PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Isaac Mullen - Der Traum vom Paradies



La Cipolla
25.05.2005, 08:03
So, mal wieder eine kurze, in drei Teilen abgeschlossene geschichte von mir, ich finds gelungen, Kritik erwünscht. :rolleyes:




Der Traum vom Paradies


“Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache.
Als sie nun nach Osten zogen, fanden sie eine Ebene im Lande Sinear,
und wohnten daselbst…
Und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen,
des Spitze bis an den Himmel reiche…“
Bibel


Draußen, vor meinem Fenster, wird es langsam dunkel, in einer Feuersbrunst, die nur unsere Sonne so an den Himmel zaubern kann. Ein wunderbarer Sonnenuntergang, ja, ich erinnere mich an einen Vorfall vor einigen Jahren. Aber zuerst sollte ich mich einmal vorstellen. Isaac Mullen, Archäologe und Historiker, einer der …penetranteren Art, wie die Herren von der Universität sagen würden. Seit der Kindheit bin ich weitsichtig und trage eine kleine, runde Brille, muss wohl an den vielen Büchern liegen, aber das war damals und ich bereue es nicht, die Schätze, die uns die Vergangenheit dort hinterlassen hat, sind unersetzbar. Des weiteren bin ich noch solo, Beziehungen halten bei mir nie sehr lange, wahrscheinlich wegen dem vagabundierenden Lebensstil, aufgrund dessen ich aber auch noch recht gut in Form bin. Genug zu mir, kommen wir zu der Geschichte, die ich ihnen erzählen möchte, denn im Nachhinein muss ich doch sagen, dass ich sie recht denkwürdig finde.
Es war also ein ebenso ruhiger Tag wie heute, und die Sonne stand ebenso hinter dem Horizont, als wehrte sie sich gegen den Lauf den Dinge, gegen die Natürlichkeit, aufdiktiert von den Gesetzen der Physik. Ich war in Gedanken vertieft, doch riss mich die penetrant-störende Türklingel unseres Miethauses unsanft aus eben jenen. Missmutig trottete ich das Treppenhaus herab und blickte durch den Türspion, nur, um einen Kollegen zu erkennen, der sich, ebenso wie ich, gerne Träumereien ins Land des Unbekannten hingab. Genervt drückte meine Hand die Klinke herab, denn eine besondere Sympathie brachte ich jenem nicht gerade entgegen, er gehörte zu der Art von Menschen, die ein „I want to believe“ - Poster mit einem Ufo im Zimmer hingen hatten und dachten, einfach alles zu wissen.
„Guten Abend, Professor Mullen! Haben sie schon geschlafen?“, begrüßte er mich fragend, mit einem Lächeln im Gesicht, dass jedem Zuschauer verriet: „Ich mache ständig großartige Entdeckungen, aber das würden sie eh nicht verstehen!“
„Nein, nein,…“ , antwortete ich etwas missmutig, „ich war nur in Gedanken. Was gibt’s, Hermann?“
„Ich habe eine unglaubliche Entdeckung gemacht! Darf ich hereinkommen?“
„Nun ja…“, wollte ich protestieren, aber da schob sich seine pfundige Gestalt schon fröhlich durch die Pforte. Resigniert ließ ich die Schultern hängen und schloss die Tür hinter ihm.
„Sie werden es nicht glauben! Es ist eine revolutionäre Entdeckung, die Geschichtsbücher müssen neu geschrieben werden!“
„Aha. Und das wäre?“, fragte ich rhetorisch, denn ich hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass ich seine revolutionären Hirngespinste noch früh genug erfahren würde.
„Sagte ich, die Geschichtsbücher müssen neu geschrieben werden? Entschuldigen sie, ich meinte, die Bibel muss neu geschrieben werden!“
„Oh, etwas Religiöses. Da werden sich die Katholiken aber freuen. Wurde die Bibel schon einmal neu geschrieben?“
Der rundliche Historiker ignorierte die Bedenken offensichtlich und plapperte noch fröhlich weiter, bis wir die Wohnungstür erreicht hatten. Kaum war der Schlüssel herumgedreht, nahm Hermann bereits Kurs auf meinem Sessel, ich wiederhole, auf meinen Allerheiligsten, auf mein Sakrament, aber ich konnte mich mit einer geschickten Bewegung vor ihm auf eben jenem platzieren. Grinsend bot ich ihm einen Stuhl an und bat ihn, doch nun endlich zur Sache zu kommen.
„Nun gut!“, erwiderte er, mit einer übertrieben dramatischen Stimme, „Aber halten sie sich fest, damit sie nicht vom Sessel kippen!“
„Jaja, pass lieber auf, dass du vor Euphorie nicht vom Stuhl kippst.“
Auch diese Anspielung ignorierte Hermann und gestikulierte wild vor meinem desinteressierten, auf einem Arm abgestützten Gesicht, dann hüstelte er noch einmal theatralisch und fuhr fort.
„Was wissen sie über den Bau des Turmes zu Babel?“
„Naja, eine der Sachen in der Bibel, an dessen reellen Hintergrund man wirklich zweifeln kann.“, antwortete ich ihm gelangweilt, und kramte in meinem Gehirn, was ich darüber noch zusammenbekam, „Die Babylonier waren ein sehr reiches, aber auch sehr sündiges Volk um 3000 v. Chr., ihre Blütezeit war unter König Hammurapi dem Dritten. Eines Tages beschlossen sie (Glaubt man den Worten der Bibelschreiber), einen Turm zu bauen, auf das er bis in den Himmel reiche. Gott sah das nicht gern, denn eigentlich ist Gott ja auch nur ein Mensch, der seine Macht behalten will. Er verhinderte den Bau des Turmes, indem er die Sprache der Menschen verwirrte. Erst ab diesem Tag gab es verschiedene Sprachen auf der Welt und der Bau musste unterbrochen werden, denn die Handwerker konnten sich gegenseitig nicht mehr verstehen. Soweit die Legende, in der Praxis hat man keine großen Hinweise auf ein so riesiges Projekt wie den Turmbau zu Babel gefunden, obwohl es zahlreiche Quellen darüber gibt.“
Hermann nickte euphorisch.
„Genau, Professor, genau! Sie sind wirklich gut, sie wissen das, was ein gewöhnlicher Mensch darüber in Erfahrung bringen kann.“
Toll. Ich war ein normaler Mensch.
„Aber!“, fuhr er fort, „Sie haben zwar recht, man hat im ehemaligen Babylon, im Zweistromland, keine Hinweise auf den Turm gefunden, im antiken Griechenland allerdings schon!“
Ich zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe, während Hermann etwas aus seinem kleinen Aktenkoffer zerrte.
„Die Kollegen in Spanien haben mir diese Aufzeichnungen zur Übersetzung aus dem Altgriechischen geschickt, und es gibt großen Grund zur Annahme, dass es sich dabei um verschollene Aufzeichnungen des Geschichtsschreibers Heredot handelt!“
Es war die Kopie eines uralten Pergamentes, schön laminiert und überall mit Übersetzernotizen versehen, vielleicht eine A4-Seite. Als zweites verließ eine mit wilden Kuli-Hyroglyphen verfasste Übersetzung den Koffer, aber ich kannte Hermanns Handschrift, und mit den Jahren hatte ich gelernt, sie zu entziffern. Meine Augen wanderten über das Pergament, und mit jedem Satz festigten sich zwei Annahmen in meinem Kopf. Am Ende schaute ich vom Blatt auf, rieb mir das Kinn und überlegte. Hermann saß mit einem vor Aufregung hochrotem Kopf daneben und wartete hysterisch auf mein Urteil.
„Nun ja, Hermann, in welche Zeit hat das Labor…“
„Nein, nein!“, rief der dickliche Forscher aus, als würde er meine Gedanken lesen, „Die Zeit stimmt perfekt, das ganze Pergament hat in tagelanger Untersuchung bewiesen, dass es echt ist!“
Ich lies mich abermals in Gedanken fallen und schaute erst nach einigen Sekunden wieder auf.
„Nun gut. Wenn dieses Pergament echt ist, hat sich Heredot gegen ein ganzes Herr babylonischer Geschichtsschreiber aufgelehnt.“
Grinsend schaute ich ihn an.
„Hättest du mich auf den klapprigen Stuhl verfrachtet, würde ich jetzt umkippen.“

Fortsetzung folgt…


EDIT: OK, Anfang wurde geändert, die Worte hab ich auch ein wenig intelligenter gemacht. :rolleyes:
Waren tatsächlich Sie/du Fehler drin, dass mir das nochmal passiert... :p Es war so gedacht, dass Isaac ihn mit "du" betitelt, da er das mit den meisten Leuten so macht, und Hermann dagegen beim "Sie" bleibt, was besser auf den Klischee-Historiker passt.

NeoInferno
25.05.2005, 13:54
Hi Cipo, endlich mal wieder etwas von dir. :)

"So, mal wieder eine kurze, in drei Teilen abgeschlossene geschichte von mir"
- Sehr schön, dass du das sofort eingrenzt. Da macht das Lesen gleich doppelt Spaß, wenn ich weiß, dass ich bald tatsächlich die ganze Geschichte zu lesen bekomme ohne mich durch 30 Kapitel kämpfen zu müssen.

Erstmal Negatives:
1.) "Des Weiteren fallen mir die Haare gern mal ins Gesicht"
- Explizite Charakterisierung ist nie gut, vor allem nicht, wenn es der Prot selbst macht. Das wirkt immer etwas unglaubwürdig. Ein Historiker erzählt dem Leser von seinen Haaren?
Ändern musst du es nicht unbedingt, da mir nur diese zitierte Stelle negativ auffiel, die Charakterisierung lässt du auch relativ schnell fallen, was gut ist.

2.) Du verwendest mal Du als Anrede, mal Sie. Ich würde durchgängig beim 'Sie' bleiben, denn wirkliche Freunde scheinen die beiden ja nicht zu sein, eher Kollegen.

3.) "Genau, Professor, genau! Sie sind wirklich intelligent"
- Der Prot. erzählt die Legende vom Turm, die wirklich *jeder* kennt (oder kennen sollte) und der andere (wohl ebenfalls Forscher!) lobt ihn dafür derartig? Das wirkt sehr unglaubwürdig. Bis zum Ausrufezeichen ist der Satz ok, danach solltest du das ganze etwas abschwächen. Oder du legst dem Prot. *wirklich* intelligente Worte über den Turmbau in den Mund ;)

4.) Rechtschreibfehler. Hab keine groben gefunden. Wunderbar :A (pastt vllt. nicht ganz in die Negativ Rubrik, wollte es nur mal gesagt haben ;) )

Jedoch sind diesmal die kleinen Anmerkungen da oben nur Tropfen auf einem heißen Stein, sie schaden der Güte deiner Geschichte nicht wirklich. :)

Du hast mit dieser Geschichte einen sehr professionellen Weg eingeschlagen, bezüglich ihrer Machart. Basierend auf gut recherchiertem Background (der Turmbau zu Babel ist ein spannendes Thema) baust du eine fiktive Geschichte auf. Und das tust du zumindest bisher sehr gut und lässt die Grenzen zwischen Geschichte und Realität verschwimmen. Bisher liest es sich alles 100%ig nachvollziehbar. Bin gespannt was da noch kommt.

Die Figuren hast du auch wunderbar gestalltet. Sie haben Ecken und Kanten, ihre Beziehung ist nicht 'nur gut' oder 'nur schlecht' sondern recht vielschichtig, da beide Personen so unterschiedlich sind. Die Sprache ist (das kriegst du oft gut hin) sehr passend und glaubwürdig. Beim Lesen denkt man: Jupp, so reden Historiker.

Ich hab mich beim Lesen leicht an Dan Browns 'Sakrileg' erinnert gefühlt, bei ihm geht es auch um die Verquickung von Historie mit fiktiven Elementen (naja, an sich tun das wohl viele Autoren) und an sich stehst du ihm da (bisher) um nichts nach.

Auch in Punkto Spannung kann sich manch einer von dir eine Scheibe abschneiden. Nirgends überflüssige Beschreibungen, jedes Wort scheint zur Geschichte beizutragen.
Fast unmerklich ensteht ein Spannungsbogen, der am Ende des Kapitels den Höhepunkt erreicht. Ein toller 'Cliffhanger'-Effekt, du entlässt den Leser ohne eine Auflösung. Da *muss* man ja weiterlesen. So macht man's :A

Tja, das soll's erstmal von mir sein, poste die anderen Teile mal nach, damit man sich ein Gesamturteil von deiner Geschichte bilden kann. Bisher bist auf auf dem richtigen Weg :)

Gruß,
Neo

La Cipolla
03.06.2005, 21:27
Wie versprochen, mit ein wenig Verspätung, hier Teil zwo. ;)


Ich schaute aus dem großen Wohnzimmerfenster hinein in die Nacht und dachte nach. Hermanns Entdeckung war ungewöhnlich, äußerst ungewöhnlich, denn obwohl Herodots Geschichten und Erkenntnisse recht gut erforscht waren, hatte es niemals auch nur einen Hinweis auf den Turm von Babel gegeben, selbst ich, der sich generell als weltoffen betrachtete, der sich sonst für jede Verschwörungstheorie interessierte, hatte den Turm bis dato eigentlich immer als das Hirngespinst irgendeines fanatischen Kirchen-Propagandisten betrachtet. Nun war da dieses Pergament, das nicht nur die weltliche, sondern auch die geistliche Geschichte auf den Kopf stellte, würde man seinem Wortlaut glauben. Mehrmals in den letzten Stunden hatte ich die Möglichkeit einer Fälschung in Betracht gezogen, denn wenn es eine Profiarbeit gewesen wäre, könnte auch das Labor sich einmal irren. Aber so gern ich mich dieser einfachen Vorstellung hingegeben hätte, das Pergament war echt. Ich kann so etwas nicht erklären, manchmal sehe ich eine Quelle wie diese, und sofort spüre ich die Anziehung des Vergangenen und die Jahrtausende, welche diese Worte überstanden hatten, kribbelten in meinem ganzen Leib. Zudem hatte ich sofort Herodots Stil des Erzählens erkannt, trotz der Vergewaltigung durch Hermanns Übersetzung hatten die Sätze nichts von ihrer Faszination verloren. Nur eine Sache verunsicherte mich. Der Text war nicht auf die nüchterne, nahezu langweilig trockene Art verfasst, welche die Geschichtsschreiber damals ihr Eigen nannten, vielmehr wurde von nahezu phantastischen Dingen erzählt, und mit Wortbildern, von welchen sich besagter Autor für gewöhnlich lieber fernhielt. Der Text im Ganzen kam mir irgendwie wie ein seltsames Experiment vor, als sei Herodot vom Neid befallen worden und hatte nun krampfhaft versucht, auch mal etwas Irrealistisches zu verfassen. Beim erstmaligen Lesen musste ich unwillkürlich eine Augebraue in die Höhe ziehen, eigentlich hatte ich nur noch auf den zweiköpfigen Drachen gewartet. Aber er blieb aus. Kein Drache, keine wunderschöne Jungfrau, keine Minotauren, nur der eine Gott, und den hatte Herodot sogar noch angezweifelt. Vom ersten bis zum letzten Satz hatte ich das Gefühl, der Geschichtsschreiber würde sich über jene lustig machen, die diesen Text vor sich hatten. Lesen sie einfach mal selbst.

„ ... und so kam es, dass ich die Grundfesten der Idee sah. Überall aus der Welt hatte man die Steine herangetragen, wie als wollte man ein riesiges Mosaik zusammensetzen. Auch die Menschen dachten, sie würden ein Rätsel lösen, doch in Wirklichkeit bauten sie einen Turm in den Himmel. Der König wollte das Paradies mit der Hand berühren, diese aber, wenn ihm beliebte, auch wieder herausziehen, er wollte auf einer Stufe mit seinem Gott stehen. Der Turm wuchs anfangs tatsächlich in die Höhe und die Menschen sahen nur den hohen Bau. Keiner von ihnen wusste, dass der König zu den Göttern aufbegehrte, sonst hätten sie wohl ein Teil des Paradieses gefordert. Im goldenen Babylon gab es dieser Zeit nur die babylonische Sprache, doch nach dem Ereignis, von welchem ich nun berichte, waren viele Sprachen dieser Welt dort vertreten. Der König nährte sich dem Paradies auf der Spitze seines Berges, seines Experimentes, bald würde er selbst ein Gott sein. An dieser Stelle berichteten die Einheimischen danach, der Allmächtige hätte ihren König gebändigt, doch tatsächlich waren es die Sprachen, welche den Bau des Turmes verhinderten. Sie formten ihre schrecklichsten Worte und warfen sie dem babylonischen König entgegen. Sein Turm brach zusammen und der König fiel in die Tiefe herab. In einem Moment stand er vor der Pforte des Himmels, im nächsten landete er im Höllenschlund.
Rätsel löst jeder Mensch einmal, doch die Gründe, warum es diese überhaupt gibt, sind zumeist weit mehr verworren.“

Der letzte Satz ließ mich noch einmal die Stirn runzeln. Ein Rätsel? Was für ein Rätsel denn nun wieder? Mir kam die ganze Sache wie ein Topf auf einer Herdplatte vor, man weiß, dass etwas Leckeres darin ist, aber wenn man es rausholen will, könnte man sich die Finger verbrennen. Hermann reichte schon der Wortlaut, um seine nicht sonderlich phantasievollen Schlüsse zu ziehen, schließlich stellte eine nüchterne Betrachtung der Überlieferung simpel und einfach einen Beweis für die Existenz des Turmes dar, und obwohl es keinem Esoteriker bedurfte, um die kryptische Bedeutung der Worte festzustellen, war mein breiter Kollege einfach nicht im Stande, weit genug zu denken, um über seine kindliche, sture Entdeckerfreude hinaus zu kommen. Aber mein Kopf würde sich damit nicht zufrieden geben, mochte Hermann doch an alles Mögliche glauben, was den Geschichtsschreiber dazu verleitet haben mag, den Text auf diese Art und Weise zu schreiben, seien es antike Drogen oder die Visionen des kompletten griechischen Pantheons, aber ich spürte, dass mehr hinter der Sache steckte, und ich würde sie nicht ruhen lassen, bis ich wusste, was es damit auf sich hatte.
„ ...die Grundfesten der Idee.“
Wieso sollte man eine Idee als Synonym für einen Turm verwenden? Ich verstand es nicht, auch der Vergleich mit dem Mosaik war ungewöhnlich, vor allem für diese Zeit. Ich tat unruhig einige Schritte. Wieso hatten die Sprachen den Turm zerstört? Selbst die Bibel berichtete nur davon, dass man den Turm nicht weitergebaut hatte... Mein Gang stoppte auf dem Weg vor dem kleinen Mietshaus und ich schaute mich um. Der Mond warf seine Strahlen auf den grauen Asphalt, der dadurch wie Silber glänzte, und obwohl mir ein kleiner Spaziergang meistens beim Ordnen meiner konfusen Gedanken half, hatte dieser seine Wirkung bis dahin verfehlt. Die weltlichen Gänge schienen mich wohl mal wieder nicht zu dem gewünschten Ergebnis zu führen, und so bog ich leise grummelnd in eine Seitengasse ein. Nach wenigen Schritten sah ich das große Gebäude, das mein Ziel gewesen war. Mit einem schweren Ächzen öffnete sich die Kirchentür und mit einem schrägen Blick betrat ich das Gebäude, welches ich im Normalfall eher mied, denn Religion und Wissenschaft vertragen sich so gut wie zwei zehnjährige Schwestern. Gar nicht. Der Christ starrte mich wie immer von seinem goldlegierten Kreuz herab an, als würde ich zu dem winzigen Personenkreis gehören, der für all das Elend in der Welt verantwortlich gewesen wäre, und wenn ich so nachdenke, hatte er wohl gar nicht so Unrecht. Wissenschaftler hatten selten mit nächstenliebenden Hintergrundgedanken geforscht, allerdings muss man hinzufügen, dass der zweite Teil dieses Personenkreises aus korrumpierten Pfarrern, Predigern und dem übrigen Gesocks bestand. Mein Weg führte mich in ein Seitenschiff und bevor ich ihn erkannte, hatte sich der Pfarrer schon umgedreht und realisiert, mit wessen Anwesenheit er gesegnet war. Der ältere, dickliche Mann, der die Todsünde der Völlerei gewiss schon hunderte Male mit den Füßen getreten hatte, ließ die Schultern hängen, zog einen Mundwinkel nach unten und wies mich genervt zu der Beichtkammer. Er schien über diesen Besuch mindestens ebenso erfreut wie ich. Widerstrebend nahm ich in der Kammer Platz und musterte sein Gesicht durch das Gitter, welches wohl in Wahrheit nur verhindern sollte, dass die Sünden des gewöhnlichen Volkes auf die Geistlichen übersprangen.
„Mullen. Haben sie mir etwas zu sagen?“
„Nun ja, Vater, “, stammelte ich ein wenig unbeholfen und kratzte mir am Hinterkopf, „wenn ich ehrlich sein soll, ich bin, wie sie sich vielleicht schon denken, nicht hier, um die Beichte abzulegen.“
Ich vernahm ein genervtes Ausatmen und der Pfarrer erhob sich.
„Dann kann ich ihnen nicht helfen, mein Sohn. Möge Gott…“
„Ich habe gesündigt, Vater.“, platzte es aus mir heraus, denn eigentlich hätte ich mir denken können, dass ich mit fairen Mitteln nicht an den Rat des Pfarrers kommen würde, und so hatte ich mir etwas zurechtgelegt.
„Ach ja?“, erklang die genervte Stimme noch einmal, „Dann legen sie los, Mullen. Als hätte ich nicht genügend andere Probleme…“
Die letzten Worte verschwanden im Dunkel der Kammer, aber ich fasste neuen Mut.
„Ich habe zu Gott aufbegehrt… wie die Menschen damals in Babylon.“
„So?“
„Nun ja, nicht in diesem Ausmaß. Aber dennoch fürchte ich mich nun vor… Gottes Strafe.“
Der Pfarrer schwieg, wahrscheinlich hatte ich wieder einmal übertrieben. Erst nach wenigen Sekunden ergriff er wieder das Wort.
„Nun ja. Sie haben also etwas gefordert, dass ihnen nicht zustand?“
„Äh.. ja, genau. Ich wollte… ins Paradies kommen. Und zwar so schnell wie möglich, aber ohne zu sterben.“
Verdammt. Ich hatte es wohl wieder versaut, der Vater kicherte belustigt und ich spürte sein hämisches Grinsen. Dann klapperte es und die Tür auf der anderen Seite öffnete sich. Vor dem Herausgehen drehte sich der Geistliche noch einmal um.
„Mullen, macht euch nicht über mich lustig, Gott sieht es nicht gern, wenn seine Abgesandten veralbert werden. Lasst mich zu eurem Problem nur eines sagen: Gott bestrafte nicht den Wunsch des babylonischen Königs, in den Himmel zu kommen, er bestrafte den Weg, welchen der Monarch eingeschlagen hatte. Hätte er einfach seine Sünden gebeichtet und ein gesegnetes Leben geführt hätte, wäre das Paradies sein Lohn gewesen. Geht mit Gott.“
Ich saß noch lang in der Kammer, lehnte an der Rückwand und dachte über die Worte des Pfarrers nach. Das ergab Sinn. Gott verwehrte den Menschen nicht das Paradies, aber er verwehrte es jenen, die eine Abkürzung nehmen wollten. Aber kam man mit einem riesigen Turm tatsächlich bis nach Eden…? Der Gedanke in mir, Herodot hätte nie von einem echten Bauwerk geredet, ergriff abermals die Übermacht, aber ich konnte mir nicht denken, von was seine kryptischen Worte dann berichtet hatten. Es musste etwas Ungeheuerliches gewesen sein, eine Begebenheit, so schrecklich, dass der Allmächtige selbst eingegriffen hatte. Und warum…?
Ich musste lächeln.
Eigentlich glaubte ich nicht an Götter.


Fortsetzung folgt...

NeoInferno
07.06.2005, 13:09
Hi,
der zweite Teil fügt sich gut in die Geschichte ein. Ihn einzeln zu beurteilen wäre sinnlos, weil er alleine nicht so viel hergibt. Ich warte lieber auf die ganze Geschichte.

Ein paar Anmerkungen:

"Lesen sie einfach mal selbst."
- Finde ich unpassend, zu salopp formuliert. An sich kann sich dein Prot an den Leser wenden, die Art der Geschichte macht das ohne weiteres möglich. Aber der Satz würde ich trotzdem irgendwie ganz umformen.
Solange ich aber der einzige bin, den er stört ist es an sich egal ;)

"denn Religion und Wissenschaft vertragen sich so gut wie zwei zehnjährige Schwestern. Gar nicht."
- Das "Gar nicht" würde ich sofort streichen. Warum erklärst du dem Leser den Sarkasmus aus dem Vorsatz? Wir sind doch alle intelligent genug, um zu verstehen, was du meinst.
Desweiteren: Den Vergleich im Vorsatz würde ich etwas eindeutiger wählen. Nicht alle zehnjährige Schwestern vertragen sich nicht. Eine stärkere Metapher wäre angebracht. (z.B. Ying und Yang oder so).

"Der Turm wuchs anfangs tatsächlich in die Höhe und die Menschen sahen nur den hohen Bau"
- Mullen redet davon, dass Herodots die ganze Geschichte metaphorisch meinen könnte. Jedoch ist in der oberen Zeile eindeutig von einem Bauwerk die Rede. Also eigentlich kein Platz für Interpretationen, er könnte etwas ganz anderes meinen, oder?

Näö

La Cipolla
11.06.2005, 18:15
(Zur Kritik später nochmal was. ;) )


Das kratzige, alte, Leder meines Sessels begann, mich zu nerven, als ich mich das erste Mal erhob, um aus dem Fenster zu schauen. Die Nacht war dunkel und klar, im krassen Gegensatz zu den Gedanken in meinem Kopf, irgendein Hinweis fehlte mir, aber dieser lag offensichtlich am Grund eines tiefen Sees mit besonders vielen, außergewöhnlich großen Haien. Das Telefon riss mich aus meinen Überlegungen, und müde antwortete ich seinem Ruf.
„Mullen…“, leierte ich die routinierte Gesprächsformel herunter, aber schon, bevor ich richtig begonnen hatte, unterbrach mich die andere Seite unsanft.
„Abend, Isaac. Kann ich vorbeikommen? Danke.“
Bevor ich realisiert hatte, wer am anderen Ende der Leitung war, hatte sie auch schon wieder aufgelegt. Mit einem genervten Gesicht starrte ich das Telefon an, und dieses beschränkt-phantasielose Läuten einer freien Leitung kam mir an diesem Tag besonders sinnlos vor. Tamara, die in letzter Zeit viel zu oft der Meinung war, ihre Wut auf Gott und die Welt an irgendjemandem auslassen zu müssen, sie nervte mich schrecklich, und wenn sie noch so schön war. Wenige Minuten später klackte das Schloss meiner Tür, und eigentlich erinnerte ich mich gar nicht daran, ihr meinen Schlüssel überlassen zu haben. Egal. Mit der Ruhe war es eh aus, noch bevor ihre breiten Absätze die Türschwelle übertreten hatten, begann der Redeschwall.
„Abend, Isaac. Alles in Ordnung bei dir? Gut. Kann ich deine Küche benutzen?“
Ohne mich umzudrehen, oder auch nur meine Gedanken zu unterbrechen, bejahte ich die rhetorische Frage, denn Tamara machte jeden Ort, an dem sie einige Sekunden war, zu ihrem Zuhause.
„Willst du auch was? Die Idioten vom Heizwerk haben mir das Gas abgestellt, ich schlaf heute hier.“
„Danke, gern. Soll ich das Bett neu beziehen oder reicht die Matratze?“
„Ich hab Schlafsack mit. Curry?“
„Ja.“
Ihre Penetranz hatte, zugegebenermaßen, auch ihre Vorteile.


Einige Zeit später betrat sie das Wohnzimmer mit zwei riesigen Tellern in den Händen, Gewürzmischung und Besteck in einer Tüte hatte sie sich zwischen die Zähne geklemmt. Das Geschirr schepperte vor mir auf den Tisch. Als ich aufblickte, fiel mir auf, dass sie die dämliche, blonde Haarfärbung weggelassen hatte, und ihr wunderschöner, schwarzer Schopf fiel endlich wieder glänzend über die Schulter.
„Oh, wieder Mediterran?“, meinte ich mit einem Grinsen auf ihre Haare, und sie warf mir einen bitterbösen Blick zu, drückte mir die Gabel in die hand, zeigte auf das Essen und zischte provokant: „Nein, Isaac, aber Indisch!“
Kochen konnte sie, was meine Unfähigkeit in diesem Fach glücklicherweise ausglich, und auch diesmal schmeckte das Gericht göttlich. Während des Essens ging mir die babylonische Geschichte nicht aus dem Kopf, und ich erzählte Tamara die ganze Sache, nicht ohne einige geschichtliche Hintergründe zu erläutern, obwohl das eigentlich unnütz war, immerhin war sie eine mehr als intelligente Kollegin, wenn auch chronisch arbeitslos, aufgrund ihrer suchthaften Reiselust. Sie hatte nicht einmal mehr eine Telefonnummer.
„Intereffant.“, meinte die Junge Frau mit einem Bissen Huhn im Mund, denn Tischmanieren waren ihr ebenso fremd wie absurd. Sie schluckte ihn herunter. „Wo ist das Problem?“
„Weißt du“, begann ich, „mir kommt das ganze so vor, als wäre mehr hinter der Sache, als nur der Turmbau. Herodot hat eigentlich kaum auch nur eine Metapher verwendet, und hier liest man die Irrealität zwischen jedem Satz.“
Tamara schien zu überlegen, und um diese Gedanken zu unterstützen, schob sie sich ein weiteres Geflügelstück in den Mund.
„Hast ja Recht, mir kommt das auch komisch vor. Kein Gott hat etwas gegen einen Turm, sonst wären ja alle Vögel Ketzer. Du hast das Zeug doch sicher nicht in Hochdeutsch gefunden?“
„Hermann hat es übersetzt, aber…“
„Aha. Gut, denk mal nach. Hermann hat jeden Satz mit absoluter Sicherheit wörtlich übersetzt. Kannst du altgriechisch?“
„Nein, nur die Grundlagen.“, meinte ich genervt, denn Tamara hatte schon wieder die Überhand in dieser Sache übernommen. Mullen, du bist ein Idiot, du hast ihr davon erzählt. Tamara schaute kurz auf die Übersetzung, warf sie über ihren Rücken, zuckte mit den Schultern und blickte mich mit ihren grünen Augen an.
„Hol mal das Original. Mir kribbelts in den Fingern.“
„Wo zur Hölle soll ich das Original…?“
„Tu nicht so, du hast dir doch sowieso eine Kopie gemacht, also leg nen Zahn zu.“
Ja, Herrin, summte es mir im Kopf, aber die Neugier trieb mich dazu, ihren Wunsch zu erfüllen. Unter einigen Büchern über Babylon und sumerische Religion zerrte ich den Wisch hervor. Sie kannte mich offenbar zu gut.
„Hier. Lauter Wörter, die man vielfach auslegen kann, das weiß sogar ich, und ich hab nie eine Lehrstunde in Griechisch gehabt.“
„Aber nicht bei Herodot, er hat immer nüchtern geschrieben.“
„Jaja, und darüber, wie der Höllenschlund den fetten König verschluckt hat.“
Verdammt. Sie hatte schon wieder Recht. Ich gab auf, und, wie ich abermals zugeben musste, unter dieser Sichtweise sah die Überlieferung wiederum komplett anders aus. Ich nahm ihr das Papier aus der Hand und ließ meine Augen über jene Wörter gleiten, deren Bedeutung ich kannte.
„Hier. Bab-ili. Hermann hat es mit Babel übersetzt, was nahe liegt.“
„Und?“, fragte Tamara genervt, und mir fiel auf, dass es sie wurmte, von mir belehrt zu werden.
„Bab-ili ist kein Altgriechisch, das Wort ist babylonisch.“
„Das ergibt keinen Sinn, Isaac, wieso sollte Herodot Wörter aus der Landessprache übernommen haben?“
„Ich verstehe es auch noch nicht ganz… Mir kommt es so vor, als wollte er irgendetwas… verschlüsseln.“
„Was bedeutet Bab-ili denn…?“
Ich schaute aus dem Fenster, herauf in die Nacht, und mir wurde einiges klar.
„Bab-ili ist das Tor zum Himmel…“
Tamara folgte meinem Blick und lehnte ihren Kopf an meine Schulter. Eine ungewöhnliche Ruhe schlich sich in den Raum, bis ich das Wort wieder ergiff.
„Und was findet man hinter dem Tor… das zu Gott führt?“
Ihre Lippen öffneten sich kurz, schlossen sich dann aber wieder.
„… die Ewigkeit.“
Dann verstand ich. Das „Mosaik“, diese „Idee“, von der jener Geschichtsschreiber berichtet hatte, waren Umschreibungen, auch der seltsame Umstand, der König wolle seine Hand aus dem Paradies zurückziehen, ergab plötzlich Sinn.
„Tamara, du bist wunderbar! Ich weiß jetzt, was Herodot hier beschreibt!“
Sie zog eine Augenbraue in die Höhe und betrachtete skeptisch, wie ich mit einem Bleistift etwas auf ein Papier zu krakeln begann.
„Überall aus der Welt hatte man Steine herangetragen!“, erklärte ich es ihr, „Dieser Satz steht für die Erkenntnisse, die man aus aller Welt gesammelt hatte, denn Steine gab es im Zweistromland eigentlich immer schon genug!“
„Erkenntnisse, um einen Turm zu bauen?“, fragte sie zweifelnd.
„Nein, es ging um etwas Größeres, etwas viel größeres.
„Spann mich nicht auf die Folter, Isaac.“
„Die Menschen, die dachten, sie würden ein Rätsel lösen, damit meinte Herodot wohl, dass die Leute damals ebenfalls nicht davon wussten, was der König tat. In Wirklichkeit bauten sie einen Turm in den Himmel, das bedeutet, dass die Arbeit dieser Menschen dem König den Weg ebnete.“
Warum war ich so blind gewesen? Nun verbanden sich die Indizien vor meinen Augen zu einer Kette, und ich musste lächeln.
„Er wollte auf einer Stufe mit seinem Gott stehen. Damit wollte uns Herodot nicht einfach sagen, dass der König bis in den Himmel bauen wollte. Tamara, sag mir etwas, was die Götter von den Menschen unterscheidet, was stellt diesen Gott über alle Menschenkinder?“
„Isaac, du machst mir Angst.“
„Die Unsterblichkeit! Der babylonische König wollte unsterblich werden!“
Die Frau öffnete den Mund abermals zu einer Kritik, aber schloss ihn dann wieder. Mit großen Augen schaute sie ihn an.
„Aber dann ergibt die Sache mit den Sprachen doch überhaupt keinen Sinn!“
„Doch, Tamara. Irgendetwas hat den Plan des Königs vereitelt, und Herodot meint eindeutig, es seien keine höheren Mächte im Spiel gewesen. Mit den Stimmen meinte er die anderen Völker, die diese Stimmen sprechen! Andere Ländern bekamen Wind von den Plänen des Monarchen und fürchteten um ihre Macht. Sie schlossen sich zusammen, vernichteten den König und sein Projekt, und um zu verhindern, dass so was noch einmal geschehen konnte, zerstörten sie alle Aufzeichnungen. Die Hebräer aber, von denen später in der Bibel berichtet wird, behielten das Ereignis gut in Erinnerung, und schrieben es mithilfe der Bibel in verschlüsselter Form nieder, um der Bestrafung zu entgehen! Auch Herodot verstand, um was es sich wirklich gehandelt hat!“
Tamara war geschockt, und ich konnte mir vorstellen, dass sich ihre Gedanken gerade überschlugen.
„Isaac. Wenn das stimmt, hast du soeben die antike Geschichte in den Grundfesten erschüttert. Die Menschen sollen ein Weg gefunden haben, unsterblich zu werden? Das wird niemand glauben.“
Das Telefon läutete erneut und wir schauten synchron zu dem herausfordernden Hörer. Schnell nahm ich ihn ab, um dieser Störung so schnell wie möglich ein Ende zu setzen.
„Mullen. Wer da?“
„Tag, Herr Mullen, hier ist Hermann…“
Seine Stimme war traurig, aber das registrierte ich in diesem Moment überhaupt nicht.
„Hermann? Hör mir zu, ich habe das Geheimnis…“
„Mullen! Lassen sie mich ausreden. Es gibt kein Geheimnis!“
Mir fuhr der Schrecken in alle Glieder, wenn Hermann schon so schrie, musste etwas Wichtiges geschehen sein.
„Vergessen sie das Pergament. Ich hab den Bericht des Labors. Nach dreimaliger Untersuchung sind sie zu dem Schluss gekommen, es sei gefälscht.“
„Wie bitte?!“
Tamara drehte sich um und hob eine Augenbraue in meine Richtung. Ich schaltete das Telefon auf Lautsprecher.
„Du hast richtig gehört. Das Pergament war weder von Herodot, noch aus dieser Zeit. Es ist… falsch.“
Ich bemerkte Hermanns Enttäuschung, und wollte deshalb nicht weiter darauf eingehen, aber mir ging es nicht besser. Alles war so sicher gewesen…
Tamara ergriff den Hörer und donnerte ihre Stimme in das Gerät.
„Dann haben sich die Idioten halt geirrt! Ich will sofort das Pergament sehen!“
„Oh, sie sind auch dort? Tut mir Leid, Tamara, im Labor scheint gleich nach der Untersuchung ein Malheur passiert zu sein, die… Fälschung wurde zerstört.“
„Wie bitte?!“
„Was?“, stimmte ich ein, „Das Pergament ist zerstört?!“
„Ja, ich wollte es auch erst nicht glauben, aber…“
Ich warf den Hörer auf das Gerät und schlug meine Faust gegen die Wand.
„Was geht hier vor? Dieses Pergament war echt! Und jetzt werden wir es niemals beweisen können!“
Tamara ließ sich auf meinen Sessel fallen und stützte ihren Kopf in die Hände.
„Die Sache stinkt. Aber wir können nichts machen. Die Geschichte über den Turmbau wird wohl noch eine Weile eine solche bleiben.“
Mir kamen Herodots Worte (Und ich war sicher, es waren die seinigen.) in den Sinn.
„Rätsel löst jeder Mensch einmal, doch die Gründe, warum es diese überhaupt gibt, sind zumeist weit mehr verworren.“
„Verdammt…“
„Komm, Isaac, ich brauch jetzt nen Schnaps. Kommst du mit?“
Ich folgte ihr wortlos bis an die Tür und schaute herauf in den Nachthimmel. Alles war ruhig und keine Wolke verdeckte den Mond.
„Nein, danke. Tor zum Himmel, Hm?“
Ich musste lächeln, aber eine einsame Träne lief mir über das Gesicht.
„Ich glaube nicht, dass es jemals einen Turm gab, aber ich wage auch bezweifeln, dass die ganze Geschichte erdacht ist.“
Tamara drehte sich noch einmal um und lächelte mir ins Gesicht.
„Wer weiß schon, was damals wirklich passiert ist. Die Christen wären niemals einfallsreich genug gewesen, um sich so etwas wie den Turm selbst auszudenken.“
Ich richtete mich auf, wischte die Träne aus dem Gesicht und lächelte.
„Das hast du wohl Recht. Wahrscheinlich wurde der babylonische König tatsächlich von den Göttern bestraft, für seinen törichten Wunsch, ewig zu leben. Er träumte vom Paradies, ohne daran zu denken, Buße für seine Sünden zu leisten, um diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen.“
Kurz schwiegen wir, dann drehte ich mich um, um zurück ins Haus zu gehen.
„Auch ich werde mich jetzt meinen Träumen hingeben, Gute Nacht, Tamara! Und vielen Dank.“
„Kein Problem!“, lachte sie, „Träum schön! Unsere Träume sind die einzigen Orte, an denen uns kein Gott etwas anhaben kann.“
Ich erwiderte das Lächeln, als sie in der Dunkelheit verschwand. Noch lange stand ich da und schaute in den Himmel herauf.



Gott bestrafte nicht den Wunsch des babylonischen Königs.
Er bestrafte den Weg.



Ende

NeoInferno
13.06.2005, 11:29
Und so Endet eine Geschichte nach 3 Kapiteln, bei denen man sich wünschte, es wären doppelt so viele gewesen.

Sehr lobenswert, dass du eine kompakte Story fabriziert hast.
Aber in deiner Geschichte steckt so viel mehr, dass man am Ende geradezu unbefriedigt ist. Da wird es doch erst richtig spannend. Das Pergament ist zerstört, aber war es wirklich nur ein Unfall? Die 'Lösung' des Rätsels um den Turm scheint auch eher aus Zeit- und Seitendruck heraus entstanden zu sein, sie stellt mich einfach nicht zufrieden. Der Turm war also eine Metapher dafür, dass der König versuchte, unsterblich zu werden. Ja aber wie? das ist doch das spannende, wenn sich die Forscher auf den Weg machen würden, genau das herauszufinden.

Auch bei den Charakteren merkt man dir an, dass du versucht hast auf das nötigste zu reduzieren, um die Geschichte in einer 'lesenswerten' Länge zu präsentieren. Sie sind wieder sehr schön ausgearbeitet und wunderbar glaubwürdig, aber werden viel zu hektisch und kurzfristig meist ohne jegliche Vorankündigung eingeführt. Hier merkt der Leser, dass die Geschichte sich fast wie eine zensierte Version einer größeren liest.
(Tamara war mir trotz ihrer offensichtlichen Macken sofort sympatisch:
„Intereffant.“, meinte die Junge Frau, tolle Idee ;) )

Man hat deutlich gemerkt, dass du die Hintergründe gut recherchiert hast, aber letztendlich hat es wenig gebracht, sie wurden so sparsam eingebracht, wie es der Umfang der lediglich 3 Kapitel zuließ. Klar liest hier kaum jemand Endlosromane, aber Werke von wirklicher Qualität wie dieses hier schreien nach einer Umsetzung die frei ist von Seitenbegrenzungen, in der deine Fantasie die einzige Grenze ist.

Alles in allem eine sehr schöne Geschichte, die aber *wirklich* superschön hätte werden können. Nebenbei sei nocheinmal mein absolutes Unvermögen erwähnt, zu verstehen, warum sonst niemand diese Geschichte kommentiert. Geht das Atelier unter? Oder nur der Literatur-Bereich? Man sollte fair sein und andere Werke kommentieren, wenn man für seins ebenfalls Kritiken lesen möchte.

Ich freue mich schon auf die nächste Geschichte von dir. Hoffentlich kein Endlosroman, aber hoffentlich auch in angemessener Länge ;)

Gruß,
Neo

La Cipolla
13.06.2005, 15:48
Das wurde mir heute in der Schule auch gesagt. Verdammt, eigentlich dachte ichs mir. Ich bin nicht im Stande, was kurzes zu schreiben. :rolleyes:
Das Problem ist, dass ich sogar schon komplexe Vorstellungen hab. wie das Ganze weitergehen könnte. (Und es ist wieder zu komplex!!!!! :eek: ) :p Aber eigentlich will ich an meiner Fantasy-Geschichte weiterschreiben. :(
Egal. Mal sehen, wies wird.

Danke nochmal für Kritik, und zur Schreibfaulheit hier sag ich jetzt mal nichts. :p Mir würdes ja schon reichen, wenn jemand die Geschichte schlecht finden würde. ^^
Werd das Ganze übrigens nochmal überarbeiten, weil mein Vater, Berufs her Deutschlehrer, mir noch einige Tipps gegeben hat.
We´ll see. ;)

NeoInferno
13.06.2005, 16:04
Was hälst du davon, irgendwann einfach eine andere Geschichte mit Isaac Mullen zu schreiben? Dan Brown hat das glaube ich mit seinem Robert Langton auch gemacht, warum einen Charakter für immer sterben lassen, wenn noch Potential für weitere Abenteuer besteht?

Ist sicherlich toll, wenn der Vater Deutschlehrer ist. Meine Mom ist Mathelehrerin, hat auch ab und zu geholfen meinen 1,5er Abischnitt zu erreichen ;)