schreiberling
08.02.2005, 12:26
Ein Portrait des Künstlers als junger Mann
(Titel angelehnt an den gleichnamigen Roman von James Joyce)
Ein junger Mann steht in seinem kleinen Zimmer, vor seinem kleinen Spiegel der über seinem kleinen Wachbecken hängt. Oft ist der kleine Spiegel gesprungen, wahrscheinlich weil er heruntergerissen wurde und dann krachend auf den dreckigen Holzdielen landete, und so zeigt er dem jungen Mann ein sehr verzerrtes Bild. Dieser sieht aber gar nicht sein schräges Ebenbild, sondern schaut direkt an seinem zweiten Gesicht vorbei in den Raum der sich in seinem Rücken türmt.
Umgedrehte Leinwände, an den Wänden lehnen Bilder, kleine und große, aufgehängte Zeichnungen, Skizzen, auf dem Boden liegen Stapel jungfräulich weißem Papier, Zerknülltes, Fetzen von Stoff und Papier, Pinselstiele, ausgefranste Pinselköpfe, blutige Farbtöpfe, verschmierte Kreide, zerbrochene Stifte, auf einem Tablett drapierte faulende Äpfel, Bananen und Orangen, den Boden deckende Aquarelle, zerfressene Büsten.
Langsam lässt er seinen Kopf sinken. Er schaut auf sein Rasierzeug, welches auf der Ablage hinter dem Waschbecken unter dem Spiegel in Staub und Dreck versinkt. Nun schaut er wieder auf, und ein süffisantes Lächeln umspielt den Mund, der es kaum vermag unter dem dichten schwarzen Buschwerk des Bartes hervorzublitzen. Schon lange hat er sich nicht rasiert, er wird den Bart erst mal mit einer großen Schere kürzen müssen bevor er sich nass ausrasiert.
Einem plötzlichen Gedanken folgend lässt er sich auf die Knie fallen und greift einen Augenblick später die auf den Dielen ruhende Melone.
Als er sich dann so klein, mit Melone und schwarzem Vollbart im Spiegel betrachtet muss er laut loslachen. Mund und Bart wackeln poussieren freudig, doch die Augen scheinen noch immer traurig, aus den Winkeln das Zimmer zu betrachten.
Henri muss sich jeden Tag so gefühlt haben, denkt er, betont dabei den Namen wie den eines langjährigen Freundes und blickt durch den Spiegel auf das Ambassadeurs- Plakat, in dem Monsieur Bruants' roter Schaal ihn zu ersticken droht.
Er nimmt die Melone ab, steht auf, steckt sie auf den Garderobenständer, der außer einer irischen Schiebermütze vollkommen leer ist, defiliert zum Tisch hinüber und gießt sich, in ein benutztes Glas, Absinth ein, so wie es Henri Marie Raymond de Toulouse- Lautrec 1901 auch gemacht hätte.
Dann kehrt er wieder zum Spiegel zurück und nimmt einen großen Schluck, wie schon so oft heute. Erneut in das matte und gesprungene Glas blickend fällt ihm seine schlechte Kopie von Van Goghs Getreidefeld mit Raben auf. Aber er bleibt ruhig, und rastet nicht, wie so oft, vollkommen aus, wenn ihm einige pedantischen Pinselstriche auffallen.
Die Zeit ist vorüber, in der ich mir nicht eingestehen konnte wie schlecht ich wirklich bin, ist sein einziges Kommentar dazu, sein Blick bleibt leer. Er setzt das Glas nochmals an und leert es abermals vollkommen, erst dann holt er die Schere vom Tisch, auf dem noch die Überreste des kargen Soupers stehen.
Mit langsamen, bedachten Schnitten stutzt er sich das Barthaar, schwarze Büschel fallen zu Boden. Während dieser Prozedur schaut er kein einziges Mal seinen leicht zitternden Fingern zu, sondern hält dem wässrigen Augen des Spiegels stand. Als er fertig ist, legt er die große Schere auf den Rand des kleinen Waschbeckens, er wird sie vielleicht später noch einmal gebrauchen können.
Unter dem Wasserhahn schlägt er mit Rasierseife und Pinsel Schaum an. Der Rasierpinsel sieht fast so aus, als ob man mit ihm gemalt hätte. Dann schäumt er sich ein.
Die Rasierklinge schlägt laut krachend tiefe Schneisen in den weißen Schaum durch den das Schwarz des Bartes durchscheint.
Van Gogh, kann er den schmalen Lippen im Spiegel ablesen. Der hat sich im Wahnsinn das Ohr abgeschnitten und ist später durch seinen Tod unsterblich geworden. Er betrachtet sein eigenes Ohr im Spiegel.
Wie oft habe ich versucht ihm nachzueifern, seine Pinselstriche zu kopieren, oder wenigstens den Seinen ähnlich zu werden.
Die Gedanken wandern durch tiefe Schluchten, steigen immer weiter ab.
Mit scharfen Zügen rasiert er sich den Hals aus, lässt die scharfe Klinge über die stoppelige Wange ziehen und schneidet den Bart über der Lippe. Immer wieder hält er kurz inne und spült den Schaum auf der Klinge mit dem kalten Wasser des Hahnen ab.
Bis er in ein bartloses, eingefallenes Gesicht sieht, verzerrt.
Die wässrigen Augen des Spiegels wandeln über die markanten Züge des jungen Mannes. Kinn und Wangenknochen sehen gefährlich eckig aus, aber er ist ja gepflegt.
Solch ich's wirklich tun William?, scheinen die wässrigen Augen des Mannes im Spiegel zu fragen, dabei versucht er William etwas flämisch einzuhauchen. Die Frage perlt leicht von den Lippen, als ob sie schon oft gestellt wurde, leise fährt er fort,
ich habe keinen errettenden Theo an meiner Seite.
Er nimmt die große Schere, die er schon vorher gut zur Hand hatte.
Der Spiegel zeigt eine große, schwere Schere aufsteigen, mühelos wie eine Gondelfaire im kühlen Morgenwind. Wässrige Augen verfolgen sie, und stützen, als sie droht zu sinken, bis sie auf Höhe der früher bärtigen jetzt weißen Haut ist.
Der Blick des jungen Mannes wandert zum Ohr.
Der Mund öffnet sich.
Schrei.
Munch hätte es besser gemalt.
Blut spritzt auf den Boden,
es sieht ein bisschen aus wie Picassos Friedenstaube.
(Titel angelehnt an den gleichnamigen Roman von James Joyce)
Ein junger Mann steht in seinem kleinen Zimmer, vor seinem kleinen Spiegel der über seinem kleinen Wachbecken hängt. Oft ist der kleine Spiegel gesprungen, wahrscheinlich weil er heruntergerissen wurde und dann krachend auf den dreckigen Holzdielen landete, und so zeigt er dem jungen Mann ein sehr verzerrtes Bild. Dieser sieht aber gar nicht sein schräges Ebenbild, sondern schaut direkt an seinem zweiten Gesicht vorbei in den Raum der sich in seinem Rücken türmt.
Umgedrehte Leinwände, an den Wänden lehnen Bilder, kleine und große, aufgehängte Zeichnungen, Skizzen, auf dem Boden liegen Stapel jungfräulich weißem Papier, Zerknülltes, Fetzen von Stoff und Papier, Pinselstiele, ausgefranste Pinselköpfe, blutige Farbtöpfe, verschmierte Kreide, zerbrochene Stifte, auf einem Tablett drapierte faulende Äpfel, Bananen und Orangen, den Boden deckende Aquarelle, zerfressene Büsten.
Langsam lässt er seinen Kopf sinken. Er schaut auf sein Rasierzeug, welches auf der Ablage hinter dem Waschbecken unter dem Spiegel in Staub und Dreck versinkt. Nun schaut er wieder auf, und ein süffisantes Lächeln umspielt den Mund, der es kaum vermag unter dem dichten schwarzen Buschwerk des Bartes hervorzublitzen. Schon lange hat er sich nicht rasiert, er wird den Bart erst mal mit einer großen Schere kürzen müssen bevor er sich nass ausrasiert.
Einem plötzlichen Gedanken folgend lässt er sich auf die Knie fallen und greift einen Augenblick später die auf den Dielen ruhende Melone.
Als er sich dann so klein, mit Melone und schwarzem Vollbart im Spiegel betrachtet muss er laut loslachen. Mund und Bart wackeln poussieren freudig, doch die Augen scheinen noch immer traurig, aus den Winkeln das Zimmer zu betrachten.
Henri muss sich jeden Tag so gefühlt haben, denkt er, betont dabei den Namen wie den eines langjährigen Freundes und blickt durch den Spiegel auf das Ambassadeurs- Plakat, in dem Monsieur Bruants' roter Schaal ihn zu ersticken droht.
Er nimmt die Melone ab, steht auf, steckt sie auf den Garderobenständer, der außer einer irischen Schiebermütze vollkommen leer ist, defiliert zum Tisch hinüber und gießt sich, in ein benutztes Glas, Absinth ein, so wie es Henri Marie Raymond de Toulouse- Lautrec 1901 auch gemacht hätte.
Dann kehrt er wieder zum Spiegel zurück und nimmt einen großen Schluck, wie schon so oft heute. Erneut in das matte und gesprungene Glas blickend fällt ihm seine schlechte Kopie von Van Goghs Getreidefeld mit Raben auf. Aber er bleibt ruhig, und rastet nicht, wie so oft, vollkommen aus, wenn ihm einige pedantischen Pinselstriche auffallen.
Die Zeit ist vorüber, in der ich mir nicht eingestehen konnte wie schlecht ich wirklich bin, ist sein einziges Kommentar dazu, sein Blick bleibt leer. Er setzt das Glas nochmals an und leert es abermals vollkommen, erst dann holt er die Schere vom Tisch, auf dem noch die Überreste des kargen Soupers stehen.
Mit langsamen, bedachten Schnitten stutzt er sich das Barthaar, schwarze Büschel fallen zu Boden. Während dieser Prozedur schaut er kein einziges Mal seinen leicht zitternden Fingern zu, sondern hält dem wässrigen Augen des Spiegels stand. Als er fertig ist, legt er die große Schere auf den Rand des kleinen Waschbeckens, er wird sie vielleicht später noch einmal gebrauchen können.
Unter dem Wasserhahn schlägt er mit Rasierseife und Pinsel Schaum an. Der Rasierpinsel sieht fast so aus, als ob man mit ihm gemalt hätte. Dann schäumt er sich ein.
Die Rasierklinge schlägt laut krachend tiefe Schneisen in den weißen Schaum durch den das Schwarz des Bartes durchscheint.
Van Gogh, kann er den schmalen Lippen im Spiegel ablesen. Der hat sich im Wahnsinn das Ohr abgeschnitten und ist später durch seinen Tod unsterblich geworden. Er betrachtet sein eigenes Ohr im Spiegel.
Wie oft habe ich versucht ihm nachzueifern, seine Pinselstriche zu kopieren, oder wenigstens den Seinen ähnlich zu werden.
Die Gedanken wandern durch tiefe Schluchten, steigen immer weiter ab.
Mit scharfen Zügen rasiert er sich den Hals aus, lässt die scharfe Klinge über die stoppelige Wange ziehen und schneidet den Bart über der Lippe. Immer wieder hält er kurz inne und spült den Schaum auf der Klinge mit dem kalten Wasser des Hahnen ab.
Bis er in ein bartloses, eingefallenes Gesicht sieht, verzerrt.
Die wässrigen Augen des Spiegels wandeln über die markanten Züge des jungen Mannes. Kinn und Wangenknochen sehen gefährlich eckig aus, aber er ist ja gepflegt.
Solch ich's wirklich tun William?, scheinen die wässrigen Augen des Mannes im Spiegel zu fragen, dabei versucht er William etwas flämisch einzuhauchen. Die Frage perlt leicht von den Lippen, als ob sie schon oft gestellt wurde, leise fährt er fort,
ich habe keinen errettenden Theo an meiner Seite.
Er nimmt die große Schere, die er schon vorher gut zur Hand hatte.
Der Spiegel zeigt eine große, schwere Schere aufsteigen, mühelos wie eine Gondelfaire im kühlen Morgenwind. Wässrige Augen verfolgen sie, und stützen, als sie droht zu sinken, bis sie auf Höhe der früher bärtigen jetzt weißen Haut ist.
Der Blick des jungen Mannes wandert zum Ohr.
Der Mund öffnet sich.
Schrei.
Munch hätte es besser gemalt.
Blut spritzt auf den Boden,
es sieht ein bisschen aus wie Picassos Friedenstaube.