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NeoInferno
12.06.2005, 02:09
Es kommt mir so vor, als hätte ich schon seit einer Ewigkeit nichts mehr geschrieben.
Hoffentlich gefällt euch diese Geschichte, hab sie gerade fertiggeschrieben, und bin selbst etwas erstaunt, *dass* ich wieder etwas schreiben kann.

Vom Busfahren

Und da gehst du wieder, nimmst ein bisschen Wärme mit, tauschst sie beim Busfahrer gegen eine Fahrkarte ein.

In Sibirien, da brauchen die Menschen keine Wärme, habe ich gehört. Dort leben sie von etwas anderem. Sie lesen Geschichten, vom Atmen, vom Leben, die andere für sie schreiben. Für alle, denen es auch mit Kamin immer ein wenig zu kalt ist, die gerne in morgendlichen Seen baden, wenn die Maisonne erst langsam hervorkommt, aus ihrem Winterschlaf, der immer nur eine Nacht dauert. Nur eine Nacht, um zu schreiben. Aber genug Zeit, um tief durchzuatmen, und zu lesen.

Es genügt eine fremde Hand zu halten, um Gedanken zu lesen. Um auf Reise zu gehen, zu Orten, wo Zeit keine Rolle spielt. Nur um dann aufzuwachen und zu merken, dass man nie weg war, immer hier war, im grau, im blau, wo man sein will. Oder wo man glaubt, zu sein.
Kleine, nuancierte Wärme. Es gibt nichts Unbedeutenderes. Und für mich nichts, das je mehr Bedeutung hatte. Sie bleibt an den Fahrkarten kleben, du bezahlst mit ihr. Das Lächeln kriegt der Busfahrer umsonst, weil er so spät noch draußen sein muss. Weil er seine Kinder so selten sieht, und seine Frau. Weil er glaubt, unglücklich zu sein. Das Essen ist immer schon kalt, wenn er nach Hause kommt.
Er hasst dieses Schild in seinem Bus: Nicht mit dem Fahrer sprechen.

Doch hier laufen die Uhren noch richtig herum, und die Menschen immer falsch herum, im Kreis, auf dem Kopf. Sie sehen Dinge, die gar nicht da sind. Spüren Wärme, die nie da war. Suchen Wege durch ein Labyrinth aus Weiß und Schwarz, obwohl sie sich nur umdrehen müssten, um den Ausgang zu finden.

Es bringt mir nichts, der einzige zu sein, der ohne Regenschirm im Regen spazieren geht, weil er den Regen so mag, das habe ich gelernt. Nur etwas Zeit, und eine kleine Portion nuancierte Wärme habe ich gebraucht, um zu lernen, wie man lebt, falsch herum, wie die anderen. Ich fahre nie mit dem Bus, und du immer zu früh. Deswegen sind wir uns nie begegnet. Nie richtig. Begegnungen aneinander vorbei, Gespräche um einander herum und Wärme, viel zu tief in einem drin. Ich würde sie gerne auch gegen eine Fahrkarte eintauschen, wenn ich könnte.

„Letzte Haltestelle in P., bitte alle aussteigen.“
„Auf Wiedersehen“, lächelst du und spannst deinen Regenschirm auf.

schreiberling
14.06.2005, 10:18
hmm...

gefällt mir eigentlich ganz gut... wieder sehr gefühlsbetont-wie immer eben. Aber dieses Mal spielst du mehr mit der Sprache, du drehst sie herum, veränderst sie, baust wieder die gleichen Sätze neu zusammen. Das gefällt mit wirklich gut.
Es kommen aber einzelne Worte zu oft vor, Bsp "nuanciert"- ich finde das ist so ein schweres Wort, was für mich in diesem Zusammenhang nicht passt, dass es schon sehr störend und "kalt" wirkt.

achso
Happy Birth undso
und wegen Abi- meine Hochachtung

NeoInferno
14.06.2005, 23:09
Hi schreiberling, aus deinem Winterschlaf aufgewacht? ;) Würde gerne mal wieder etwas von Dir lesen.

Also 'nuanciert' kommt nur zwei Mal vor, und ein Synomym das das, was ich meine, besser ausdrücken kann, habe ich einfach nicht gefunden. Zumal es wirklich kaum *völlig* Sinnidentische Wörter dazu gibt. Und ich finde das Wort nicht kalt, sondern im Gegenteil ästhetisch und zum Stil der Geschichte passend. Aber kommt bestimmt drauf an, ob man das Wort als schwer verständlichen 'Fremdkörper' im Text behandelt.

Aber danke für dein Lob @ Stil. Jedoch dachte ich diesmal gerade inhaltlich etwas zum Nachdenken abgeliefert zu haben. Hoffentlich schreiben noch andere Kritiker, was ihnen beim Lesen durch den Kopf ging. Wirkliche McDonalds-Handlung gibts in meinen Geschichten ja selten. Eher Pfützen-Handlung: Man kann nicht wissen, wie tief sie ist, ehe man reintritt ;)

So far,
Neo