YoshiGreen
30.01.2005, 19:33
Die folgende Geschichte entstand aus einer Werte und Normen-Hausarbeit. Aufgabe war es etwas zum Thema Rollenerwartungen auszuarbeiten. Mein Beitrag war folgende Geschichte:
Edit: Ich wollte nochmal anmerken, dass die Geschichte mitte November entstanden ist, mit den aktuellen Geschehnissen also nichts zu tun hat!
Faschingsgedanken
Es war ein verregneter Mittwochmorgen im Februar. Nein es war nicht irgendein Morgen, es war der Aschermittwoch – die Karnevalszeit war zu Ende und endlich kehrte wieder Ruhe in die Kölner Straßen ein. Die vergangenen Wochen und vor allem die letzten Tage waren von Scharen lachende Menschenmassen geprägt gewesen, die sich aus allen Ecken und Ende Deutschlands hier zusammen gefunden hatten. Wo man auch hinschaute, überall sah man Clowns, Ritter oder Hexen – zusammen mit alkoholischen Getränken.
Auch Florian hatte in den letzten Tage bei diversen Büttenreden mit gefeiert und geschunkelt, aber nie in so extremen Maße und mit der Begeisterung wie seine Freunde sie an den Tag legten.
Er konnte einfach nicht verstehen, was so toll daran sein sollte, sich zu verkleiden und jedes Jahr über die selben Witze zu lachen und die gleichen Lieder zu singen – Verzeihung, zu lallen.
Nicht, dass Florian ein Spielverderber wäre, der keinen Spaß haben möchte, er unternahm viel mit seinen Kumpels und wurde als guter Freund hoch geschätzt – aber Karneval? Nein, das war nun wirklich nicht sein Fall.
Und während er durch das frühmorgendliche Köln marschierte, das wohl noch den Rausch der letzten Tage ausschlief geriet er ins Grübeln. Warum tun die Leute das? Geben Unmengen an Geld aus, um sich Kostüme zu kaufen, die sie wahrscheinlich nur einmal in ihrem Leben tragen werden, quetschen sich in enge, stickige Hallen und lassen zu grässlicher Musik, die sie sonst nie hören würden langsam ihren Blutalkoholwert steigen.
Na klar, nach dem langen dunklen Winter ist die Feierwut der Menschen natürlich gewaltig und als erstes großes Fest ist zu Fasching natürlich immer der Bär los, aber ist das wirklich der einzige Grund?
Am Ende der Straße sah Florian einen Wagen der Stadtreinigung vorbei fahren, das monotone Geräusch der Maschine wurde von den Häusern zurückgeworfen und so kam es ihm viel lauter vor, als es in Wirklichkeit war.
Vielleicht sind die Menschen ja auch unzufrieden oder versuchen im Karneval vor etwas zu fliehen, dass sie im Winter immer wieder einholt.
Der junge Mann blieb abrupt stehen. Das könnte die Lösung sein! Unzufriedenheit - vermischt mit Angst. So entsetzlich, dass man sich in einen Rausch aus Farben flüchten muss. Nur was ist es; was fürchten die Menschen; womit sind sie nicht einverstanden?
Florian setzte seinen Weg fort und grübelte weiter, aber so sehr er sich auch anstrengte, ihm fiel keine Lösung ein. Mittlerweile erschienen immer mehr Leute auf der Straße, nicht so, dass man vermuten könnte, man wäre in einer Großstadt aber doch genug, dass es einem nicht mehr so verkam, als wäre man der letzte Mensch auf Erden.
Weil ihm einfach keine Antwort einfiel beschloss er, das Problem mit Logik anzugehen. Die „Tollen Tage“ begannen ja schon im November, erinnerte er sich, genauer am 11.11. Eine Schnapszahl – wie passend dachte Florian, als er an einem Mülleimer gefüllt mit leeren Flaschen vorbei ging. Schluss mit dem „Spaß“ war Ende Februar. Jedoch kann man diese Daten nicht für sich allein betrachten, überlegte er.
Als die letzten großen Ereignisse vor dem 11.11.gelten ja die Gartenpartys zum Sommer Ende und nach dem Fasching klopft auch schon Ostern an die Tür.
Dazwischen liegt der dunkle Winter, wo die Tage kurz und die Nächte lang sind – Karneval versucht diese Zeit zu überbrücken. Bis auf Weihnachten und Silvester gibt’s hier ja auch nicht viel zu feiern. Das öffentliche Leben hält also auch so etwas wie einen Winterschlaf, nur der Gedanke an die „Tollen Tage“ bewahrt den Optimismus.
Auf einmal Florian wurde aufgeregter, er wusste, dass er der Lösung seines Problems ganz nahe war, sein Inneres hatte schon erkannt, was sein Verstand noch weigerte zu akzeptieren. Krampfhaft versuche er sich bewusst zu machen, was er schon lange ahnte, doch je angestrengter er sich konzentrierte, desto mehr entglitt ihm der Gedanke und auf einmal, ganz plötzlich, war er weg.
Alles was blieb war eine Leere und das Gefühl es versaut zu haben. Beinahe hätte er gewusst, was der Reiz an Karneval war, warum die Leute diese Strapazen auf sich nahmen, aber seine eigene Ungeduld hatte die sicher geglaubte Antwort verscheucht und ob er sie jemals wieder finden würde, war mehr als fraglich. Am liebsten hätte er seinen Kopf gegen Bäume gerammt. Stattdessen blieb er jedoch stehen und sah sein Spiegelbild in einem kleinen Rinnsal am Straßenrand an.
Er schaute in sein Gesicht, seine Augen, das Haar, das ihm wirr in die Stirn fiel und ohne Vorwarnung war alles wieder da. So klar und so präzise, dass er wusste, dass dies die Wahrheit sein musste.
Das, wovor die Menschen Angst hatten und womit sie sich nicht zufrieden geben konnten, waren – sie selbst.
Plötzlich wurde Florian von einer Flut von Gedanken förmlich weg gespült. Mit einem Mal ergab alles einem Sinn. Und die Erkenntnis war so berauschend, dass ihm der Atem stockte.
Der Mensch fürchtete sich vor sich selbst und war so unglücklich damit, dass er ihn verdrängte, wo immer es nur möglich war. Er konnte es nicht ertragen sich selbst ihn die Augen zu schauen und suchte Auswege um diese unangenehmen Begegnungen vermeiden, versuchte jemand anderes zu sein, spielte eine Rolle - nur um sich nicht selbst erkennen zu müssen.
Die ganzen Feste und Feiern im Frühling, im Sommer bis weit in den Herbst hinein, das gesamte öffentliche Leben zielte nur darauf ab, sich abzulenken, sich zu beschäftigen. Aber wenn der Winter kommt und man viel zu Hause sitzt hat man Zeit zu Grübeln, da ist niemand, dem man etwas vormachen kann, keine Rolle in die man hineinschlüpfen kann – man ist sich selbst ausgesetzt.
Zwar wird auch versucht während dieser Zeit Abwechslung und Ablenkung zu schaffen aber das klappt nicht immer. Das ist der Grund, warum die Menschen folgen, wenn der Dämon des Karnevals lockt und zum Tanz aufspielt. Eine Maske, Schminke und notfalls noch was Alkoholisches, schon vergisst man wer man ist, schlüpft in jemand anderes hinein. Glücklich schüttelt man sich die Hände, hat man doch wieder erfolgreich die dunkle Zeit überstanden, ist es doch wieder einmal geglückt sich selbst zu belügen.
Im Bächlein aus Regenwasser, Getränkeresten und anderen Flüssigkeiten trieb auf einmal etwas vorbei, das Florian aufsehen lies.
Er guckte genauer hin und schrie vor Schreck laut auf. Vor ihm trieb eine Maske – weggeschmissen von irgendjemanden. Aber nicht das Latex machte ihm Angst, sondern das Koboldgesicht, dass es darstellen sollte. Die Maske verfing sich irgendwo und drehte sich so, dass sie Florian nun aus leeren Augen ansah und es kam ihn so vor, als könnte er ein boshaftes Grinsen erkennen.
Es war, als hätte ihn jemand eine Packung Eiswürfel in den Kragen geschüttet und er drehte sich weg, um das Lachen nicht länger ertragen zu müssen. Langsam begann er zu laufen – wurde immer schneller, doch wo hin er sich auch drehte überall sah er sein gehetztes Spiegelbild in den Schaufensterscheiben und als der die leeren Straßen hinunter rannte begann er sich zu sehnen, nach der Maske im Dreck, die – so teuflisch sie auch war – einen gewissen Schutz versprach.
Edit: Ich wollte nochmal anmerken, dass die Geschichte mitte November entstanden ist, mit den aktuellen Geschehnissen also nichts zu tun hat!
Faschingsgedanken
Es war ein verregneter Mittwochmorgen im Februar. Nein es war nicht irgendein Morgen, es war der Aschermittwoch – die Karnevalszeit war zu Ende und endlich kehrte wieder Ruhe in die Kölner Straßen ein. Die vergangenen Wochen und vor allem die letzten Tage waren von Scharen lachende Menschenmassen geprägt gewesen, die sich aus allen Ecken und Ende Deutschlands hier zusammen gefunden hatten. Wo man auch hinschaute, überall sah man Clowns, Ritter oder Hexen – zusammen mit alkoholischen Getränken.
Auch Florian hatte in den letzten Tage bei diversen Büttenreden mit gefeiert und geschunkelt, aber nie in so extremen Maße und mit der Begeisterung wie seine Freunde sie an den Tag legten.
Er konnte einfach nicht verstehen, was so toll daran sein sollte, sich zu verkleiden und jedes Jahr über die selben Witze zu lachen und die gleichen Lieder zu singen – Verzeihung, zu lallen.
Nicht, dass Florian ein Spielverderber wäre, der keinen Spaß haben möchte, er unternahm viel mit seinen Kumpels und wurde als guter Freund hoch geschätzt – aber Karneval? Nein, das war nun wirklich nicht sein Fall.
Und während er durch das frühmorgendliche Köln marschierte, das wohl noch den Rausch der letzten Tage ausschlief geriet er ins Grübeln. Warum tun die Leute das? Geben Unmengen an Geld aus, um sich Kostüme zu kaufen, die sie wahrscheinlich nur einmal in ihrem Leben tragen werden, quetschen sich in enge, stickige Hallen und lassen zu grässlicher Musik, die sie sonst nie hören würden langsam ihren Blutalkoholwert steigen.
Na klar, nach dem langen dunklen Winter ist die Feierwut der Menschen natürlich gewaltig und als erstes großes Fest ist zu Fasching natürlich immer der Bär los, aber ist das wirklich der einzige Grund?
Am Ende der Straße sah Florian einen Wagen der Stadtreinigung vorbei fahren, das monotone Geräusch der Maschine wurde von den Häusern zurückgeworfen und so kam es ihm viel lauter vor, als es in Wirklichkeit war.
Vielleicht sind die Menschen ja auch unzufrieden oder versuchen im Karneval vor etwas zu fliehen, dass sie im Winter immer wieder einholt.
Der junge Mann blieb abrupt stehen. Das könnte die Lösung sein! Unzufriedenheit - vermischt mit Angst. So entsetzlich, dass man sich in einen Rausch aus Farben flüchten muss. Nur was ist es; was fürchten die Menschen; womit sind sie nicht einverstanden?
Florian setzte seinen Weg fort und grübelte weiter, aber so sehr er sich auch anstrengte, ihm fiel keine Lösung ein. Mittlerweile erschienen immer mehr Leute auf der Straße, nicht so, dass man vermuten könnte, man wäre in einer Großstadt aber doch genug, dass es einem nicht mehr so verkam, als wäre man der letzte Mensch auf Erden.
Weil ihm einfach keine Antwort einfiel beschloss er, das Problem mit Logik anzugehen. Die „Tollen Tage“ begannen ja schon im November, erinnerte er sich, genauer am 11.11. Eine Schnapszahl – wie passend dachte Florian, als er an einem Mülleimer gefüllt mit leeren Flaschen vorbei ging. Schluss mit dem „Spaß“ war Ende Februar. Jedoch kann man diese Daten nicht für sich allein betrachten, überlegte er.
Als die letzten großen Ereignisse vor dem 11.11.gelten ja die Gartenpartys zum Sommer Ende und nach dem Fasching klopft auch schon Ostern an die Tür.
Dazwischen liegt der dunkle Winter, wo die Tage kurz und die Nächte lang sind – Karneval versucht diese Zeit zu überbrücken. Bis auf Weihnachten und Silvester gibt’s hier ja auch nicht viel zu feiern. Das öffentliche Leben hält also auch so etwas wie einen Winterschlaf, nur der Gedanke an die „Tollen Tage“ bewahrt den Optimismus.
Auf einmal Florian wurde aufgeregter, er wusste, dass er der Lösung seines Problems ganz nahe war, sein Inneres hatte schon erkannt, was sein Verstand noch weigerte zu akzeptieren. Krampfhaft versuche er sich bewusst zu machen, was er schon lange ahnte, doch je angestrengter er sich konzentrierte, desto mehr entglitt ihm der Gedanke und auf einmal, ganz plötzlich, war er weg.
Alles was blieb war eine Leere und das Gefühl es versaut zu haben. Beinahe hätte er gewusst, was der Reiz an Karneval war, warum die Leute diese Strapazen auf sich nahmen, aber seine eigene Ungeduld hatte die sicher geglaubte Antwort verscheucht und ob er sie jemals wieder finden würde, war mehr als fraglich. Am liebsten hätte er seinen Kopf gegen Bäume gerammt. Stattdessen blieb er jedoch stehen und sah sein Spiegelbild in einem kleinen Rinnsal am Straßenrand an.
Er schaute in sein Gesicht, seine Augen, das Haar, das ihm wirr in die Stirn fiel und ohne Vorwarnung war alles wieder da. So klar und so präzise, dass er wusste, dass dies die Wahrheit sein musste.
Das, wovor die Menschen Angst hatten und womit sie sich nicht zufrieden geben konnten, waren – sie selbst.
Plötzlich wurde Florian von einer Flut von Gedanken förmlich weg gespült. Mit einem Mal ergab alles einem Sinn. Und die Erkenntnis war so berauschend, dass ihm der Atem stockte.
Der Mensch fürchtete sich vor sich selbst und war so unglücklich damit, dass er ihn verdrängte, wo immer es nur möglich war. Er konnte es nicht ertragen sich selbst ihn die Augen zu schauen und suchte Auswege um diese unangenehmen Begegnungen vermeiden, versuchte jemand anderes zu sein, spielte eine Rolle - nur um sich nicht selbst erkennen zu müssen.
Die ganzen Feste und Feiern im Frühling, im Sommer bis weit in den Herbst hinein, das gesamte öffentliche Leben zielte nur darauf ab, sich abzulenken, sich zu beschäftigen. Aber wenn der Winter kommt und man viel zu Hause sitzt hat man Zeit zu Grübeln, da ist niemand, dem man etwas vormachen kann, keine Rolle in die man hineinschlüpfen kann – man ist sich selbst ausgesetzt.
Zwar wird auch versucht während dieser Zeit Abwechslung und Ablenkung zu schaffen aber das klappt nicht immer. Das ist der Grund, warum die Menschen folgen, wenn der Dämon des Karnevals lockt und zum Tanz aufspielt. Eine Maske, Schminke und notfalls noch was Alkoholisches, schon vergisst man wer man ist, schlüpft in jemand anderes hinein. Glücklich schüttelt man sich die Hände, hat man doch wieder erfolgreich die dunkle Zeit überstanden, ist es doch wieder einmal geglückt sich selbst zu belügen.
Im Bächlein aus Regenwasser, Getränkeresten und anderen Flüssigkeiten trieb auf einmal etwas vorbei, das Florian aufsehen lies.
Er guckte genauer hin und schrie vor Schreck laut auf. Vor ihm trieb eine Maske – weggeschmissen von irgendjemanden. Aber nicht das Latex machte ihm Angst, sondern das Koboldgesicht, dass es darstellen sollte. Die Maske verfing sich irgendwo und drehte sich so, dass sie Florian nun aus leeren Augen ansah und es kam ihn so vor, als könnte er ein boshaftes Grinsen erkennen.
Es war, als hätte ihn jemand eine Packung Eiswürfel in den Kragen geschüttet und er drehte sich weg, um das Lachen nicht länger ertragen zu müssen. Langsam begann er zu laufen – wurde immer schneller, doch wo hin er sich auch drehte überall sah er sein gehetztes Spiegelbild in den Schaufensterscheiben und als der die leeren Straßen hinunter rannte begann er sich zu sehnen, nach der Maske im Dreck, die – so teuflisch sie auch war – einen gewissen Schutz versprach.