Pursy
20.09.2005, 20:16
Die Geschichte basiert hauptsächlich auf einem kleinen Bild, was ich während einer langen Busfahrt gezeichnet habe... aber nich meckern, ich kann nicht zeichnen oder malen. Is nur so eine Art "Bonus-Info"! :D
http://img64.imageshack.us/img64/3443/nichtszuverlieren0vh.th.jpg (http://img64.imageshack.us/my.php?image=nichtszuverlieren0vh.jpg)
Eine alte Geschichte
Er saß jeden Morgen dort, jeden Mittag, sogar jeden Abend…
Jeden Tag saß Er auf dieser Bank, blickte zu Boden und ließ seinen Schatten auf den Boden werfen. Seine löchrige Jacke ließ kleine Lichtflecken durch, und jeden Tag wurden es mehr. Es schien fast so, als würde Er langsam verschwinden. Abends deckte sich dann sein Schatten mit dem von einem Baum direkt hinter ihm.
Ich wohne schon seit ein paar Jahren in der Stadt, und es gibt nicht viele schöne Orte hier. So ist alles ist mit Beton und Steinen bedeckt. Sogar die Spielplätze, die in den dunkelsten und dreckigsten Gebieten gelegen sind, wurden teilweise mit Schotter gefüllt, statt mit Sand.
Jeden Tag saß Er dort, bewegte sich meistens viele Stunden nicht. Viele Passanten, die nicht oft in den Park kamen dachten sogar, dass Er eine Art Puppe war, die zum denken anregen sollte.
Diese Stadt bot wirklich keine Perspektive für Künstler wie mich. Jedenfalls wollte ich Künstlerin werden, Bilder malen und damit Leute beeindrucken. Eigentlich war es ein Jugendtraum, ja fast sogar ein Kindertraum von mir. Andere wollten Tierärztin oder so etwas werden… ich wollte Bilder malen. Und ich war schon damals nicht wirklich gut.
Dort saß Er jeden morgen, blickte manchmal nur kurz hoch, sah auf die Menschen, lächelte kurz und senkte dann wieder seinen Blick. Manchmal, wenn der Wind stärker wurde, blickte Er zum Baum, hielt seinen Hut fest, achtete auf die knarrenden Äste und das rauschen der Blätter. Manchmal sah es so aus, als würde Er dem Baum dann zunicken, um dann erneut seinen Blick zu Boden zu wenden.
Eines Tages bekam ich von einem befreundeten Künstler den Tipp, ich sollte mir doch ein bisschen Training beim Panoramen zeichnen holen, es würde mir sehr helfen. Natürlich nahm ich diesen Rat an und überlegte mir schon eine halbe Weltreise zu einem geeigneten Ort. Als ich eines Tages durch den Park spazieren ging, fiel es mir zum ersten Mal auf. In dem Park gab es eine Bank im Schatten eines Baumes, direkt vor einem wunderschönen Panorama. Schnell zückte ich einen Collegeblock und ein Bleistift aus meinem Rucksack, als mir einfiel, dass ja dort immer ein alter Mann saß, über den eigentlich niemand etwas wusste.
Eines Tages kam eine junge Frau zu ihm, mit einem Block und einem Bleistift in der Hand. Mit freundlicher Stimme fragte sie ihn: „Entschuldigung, dürfte ich sie etwas fragen?“ Er blickte kurz hoch, lächelte ihr zu. „Natürlich, fragen sie ruhig.“ – „Nun, vielleicht klingt es unverschämt, aber könnten sie sich für nur einen Tag vielleicht wo anders hinsetzten?“
Er lachte kurz und fragte mich mit einer leicht irritierten Stimme: „Und wo soll ich hin? Ich hab doch nichts mehr außer diesen Baum.“ Der Baum? „Was hat es denn mit dem Baum auf sich?“
Er sah sie kurz an. „Wollen sie wirklich die Geschichte eines alten Mannes hören?“ Sie zögerte kurz, stimmte aber dann recht energisch ein. „Dann setzten sie sich kurz, es könnte etwas länger werden!“ Er erzählte ihr, dass er diesen Baum hier gepflanzt hatte, als diese Stadt noch viel kleiner war. Er hatte den Baum gepflanzt, als sein einziger Sohn geboren wurde. Jahrelang arbeitete er dann als Gärtner für die Stadt, kümmerte sich um die Pflanzen im Park, aber ganz besonders um diesen Baum.
„Dann starben meine Frau und mein Sohn bei einem Autounfall.“ Eine Träne kullert über seine Wange. „Darauf hin hab ich meine Stelle verloren, aber man hat mir zugestanden, dass der Baum dort stehen bleibt. Und jetzt sitze ich hier und genieße den Tag.“ Es tat mir Leid für den Mann, was er alles durchgemacht hatte. Ich kannte ihn kaum, und jetzt wusste ich noch nicht einmal mehr, warum ich ihn früher gemieden hatte. „Darf… ich dann ein Bild von ihnen malen?“ Mit feuchten Augen sah er mich an, lächelte wieder. „Nein, ich bin wirklich kein passendes Motiv… aber zeichnen sie doch einfach das Panorama, während ich auf der Bank sitze.“
Die Frau nickte kurz, ging ein paar Schritte zurück, setzte sich auf den Rasen vor die Bank und fing an zu zeichnen. „Es ist eigentlich nur ein bisschen Übung für mich. Ich bin nicht wirklich gut.“ – „Das macht nichts. Kunst versteht jeder gutherzige Mensch.“
Langsam wurde es dunkler, der Baum warf einen Schatten auf den Mann und ich konnte kaum noch meinen Block erkennen. „Ich kann nicht weitermachen. Es wird zu dunkel!“ – „Dann machen sie einfach morgen weiter. Ich warte.“ Wieder hob er seinen Blick nur für diesen einen Satz. „Ja, dann bis morgen.“ – „Ich freue mich schon darauf.“ Schnell rannte ich nach Hause, legte den Block auf meinen Schreibtisch und sah mir das Bild an. Es war schon jetzt eins meiner besten Bilder. Schnell ging ich schlafen, um morgens möglichst früh aufzustehen.
Am nächsten Tag blieb die Bank leer und der Baum wurde noch im Morgengrauen gefällt.
Mein Bild blieb, wie es war.
Comments erwünscht! :D
http://img64.imageshack.us/img64/3443/nichtszuverlieren0vh.th.jpg (http://img64.imageshack.us/my.php?image=nichtszuverlieren0vh.jpg)
Eine alte Geschichte
Er saß jeden Morgen dort, jeden Mittag, sogar jeden Abend…
Jeden Tag saß Er auf dieser Bank, blickte zu Boden und ließ seinen Schatten auf den Boden werfen. Seine löchrige Jacke ließ kleine Lichtflecken durch, und jeden Tag wurden es mehr. Es schien fast so, als würde Er langsam verschwinden. Abends deckte sich dann sein Schatten mit dem von einem Baum direkt hinter ihm.
Ich wohne schon seit ein paar Jahren in der Stadt, und es gibt nicht viele schöne Orte hier. So ist alles ist mit Beton und Steinen bedeckt. Sogar die Spielplätze, die in den dunkelsten und dreckigsten Gebieten gelegen sind, wurden teilweise mit Schotter gefüllt, statt mit Sand.
Jeden Tag saß Er dort, bewegte sich meistens viele Stunden nicht. Viele Passanten, die nicht oft in den Park kamen dachten sogar, dass Er eine Art Puppe war, die zum denken anregen sollte.
Diese Stadt bot wirklich keine Perspektive für Künstler wie mich. Jedenfalls wollte ich Künstlerin werden, Bilder malen und damit Leute beeindrucken. Eigentlich war es ein Jugendtraum, ja fast sogar ein Kindertraum von mir. Andere wollten Tierärztin oder so etwas werden… ich wollte Bilder malen. Und ich war schon damals nicht wirklich gut.
Dort saß Er jeden morgen, blickte manchmal nur kurz hoch, sah auf die Menschen, lächelte kurz und senkte dann wieder seinen Blick. Manchmal, wenn der Wind stärker wurde, blickte Er zum Baum, hielt seinen Hut fest, achtete auf die knarrenden Äste und das rauschen der Blätter. Manchmal sah es so aus, als würde Er dem Baum dann zunicken, um dann erneut seinen Blick zu Boden zu wenden.
Eines Tages bekam ich von einem befreundeten Künstler den Tipp, ich sollte mir doch ein bisschen Training beim Panoramen zeichnen holen, es würde mir sehr helfen. Natürlich nahm ich diesen Rat an und überlegte mir schon eine halbe Weltreise zu einem geeigneten Ort. Als ich eines Tages durch den Park spazieren ging, fiel es mir zum ersten Mal auf. In dem Park gab es eine Bank im Schatten eines Baumes, direkt vor einem wunderschönen Panorama. Schnell zückte ich einen Collegeblock und ein Bleistift aus meinem Rucksack, als mir einfiel, dass ja dort immer ein alter Mann saß, über den eigentlich niemand etwas wusste.
Eines Tages kam eine junge Frau zu ihm, mit einem Block und einem Bleistift in der Hand. Mit freundlicher Stimme fragte sie ihn: „Entschuldigung, dürfte ich sie etwas fragen?“ Er blickte kurz hoch, lächelte ihr zu. „Natürlich, fragen sie ruhig.“ – „Nun, vielleicht klingt es unverschämt, aber könnten sie sich für nur einen Tag vielleicht wo anders hinsetzten?“
Er lachte kurz und fragte mich mit einer leicht irritierten Stimme: „Und wo soll ich hin? Ich hab doch nichts mehr außer diesen Baum.“ Der Baum? „Was hat es denn mit dem Baum auf sich?“
Er sah sie kurz an. „Wollen sie wirklich die Geschichte eines alten Mannes hören?“ Sie zögerte kurz, stimmte aber dann recht energisch ein. „Dann setzten sie sich kurz, es könnte etwas länger werden!“ Er erzählte ihr, dass er diesen Baum hier gepflanzt hatte, als diese Stadt noch viel kleiner war. Er hatte den Baum gepflanzt, als sein einziger Sohn geboren wurde. Jahrelang arbeitete er dann als Gärtner für die Stadt, kümmerte sich um die Pflanzen im Park, aber ganz besonders um diesen Baum.
„Dann starben meine Frau und mein Sohn bei einem Autounfall.“ Eine Träne kullert über seine Wange. „Darauf hin hab ich meine Stelle verloren, aber man hat mir zugestanden, dass der Baum dort stehen bleibt. Und jetzt sitze ich hier und genieße den Tag.“ Es tat mir Leid für den Mann, was er alles durchgemacht hatte. Ich kannte ihn kaum, und jetzt wusste ich noch nicht einmal mehr, warum ich ihn früher gemieden hatte. „Darf… ich dann ein Bild von ihnen malen?“ Mit feuchten Augen sah er mich an, lächelte wieder. „Nein, ich bin wirklich kein passendes Motiv… aber zeichnen sie doch einfach das Panorama, während ich auf der Bank sitze.“
Die Frau nickte kurz, ging ein paar Schritte zurück, setzte sich auf den Rasen vor die Bank und fing an zu zeichnen. „Es ist eigentlich nur ein bisschen Übung für mich. Ich bin nicht wirklich gut.“ – „Das macht nichts. Kunst versteht jeder gutherzige Mensch.“
Langsam wurde es dunkler, der Baum warf einen Schatten auf den Mann und ich konnte kaum noch meinen Block erkennen. „Ich kann nicht weitermachen. Es wird zu dunkel!“ – „Dann machen sie einfach morgen weiter. Ich warte.“ Wieder hob er seinen Blick nur für diesen einen Satz. „Ja, dann bis morgen.“ – „Ich freue mich schon darauf.“ Schnell rannte ich nach Hause, legte den Block auf meinen Schreibtisch und sah mir das Bild an. Es war schon jetzt eins meiner besten Bilder. Schnell ging ich schlafen, um morgens möglichst früh aufzustehen.
Am nächsten Tag blieb die Bank leer und der Baum wurde noch im Morgengrauen gefällt.
Mein Bild blieb, wie es war.
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