schreiberling
05.02.2005, 12:49
Törichte Torheit
Kurze Kinderbeine baumeln vom Hochbett. Wippen im Takt den ihr Körper vorgibt.
Zorn.
Wild schlagen sie gegen die Holzplatte, die das liebe Kind davor bewahren soll aus dem hoch gelegenen Bette herunterzupurzeln.
Hoch werden sie geworfen, bis sie fast waagrecht in der Luft stehen, dann krachen sie donnernd wie ein Fallbeil zurück gegen das Bett, zucken bald wieder im wilden Schmerz in die heizungerhitze, vor Wut flimmernde Luft.
Sauer ist er, stinkwütend würde seine Mutter liebevoll sagen, und ihm dabei, mit zärtlichem Blick auf den großen Bub, übers kurz geschorene Haupthaar, den Mecki, fahren.
Er sitzt oben, im Aufstieg zu seinem Bett, auf der Leiter, die er sonst immer übermütig hoch rennt. Und oft Bruch erleidet, oft in lauter Eile abrutscht und dann metertief auf den Straßenteppich fällt (nie auf eins der Spielzeugautos) auf dem er liegen bleibt, laut heulend, bis seine Mutter kommt um ihn zu trösten.
Enttäuschung.
Mit Kuscheltieren hat er sich nun umgeben, aber nur die Liebsten, die die auch des nachts aus Angst vor bösen Sesselgeistern und Schrankmonstern an den nassen Schlafanzug gepresst werden, die die ihn trösten, schützen, wärmen, lieben.
Alle sitzen sie aufgereiht vor ihm, der alte verknautschte Affe neben dem fleckigen Teddy, der einohrige Hase an den schwanzlosen Hund gelehnt.
"Wenn ich mal groß bin...", flüstert er leise keuchend, vom schnellen Auf und Ab der Beine in kleinen Kinderschweißperlen schwitzend, "...wenn ich mal groß bin..."
Geduldig sitzen seine Hörer da, warten bis ihr Gott, den er schenkte ihnen ihr Leben, weiterspricht.
Wut.
"Wenn ich mal groß bin", schreit er dem schwanzlosen Hund und dem einohrigen Hasen und dem fleckigen Teddy und dem alten verknautschten Affen zu, "dann bleibe ich so lange wach wie ich will, dann gucke ich so viel Fernsehen wie ich will."
Feist grinst er, während kurze Kinderbeine wieder gegen das Bett krachen.
"Ich bin doch schon erwachsen", brüllt er, so laut er kann, "Ich bin erwachsen!"
Und als die liebsten Kuscheltiere unter einem erneuten Schlag, unter dem das ganze Bett wackelt, ihn immer noch nicht bestätigen:
"Ich bin alt genug!"
Doch die liebsten Kuscheltiere antworten nicht, sitzen nur stumm und schauen ihn aus großen Knopfaugen an, schweigen. Er senkt verschwörerisch seinen Kopf zum einohrigen Hasen und flüstert heiser:
"Ich bin alt genug!"
Der einohrige Hase starrt ihn jedoch nur an.
Schüttelt er etwa den Kopf? Schüttelt er etwa so den Kopf wie ihn der Papi immer schüttelt wenn er die Mami bestätigt?
Aggression.
Einen Moment noch guckt er ihn sich an, dann fegt er ihn mit den geballten Fäustchen weg.
Haut ihn gegen die Wand. Hält ihn am einzigen Ohr. Schlägt zu. Schlägt zu. Umgreift sein einziges Ohr. Zieht und zerrt. Reißt. Reißt sein einziges Ohr ab. Wirft das Ohr ins Nichts. Beißt in den weichen Stoff des Kuscheltiers. Wie ein Raubtier haut er immer wieder die Milchzähne in sein totes Opfer.
Der Kopf ist ab.
"Ich bin erwachsen!"
"Ruhe!", ruft da die Mami vom Wohnzimmer.
Er erschrickt, wird ruhiger und setzt sie wieder auf die Treppe seines Hochbettes. Kopf, Ohr und Rumpf des einohrigen Hasen liegen neben ihm, nass.
"Ich bin alt genug", erzählt er dem alten verknautschten Affen, dem fleckigen Teddy, dem schwanzlosen Hund und dem einohrigen Hasen, aber der hört schon längst nicht mehr.
Kurze Kinderbeine donnern wieder.
Aufbegehren.
"Mami wird mir nie mehr verbieten länger wach zu bleiben. Ich bin nämlich schon groß, da kann Mami nicht sagen: Geh jetzt auf dein Zimmer, mach dich schon mal bettfertig. Ich bin nämlich schon groß, da darf man schon länger aufbleiben und noch ein bisschen Fernsehen. Ich bin nämlich schon groß, da kann der Papi nicht einfach nur Nicken wenn die Mama Basta sagt...", dabei wird die Stimme jedes Mal lauter, wenn er beteuert wie groß er ist, bis er das Basta heiser kreischt, so dass sein Kopf hochrot anläuft.
"Ruhe!", kreischt die Mami da zurück.
"Ich bin erwachsen", zischt er böse.
Dann steht er auf, lässt die liebsten Kuscheltiere zurück und schleicht sich auf Zehenspitzen hinaus.
Explosion.
Lange müssen der fleckige Teddy, der schwanzlose Hund, Ohr, Kopf und Rumpf des einohrigen Hasen und der alte verknautschte Affe nicht warten. Laut ächzend schleppt ihr Gott die kleine Axt ins Kinderzimmer, mit der er immer den Papi im Herbst die Holzspreite zerteilen sieht. Und macht genau das, was er schon bei den Erwachsenen im Fernsehen gesehen hat.
"Ich bin schon groß", sagt er nochmals, leise, holt aus und lässt die kleine Axt, die für seine kurzen Kinderarme viel zu groß ist, hinunterrasseln auf die Leiter des Hochbetts, auf die Pfosten, auf das Brett welches ihn des Nachts vor dem Herauspurzeln sichern soll, auf den Straßenteppich...
"Ruhe!", schreit Mami.
Die Axt rauscht zum letzten Mal herunter, auf die liebsten Kuscheltiere.
Dann bleibt er stehen, kraftlos, die kleine Axt ist zu schwer.
Das Bett, es steht noch.
Angst.
Er schaut sich um, sieht die Trümmer, sieht kein Zimmer mehr.
Er öffnet den Pumuckelgürtel, den seine Mami ihm freudestrahlend zum Geburtstag schenkte.
Er hatte sich ein Fahrrad gewünscht, Mami hatte Nein gesagt, er wäre noch zu jung, Papi hatte genickt.
Er wirft den Gürtel über einen Pfosten des Hochbettes, klettert dann die Leiter hinauf und legt ihn sich um den kurzen Hals, so wie er das im Fernsehen bei den Erwachsenen gesehen hatte.
Er weint, Mami wird ihn auf den Straßenteppich finden, aber wird sie ihn trösten?
Wird Papi noch nicken?
Staunen.
...
Kurze Kinderbeine baumeln vom Hochbett. Wippen im Takt den ihr Körper vorgibt.
Zorn.
Wild schlagen sie gegen die Holzplatte, die das liebe Kind davor bewahren soll aus dem hoch gelegenen Bette herunterzupurzeln.
Hoch werden sie geworfen, bis sie fast waagrecht in der Luft stehen, dann krachen sie donnernd wie ein Fallbeil zurück gegen das Bett, zucken bald wieder im wilden Schmerz in die heizungerhitze, vor Wut flimmernde Luft.
Sauer ist er, stinkwütend würde seine Mutter liebevoll sagen, und ihm dabei, mit zärtlichem Blick auf den großen Bub, übers kurz geschorene Haupthaar, den Mecki, fahren.
Er sitzt oben, im Aufstieg zu seinem Bett, auf der Leiter, die er sonst immer übermütig hoch rennt. Und oft Bruch erleidet, oft in lauter Eile abrutscht und dann metertief auf den Straßenteppich fällt (nie auf eins der Spielzeugautos) auf dem er liegen bleibt, laut heulend, bis seine Mutter kommt um ihn zu trösten.
Enttäuschung.
Mit Kuscheltieren hat er sich nun umgeben, aber nur die Liebsten, die die auch des nachts aus Angst vor bösen Sesselgeistern und Schrankmonstern an den nassen Schlafanzug gepresst werden, die die ihn trösten, schützen, wärmen, lieben.
Alle sitzen sie aufgereiht vor ihm, der alte verknautschte Affe neben dem fleckigen Teddy, der einohrige Hase an den schwanzlosen Hund gelehnt.
"Wenn ich mal groß bin...", flüstert er leise keuchend, vom schnellen Auf und Ab der Beine in kleinen Kinderschweißperlen schwitzend, "...wenn ich mal groß bin..."
Geduldig sitzen seine Hörer da, warten bis ihr Gott, den er schenkte ihnen ihr Leben, weiterspricht.
Wut.
"Wenn ich mal groß bin", schreit er dem schwanzlosen Hund und dem einohrigen Hasen und dem fleckigen Teddy und dem alten verknautschten Affen zu, "dann bleibe ich so lange wach wie ich will, dann gucke ich so viel Fernsehen wie ich will."
Feist grinst er, während kurze Kinderbeine wieder gegen das Bett krachen.
"Ich bin doch schon erwachsen", brüllt er, so laut er kann, "Ich bin erwachsen!"
Und als die liebsten Kuscheltiere unter einem erneuten Schlag, unter dem das ganze Bett wackelt, ihn immer noch nicht bestätigen:
"Ich bin alt genug!"
Doch die liebsten Kuscheltiere antworten nicht, sitzen nur stumm und schauen ihn aus großen Knopfaugen an, schweigen. Er senkt verschwörerisch seinen Kopf zum einohrigen Hasen und flüstert heiser:
"Ich bin alt genug!"
Der einohrige Hase starrt ihn jedoch nur an.
Schüttelt er etwa den Kopf? Schüttelt er etwa so den Kopf wie ihn der Papi immer schüttelt wenn er die Mami bestätigt?
Aggression.
Einen Moment noch guckt er ihn sich an, dann fegt er ihn mit den geballten Fäustchen weg.
Haut ihn gegen die Wand. Hält ihn am einzigen Ohr. Schlägt zu. Schlägt zu. Umgreift sein einziges Ohr. Zieht und zerrt. Reißt. Reißt sein einziges Ohr ab. Wirft das Ohr ins Nichts. Beißt in den weichen Stoff des Kuscheltiers. Wie ein Raubtier haut er immer wieder die Milchzähne in sein totes Opfer.
Der Kopf ist ab.
"Ich bin erwachsen!"
"Ruhe!", ruft da die Mami vom Wohnzimmer.
Er erschrickt, wird ruhiger und setzt sie wieder auf die Treppe seines Hochbettes. Kopf, Ohr und Rumpf des einohrigen Hasen liegen neben ihm, nass.
"Ich bin alt genug", erzählt er dem alten verknautschten Affen, dem fleckigen Teddy, dem schwanzlosen Hund und dem einohrigen Hasen, aber der hört schon längst nicht mehr.
Kurze Kinderbeine donnern wieder.
Aufbegehren.
"Mami wird mir nie mehr verbieten länger wach zu bleiben. Ich bin nämlich schon groß, da kann Mami nicht sagen: Geh jetzt auf dein Zimmer, mach dich schon mal bettfertig. Ich bin nämlich schon groß, da darf man schon länger aufbleiben und noch ein bisschen Fernsehen. Ich bin nämlich schon groß, da kann der Papi nicht einfach nur Nicken wenn die Mama Basta sagt...", dabei wird die Stimme jedes Mal lauter, wenn er beteuert wie groß er ist, bis er das Basta heiser kreischt, so dass sein Kopf hochrot anläuft.
"Ruhe!", kreischt die Mami da zurück.
"Ich bin erwachsen", zischt er böse.
Dann steht er auf, lässt die liebsten Kuscheltiere zurück und schleicht sich auf Zehenspitzen hinaus.
Explosion.
Lange müssen der fleckige Teddy, der schwanzlose Hund, Ohr, Kopf und Rumpf des einohrigen Hasen und der alte verknautschte Affe nicht warten. Laut ächzend schleppt ihr Gott die kleine Axt ins Kinderzimmer, mit der er immer den Papi im Herbst die Holzspreite zerteilen sieht. Und macht genau das, was er schon bei den Erwachsenen im Fernsehen gesehen hat.
"Ich bin schon groß", sagt er nochmals, leise, holt aus und lässt die kleine Axt, die für seine kurzen Kinderarme viel zu groß ist, hinunterrasseln auf die Leiter des Hochbetts, auf die Pfosten, auf das Brett welches ihn des Nachts vor dem Herauspurzeln sichern soll, auf den Straßenteppich...
"Ruhe!", schreit Mami.
Die Axt rauscht zum letzten Mal herunter, auf die liebsten Kuscheltiere.
Dann bleibt er stehen, kraftlos, die kleine Axt ist zu schwer.
Das Bett, es steht noch.
Angst.
Er schaut sich um, sieht die Trümmer, sieht kein Zimmer mehr.
Er öffnet den Pumuckelgürtel, den seine Mami ihm freudestrahlend zum Geburtstag schenkte.
Er hatte sich ein Fahrrad gewünscht, Mami hatte Nein gesagt, er wäre noch zu jung, Papi hatte genickt.
Er wirft den Gürtel über einen Pfosten des Hochbettes, klettert dann die Leiter hinauf und legt ihn sich um den kurzen Hals, so wie er das im Fernsehen bei den Erwachsenen gesehen hatte.
Er weint, Mami wird ihn auf den Straßenteppich finden, aber wird sie ihn trösten?
Wird Papi noch nicken?
Staunen.
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