Anmelden

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Gefunden, Dich



NeoInferno
08.03.2005, 11:59
Hi, leider kann ich dazu jetzt nix sagen, hab auch z.Z. kein Internet.
Hoffe ihr habt Spass am Lesen:

Gefunden, Dich

Hier, irgendwie. Die Decke ist warm, jetzt, heute Nacht war sie es nicht.
„Ja, kannst ruhig in meinem Bett schlafen, ich hab da noch 'nen Schlafsack irgendwo…“
In der Ecke, dort war er immer, etwas herumkramen, Sachen finden, die schon lange gesucht werden. Eigentlich sind sie mir egal, denn ich habe dich gefunden. Heute Nacht.

„Sollen wir lieber schieben?“
Fahrradfahren bergab, ohne Bremsen, ohne Licht ist gefährlich.
„Geht schon, müssen wir halt vorsichtiger sein.“
Nicht vorsichtig genug gewesen, von der Polizei angehalten, glücklicherweise ausrollen lassen. Nein, wir haben oben noch Licht gehabt, die Batterien sind nur alle, jetzt gerade, seit ein, zwei Minuten (ich lüge, kein Zeitgefühl) und nein, ich habe keinen Personalausweis dabei und ja, ist nicht mehr weit.
Trotzdem sind wir noch irgendwie Heim gekommen, zu mir. Die Nacht macht Menschen glücklicher. Aber nur die traurigen, die schlaflosen, die ohne Zeitgefühl, diejenigen, denen es irgendwie egal ist, ob es hell oder dunkel ist oder spät oder früh, weil das eh nichts ändert, und weil Uhren eh immer lügen, irgendwie.

„Wie wär’s mit Tabu?“
Keine Party ohne Spiele. Gesprächsfetzen fliegen durch den Raum, werden von den Katzen verschluckt, die auf Stühlen schlafen. Wie viel wiegt ein Wort?
„Schau mal da, ist die nicht niedlich?“, sage ich und zeige auf eine Katze, die sich von draußen gegen die Glaswand lehnt mit ihren Pfoten und dabei sagen will zu ihren Freunden hier im Warmen: „Schaut mal, niedlich, Menschen.“
Lang ist der Tisch, genug Stühle für Menschen und Katzen, einer zu wenig.
„Macht nichts.“, sage ich und lass dich auf meinen Schoß fallen, ganz sanft.
Und die Katzen sagen: „Niedlich.“ und ich sage gar nichts, irgendwie, mehr, weil du ja jetzt da bist. Ein schwarzer Samtpulli, herrlich weich, muss ich dich loslassen, bald?
„Ok, du bist dran.“ Das bin ich.
Schnell eine Karte gezogen, uh, schwieriges Wort, schnell erklärt. Man darf bestimmte Worte nicht sagen, nicht nur im Spiel (da sind es fünf, die sind tabu, sozusagen), sondern hier, im Leben. Darum drücke ich deine Hand und frage: „Verstehst du, die Worte, meine ich?“
Ich hab’s nicht gesagt, nur gedacht.

Keine Party ohne Alkohol. Nirgends gibt es diese Martini-Gläser, die mit der dreieckigen Form. Cognacgläser, egal, ich gieße ein, dir und mir.
„Dass Alkohol Menschen so verändert, also Verhalten und Sprache und so, ist schon komisch.“
„Musst du eben weniger trinken.“, sagst du und lachst. Mit einem Schluck ist das Glas leer.
Dieses Gefühl, etwas gesagt oder getan oder nicht gesagt oder nicht getan zu haben, am Tag danach, erst da erkennt man das, Bereuen, das kommt auch nur vom Alkohol.
Im Bett liegt man dann, vorzugsweise vierundzwanzig Stunden nach der Party, und bereut und schreibt noch SMS wie:
„Wollte das echt nicht, sorry, der Alkohol, hab ich ja gesagt.“
„Flaschenöffner? Klar, hier, noch aus DDR-Zeiten, 1989 oder so, sogar in so einer kleinen Ledertasche, hier.“, sage ich und öffne erst mein Bier, dann gebe ich den Öffner weiter, und der gibt ihn dann wieder weiter. Ein Öffner auf Weltreise.
Du trinkst, ich trinke, die Welt ertrinkt im Regen. Hoffentlich ist die Katze inzwischen drinnen.
„Ich bin nicht kitzelig, nur wenn ich was getrunken habe, sonst nicht.“, sagst du und kitzelst mich am Bauch und ich lache und versuche mich zu wehren, will zurückkitzeln, geht aber nicht, trotzdem lachen wir beide, ein wunderbares, ehrliches Lachen.

„Du hast doch gesagt, du kennst den Weg.“
„Ich war schon mal da, ja. Ich weis wie das Haus aussieht.“
„Davon haben wir ja nichts, wir müssen erstmal hinfinden, zum Haus.“
Eigentlich will ich hier auch gar nicht weg, hier von der Kreuzung zwischen zwei kleinen Straßen. Autos fahren hier nicht, wir auch nicht, lichtlos.
„Bleiben wir doch hier, ist doch egal wo wir sind.“, denke ich aber sage „Ich ruf mal bei denen an.“ und nehme mein Handy aus der Jackentasche.
Und eine piepsige Stimme meint, ich müsse hier und dort hinfahren und dann irgendwo anhalten, bei den Luftballons am Briefkasten. Ich frage, was du willst, aber ohne Worte, schau dich nur an und du schaust mit verträumtem Blick in den Himmel, kalt aber dafür sternenklar, und weis es.

Drei Stunden Schlaf. Ich wache auf, liege auf dem Boden auf einem Schlafsack, die kleine blaue Decke liegt inzwischen irgendwo anders und ich friere. Wenn ich die Heizung höher stelle, macht sie diese leisen Klick-Geräusche, als würde sie mit einer alten Schreibmaschine protokollieren wollen:
„Heizungsverstellungumneunuhrdreißig, allesnotiert.“
Du liegst etwas höher als ich, im Bett, kann dich atmen hören langsam, ein, aus, mit Pausen.
Keine Katzen mehr an der Glaswand.
„Niedlich.“, denke ich halb aufgestanden, als ich dich sehe. Eingekuschelt in die Bettdecke, wie eine Katze, dein Atmen ist das Schnurren. Hab noch nie eine schlafende Katze wie dich gesehen, denke ich, und muss etwas lachen, leise.
„Bin kurz duschen und Frühstück machen, schlaf ruhig weiter. PS: Du siehst süß aus, wenn du schläfst.“, schreibe ich auf einen kleinen orangenen Zettel und lege ihn auf den Boden, wo ich gelegen habe, drei Stunden lang, aber irgendwie nicht geschlafen habe, vielleicht.
Belegte Toast, vier Stück, Erdbeer-Joghurt-Tee und ein Lächeln bringe ich dir.
Du wirst wach und hast den Zettel nicht gelesen und ich knülle ihn zusammen und leg ihn beiseite, wo ist nur diese blaue Decke.
„Gut geschlafen?“
Du lächelst. Das heißt ja.

Irgendwie ist mir immer noch kalt und du lässt mich etwas unter deine Decke, ein bisschen, und du siehst immer noch aus wie eine Katze, süß, etwas zerzaust. Wir sitzen Schulter an Schulter an der Wand, Erdbeer-Joghurt-Tee hast du noch nie getrunken.
Jetzt würde ich gerne einen Arm um dich legen und dir sagen wie sehr ich Katzen mag, und dich, aber weil Worte so viel wiegen und wir hier keine Glaswand haben und ich Angst habe, sage ich nichts.
Ich fahre dich nach Hause, deine Eltern meinen, du sollst um soundso viel Uhr zu Hause sein. Dabei lügen Uhren, ein Lächeln aber nie.
Wir sind da, irgendwo, jetzt, und ich muss dich loslassen, dich und deinen schwarzen Samtpulli.
„Manchmal ist die Welt seltsam.“, sage ich und weis, dass du nicht weist was ich meine.
Eine Umarmung, dann gehst du durch euer altes Holztor.
Auf der Heimfahrt spielt das Radio Musik, und ich bin nicht mehr so traurig, denn ich weis wieder, was ich gefunden habe: Dich.

Pyrus
08.03.2005, 15:08
Ich bin sehr berührt. Einige Male bin ich zwar über einen der seltsamen Satzgebilde gestolpert, meist hatten sie aber den Effekt, dass ich mich besonders gut einfühlen konnte, da sie meine Gedanken auf eine natürliche Art leiteten, irgendwie.
Naja, ich will's jetzt nicht weiter zerreden. Danke für die wunderschöne Lektüre.

Mopry
08.03.2005, 15:13
Eine schöne Geschichte. ^^
Die Gedanken und Wortfetzen fügen sich wunderbar. Und ich habe auch kaum etwas gefunden was mich stört.
Nur die kurzen, abgehackten Sätze am Anfang, die sich etwas mit der Erzählweise gen Ende beißen.
Dann noch das „Heizungsverstellungumneunuhrdreißig, allesnotiert.“, das den Lesefluss stört. da man es, im Gegensatz zum rest, nicht flüßig lesen kann sondern zweimal hinschauen muss. Das passt grade an der Stelle nicht.
Ansonsten finde ich es aber sehr gut. ^_^

NeoInferno
10.03.2005, 07:40
Schreib gerade aus dem Info-Unterricht, hab wie gesagt kein Internet zu Hause :(
Diese Geschichte ist mir persönlich sehr wichtig, hab darin für mich einen wunderbaren Tag eingefangen. Das meiste ist an sich so passiert, wie ich es schildere.

Natürlich hatte ich Angst, falls man mit der Geschichte nicht die Erlebnisse assoziieren kann, entgeht einem die Stimmung, dem ist wohl mehr oder weniger nicht so.
Ich lese die Geschichte jedenfalls mehrmals am Tag, und mir gehts danach wirklich gut :)

Danke für die positiven Kommentare.