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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Apathy



Dhan
27.10.2005, 19:23
Ich hats schoma irgendwo in nem Thread gepostet, wills aber mal richtig ins Atelier stellen:


Sie saßen auf der Bank.
Sie taten nichts, jedenfalls nichts, was man als Handlung betrachten würde, ihre Bewegung war so gut wie eingefroren und dennoch brannte ein Feuer. Sie waren ein Paar.
Ein sanfter, warmer Frühlingswind trug die rosa Blütenblätter eines Apfelbaums durch die Luft, es roch nach Kiefer und die Käfer summten im warmen Sonnenlicht.
Für die beiden auf der Bank stand die Zeit still, sie waren glücklich. Betäubt und von der Welt abgeschirmt würde er sagen. Er. Er stand wenige Meter über ihnen in einer Kiefer. Selbst, wenn zu diesem Zeitpunkt die restliche Welt für das Paar eine Bedeutung gehabt hätte, ihn hätten sie nicht gesehen. Keiner, der das Leben genießen konnte, würde ihn sehen. Oh, er kannte dieses Gefühl, diese Benommenheit der Ruhe, dieses... Glück. Er hatte es kennen gelernt bevor es benannt worden war. Im Grunde fühlte er es noch. Doch... Liebe, Glück, als das, was einem normalen Menschen die Welt bedeutete... für ihn bedeutete es Leid. Oh nein, er war keinesfalls getrennt vom Glück. Er fühlte es in derselben Weise wie das Pärchen unter ihm. Und doch beneidete er das Pärchen, er beneidete es dafür, dass es dieses Gefühl eben nur jetzt hatte.
Vor einem leuchtend roten Dach flog eine Biene ihren Weg. Kinder spielten, Menschen liefen friedlich durch die Stadt; es war Sonntag oder es schien zumindest so. Die Welt war wie benommen vor Glück.
Eine Person, die ihn sehen konnte, trat neben ihn, nicht mehr auf die Kiefer sondern daneben, auf die Luft, die sie trug als wäre sie aus Beton.
„Das Spiel der Liebe fasziniert dich, nicht war?“ fragte die Person.
„Liebe? Liebe ist dasselbe Gefühl wie Hoffnung. Die Menschen klammern sich an andere und vertrauen diesen alles an, in der Hoffnung, ihrem Leben dadurch einen Sinn zu geben.“
Man erkannte in seiner Stimme Verbitterung und Neid. Die Person wusste, dass er sich nach diesem Gefühl sehnte, das er eigentlich schon besaß. Und er wusste das auch. Er wusste sehr viel, beispielsweise wusste er, wie die Schöpfung in ihrer Gesamtheit aussah. Und er wusste, wie der kleinste Teil der Schöpfung aussah. Er hatte sie schon von beiden Beobachtungsposten betrachtet, von ganz oben und von ganz unten. Und er sah auf keinem der Plätze etwas, was einem Sinn gleichkam. Der Nihilismus hätte seine Seele gefressen, hätte er je eine gehabt.
Seit Anbeginn der Existenz hatte er nur Glück empfunden. Über Tausende, über Millionen von Jahren nur Glück. Wenn eines den Verstand zermürbt, dann dies.
Er konnte weder weinen noch lachen oder etwas tun, was dazu äquivalent wäre. Er war nur noch benommen. Die Menschen. Wie er sie bewunderte. Könnte er sein Wissen und seine Macht aufgeben, er hätte es getan. Und dennoch konnte er die Person, die zu ihm getreten war, nicht hassen, obwohl er es ihr zu verdanken hatte. Denn er kannte die Person, er hatte die Welt schon mit ihren Augen gesehen. Und er wusste, diese Person hatte ein noch schlimmeres Los als er. Denn während er Glück nur für eine Ewigkeit empfunden hatte so empfand die Person Glück seit der Unendlichkeit. Er stand auf einer Kiefer während ihm Apfelblüten ins Gesicht flogen. Er hatte viele Menschen erlebt, die glaubten, Erfüllung zu kennen. Die gängigste Meinung war, wahres Glück sei fehlendes Unglück, Wunschlosigkeit. Dies war der Gedanke der niedersten Menschen aber auch der frommsten Mönche und der klügsten Genies. Nur, keiner dieser Menschen hatte diesen Zustand jemals erreicht denn sonst wüssten sie es besser. Wenn er etwas gelernt hatte, dann, dass Unglück und wahres Glück nicht das Gegenteil waren. Wahres Glück war, soweit er es beurteilen konnte, die Kontur des Unglücks zu Wunschlosigkeit.
Er konnte Unglück nicht empfinden.
Er hatte alles getan, um es zu empfinden, er hatte gelernt, die Person neben ihm zu lieben und ihr dann angetan, was er ihr antun konnte. Es hatte nichts geholfen.
Apathie umfing ihn seit einer ganzen Weile, hätte er sagen sollen, seit wann, er wüsste keine Antwort.
Er betrachtete die Menschen unter ihm. Wussten sie, was er für sie bedeutete?
Wussten sie, dass ihr Glück nur deshalb wahres Glück war weil es ihn gab?
Und wussten sie, warum er es verursachte?
Hätten sie ihn überhaupt begreifen können ohne zu wissen, was Apathie wirklich war?
Sie hassten ihn. Sie fürchteten ihn, sie wünschten sich, er existiere nicht.
Aber er wusste, dass sie ohne diese Furcht ärmer wären als man sich vorstellen kann.
Eine letzte Blüte wehte in sein Gesicht, dann stand die Luft still. Das Paar umklammerte sich und ging in mehr Glück und Erfüllung auf als die meisten Menschen jemals spürten.
Er beneidete sie.

Der Atompilz verlor langsam an Größe in seiner zerstörten Landschaft. Die Kiefern waren weg und das Paar war weg. Nur er und eine weitere Person standen in der Luft.
Die Person klopfte ihm auf die Schultern und verließ ihn.
Luzifer blickte Gott noch lange hinterher.

Pursy
28.10.2005, 00:37
Ok Dhan, mein Eindruck wird dich erdrücken... ich finde es.... gut! :p

Mal im Ernst, ich echt verdammt gut geschrieben und, auch wenn es komisch klingt, sogar Vorstellbar. Zum einen das Spiel mit den Charakteraussagen und ihren wahren Meinungen, besonders bei Luzifer, der zwar das Paar darum beneidet, was es fühlt, aber nur weil es dies jetzt fühlt... sehr interessante Sichtweise, und eigentlich bis zum Ende offen.


Seit Anbeginn der Existenz hatte er nur Glück empfunden. Über Tausende, über Millionen von Jahren nur Glück. Wenn eines den Verstand zermürbt, dann dies.
Er konnte weder weinen noch lachen oder etwas tun, was dazu äquivalent wäre. Er war nur noch benommen. Die Menschen. Wie er sie bewunderte. Könnte er sein Wissen und seine Macht aufgeben, er hätte es getan.
Das ist irgenwie meine Lieblingsstelle... die reibt sich zwar mit den eigentlichen Vorstellungen von Luzifer und so, aber die Vorstellung, dass wir durch zuviel Glück und Zufriedenheit jeglichen Empfindungen gegenüber abstumpfen könnten, ist für mich noch nie so gedacht gewesen... vor allem wenn man sonst an die "Ewigen Liebe" und "Ewiges Glück" denken.
Diese Geschichte regt zum denken an und das Ende bringt zwar eine plötzliche, aber konkret vertrettbare Wendung wieder.
Ich finde es jedenfalls ziemlich genial! :D

La Cipolla
28.10.2005, 18:53
Prinzipiell verdammt gut, fangen wir mit kritik an.
Wieso Apathy? http://www.multimediaxis.de/images/smilies/old/s_010.gif Mein Gott, wenn du auf deutsch schreibst, kannst du den Titel auch deutsch lassen. Wobei ich den Titel eh nicht so perfekt finde, vielleicht denkst noch mal über einen besseren nach.
Wieso musst du Gott und Luzifer benennen? Mindestens hättest du im Dunkeln lassen können, wer der apath (heißt das so?) ist, denn mir kam der Gedanke eines Teufels oder so bspw. schon eher.
Die roten Dächer sind arger klischeekitsch. :rolleyes:

Der Lesefluss ist äußerst angenehm, die ganze Geschichte liest sich schön, und man kommt wirklich ins Nachdenken, man wird aber nicht reingestoßen, die Gedanken entwickeln sich von alleine. sehr schönes Gefühl.

Bitte nicht so krankhaft cool. Das gilt IMHO sowohl für den Titel als auch für den Namen Luzifer (Wieso eigentlich genau er? ?_?)

Dhan
28.10.2005, 20:23
Prinzipiell verdammt gut, fangen wir mit kritik an.
Wieso Apathy? http://www.multimediaxis.de/images/smilies/old/s_010.gif Mein Gott, wenn du auf deutsch schreibst, kannst du den Titel auch deutsch lassen. Wobei ich den Titel eh nicht so perfekt finde, vielleicht denkst noch mal über einen besseren nach.
Den Titel hatte ich irgendwie entwickelt, als ich den Grundansatz für die Story hatte, joa, passt nemmer so ganz, ich überleg mal, was sonst passt ^^


Die roten Dächer sind arger klischeekitsch. :rolleyes:
Dächer? Meinst du die rosa Blüten?


Bitte nicht so krankhaft cool. Das gilt IMHO sowohl für den Titel als auch für den Namen Luzifer (Wieso eigentlich genau er? ?_?)
Weil Luzifer für die Kraft der Zerstörung eine Art Inkarnation ist... im Prinzip würds auch Loki, Tiamat, Yang oder wasweißich tun ^^ Eben Legion (wobei Yang eigentlich super passen würde vom Prinzip her... warum können die Chinesen das net als Person einführen ^^)

raian
28.10.2005, 22:39
Ich finde den Text wirklich gut geschrieben!

Der Schreibstil ist gut, der Inahlt ist gut und erinnert mich ein wenig an mich selbst.. nur etwas umgedreht...
(Übrigens das mit dem Gefühle abstumpfen geht wirklich...*seufz*)


Nun, ich weiß nciht was du hören willst, aber ich wrde gerne weitere solcher Schriftstücke lesen!


Weiter so!

Mopry
29.10.2005, 15:18
Auf jeden Fall regt diese Geschichte schonmal zum Nachdenken an. Toll. :A
Was dran auszusetzen hab ich eigentlich auch nicht.
Nur, ganz ehrlich, der Titel hat mich ne Weile davon abgehalten die Geschichte zu lesen.


Dächer? Meinst du die rosa Blüten?
Wohl eher die Biene, die über rote Dächer surrt.