserspielen usw. ). Jedoch ist dies alles mMn nicht das, was unter IS verstanden wird. Bei den Spielen spielt man alleine.

derBenny
14.01.2006, 22:38
Meiner Meinung nach braucht man in jedem Spiel ein bestimmtes Ziel, auf das man hinarbeiten muss. Insofern sollten die verschiedenen Stränge schon irgendwie wieder zusammenführen. Morrowind, beispielsweise, erlaubt es dem Spieler, eine riesige Spielewelt zu erkunden und sich auf verschiedene Weise dort zu profilieren. Man kann selbstständig bestimmen, ob man sich irgendwo in einer Stadt ein Haus schnappt (dafür muss man den Besitzer allerdings still und leise entsorgen), dort seinen Besitz unterbringt und sich in einer Gilde behauptet, oder ob man als Vagabund durch die Spielewelt zieht, nicht mehr besitzt, als das, was man am Körper trägt und hier und da ein paar Aufträge annimmt. Trotzdem muss man ein Ziel haben, sonst fragt man sich irgendwann, warum man das eigentlich alles macht.

Ein großes Problem beim IS ist in meinen Augen, dass der eigentliche Spielprozess ja eigentlich einem bestimmten Muster folgt, das unveränderlich ist. Bei einem Rollenspiel verbringe ich die Zeit damit, zu kämpfen und meine Charaktere zu trainieren, um voranzukommen. Selbst die meisten Sidequests bestehen meistens aus Kämpfen. Natürlich ändert sich die Art der Kämpfe mit der Zeit und wenn ich die Story in verschiedene Wege aufspalte, dann kämpfe ich eben mit anderen Waffen gegen andere Gegner. Aber am eigentlichen Spielprinzip ändert sich nichts.
Ich kann nicht plötzlich sagen, dass ich lieber ein ruhiges Leben als Landwirt führen möchte (wie z.B. bei Harvest Moon). Ich habe nicht die Möglichkeit, mir irgendwo Land zu kaufen und es zu bewirtschaften. Dafür müsste man bei der Spieleentwicklung ein eigenes System schreiben, das wäre unheimlich aufwendig.
Genausowenig kann ich bei einem Rollenspiel beschließen, mit einem Schiff in See zu stechen, mir irgendeine unbewohnte Insel zu suchen und dort eine Zivilisation aufzubauen (wie bei allen möglichen Wirtschaftssimulationen). Auch hier müsste man ein wieder ein spezielles System programmieren.

Diese verschiedenen Grundkonzepte (kämpfen und trainieren wie im Rollenspiel, anbauen und handeln wie bei Harvest Moon (z.B.), organisieren und optimieren wie in Wirtschaftssimulationen (Anno-Reihe), ...) müssen auf völlig verschiedene Art entwickelt werden. Für ein Spiel, das der Spieler alleine spielt, lohnt sich das einfach nicht, zumal er letztendlich ja doch nicht alle Wege gehen kann. Vielleicht baut er im Sommer des Spiels Sachen auf seinem Bauernhof an und zieht im Winter los, um ein wenig von der Welt zu sehen, oder nutzt die kalte Jahreszeit, um im naheliegenden Dorf soziale Kontakte zu knüpfen (was ebenfalls für jeden Charakter/NPC der Spielewelt speziell programmiert werden müsste). Aber er wird eben niemals mit dem Schiff auf irgendwelche Inseln fahren, er wird niemals Armeen befehligen und vielleicht wird er während des gesamten Spiels nur einen Bruchteil der gesamten Spielewelt sehen. Der größte Teil der Entwicklungsarbeit des Spiels ist also vergebens.
Spiele mit so vielen Möglichkeiten sind nur dann sinnvoll, wenn an sie mit mehreren Spielern gemeinsam spielen kann, so dass jeder Weg, den man durch das Spiel wählen kann, auch gegangen wird. Problematisch ist nur, dass einige Wege (z.B. das Profilieren in einer Gilde und trainieren der eigenen körperlichen Fähigkeiten) sehr beliebt sein werden, während andere Wege (z.B. das Leben als Landwirt) kaum gewählt werden. Denn mal ehrlich, wer will schon sein ganzes Leben an einem Ort verbringen und nicht weiter als bis zur nächsten Stadt reisen? Außerdem könnte jeder, der den Weg eines Kämpfers gewählt und sich ein bischen hochgelevelt hat, beim Bauern ankommen und ihm seine Sachen stehlen, ohne dass der Bauer allzuviel dagegen tun könnte. Es wäre sicher interessant, so ein Spiel einfach mal laufen zu lassen, um zu sehen, inwieweit sich dort Kriminalität entwickelt und ob es vielleicht sogar irgendwelchen raubenden Gruppen bzw. "Gangs" gelingt, in der Spielewelt Fuß zu fassen und die anderen Spieler zu terrorisieren und auszunutzen. Vielleicht erleben wir dann ja sogar so etwas wie das dritte Reich in virtueller Form. Man müsste das Spiel einfach Laufen lassen und sehen, was die Menschen bzw. die Spieler daraus machen.

In jedem Fall würde alles auf ein Spiel hinauslaufen, dass sich vollkommen mit der Wirklichkeit deckt. Aber vermutlich auf einem niedrigeren moralischen Niveau, weil es eben doch nur ein Spiel ist und man Entscheidungen treffen kann, die man im wirklichen Leben nicht treffen würde.

Kelven
14.01.2006, 23:00
@elite_benny
Deswegen kann man die IS-Spiele nicht unbedingt mit den Spielen vergleichen, die es heutzutage gibt. Es ist ein völlig neues Genre. Dabei muss man aber beachten, dass es beim IS auch nicht um die Simulation einer Welt geht. Es geht schon in erster Linie darum, eine packende und interessante Geschichte zu erzählen. Jedoch soll der Spieler an dieser Geschichte teilnehmen und sie nicht nur passiv verfolgen. Wie das genau aussieht, lässt sich wohl erst dann sagen, wenn mal ein Spiel nach dem Konzept umgesetzt wird.

Tyr
14.01.2006, 23:04
Fahrenheit hatte nicht mal im Ansatz IS, ganz im Gegenteil war das ein sehr lineares Spiel; man musste nur von A nach B gehen, und das die ganze Zeit...

Ich fand dieses Spiel übrigens absolut genial... bis man herausgefunden hatte, worum es eigentlich geht... ab da fand ich die zuerst sehr interessante Story einfach nur grottig, und damit leider schon das ganze Spiel, weil dieses ja eigentlich nur auf eben diese Story ausgelegt war... Man sollte am besten den Japanern es überlassen sich eine geniale Story auszudenken... Westler können dies anscheinend nicht...

Aber die Grundidee mag ich; ein Film als Spiel! Fahrenheit wäre ein absolut geniales Spiel gewesen, wenn es eine gute Story gehabt hätte...

Ich spiele RPGs hauptsächlich wegen der Story, ich möchte am liebsten eine total durchdachte, komplexe, tiefsinnige Handlung haben... und genau das ist der Punkt, dass ich IS nicht mag...

Nachdem, was ich hier über IS gelesen habe, liegt doch der Hauptgedanke darin, dass der Spieler aktiv an der Story beteiligt ist... und genau darin sehe ich schon wichtigen negativen Aspekt.
Die Genialität genialer Geschichten, wie die, die in Xenogears oder Chrono Cross zum Beispiel erzählt werden, liegt doch unter anderem darin begründet, dass bestimmte Events genau so ablaufen, wie sie ablaufen... dass die Charaktere und dazu gehört auch der Hauptcharakter (da kann man jetzt natürlich CC nciht mehr als Beispiel anführen), bestimmte Eigenschaften haben und dank dieser bestimmt handeln...

Ich sehe in IS einen schritt in die falsche Richtung, vielleicht sogar einen Schritt zurück... in solchen Spielen darf man dann wieder dem Helden einen Namen geben und die einzigen Dinge, die dieser sagt, sind die Auswahlmöglichkeiten, die man bekommt...

Lasst doch den Helden unfreundlich auch zu denen charakteren sein, die ihr mögt... schließlich ist der Spieler nicht der Held, sondern betrachtet die geschichte nur aus dessen Augen... Ich sehe ein optimal erzähltes RPG eher wie ein Buch aus der Ich-Erzähler Perspektive geschrieben... sehr intensiv erzählt, aber man hat keinen Einfluss darauf, denn das würde die Geschichte verfälschen...

Ich habe mich schon länger mit der Frage gequält, inwieweit ich bei meinem RPG Maker Projekt dem Spieler handlungsfreiheit gebe und kam nach reiflichem Überlegen zu dem Schluss: so gut wie gar nicht... höchstens ein paar alternative Enden... so kann ich die Story bis ins letzte Detail kreieren, ihr Glaubwürdigkeit durch die Charaktere geben und aber gleichzeitig auch mehre Möglichkeiten offenlassen, die Denkansätze, die das Spiel geben soll, weiterzuführen...

Mit diesen Ansichten stehe ich sicher größtenteils alleine da, aber ich hoffe, dass es Entwickler auch weiterhin gibt von Spielen, die ihre Kräfte für eine genial durchdachte Story und nicht für möglichst hohe Interaktivität aufwenden...

Ynnus
15.01.2006, 00:19
Man sollte am besten den Japanern es überlassen sich eine geniale Story auszudenken... Westler können dies anscheinend nicht...
Ohne jetzt das eigentliche Thema verfolgt zu haben -> das stimmt so nicht!
Gothic I sowie auch Gothic II haben eine sehr geniale Story die es sonst kaum wo zu finden gibt. Ebenso Knight Of The Old Republic (Teil 1 und 2) haben mit die beste Story die ich je in einem Spiel erlebt habe, wirklich Kinoreif.
Es gibt also durchaus Titel aus dem Westen mit wirklich guten Stories, kein Grund zur Verallgemeinerung.

Kelven
15.01.2006, 09:49
Ich denke auch, dass man nicht pauschal sagen kann, dass alle westlichen Spiele schwächere Stories haben, aber bei denen, die ich kenne, trifft es was meinen Geschmack angeht zu. Da hab ich schon den Eindruck, dass japanische Entwickler viel mehr Wert auf Emotionen und Dramatik legen. Vielleicht ist es aber auch die Überzeichnung der Charakter, die die östlichen Stories gerade so interessant macht.

Ansonsten sehe ich es so ähnlich wie SephiMike, ich bin mir nicht sicher, ob eine seelenlose Hülle als Charakter eine so gute Wahl ist, um eine Geschichte zu erzählen. Man muss aber dazu sagen, dass die IS-Vertreter solche Charakter eigentlich gar nicht gefordert haben, zumindest wird das nicht explizit erwähnt. Ich bin jedenfalls skeptisch, ob eine Handlung mit vielen Verzweigungsmöglichkeiten die gleiche Dichte und Dramatik hat, wie eine lineare Handlung. Den meisten fällt es ja schon schwer einen Handlungsstrang gut auszuarbeiten, wie soll das dann erst mit 5 oder 10 aussehen?

netwarrior
15.01.2006, 14:04
Ich bin jedenfalls skeptisch, ob eine Handlung mit vielen Verzweigungsmöglichkeiten die gleiche Dichte und Dramatik hat, wie eine lineare Handlung. Den meisten fällt es ja schon schwer einen Handlungsstrang gut auszuarbeiten, wie soll das dann erst mit 5 oder 10 aussehen?
Ich bin überzeugt dass es möglich ist, wenn nicht sogar besser, unabhängig vom Genre.

Ich nehme mal als Beispiel Wing Commander III.
Gute Geschichte, teils tiefgründige und gut ausgearbeitete Protoganisten - und eins der weniogen Spiel die ich kenne, in den man seine "Mitmenschen" beeinflussen kann.
Sowohl Happy End(in 4 Varianten) als auch das Bad End(2 Varianten) wurden dramatisch perfekt umgesetzt.
Das Spiel bietet alles, auch welches Mädchen man am Schluss abgekommt.

Verzweigungsmöglichkeiten mit mehreren Enden und mit einer dramatisch gut ausgearbeiteten Geschichte sind möglich, wenn auch schwierig umzusetzten.

Ineluki
15.01.2006, 17:36
Kelven ... ich glaube, du hast A Blurred Line nie gespielt, oder ?
Es kommt nicht vornehmlich darauf an, mit NPCs zu reden sondern darauf, Entscheidungen zu treffen.

Ein einfaches Beispiel: Man ist spaet dran, um zur Arbeit zu kommen, und kann sich entscheiden, ob man nach rechts sich durch die Hintergassen und Industrieparks schlaegt, oder nach links zur Bushaltestelle geht, und versucht dort auf den Bus zu warten. Je nachdem, welchen Weg man geht, wird man mit anderen Schwierigkeiten konfrontiert und die Story nimmt im kleinen einen ganz anderen Verlauf, da es fuer etwa die Haelfte des Spiels entscheidet, welchen anderen Character man in die Party bekommt (4 verschiedene Moeglichkeiten). Natuerlich wird die Story wieder an Schluesselpunkten zusammengefuehrt, aber man weiss nie, ob eine Entscheidung wie rechts oder links, oder knacke ich ein rotes oder blaues Auto Einfluss auf die Geschichte hat.

Spaeter im Spiel kann man sich, wenn man in einer Kommune lebt, fuer einen Job entscheiden, ob man Waechter, Bauer oder Schauspieler werden will. Dies fuert nicht nur dazu, dass man ganz verschiedene Aufgaben zu erledigen hat, ehe die Story weiter gefuehrt wird, sondern bestimmt auch spaeter wieder, wen man in die Pary bekommt.

Das mag fuer die grosse Story hinter allem keinen grossen einfluss haben, allerdings ist dies eine mMn eine Umsetzung von Interaktion auf dem Detaillevel.

Vielleicht solltest du mal etwas aus deinen so tollen Werken Zitieren, denn oftmals weiss ich auch nicht, worauf du dich beziehst. Schliesslich bist du sicherlich hier der einzige, der sich mit IS beschaeftigt hat, und der die Buecher gelesen hat. Wenn man nicht ueber das selbe diskutiert, ists eine Diskussion hinfaellig.

Kelven
15.01.2006, 19:25
Ich finde die Bücher eigentlich gar nicht so gut und halte auch nicht viel von IS, hab ich ja schon gesagt. ;) Mir ging es bei diesem Thread vor allem darum zu erfahren, was ihr davon haltet. Da die Meinungen und Vorstellungen innerhalb des IS weit auseinander gehen, hab ich versucht die Thematik so gut es geht auf einen gemeinsamen Nennern zu reduzieren. Das sind für mich Stories, die so gut ausgearbeitet sind wie bei Literatur und Film - die den Spieler also in die Geschichte eintauchen lassen ( = Immersion ) - und zusätzlich dazu aber noch die Möglichkeit bieten, aktiv an ihnen teilzunehmen. Mit Murrays Worten "the satisfying power to take meaningful action and see the results of our decisions and choices". Dazu kommt dann noch das Spielen einer bestimmten Rolle, aber das tut man in Spielen ja meistens.

A blurred line hab ich btw. nicht gespielt, ich bin bei Makerrollenspielen eher der Fantasyfan.

Wenn du aber ein konkretes Beispiel willst, schau dir Facade auf http://www.interactivestory.net/ an. Das müsste aber ca. 600 MB gross sein. Dort wird IS umgesetzt. Storytechnisch geht es um den Beziehungsstreit von zwei Freunden ( es spielt alles nur in ihrer Wohnung ), den man schlichten kann ( aber nicht muss ). Dabei sprechen die beiden in Echtzeit ( auf Englisch ) und man kann selber auch in Echtzeit Text eingeben, um mit ihnen zu reden ( auch auf Englisch ). Teilweise kann man auch mit der Umgebung und mit ihnen interagieren. Ich finde es extremst langweilig, weil man so was auch jederzeit im RL haben könnte, aber es ist eine Umsetzung von IS, so wie sich das viele der Vertreter denken.

Daen vom Clan
16.01.2006, 12:02
Ich persönlich finde Geschichten mit solch krassen Entscheidungsmöglichkeiten zwar interessanter vom Spiel und vom Aha-Effekt her, bevorzuge aber eigentlich immer eher Geschichten mit klarem linearen Verlauf, d.h. als würde man ein normales Buch lesen, da der Autor und Geschichtenerzähler so die Dialoge und Geschehnisse viel besser beschreiben und selber nachvollziehen kann, als wenn er für jedes Ereignis eine Variable laufen lassen muss, die genau aufschreibt, was der Held erlebt hat und so seine Kommentare und Entscheidungen beeinflusst.

D.h. es ist zwar realisierbar aber dermaßen viel Arbeit, das ich davon eher abrate, da es in vielen Fällen trotzdem ins Stocken gerät.

Was jedoch jedes Spiel haben sollte, wären verschiedene Lösungswege im kleinen Bereich, d.h. wenn unser Held von A nach B kommen muss, dann kann er sich zwischen zwei Wegen entscheiden und dort auch Unterschiedliches erleben und finden, was er jedoch nicht zwangsläufig in die spätere Geschichte tragen muss.

ani-kun
16.01.2006, 13:14
IS ist sicherlich ein recht interessanter ansatz, aber imho für spiele nicht wirklich nötig, sogar generell eher unnötig imho ... vor allem bei rpg's leg ich wert auf eine gut ausgearbeitete geschichte und charaktere, ob ich da jetzt zig verschiedene lösungsmöglichkeiten hab geht mir ziemlich am hintern vorbei ... die geschichte muss interessant und fesselnd sein, das gameplay muss stimmen ...

da ich, wie auch ein großteil der anderen zocker (und überhaupt menschen auf der welt^^) berufstätig bin und auch ein privatleben und andere hobbys hab, fehlt mir sowieso die zeit ein spiel zig mal zu spielen, um alle verschiedenen möglichkeiten auszuloten ... und wirklich lust dazu hätte ich sowieso kaum ~

ich sehe keinen wirklichen nutzen im IS, und solang man sich noch nichtmal auf eine klare definition geeinigt hat, was IS nun wirklich sein soll, ist ne diskussion drüber pure mutmaßung^^

Kelven
16.01.2006, 14:27
Ich hab hier einen Artikel gefunden, der vielleicht besser als ich erklärt, was mit IS gemeint ist ( er spiegelt natürlich auch nur die Meinung der Autoren wieder und weicht von anderen Darstellungen schon ein wenig ab ).

http://www.igda.org/writing/InteractiveStorytelling.htm