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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sebastian und Moritz



schreiberling
01.10.2005, 19:41
Sebastian und Moritz

"Sebastian, komm sofort hierher!"
"Komm her, Sebastian, komm schon!"
"Du äffst mich nicht nach, Moritz. Sonst kannst du gleich nach Hause gehen", der Arm streift durch die frische Herbstluft, unterstreicht die Drohung mit einem Wedeln in Richtung des warmen Heim.
"Jetzt wird’s aber Zeit ihr beiden."
Unter weit stehenden Bäumen rennt ein kleiner Junge Richtung Erziehungsperson, anscheinend Sebastian. Das braune Laub raschelt zwischen den wasserundurchlässigen Stiefeln. In der Hand schwingt er einen Leinensack, der antwortet klackernd, die gesammelten Kastanien schlagen aneinander. Wind fährt durch die Allee, Kastanien prasseln auf den Kiesweg, springen auf und rollen ohne ihre schützende Schale fruchtig braun ins kurze Gras, bleiben gleich neben der Hundescheiße liegen. Moritz trottet seinem Freund, oder doch eher kleinem Bruder, hinterher. Immer wieder kickt er in die Haufen aus Laub. Sebastian rutscht schon wieder in Nässe und Dreck umher, sammelt jauchzend die Schätze ein.
"Weißt du, ich hatte so was nie", ich rieche Sangria und Schweiß. Auf der Parkbank, auf der ich nun schon die letzte Stunde sitze um auf meinem Zug zu warten, der nach einem Blick auf meine Uhr in 36 Minuten abfahren soll, hat sich einer von den jungen Punks gesetzt, die bisher im hinteren Teil der kleinen Grünanlage die Parkbänke belagert hatten. Ich drehe mich ihm zu, nicke verschwiegen, traue mich noch nicht ihm offen ins Gesicht zu sehen.
"Willst nSchluck, Kleiner?"
Meine Mutter sagte einmal man dürfe den Menschen nichts abschlagen, sonst wären sie beleidigt, das war im Griechenlandurlaub als sie dann immer von den vielen freundschaftlichen Ouzo angeheitert vor die Autos lief. Ich grinse in mich hinein, und auch etwas nach außen.
"Danke."
"Da nich' für, Kleiner."
Geräuschvoll zieht er den Rotz die Nase hoch.
Kurzentschlossen greife ich mit meinen steifen Fingern in die Tasche um meinem Nebensitzer Taschentücher, die weichen mit Menthol, anzubieten.
Da landet schon der gelb- grüne Schnodder im braun- grauen Untergrund.
Er sieht meine Hand, grinst und nimmt das Packen Taschentücher.

NeoInferno
01.10.2005, 20:14
Hi schreiberling,
schön, wieder etwas von dir zu lesen. :)

Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Inhalt ganz verstehe: Zwei kleine Jungen laufen nach Hause, während auf einer Parkbank der junge Prot und ein Punk zusehen. Das "ich hatte sowas nie" kommt vom Punk(?) und bezieht sich auf die Jungs, die von der Mutter nach Hause gerufen werden.

Falls das so stimmt und es sich nur um eine Zeitebene handelt, frage ich mich: Was willst du mit der Geschichte sagen? Ich entdecke nichts, was über den eben beschriebenen Inhalt hinausgeht.

Aber: Du würdest so eine Geschichte bestimmt nicht schreiben ;) , von daher muss da irgendwo ein kleiner Kniff liegen, den ich vielleicht nur noch nicht entdeckt habe. Sind die beiden Leute, die auf der Parkbank sitzen Sebastian und Moritz? Also doch mehrere Zeitebenen? Ich hab wirklich keine Ahnung ;)

schreiberling
02.10.2005, 17:37
Schön mal wieder von dir kommentiert zu werden ;)

eigentlich ist der ganze Text( ich schäme mich ja fast schon aufgrund der Kürze dieses Geschreibsel Text zu nennen) in nur einer Zeitebene geschrieben. Aber du hast recht, mir ist beim Korrekturlesen auch die Variante aufgefallen, und hat mir auch gefallen.

War aber dahingehend eigentlich nicht geschrieben...
es ging mir mehr um diese geschilderte Situation, Kindheitserinnerungen, szenischer eigentlich immer ersetzbarer Ablauf...
dazu kam das "menscheln" zwischen den Personen die anscheinend ohne jede Bindung zueinander durch die Welt tappen( aber vielleicht doch Bindung haben? ;) ) ...ich wollte einen Entwicklungsprozess darstellen...

mehr verwirrende Tipps gibts nicht :D

NeoInferno
03.10.2005, 17:52
"Menscheln", wirklich ein wunderbares Wort. :)

"ich schäme mich ja fast schon aufgrund der Kürze dieses Geschreibsel Text zu nennen"
- Auch du müsstest wissen, dass es bei einer Geschichte nicht auf die Anzahl der Worte ankommt, sondern auf das, was eigentlich gar nicht so drin steht, zwischen den Zeilen, je mehr *dort* steht, desto besser ist eine Geschichte ;)

"warmen Heims"

"Unter weit stehenden Bäumen"
- Wie sieht das aus, wenn ein Baum weit steht? ;)

"Ich grinse in mich hinein, und auch etwas nach außen."
- Gefällt mir.

@Deine Tipps: Irgendwie schade. Ich spüre, dass da noch etwas in der Geschichte ist, aber ich komme gedanklich irgendwie nicht ran. Vielleicht hätten ein, zwei Worte mehr doch geholfen? Für mich bleiben es einfach zwei gute Freunde, und zwei Menschen die sich nur flüchtig kennen. Zwischen diesen beiden Gruppen sehe ich keinen Zusammenhang.
Was für eine Bindung,@Tipp, sollte zwischen diesen beiden bestehen? Der Punk ist wie ein Punk nunmal ist (ja, die sind oft viel sozialer als angepasste Bürger) und der "Kleine" ist wohl einer dieser verunsicherten Angepassten.

Aber jetzt, wo ich drüber nachdenke, irgendwas passiert doch: Das Menscheln, die beiden kommen sich auf irgendeiner Ebene näher, obwohl sie augenscheinlich so verschieden sind. Hm ich hoffe irgendjemand kommentiert hier noch, um mal andere Blickwinkel auf die Geschichte zu sehen.

Neo