Scarecrow
03.02.2005, 10:24
Befall
Männer laufen an mir vorbei. Stimmen. Jemand spricht mich an, packt mich am Kragen, zerrt mich hoch. Ich versuche ihn wegzustoßen, bin aber zu schwach dafür.
„Harry? Was ist mit ...“ Der Rest des Satzes geht in einer lauten Explosion unter.
Der Mann lässt mich los, ich falle auf den Boden, neuer Schmerz durchzuckt meinen geschundenen Körper. Weiße Kittel, graue Uniformen. Sie umschwirren mich. Es ist alles ein Wirr warr aus Stimmen und Wortfetzen.
„Abteilung 4 ...“
„Feuer, wir müssen ... Noch jemand am Leben ... ?“
„Hier rüber. Ich brauche Hilfe!“
Sinnlos? Ich huste. Blut schießt aus meinem Mund hervor, besprenkelt den Boden. Mir wird schlecht. Ich sehe grelles Licht, weiße Wände. Wo bin ich?
Ein Gesicht taucht vor mir auf, ein Arzt.
„Mister Derwain, beruhigen Sie sich.“
Aber ich bin doch ruhig! Warum sollte ich nicht ruhig sein? Mir tut nur mein Rücken so weh.
Ich merke, dass ich das nicht laut gesagt hatte, einfach, weil ich nicht in der Lage bin, zu sprechen. Ich versuche den Mund zu öffnen. Lediglich Gurgellaute dringen daraus hervor. Der Arzt beugt sich über mich. Kurz darauf höre ich ihn überrascht tief einatmen.
Ein zweiter Mann in roter Jacke kommt herangeeilt. Ich sehe ihn nur verschwommen. Mir schwindet kurz das Bewusstsein, als ich erneut die Augen öffne, hat der Arzt eine Spritze in der Hand.
„Der Wagen schon da?“
„Müsste gleich hier sein.“
„Wir müssen uns beeilen. Gott hast du gesehen, was er am Rücken hat?“
„Denk nicht dran, mach schon. Er ist der einzige Überlebende.“
Das Pieksen der Spritze spüre ich nicht, weil mein Rücken so sehr brennt. Ich will fragen, ob ich Wasser haben kann, aber meine Stimme ist nach wie vor nicht zurückgekehrt. Mir erscheint alles so unrealistisch. Ein seltsames Bild schießt mir durch den Kopf:
Ich sitze, Pinacolada schlürfend, unter einer großen Palme, die auf dieser Insel vor der sengenden Sonne Schatten spendet. Ein kleiner Radio spielt fröhlich „Island in the sun“.
Vor den Wellen, die an den Strand lechzen, tanzen die Beach Boys.
Durstig lecke ich mir die Lippen, die Vision zieht vorbei und verschwindet irgendwo im erneut flüchtenden Bewusstsein. Komisch, meine linke Gesichtshälfte wird taub, ich spüre gar nichts mehr. Aber Durst hab ich. Großen sogar. Wie wär’s denn mit einer Coke?
„Sieh dir seine Augen an.“
„Verdammt! Er entgleitet uns. Mister Derwain! Hey!“ Der Arzt, der als erstes bei mir gewesen war, rüttelt mich hart durch. Er sieht jung aus. Oder ist sein Gesicht nur so fahl?
„Adrenalin!“, schreit plötzlich der Andere. „Schnell!“
Ich will etwas erwidern, habe zumindest den guten Willen dazu, aber selbst die Hand, die ich halbherzig hebe, fällt sogleich wieder auf den Boden zurück.
Wie lustig. Da rennen Feuerwehrmänner herum. Wahnwitzige Gedanken hab ich.
Und Durst.
Dann spüre ich etwas Neues. Zuerst ein Kribbeln, ein komisches Ziehen, dann kommt es mir vor, als würde flüssige Lava durch meine Adern gepumpt werden. Alles verschwimmt kurz, dann bricht aus dem fließenden Nichts, das mich zu übermannen droht, eine Faust hervor und zerschmettert die unsinnigen Gedanken.
Ich bäume mich auf. Ein Schrei entringt sich meiner Brust, kämpft sich mühsam durch meinen Hals und bricht aus meinem Mund hervor. Ich beginne auszuschlagen. Eine volle rechte trifft den jungen Arzt.
„Hilf mir einer mal hier, das Adrenalin wirkt.“ Der zweite packt meinen Arm und hält ihn fest. Ich will ihn treten, aber auch das misslingt. Mehr Männer umringen mich. Halten mich fest. Ich schreie, aber meine Stimme ist seltsam verzerrt. Ein komisches Gefühl. Kommt der Schrei aus meinem Rücken?
Ich bin wieder auf meiner Insel. Ich stelle den Pinacolada zur Seite und seufze. Weezer beendet das Gastspiel im Radio. Stattdessen höre ich eine Live-Übertragung.
„Hat er eine Chance?“
„Ich weiß es nicht. Wirklich. Aber wenn ich ehrlich sein soll, würde ich nicht auf ihn wetten.“
Geht’s um den Boxkampf heut Abend?
„Das Adrenalin hat zwar die toxische Wirkung verlangsamt und seinem Körper Zeit gegeben, neue Kräfte zu formieren, doch ... der Parasit ist stark.“
Anscheinend nicht.
„Wie sieht’s mit den Gehirnströmen aus?“
„Gleichmäßig. Der Parasit hat ihn noch nicht erreicht.“
„Vielleicht kämpft Derwain auch nur nicht mit ihm.“
Gegen wen soll ich kämpfen? Parasit ... Hab ich Läuse?
„Unwahrscheinlich. Alle Versuchsobjekte reagierten auf den Befall, sobald er das Nervenzentrum erreicht hatte.“
„Wir werden sehen, was passiert, wenn der letzte Rest des Adrenalins verschwunden ist.“
„Derwain könnte sterben.“
„Möglich. Wir haben ohnehin noch nicht gesehen, was passiert, wenn der Wirtskörper zerstört wird. Oder übernommen.“
Ich wundere mich über dieses Gespräch, aber die Sendung ist schon wieder vorbei. Mein Name ist ein paar Mal gefallen, ich verstehe rein gar nichts. Ich trete in den Sonnenschein, der Wind beginnt aufzufrischen.
Mein blau-gelbes Hawai-Hemd flattert lustig. Ich will wieder ins Hotel, aber das komische ist, dass ich den Weg vergessen habe.
Ich drehe mich ein paar Mal im Kreis herum. Am Strand tanzt nun niemand mehr. Doch am Horizont ballen sich dunkle Wolken zu einem finsteren Schauspiel. Von meinem Standort aus kann ich Blitze erkennen. Der Wind treibt das Gebilde auf die Insel zu.
Ich sollte nun zum Hotel gehen, damit ich nicht ins Unwetter gerate.
Dem sandigen Weg folgend, den ich vor mir sehe, marschiere ich los.
Die Straße führt ins Inselinnere, ich erblicke niemanden, auch keine Tiere. Jedes Mal, wenn ich mich umdrehe, kommt es mir vor, als wenn die Wolken wieder näher gekommen sind. Erschreckend schnell. Der Wind wird stärker. Bald schon beginnen sich die Bäume seinem Willen zu unterwerfen und neigen ihre Kronen der Gewalt.
Die Sonnenstrahlen werden verdrängt. Dunkelheit schiebt sich über die Insel. Man kann sogar dabei zusehen, wie die letzten Flecken, die die Sonne noch beglückte, den Schatten weichen.
Blätter reißen sich los, flattern zu Boden, werden herumgetragen. Sand wirbelt auf, vollführt Tänze und beschießt mich mit seinen winzigen Körnchen.
Ich blicke in den Himmel empor. Sein Antlitz hat sich zum Bösen gewendet. Mein Verstand kann nicht vollständig erfassen, was passiert. Dunkle Wolken überziehen das Firmament, Blitze zucken herab und blutrote Nebelschwaden werden vom Wind zu mir geweht. Ich werde von ihnen eingeschlossen, spüre einen Druck an meinen Schläfen. Mein Kopf droht zu zerspringen und Feuchtigkeit legt sich, der Farbe des Blutes gleich, auf meine Haut und Kleidung.
Rot in rot. Donnern. Ich hätte laufen sollen, aber hätte mich das geschützt? Ich fühle mich gepackt und emporgetragen. Meine Schreie verhallen ungehört. Dafür füllt sich mein Mund mit einer bitteren Flüssigkeit, die mir die Lippen verklebt und den Gaumen reizt. Übelkeit wallt in mir hoch. Seltsam, aber ich lache und das, kurz bevor meine Glieder erschlaffen und die Gedanken von einer dunklen, unbändigen Flut fortgespült werden.
Irgendwo im Nichts.
Es ist dunkel. Kein Licht ist da, um mir Hoffnung zu geben. Ich kann mich nicht bewegen. Etwas bindet mich an diesen Ort. Ich will mich befreien, will hier raus. Es ist ein hin- und herwinden. Dann habe ich meine Hände frei. Ich grabe und schaufle mich frei, kann immer noch nichts sehen. Wut packt mich und ich schlage umher, bekomme mehr Freiheit. Ich fühle etwas knorpeliges, stemme mich dagegen, es gibt nicht nach. In tiefster Verzweiflung beiße ich hinein. Eine warme Flüssigkeit bespritzt mich. Bald liegt mir ein metallischer Geschmack auf der Zunge, er spornt an, mich noch tiefer hineinzugraben. Mit den Händen helfe ich nach, es knackst und bald löst sich das schwarze Nichts vor mir auf. Ein kleiner Lichtstrahl fällt in mein Gefängnis. Ich kann immer noch nicht erkennen, wo ich bin. Eine weiße Substanz schwabbt um mich herum. Ich kann nach draußen sehen, allerdings kommt es mir vor, als ob ich durch ein Glas schauen würde und tatsächlich – der vermeintliche Ausgang ist versperrt.
Ich krieche durch die Öffnung in diesen weißen Raum, schaffe es aber nicht, auf die Beine zu kommen, so krabble ich weiter auf das Licht zu. Ich wühle mich durch jeglichen Widerstand, der von den weißen und teilweise schwarzen Mauern ausgeht, sie geben sehr bald nach. Meine Hände befassen dieses Glas, das mich gefangen hält. Es kommt mir vor, wie eine Gallerte.
Ich schlage dagegen, ein klein wenig gibt es nach. Ich grabe meine Zähne in die Substanz, die kurz darauf reißt. Ich strecke einen Arm ins Freie.
Vergrößere das Loch mit den Zähnen, zerreiße es ganz, dann verliere ich das Gleichgewicht, als ich von hinten gestoßen werde und mit samt einer Flüssigkeit aus dem Raum gespült werde.
Ich falle auf einen Boden, der mir weiß erscheint, obwohl rote Kleckse darauf sind. Die Landung tut kaum weh. Aber meine Beine, ich kann sie immer noch nicht bewegen.
Geräusche dringen auf mich ein.
Ein auf und ab schwellendes Heulen, einem Alarm ähnlich. Und ein nervender, ständig gleich bleibender Piepton.
Wo bin ich?
Ein heller Raum. Groß, als ob er für Riesen erschaffen worden wäre. Ich sehe ein Fenster. Fluchtweg, schießt es mir durch den Kopf. Dann erblicke ich rechts neben mir ein großes Gerät, das den Ton von sich gibt. Eine gerade Linie begleitet das Geräusch.
Der Anblick erinnert mich an etwas.
Ich höre Stimmen, will weglaufen, kann aber nur kriechen. Ich schaue zurück, auf meine Füße.
Aber da sind keine Beine mehr. Ein rot beschmierter Schwanz ist alles, was ich entdecken kann. Ich blicke auf meine Hand – Klauenartig.
Gott...
Ich sehe nach oben, zu meinem Gefängnis.
Es ist groß, überdimensional, aber doch erkenne ich klar und deutlich mein Gesicht ober mir. Den Mund zum Schrei geöffnet, Hals und Wange mit Blut bespritzt. Das linke Auge weit aufgerissen und das Rechte nur mehr ein blutiges Etwas mit einem Loch, aus dem ich entkommen war.
Männer laufen an mir vorbei. Stimmen. Jemand spricht mich an, packt mich am Kragen, zerrt mich hoch. Ich versuche ihn wegzustoßen, bin aber zu schwach dafür.
„Harry? Was ist mit ...“ Der Rest des Satzes geht in einer lauten Explosion unter.
Der Mann lässt mich los, ich falle auf den Boden, neuer Schmerz durchzuckt meinen geschundenen Körper. Weiße Kittel, graue Uniformen. Sie umschwirren mich. Es ist alles ein Wirr warr aus Stimmen und Wortfetzen.
„Abteilung 4 ...“
„Feuer, wir müssen ... Noch jemand am Leben ... ?“
„Hier rüber. Ich brauche Hilfe!“
Sinnlos? Ich huste. Blut schießt aus meinem Mund hervor, besprenkelt den Boden. Mir wird schlecht. Ich sehe grelles Licht, weiße Wände. Wo bin ich?
Ein Gesicht taucht vor mir auf, ein Arzt.
„Mister Derwain, beruhigen Sie sich.“
Aber ich bin doch ruhig! Warum sollte ich nicht ruhig sein? Mir tut nur mein Rücken so weh.
Ich merke, dass ich das nicht laut gesagt hatte, einfach, weil ich nicht in der Lage bin, zu sprechen. Ich versuche den Mund zu öffnen. Lediglich Gurgellaute dringen daraus hervor. Der Arzt beugt sich über mich. Kurz darauf höre ich ihn überrascht tief einatmen.
Ein zweiter Mann in roter Jacke kommt herangeeilt. Ich sehe ihn nur verschwommen. Mir schwindet kurz das Bewusstsein, als ich erneut die Augen öffne, hat der Arzt eine Spritze in der Hand.
„Der Wagen schon da?“
„Müsste gleich hier sein.“
„Wir müssen uns beeilen. Gott hast du gesehen, was er am Rücken hat?“
„Denk nicht dran, mach schon. Er ist der einzige Überlebende.“
Das Pieksen der Spritze spüre ich nicht, weil mein Rücken so sehr brennt. Ich will fragen, ob ich Wasser haben kann, aber meine Stimme ist nach wie vor nicht zurückgekehrt. Mir erscheint alles so unrealistisch. Ein seltsames Bild schießt mir durch den Kopf:
Ich sitze, Pinacolada schlürfend, unter einer großen Palme, die auf dieser Insel vor der sengenden Sonne Schatten spendet. Ein kleiner Radio spielt fröhlich „Island in the sun“.
Vor den Wellen, die an den Strand lechzen, tanzen die Beach Boys.
Durstig lecke ich mir die Lippen, die Vision zieht vorbei und verschwindet irgendwo im erneut flüchtenden Bewusstsein. Komisch, meine linke Gesichtshälfte wird taub, ich spüre gar nichts mehr. Aber Durst hab ich. Großen sogar. Wie wär’s denn mit einer Coke?
„Sieh dir seine Augen an.“
„Verdammt! Er entgleitet uns. Mister Derwain! Hey!“ Der Arzt, der als erstes bei mir gewesen war, rüttelt mich hart durch. Er sieht jung aus. Oder ist sein Gesicht nur so fahl?
„Adrenalin!“, schreit plötzlich der Andere. „Schnell!“
Ich will etwas erwidern, habe zumindest den guten Willen dazu, aber selbst die Hand, die ich halbherzig hebe, fällt sogleich wieder auf den Boden zurück.
Wie lustig. Da rennen Feuerwehrmänner herum. Wahnwitzige Gedanken hab ich.
Und Durst.
Dann spüre ich etwas Neues. Zuerst ein Kribbeln, ein komisches Ziehen, dann kommt es mir vor, als würde flüssige Lava durch meine Adern gepumpt werden. Alles verschwimmt kurz, dann bricht aus dem fließenden Nichts, das mich zu übermannen droht, eine Faust hervor und zerschmettert die unsinnigen Gedanken.
Ich bäume mich auf. Ein Schrei entringt sich meiner Brust, kämpft sich mühsam durch meinen Hals und bricht aus meinem Mund hervor. Ich beginne auszuschlagen. Eine volle rechte trifft den jungen Arzt.
„Hilf mir einer mal hier, das Adrenalin wirkt.“ Der zweite packt meinen Arm und hält ihn fest. Ich will ihn treten, aber auch das misslingt. Mehr Männer umringen mich. Halten mich fest. Ich schreie, aber meine Stimme ist seltsam verzerrt. Ein komisches Gefühl. Kommt der Schrei aus meinem Rücken?
Ich bin wieder auf meiner Insel. Ich stelle den Pinacolada zur Seite und seufze. Weezer beendet das Gastspiel im Radio. Stattdessen höre ich eine Live-Übertragung.
„Hat er eine Chance?“
„Ich weiß es nicht. Wirklich. Aber wenn ich ehrlich sein soll, würde ich nicht auf ihn wetten.“
Geht’s um den Boxkampf heut Abend?
„Das Adrenalin hat zwar die toxische Wirkung verlangsamt und seinem Körper Zeit gegeben, neue Kräfte zu formieren, doch ... der Parasit ist stark.“
Anscheinend nicht.
„Wie sieht’s mit den Gehirnströmen aus?“
„Gleichmäßig. Der Parasit hat ihn noch nicht erreicht.“
„Vielleicht kämpft Derwain auch nur nicht mit ihm.“
Gegen wen soll ich kämpfen? Parasit ... Hab ich Läuse?
„Unwahrscheinlich. Alle Versuchsobjekte reagierten auf den Befall, sobald er das Nervenzentrum erreicht hatte.“
„Wir werden sehen, was passiert, wenn der letzte Rest des Adrenalins verschwunden ist.“
„Derwain könnte sterben.“
„Möglich. Wir haben ohnehin noch nicht gesehen, was passiert, wenn der Wirtskörper zerstört wird. Oder übernommen.“
Ich wundere mich über dieses Gespräch, aber die Sendung ist schon wieder vorbei. Mein Name ist ein paar Mal gefallen, ich verstehe rein gar nichts. Ich trete in den Sonnenschein, der Wind beginnt aufzufrischen.
Mein blau-gelbes Hawai-Hemd flattert lustig. Ich will wieder ins Hotel, aber das komische ist, dass ich den Weg vergessen habe.
Ich drehe mich ein paar Mal im Kreis herum. Am Strand tanzt nun niemand mehr. Doch am Horizont ballen sich dunkle Wolken zu einem finsteren Schauspiel. Von meinem Standort aus kann ich Blitze erkennen. Der Wind treibt das Gebilde auf die Insel zu.
Ich sollte nun zum Hotel gehen, damit ich nicht ins Unwetter gerate.
Dem sandigen Weg folgend, den ich vor mir sehe, marschiere ich los.
Die Straße führt ins Inselinnere, ich erblicke niemanden, auch keine Tiere. Jedes Mal, wenn ich mich umdrehe, kommt es mir vor, als wenn die Wolken wieder näher gekommen sind. Erschreckend schnell. Der Wind wird stärker. Bald schon beginnen sich die Bäume seinem Willen zu unterwerfen und neigen ihre Kronen der Gewalt.
Die Sonnenstrahlen werden verdrängt. Dunkelheit schiebt sich über die Insel. Man kann sogar dabei zusehen, wie die letzten Flecken, die die Sonne noch beglückte, den Schatten weichen.
Blätter reißen sich los, flattern zu Boden, werden herumgetragen. Sand wirbelt auf, vollführt Tänze und beschießt mich mit seinen winzigen Körnchen.
Ich blicke in den Himmel empor. Sein Antlitz hat sich zum Bösen gewendet. Mein Verstand kann nicht vollständig erfassen, was passiert. Dunkle Wolken überziehen das Firmament, Blitze zucken herab und blutrote Nebelschwaden werden vom Wind zu mir geweht. Ich werde von ihnen eingeschlossen, spüre einen Druck an meinen Schläfen. Mein Kopf droht zu zerspringen und Feuchtigkeit legt sich, der Farbe des Blutes gleich, auf meine Haut und Kleidung.
Rot in rot. Donnern. Ich hätte laufen sollen, aber hätte mich das geschützt? Ich fühle mich gepackt und emporgetragen. Meine Schreie verhallen ungehört. Dafür füllt sich mein Mund mit einer bitteren Flüssigkeit, die mir die Lippen verklebt und den Gaumen reizt. Übelkeit wallt in mir hoch. Seltsam, aber ich lache und das, kurz bevor meine Glieder erschlaffen und die Gedanken von einer dunklen, unbändigen Flut fortgespült werden.
Irgendwo im Nichts.
Es ist dunkel. Kein Licht ist da, um mir Hoffnung zu geben. Ich kann mich nicht bewegen. Etwas bindet mich an diesen Ort. Ich will mich befreien, will hier raus. Es ist ein hin- und herwinden. Dann habe ich meine Hände frei. Ich grabe und schaufle mich frei, kann immer noch nichts sehen. Wut packt mich und ich schlage umher, bekomme mehr Freiheit. Ich fühle etwas knorpeliges, stemme mich dagegen, es gibt nicht nach. In tiefster Verzweiflung beiße ich hinein. Eine warme Flüssigkeit bespritzt mich. Bald liegt mir ein metallischer Geschmack auf der Zunge, er spornt an, mich noch tiefer hineinzugraben. Mit den Händen helfe ich nach, es knackst und bald löst sich das schwarze Nichts vor mir auf. Ein kleiner Lichtstrahl fällt in mein Gefängnis. Ich kann immer noch nicht erkennen, wo ich bin. Eine weiße Substanz schwabbt um mich herum. Ich kann nach draußen sehen, allerdings kommt es mir vor, als ob ich durch ein Glas schauen würde und tatsächlich – der vermeintliche Ausgang ist versperrt.
Ich krieche durch die Öffnung in diesen weißen Raum, schaffe es aber nicht, auf die Beine zu kommen, so krabble ich weiter auf das Licht zu. Ich wühle mich durch jeglichen Widerstand, der von den weißen und teilweise schwarzen Mauern ausgeht, sie geben sehr bald nach. Meine Hände befassen dieses Glas, das mich gefangen hält. Es kommt mir vor, wie eine Gallerte.
Ich schlage dagegen, ein klein wenig gibt es nach. Ich grabe meine Zähne in die Substanz, die kurz darauf reißt. Ich strecke einen Arm ins Freie.
Vergrößere das Loch mit den Zähnen, zerreiße es ganz, dann verliere ich das Gleichgewicht, als ich von hinten gestoßen werde und mit samt einer Flüssigkeit aus dem Raum gespült werde.
Ich falle auf einen Boden, der mir weiß erscheint, obwohl rote Kleckse darauf sind. Die Landung tut kaum weh. Aber meine Beine, ich kann sie immer noch nicht bewegen.
Geräusche dringen auf mich ein.
Ein auf und ab schwellendes Heulen, einem Alarm ähnlich. Und ein nervender, ständig gleich bleibender Piepton.
Wo bin ich?
Ein heller Raum. Groß, als ob er für Riesen erschaffen worden wäre. Ich sehe ein Fenster. Fluchtweg, schießt es mir durch den Kopf. Dann erblicke ich rechts neben mir ein großes Gerät, das den Ton von sich gibt. Eine gerade Linie begleitet das Geräusch.
Der Anblick erinnert mich an etwas.
Ich höre Stimmen, will weglaufen, kann aber nur kriechen. Ich schaue zurück, auf meine Füße.
Aber da sind keine Beine mehr. Ein rot beschmierter Schwanz ist alles, was ich entdecken kann. Ich blicke auf meine Hand – Klauenartig.
Gott...
Ich sehe nach oben, zu meinem Gefängnis.
Es ist groß, überdimensional, aber doch erkenne ich klar und deutlich mein Gesicht ober mir. Den Mund zum Schrei geöffnet, Hals und Wange mit Blut bespritzt. Das linke Auge weit aufgerissen und das Rechte nur mehr ein blutiges Etwas mit einem Loch, aus dem ich entkommen war.